Morgenstunde (995. Blog-Notat)

Die ersten zwei Raben flattern über den Zeichenkarton. Zeichen des Aufbruchs. Ein Träumchen von Apfelkuchen kam am Freitag von Nachbarin Christina rüber gesandt. Ach, Dankeschön, etwas zum Sinne wecken 😊. Nächste Woche geht’s mit allem was trägt auf die Insel, den Lagerkoller verscheuchen. Wünsche ein schönes Wochenende allerseits!

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Morgenstunde (994. Blog-Notat)

Die Lücke in der Zeit
Wo waren nur die letzten Wochen hin? Eine stumme Schwebe durchzogen sie und nichts, wirklich sogar nichts hatte sie aus dieser Zeit vorzuweisen. Keine gute Zeile, kein Bild, keinen klugen Gedankenblitz. „Hals und Beinbruch!“ als Glücksformel zu benutzen, das ist einfach nur grotesk, dachte humpelnde Frau. Es ist wohl eher so, dass das neidzerfressene Theatervolk nur auf einen Unfall lauerte, der die Zweitbesetzung ins Rampenlicht befiehlt. Wer spielt gerade ihre Rolle, während sie im Dornenschuh die Lücke in der Zeit durchschritt? Sie spürte ganz deutlich, wie sie verschwand. Verborgen zwischen nicht notierten Zeilen. Feststeckend im Schmerz-Rondo ihrer Bein-Fraktur.
Es ist die neunte Woche in diesem Zeitvakuum, als sie sich endlich von ihrem zerwühlten Lager erhob, um sich auf einen Rollator gestützt, durch die Wohnung zu bewegen. Vorsichtig und instabil. Die Hände schmerzen vom abzufedernden Gewicht, als würde sie an Geräten turnen. Es wird Zeit, die Lücke zu schließen…

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Morgenstunde (993. Blog-Notat)

Hinter dem Fensterglas dampft das Weinlaub und im Efeu tobt die Spatzenbande. Innenflügel blitzen weiß auf, man könnte meinen, es tanzten Feen im Rauch. Ich liebe diese Zeit, in der die Märchen aus jedem Nebeltropfen aufsteigen. Sie nährt meine Fantasie, auch wenn ich gegenwärtig nicht durch diese Landschaft streifen kann. Der Liebste geht dafür fast täglich in den Wald und bringt mir schönste Pilze zum Verarbeiten mit. Ein 5-Liter-Glas getrockneter Steinis und Maronen haben wir schon gefüllt. Ich füge mich derweil in das anhaltende Dilemma und akzeptiere, dass das wieder-Laufen-Lernen doch länger dauern wird. Es geht nur in Minischritten voran, aber die Stimmung bekommt Auftrieb. Habt ein schönes Wochenende alle miteinander!

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Morgenstunde (992.Blog-Notat)

Nun habe ich zwei Tage auf der Lage rumgekaut, wie ein alter Hofhund auf einem ollen Knochen. Ja, der Stützschuh durfte am Montag weg, und nun meinte der Doc:  Belastung bis an den Schmerzpunkt ist jetzt möglich. Mit dem Rezept für sechs Physios sollte es losgehen, doch ich bekam natürlich nicht umgehend einen Termin. Alle Bücher seien voll, die Hilfe gibt erst ab 28. Oktober… ☹. Dank Youtube-Videos kann ich selbst mit dem Training beginnen. Aber was heißt nun – bis an den Schmerzpunkt? Vorsichtiges frei Stehen geht, frei Laufen nicht. Sachtes Aufsetzen des Fußes, mit abgestützter Belastung für ein paar Schritte – Schluss. Schon davon tags darauf Muskelkater und Gelenkschmerzen. Es wird also dauern.

Wenigstens ein Fenster konnte ich – selbst stehend (!) – gestern putzen, um die Spur der Verachtung aus meinem Blickfeld zu wischen. Nachbars Kater war vor Wochen so sauer auf mich, dass ich ihn nicht mehr täglich vor der Tür begrüßte, dass er auf das Blumenfenster zu meinem Sofalager sprang und die Scheibe großflächig markierte. Das war ne Ansage, durch die ich den ganzen September blicken „durfte“. Es wird Zeit, dass ich nun nach und nach Hand an die Ecken und Enden legen kann…

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Morgenstunde (991. Blog-Notat)

Noch zwei Tage, noch drei Thrombose-Spritze, dann Röntgen und schauen, ob ich wieder laufen darf und kann. Ehrlich, nach den reichlich sechs Wochen eingeschränkt sein, gibt es nichts, was ich mir mehr wünsche: Laufen. Ich träume nachts davon. Wir haben endlich einen festen Termin für die Eltern-Beerdigung. Es wird nun der 8. November sein – unsere wahrscheinlich letzte Fahrt ins Erzgebirge. Die lange Wartezeit entstand, aus der schwierigen Terminkoordination der kleinen Verwandtschaft. So ist das, wenn ein Abschied in prall gefüllte Kalender fällt. So zieht sich der Abschied hin. Nicht so gut. Der Liebste geht derweil seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Steinpilze finden. Gestern brachte er strahlend seinen ersten Fund in diesem Herbst nach Haus. Das Glück wohnt nicht weit…Im Atelier duftet es inzwischen nahrhaft von den Trockensieben über der Heizung 😊.

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Eine Buchbesprechung

Ungleich vereint – Warum der Osten anders bleibt
von Steffen Mau

Diese Schrift gehört wohl ins Stammbuch der Deutschen. Wenig schmeichelhaft entblättert es den Zustand der Deutschen Einheit. Es spricht von „Unaufrichtigkeiten in der Kommunikation der Vereinigungsgesellschaft zweier unterschiedlicher Deutungshoheiten“, woraus neue Entfremdung entstand. Missverständnisse und Dissonanzen häuften sich. Rühren daher die ostdeutschen Verwerfungen? Steffen Mau analysiert die Konflikt- und Problemlagen und kommt zu dem Schluss einer „Verstetigung ostdeutscher Eigenheiten“, die aus einem „spezifischen Umbruchsgedächtnis“ immer wieder neu gespeist werden. Die ausgebremste Demokratisierung von 1989/90 führte durch die Wiedervereinigung zur Endpolitisierung, auch die Selbstentmachtung durch den Beitritt. Es galt das Ländchen auf bundesdeutsche Standards zu trimmen und nicht seine Graswurzelbewegungen zu erhören. Dem folgten die Belehrungen durch westdeutsche Diskurseliten. Hier entstanden Abwehrformeln und das Erinnerungsprivileg. Mau spricht von Identitätsfacetten und von den Ostdeutschen als einer „Erfahrungsschicht“, die sich nicht separieren will, sondern gleichberechtigte Teilhabe verlangt. Sein Fazit: „Es gibt eine andauernde Zweiheit in der Einheit.“
Natürlich gibt es auch einen analytischen Abstecher zur Entstehung der AFD und Interpretationen zum Zustand der Ost-West-Debatte, womit es unterschiedliche Zugänge zu dem nicht ganz leicht verdaulichen Sachbuch geben wird.

Petra Elsner

Ungleich vereint – Warum der Osten anders bleibt
von Steffen Mau, ISBN: 978-3-518-02989-3, Edition Suhrkamp, Softcover, 18 €

 

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Morgenstunde (990. Blog-Notat)

Gestern habe ich Bücher für meine nächste Lesung im Groß Schönebecker Jagdschloss nachbestellt. Diesmal geht es um die Kriminalgeschichte „Stumme Gänse“. Wer Lust hat, sich damit auf den Advent einstimmen zu lassen, kann ja schon mal Karten vorbestellen (unter dem Link zum Schloss).
Mich hat die letzten Stunden der Essay „Die Prinzipien der menschlichen Dummheit“ von Carlo Maria Cipolla beschäftigt. Die kleine Schrift schenkte mir meine gute Freundin Ines vielleicht mit dem Hintersinn, die jüngsten Wahlen zu erklären… wer weiß. Der Autor betrachtet darin das Wirken von Unbedarften, Intelligenten, Banditen und Dummen und ihre Anteile in der Gesellschaft. Für mich ein wenig sprödes Thema, aber zum Ende findet sich dieses aufschlussreiche Fazit:

„In einem sich im Niedergang befindlichen Land ist der Anteil an dummen Menschen immer gleichbleibend s; dennoch beobachtet man in der übrigen Bevölkerung, vor allem bei denen, die Macht ausüben, eine alarmierende Ausweitung des Banditentums mit einem hohen Prozentsatz an Dummheit… und bei denen, die keine Macht ausüben, eine gleichermaßen alarmierende Zunahme der Zahl von Unbedarften… Diese Veränderung in der Zusammensetzung der nicht dummen Bevölkerung stärkt unvermeidlich die zerstörerische Macht des Anteils s der Dummen und führt das Land in den Ruin.“

Dacht ichs mir doch… so oder so ähnlich😊

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Morgenstunde (989. Blog-Notat)

Was für ein stiller, feiner Tag. So viele Grüße, gute Gesundheitswünsche, Zuspruch von allen Seiten. Dafür bin ich sehr dankbar. Wir wollten heute am Meer spazieren gehen und beim Bansiner Fischkopp einkehren. Stattdessen: Sofasitzen. Christina kam wie im Märchen mit selbstgebackenem Kuchen und Wein zur Großmutter 😊 und ging gleich wieder, weil ich einfach augenblicklich nicht die wendige Gastgeberin spielen kann. Wird nachgeholt. Versprochen. Aber dann klingelte es noch einmal und eine Uralt-Zugfreundin traft ein. Dr. Petra N. habe ich seit 18 Jahren nicht mehr gesehen. Plötzlich stand sie da und freute sich, dass ich sie noch erkannte. Wie könnte ich diese unglaubliche Frau vergessen. Dreimal pro Woche gab es zwischen Fürstenwalde (Spree) und dem Alex auf dem R1 für uns jahrelang diese tiefsinnigen Gespräche, die uns für immer verbanden. Die Strahlenärztin bekam in ihrem Alltag so viel Leid zu sehen, da ist man ohne Umschweife beim Eingemachten. Das bleibt, nur unsere Wege haben sich inzwischen sehr verändert. Dr. Petra wusste nicht, dass ich heute Geburtstag habe, sie mag den Wald, das Pilze suchen und wilde Gärten, da war sie in unserem gerade richtig. Ich glaube, ich werde bis tief in den Winter mit dem Wildwuchs kämpfen… Aber jetzt möchte ich erst einmal allen, die heute an mich gedacht haben, DANKESCHÖN sagen, es war eine Freude für mich!

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Eine Buchbesprechung

Das Mädchen zwischen den Zeilen
von Sylvia Krupicka

Meistens ist Gewitterwolkenstimmung zwischen der fast 13-jährigen Simone und ihrer Mutter. Simone sieht es an ihrem Strichmund, wenn so ein Wetter aufzieht. Darin gibt es Schläge und überbordende Strafarbeiten. Die unterkühlte Frau dominiert Simones Leben. Der Vater ist übergriffig und unterbindet die Kontakte der Tochter. Das Mädchen flüchtet sich hinter eine unsichtbare Wand, dort ist es allein und ganz in seiner Welt. Manchmal erwacht dort das „Steingefühl“, manchmal das „Heißer-Wind-Gefühl“. In „Das Mädchen zwischen den Zeilen“ erlebt der Leser den wütenden Gefühlstrudel einer Heranwachsenden, der sie in ihren „Fantasiekeller“ treibt, in dem sie in Schraubgläsern schlimme Gedanken konserviert. All die unaussprechlichen Worte, all die inneren Nöte und Verdächtigungen. Sie kann die Gläser vielleicht irgendwann wieder öffnen, sich ansehen oder für immer wegschließen. Die Ereignisse überschlagen sich, als sich Simone das erste Mal verliebt.
Der Roman von Sylvia Krupicka führt uns authentisch zurück ins Jahr 1973.  Die Wohngegend befindet sich nahe der Berliner Mauer. Dort gibt es eine „Pause“ im Grenzgebiet, eine Brache, auf der die Fantasie erblüht. Sprache und Gedankenwelt des Buches liegen stimmig in der Zeit, ohne dass sie Staub ansetzen. Denn das Mädchenbuch erzählt – auch interessant für heutige Eltern – von den inneren Nöten, die aus mangelnder Zuwendung und alten Rollenbildern entstehen. Ein mutiges, zeitloses Buch; sehr empfehlenswert.

Petra Elsner

Das Mädchen zwischen den Zeilen von Sylvia Krupicka, Klappenbroschur 146 Seiten, Edition Periplaneta, ISBN: 978-3-95996-272-8, 14,50 €

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Morgenstunde (988. Blog-Notat)

Alles zurück auf Anfang. Donnerstag sollte die Beerdigung der Schwiegermutter stattfinden. Nun ist heute Nacht der Schwiegervater gestorben. Wir sind gefasst, denn er war letzte Woche zeitweise schon gar nicht mehr ansprechbar und es war sein letzter Herzenswunsch, mit seiner Frau gemeinsam beerdigt zu werden. Das wird nun so sein. Wir sind mit dem Absagen und der Neuplanung beschäftigt – was für ein grausliges Jahr. Der Liebste raucht Kette. Sein Verstand raunt, sie haben sich lange genug gequält, aber das Herz schmerzt verwaist. Er ist nicht mehr jemandes Kind, das muss man erst einmal erfassen. Die Eltern-Zeiten sind vorbei…

Uferlose Liebe

Als sie ging
blieb ein stiller Schatten
der ließ die Tür noch
einen Spalt weit offen
So konnte er ihr
kaum später nachfolgen
seiner Liebe
über den Tod hinaus.

(pe)

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