Es gab mal eine Zeit, in der die Sprache ein Korsett trug, endlose Präambeln. Stoisches Bewahren von Wortgebilden, die immer gleich verwandt wurden, um nur nichts falsch zu machen, anzuecken, nicht an Dogmen zu rühren. Man hat mir einst als Jugendredakteurin in der DDR vorgeworfen, ich entpolitisiere Texte. Doch es war nur meine Antwort auf die Seelenlosigkeit, die schlussendlich in die bleierne Zeit führte. Seit 10 Monaten erleben wir dieses C in jedem Kontext. Kaum eine Nachricht beginnt anders, kaum ein Mensch, den man vor ein Mikrofon holt, erzählt uns etwas wirklich Neues. Die Litanei wird religiös anmutend runtergebetet, mit dem Ergebnis: das Zuhören zerrinnt. Ich denke, während ich das wahrnehme: Gebt Euch mehr Mühe, verdammt! Sprache ist ein hohes Gut, man kann mit ihr Menschen gewinnen …oder verschrecken… und natürlich viel mehr. Am Morgen vor dem Shutdown spricht der Bundespräsident eindringlich im Tonfall, ja, aber die immer gleichen Worte. Wo ist die Fantasie geblieben? Shutdown – das Herunterfahren des Landes, Lockdown – das Verschließen von Orten. Allein, wenn man diese Umstände und ihre Folgen bedenkt, würden die Metaphern fließen. Dazu müsste man sich aber die Lebenszustände der Menschen, für die Politik agieren will, genauer betrachten und dem bürokratischen Monster gehörig in den Hintern treten. Denn wie kann es sein, dass die beschossenen Novemberhilfen erst im Januar bei den Menschen ankommen sollen, die mit dem Teil-Lockdown abermals im Berufsverbot stecken? Was für eine grenzenlose Gleichgültigkeit steckt in diesem Zustand. Da geht hinter vielen Fenstern nach und nach das Licht aus, weil ein Softwareprogramm nicht gelingt? Armes Deutschland, unfassbar! Das Bürokratiemonster lähmt und vernichtet Existenzen: Menschen.
Meine Güte, das Leben tickt nicht in juristisch standfesten Logik-Sätzen! Es läuft nicht fehlerlos, es braucht vor allem in dieser Menschheitskrise VERTRAUEN, ZUTRAUEN, MITMENSCHLICHKEIT, RESPEKT und vor allem nicht das unterirdische Lied der Mittelmäßigkeit, sondern HÖCHSTLEISTUNGEN (damit ist nicht Aktivismus gemeint!). Deutschland – der Klassenbeste in der Welt, scheinbar lange her, augenblicklich mutet es eher wie eine Mogelpackung an.
Morgenstunde (438. Blog-Notat)
Sie sind endlich eingetroffen, die zwei neuen Märchenplatten (Alu-Verbund). Sie sind wetterfest und kommen im Frühling als neues Detail in meinen Lesegarten. Vielleicht wird es ja irgendwann wieder diese lauschigen Nachmittage mit Gästen unter der Linde geben. Sie scheinen mir weit entrückt, hinter der gerissenen Zeit. Wie werden wir zukünftig leben und wer wird dann nicht mehr bei uns sein? Fast 30 000 Neuinfizierte heute, Weihnachten könnten es doppelt so viele sein, wenn es so weiterläuft. Wir hören von der Regierung von Schnelltests für Besucher in Pflegeheimen, damit die Alten nicht vereinsamen. Aber der Schwiegervater erzählt ganz anderes. Will er zu seiner Liebsten, dann muss er sich ab Montag irgendwo anders sich einen Test machen lassen, für schlapp 150 € und vor jedem weiteren Besuch einen neuen. Noch hat man in diesem Heim keine Schnelltests. Die Wirklichkeit hinkt den Vorordnungen weit hinterher, eher boomen die Geschäftemachereien, denn wo ein Mangel, da ein Markt. Ach.
Der Imkergatte hat nun endlich ein ordentliches Honiglager und nicht mehr wilde Kistenstapel. Wenn ich nun aufwache, schaue ich auf dieses prächtige Regal…😊
Morgenstunde (437. Blog-Notat)
Ich stecke den zweiten Tag in der Weihnachtspost. Es war alle Jahre schon viel, aber dieses Jahr ist der Umfang erheblich gewachsen. Weil die echten Begegnungen fehlen, bedenke ich mehr Freunde und Bekannte. Ein paar echte Briefe sind darunter, aber die Mail-Briefe überwiegen, einfach auch, weil es zu teuer wird, alles mit der Post zu versenden. Diese Mails sind auch schön ausstaffiert, dafür habe ich extra gezeichnet, die Blog-Leserschaft wird das im Weihnachtsgruß sehen können – am 24. Dezember. Aus all dem Tun wächst eine stille Freude, die mir guttut. Momentweise kann man in ihr die Sorgen verdrängen und die Gedanken zu den Menschen wandern lassen, an die sich meine Post wendet. Der Liebste ist inzwischen aus dem Erzgebirge zurück und baut an einem Honig-Lager-Regal. Dass habe ich mir gewünscht, damit ich im Erwachen nicht ständig auf Kisten und auf Honigabfüllgefäße schauen muss. Das Schlaf- und Bücherzimmer ist halt der Raum, mit der besten Lagertemperatur, aber das Regal wird mir den Anblick verstellen 😊.
Das 90jährige Schwiegermütterchen scheint die Corona-Lungenentzündung, das Nierenversagen und zwei Herzinfarkte (alles in vier Wochen) zu überstehen. Wirklich wundersam oder einfach gemäß dem Spruch „Todgesagte leben länger.“ – als Pflegefall. Die Kriegskindergeneration ist wahrhaft vom harten Schlage, wir sind es nicht. Aber vielleicht ist es ja auch eine Gnade, nicht so ein hohes Alter erreichen zu müssen. Ich weiß es nicht.
Lesezeit 23
Weil die Lesebühnen weiter geschlossen sind, gibt es nun ab und zu Vorlesevideos aus dem Atelier am Schorfheidewald. „Winter- und Weihnachtsgeschichten“ lautet diesmal das Thema der kurzen Lesezeiten, Diesmal: Der Puck des Lichterkettenmanns.
Sollte sich das Video nicht öffnen lassen klickt bitte hier:
Die Geschichte zum Nachlesen findet Ihr hier:
Morgenstunde (436. Blog-Notat)
Die Stimmung draußen ist seltsam, kein Vogel weit und breit. Es ist mittags so dunkel, als wollte es gleich schneien. Ist aber viel zu warm. Der Liebste ist zu seinem Vater ins Erzgebirge aufgebrochen. Etwas beistehen und zur Hand gehen. Ins Krankenhaus dürfen sie weiter nicht. Das Leben ist bedrückend geworden, es kostet Kraft, den inneren Antrieb nicht zu verlieren, und ich glaube, das geht nicht nur mir so. Also wusele ich vor mich hin, vielleicht wird es mit dem neuen Auftrag besser. Gestern kam wirklich die Bestätigung per Mail: Ich darf einige Buchcover-Entwürfe für einen Thüringer Verlag zeichnen, es geht ums Lesen und meine Schrägen Vögel sind dafür als Protagonisten erwünscht. Das ist doch mal wieder was. Also nachdenken, eine Idee entwickeln und währenddessen koche ich, wecke ein, denn so viel Kürbissuppe kann man ja gar nicht auf einmal essen, wie so ein Teil hergibt. Unsere Nachbarn haben uns gestern mit ihren Plätzchenköstlichkeiten überrascht – zum Nikolaus, das war wirklich schön, denn meine Weihnachtsbäckerei wird dieses Jahr nicht eröffnet, die kleine Stolle aus Luckau reicht…
Winterschläfer
Morgenstunde (435. Blog-Notat)
Mitten in den gestrigen Freitag schlug die telefonische die Nachricht: Die Schwiegermutter käme nachmittags aus dem Krankenhaus. Das verschlug uns die Sprache, denn noch vor zwei Tagen meinte eine behandelnde Ärztin, sie wüssten gar nicht, weshalb die Frau überhaupt noch lebe, denn die Nieren funktionierten nicht mehr, ein Herzinfarkt war zu der schweren Corona-Lungenentzündung hinzugekommen usw. Was ist geschehen – ein Wunder? Nein, offenbar eine Form von Triage. Nicht ein Beatmungsgerät wurde abgestellt – man brauchte schlicht das Bett. Und so kam gestern das Schwiegermütterchen komplett instabil zum Vater zurück, für ein paar wenige atemraubende und desillusionierende Stunden, bevor abermals die Rettung geholt werden musste, weil das Atmen nur noch Röcheln war. Wie kann man nur eine totkranke Frau einfach nur nach Hause schicken? Der Vater hatte mit der Entlassungs-Ansage schon die aufgeregte Freude, sie wäre plötzlich genesen. Was für eine Achterbahn der Gefühle! Triage – längst Gegenwart. Die Auer Klinik ist seit Tagen am Limit, das wissen wir aus den Nachrichten. Ich verstehe, dass Ärzte dramatische Entscheidungen in diesen Tagen treffen müssen. Die medizinischen Ressourcen reichen nicht, da gilt nicht mehr: Jeder Notfall wird behandelt. Sondern nur noch nach dem Prinzip gehandelt: Wer hat eine Überlebenschance? Im schlimmsten Auswahlfall werden nach dem Triage-Prinzip Schwerstkranke zum Sterben auf die Palliativstation verlegt. Aber einfach krank nach Hause in Coronazeiten? Drei Wochen durfte niemand aus der Familie zu ihr ans Krankenhausbett. Was für verwirrende Zeiten! Der Liebste wird am Montag zum völlig zermürbten Vater fahren, am Wochenende kümmert sich der Bruder und alle hoffen natürlich, dass sie das Virus aus dem dunkelroten Gebiet nicht nach Hause tragen…
Lesezeit 22
Weil die Lesebühnen wieder geschlossen sind, gibt es abermals nun ab und zu Vorlesevideos aus dem Atelier am Schorfheidewald. „Winter- und Weihnachtsgeschichten“ lautet diesmal das Thema der kurzen Lesezeiten, Diesmal: Der Schuhputzer.
Sollte sich das Video nicht öffnen lassen klickt bitte hier:
Zum Nachlesen findet Ihr die Geschichte hier:
Morgenstunde (434. Blog-Notat)
Drei Nebelkrähen wachen über die winterbrachen Gärten vor dem Schorfheidewald. Seit Jahren leben sie hier zu dritt. Der Umstand könnte eine Geschichte ergeben – irgendwann einmal. Jedenfalls klauen die Drei erfolgreich beim Überüberüber-Nachbarn Federviehfutter und weichen das harte Brot in unserer Bienentränke ein. Das macht gerade gar nichts, denn die Bienen fliegen unter 10 Grad nicht mehr. Aber ich mag es, wenn die Krähen einschweben und unser Tun aus den Baumwipfeln beobachten.
Vorsichtige Hoftorgeschäfte mehren sich in diesen Tagen. Honigfans und Bücherfreunde kommen zu uns, um fürs Fest einzukaufen. Das freut uns sehr. Natürlich wäre es schöner, sie zum Stöbern ins Atelier zu lassen, aber das verkneifen wir uns dieses Jahr, auch das besucherfreundliche Heißgetränk. Und so tragen wir, je nach Begehren, meine Bücher … und/oder die Honigverkostegläser in den Hof zum Freisitz… alles ganz regelkonform und mit Abstand. Schlottern ist dabei leider angesagt, der vor Wochen georderte Terrassenofen lässt immer noch auf sich warten.
Alle anderen Aktivitäten sind nun endgültig bis Jahresende abgesagt. Bis gestern habe ich noch für einen Videodreh im Eberswalder Museum geübt. Sie hatten für den Advent eine Ausstellung mit meinen Sagenzeichnungen vorbereitet. Zur Eröffnung sollte ich dazu am Nikolaustag eine Lesung geben. Tja, mit dem erneuten Lockdown wurde daraus nichts, aber man wollte stattdessen eine virtuelle Ausstellung über die Museumswebseite geben, und ich sollte dafür einige Sagen einlesen. Doch gestern wurde auch das gecancelt, zu arbeitsaufwendig in der Kürze der Zeit. Nun denn…
Morgenstunde (433. Blog-Notat)
Wer war gestern der Plätzchen-Wichtel an unserem Briefkasten? Bitte verrate es mir, damit ich getrost daran knappern und mich bedanken kann. Echt, so etwas ist so herzensgut, da klagt eine vor sich hin und schon kommt, was sie nicht hat. Dazu habe ich gestern das einzige Mal gelächelt. DANKE liebe Plätzchen-Wichtelin! Die Überraschung ist gelungen.
Während ich das schrieb, gongte das Maipostfach und ich las:
…ich fand es heute ziemlich traurig, als Du geschrieben hast, dass Du in diesem Jahr noch keine der ge- und beliebten Weihnachtsplätzchen, gebacken hast… Und Du warst damals so lieb und hast mir Euer Familienrezept verraten. Seit dieser Zeit gehören sie auch bei uns zum Plätzchensortiment.
Schau mal in Deinen Briefkasten…lasst sie Euch schmecken…lgma
Das nenne ich Telepathie 😊. Ich hab sie gekostet und ja, liebe Marlis, sie schmecken exakt wie die meiner Böhmischen Großmutter Marie. Ich bin gerührt und beglückt ineinem. Dankeschön dafür!
Diese Aktion erinnerte mich auch an die einstige Wichtelei im Verlag in der Berliner Mauerstraße. In unserer Redaktion war es üblich, dass jeder Ende November per Los seinen Wichtelempfänger zog. Danach hatte man drei- bis fünfmal zu Wichteln, heimlich und unerkannt. Nichts Teures, pfiffig und treffsicher sollte es sein. Zur Weihnachtsfeier, wozu der Wichtel sein echtes Geschenk anonym in den Geschenkesack einbrachte, ging es darum, dass die Beschenkten ihren Wichtel erraten. Es war eine erweiterte Form des Julklapps und ein Mordsgaudi. Die Pförtnerloge glich in dieser Zeit eher einer Weihnachtspostzentrale… Naja, lang, lang ist’s her. Aber Dorfwichteln ist auch sehr schön 😊.