Offene Ateliers 2016

Eben fertig geworden: Das Motiv für meine virtuellen Einladungen zu den Tagen der offenen Ateliers 2o16. Der programmatische Text kommt dazu, wenn die Zeit ran ist, also etwa in drei Wochen …

Einladungsmotiv - offenes Atelier am Schorfheidewald 2016. Zeichnung: Petra Elsner
Einladungsmotiv – offenes Atelier am Schorfheidewald 2016.
Zeichnung: Petra Elsner

Visits: 1179

Dellwog und der Flößer

Flussgott Dellwog Zeichnung: Petra Elsner
Flussgott Dellwog
Zeichnung: Petra Elsner

Es war spät. Für einen Moment schien der Regen nachzulassen, blaue Schatten legten sich über Wald und See.  Dort schwammen Heinrichs Stämme. Morgen würden sie als Trift auf Flussfahrt gehen. Im Reisestall für Pferde und Kutschen schliefen schon die Knechte, und auch der Flößer Heinrich wollte hier ein Strohlager finden. Aber jetzt brauchte er zunächst etwas Warmes. In der kleinen Gaststube brodelte noch Kaffeewasser, und die Viehhändler und Holzaufkäufer würfelten um die besten Schlafplätze. Heinrich ging zur Feuerstelle und rieb sich die klammen Hände. Aus der Ecke neben dem Tresen lugte eine seltsame Gestalt ins Kerzenlicht. Die Wirtin reichte Heinrich wortlos einen dampfenden Becher, deutete zu dem Schattenriss in dem Winkel und flüsterte dem Flößer zu „ein Kaffeeriecher, ein Schnüffler des Fürsten.“

Heinrich wandte sich ungerührt den Spielenden zu und schlürfte den geschmuggelten Kaffee. „Will er morgen flößen?“, fragte ihn einer der Viehhändler. Heinrich nickte.

„Das wird wohl nichts werden“, raunte die Runde. „Wieso nicht?“, stutzte der Fröstelnde.

„Weil das Schleusenschütz klemmt“, murrte die Wirtin. „Wir werden hier noch alle absaufen, wenn die Pegel weiter im Regen steigen.“

„Es klemmt nicht, ein mächtiges Ungetüm hängt dran!“ knurrte einer der Viehhändler. „Wie eine quallige Saugglocke belagert es das Schütz und spritzt grüne Säure, wenn man nach ihm sticht.“

Heinrich wurde unruhig: „Seit wann hockt es da? Und gibt es gar keinen Weg, es zu vertreiben?“

Die Männer zuckten mit den Schultern, nur die Gestalt im Treseneck murmelte aus dem Dunkel: „Seit Urzeiten wandelt zwischen den Seen und den sumpfigen Niederungen der Schorfheide ein kleiner, launischer Flussgott umher. Er entsprang eben diesem See als Döllnfließ, dem, wenn man es befahren wollte, eine Locke zu opfern war. Dieser längst vergessene Wasserfürst heißt Dellwog. Wenn er wütend ist, verwandelt er sich in eine glibberige Riesenqualle, die alles aufsaugt, was sich ihr in den Weg stellt, aber ansonsten schwimmt er als bunt geschuppte Gestalt friedfertig mit den Wellen. Doch man hat dem Dellwog die Flanken beschnitten, seine Windungen begradigt, damit die Flößer das Holz schadlos aus dem Wald hinaus bringen können. Und nun stöhnt und wütet er vor Schmerz.“

Oh je, dachte Heinrich. Gewiss, das Döllnfließ war keine leicht zu beflößende Gasse, aber dass ein Flussgott dieses grün-blaue Band durch das Land zieht, wusste er nicht. Wie sollten nun seine Stämme rechtzeitig zu dem Hamburger Schiffbauer gelangen, wenn Dellwog sich nicht besänftigen ließe? Noch als alle Gäste des Krugs fest schliefen, starrte Heinrich ins Kaminfeuer und dachte nach.

Im Morgengrauen regnete es wieder Blasen und Heinrichs Stämme drohten über die Schleuse zu stürzen. Der Flößer sah, wie der strömende Regen alles an Land mit sich spülte und dabei kam er auf eine Idee: Der Mann schöpfte sich eine Handvoll Regenwasser aus einer Pfütze, sprang damit in den See und tauchte zur Quelle des Fließes. Dort unten öffnete er seine Hand und der weiche Regen floss, schob, spülte und löste schließlich den Schmerz des Flussgottes auf und schwemmte ihn davon. Heinrich stieg aus dem Wasser, schnitt sich eine Haarsträne ab und warf sie mit den Worten: „Dellwog, sei friedlich, ich achte dich!“ in die schäumenden Wellen. Dann zog er das Schleusenschütz, und seine Stämme begaben sich auf die lange Fahrt flussabwärts, hinaus aus dem Wanderland in die Welt.

(Aus meinem Buch “Schattengeschichten aus dem Wanderland” – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel “Die Gabe der Nebelfee”

Spende? Gerne!
Hat Ihnen diese Geschichte gefallen? Vielleicht möchten Sie mich und mein Schaffen mit einem kleinen Obolus unterstützen? Sie können das ganz klassisch mit einem Betrag Ihrer/Eurer Wahl per Überweisung tun. Die Daten dafür finden sich im Impressum. Dankeschön!

Visits: 1921

Schräge Vögel in Arbeit

Es ist ja so ein wunderbarer Frühlingstag da draußen, aber ich muss zwischen der Gartenliebhaberei noch ein paar Striche setzen, denn in fünf Wochen steigen wieder die Tage der offenen Ateliers in Brandenburg. Bei mir wird am 8. Mai ab 11 Uhr geöffnet sein, und dafür zeichne ich gerade das Einladungsmotiv. Natürlich haben zu so einem Ereignis meine Schrägen Vögel wieder einen demonstrativen Auftritt …

Schräge Vögel in Arbeit. Zeichenarbeit von pe
Schräge Vögel in Arbeit.
Zeichenarbeit von pe

Visits: 879

Die kleinen Dinge

Die kleinen Dinge im Lesegarten. (pe)
Die kleinen Dinge im Lesegarten. (pe)

Die Grippe hatte mich Ostern voll im Griff. Der Kopf  wie heißer Quark. Kein Strich, keine Silbe… ein bisschen Fingerspaß war dann aber doch:
Auf der Gartenbanke in der Sonne entstanden diese kleinen Waldgnome aus Rebenholz, die jetzt im Lesegarten dem Erwachen der Natur zuschauen.

Sie gehören zu meinen Spielzeugen, die im Lesegarten für winzige Überraschungsmomente sorgen sollen. Es geht hier nicht um Kunst…

 

 

Waldgnom. (pe)
Waldgnom. (pe)
Waldgnom. (pe)
Waldgnom. (pe)

Visits: 1118

Mit den Rangern zu den Schätzen der Schorfheide

Das Döllnfließ unweit des Schorfheidedörfchens Kappe. Foto: Lutz Reinhardt
Das Döllnfließ unweit des Schorfheidedörfchens Kappe.
Foto: Lutz Reinhardt

Im Frühling beginnen wieder die Ranger-Erlebnistouren. Bei dieser neunten Offerte führen 27 Entdeckerrouten der Naturwacht quer durch Brandenburg. Mit den kompetenten Rangern in den Großschutzgebieten unterwegs zu sein, bringt eine Ansprache für alle Sinne.

Zugleich schärfen sie den Blick für die regionale Wirtschaftsgeschichte der Menschen. Ins Gebiet der Schorfheide führt beispielsweise die Exkursion „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ am 5. Juni 2016.
Die Tour spürt den Spuren des Wassers nach. Sie folgt dem Lauf des 28 Kilometer langen Döllfließes, zeigt wo für die Flößerei einst seine Mäander begradigt wurden und auch wo man sich heute müht, passagenweise diesen Zustand zurück zu bauen, um das Wasser länger in der Schorfheide zu halten.

Dazu gehört auch die Renaturierung einiger Flächen der Moorlandschaft im Westen dieses berühmten Waldgebietes.

Echter Laubfrosch am Döllnfließ. Foto: pe
Echter Laubfrosch am Döllnfließ.
Foto: peDas Moor als eine Art Schwamm soll wieder die Landschaft mit Nässe versorgen. Alte Namen wie Hagelberger Posse, Punskuhl, Nessellake, Dusterlake und Entenparadies lassen ahnen, wie pitsch-nass das Gebiet einst war.  Die Ranger erklären die 300-jährige Fließgeschichte unterwegs und auch von der Klingelmarie, einer Sagengestalt aus dem Punskuhl an der Döllner Chaussee, wird erzählt.
Döllnfließ Dorfmitte-Kurtschlag. Foto: pe
Döllnfließ Dorfmitte-Kurtschlag. Foto: pe

Bei Klein Dölln demonstriert die Landschaft selbst, wie das Schichtenwasser aus dem Boden eines alten Fließbogens quillt. Ein paar Schritte weiter gibt es originelle Kunst im Wald zu bestaunen, bevor es im Kurtschlager Gasthof „Mittelpunkt der Erde“ zur Mittagseinkehr kommt. Der Nachmittag führt weiter zur „Gewässerschau“ an das Faule Fließ und das Trämmerfließ. Zum Abschluss der gelehrigen wie beschaulichen Tour kann der Gast noch dem Schorfheidemärchen „Dellwog und der Flößer“ auf dem nahen Kurtschlager Künstlerhof  lauschen (das ist bei uns – der Malerin & Autorin und dem Fotografen).

Silberreiher am Döllnfließ. Foto: pe
Silberreiher am Döllnfließ.
Foto: pe

Zu Fuß wäre diese Strecke kaum zu bewältigen, deshalb bringt ein Kleinbus die Teilnehmer zu den Etappen. Gestartet wird am Bahnhof Groß Schönebeck um 9.15 Uhr. Hier unterhält die Naturwacht im Bahnhofsgebäude seit 2012 einen kleinen Ausstellungsplatz. Reinschauen lohnt sich, denn der Ankömmling erfährt hier haargenau, wo er sich befindet. Es ist eine Art Fenster in die Heide. Die zweisprachige Ausstellung im ehemaligen Wartesaal betrachtet Naturräume der Projektpartner im polnischen Drawsko Pomorskie und in der Schorfheide.

Ranger Uwe Schneider erklärt: „Den Weidendom haben wir gerade mit unseren Junior-Rangern, den einstigen Wilden Spürnasen, aufgebaut. Die wilde Fläche neben dem Bahnhofsgebäude von ca. 180 Quadratmetern werden wir in einen Biogarten verwandeln. Quartiere für Insekten sind als nächstes dran.“ Foto: pe
Ranger Uwe Schneider erklärt neben dem Bahnhof in Groß Schönebeck: „Den Weidendom bauen wir gerade mit unseren Junior-Rangern. Die wilde Fläche neben dem Bahnhof von ca. 180 Quadratmetern werden wir in einen Biogarten verwandeln. Quartiere für Insekten sind als nächstes dran.“
Foto: pe

Beide Ausstellungsorte beleben stillgelegte Bahnhofsgemäuer. Wenn im nächsten Jahr die Raumbindung der Schau in Groß Schönebeck ausläuft, bleibt die Naturwacht weiter Mieter am Bahnsteig der Heidekrautbahn und wird hier den Ausstellungsblick in die Schorfheide erweitern.
Wer die Ausstellung zu einem anderen Zeitpunkt besuchen möchte, sollte sich telefonisch ankündigen. Der Ort hat keine feste Betreuung, denn die Ranger sind meist zur Umweltbeobachtung unterwegs im Revier.

Seit über 25 Jahren betreut die Naturwacht das Grundwassernetz in der Schorfheide, in dem gilt es die Grundwasser- und Oberflächenpegel zu messen, um den ökologischen Zustand bewerten zu können.

In der Ausstellung im Bahnhofsgebäude wird über Themenbäume das große Waldlabor in der Schorfheide erklärt. Es ist ein erster Einstieg. Wer mehr wissen will, pilgert weiter ins Schorfheidemuseum.
In der Ausstellung im Bahnhofsgebäude wird über Themenbäume das große Waldlabor in der Schorfheide erklärt. Es ist ein erster Einstieg. Wer mehr wissen will, pilgert weiter ins Schorfheidemuseum.

Als Dienstleister des Großschutzgebietes dreht sich ihr Alltag vor allem um Artenerfassung,  die Umweltbildung in Kitas, Schulen und die Nachwuchsarbeit mit den zehn Junior-Rangers der Waldschule. Und manchmal sie sind einfach nur auf einer individuell gebuchten Führung zu Fuß oder per Rad unterwegs zu den schönsten Schauplätzen in der Natur. Also einfach vor dem Besuch anrufen.
Petra Elsner

Anmeldung und Information: Naturwacht Groß Schönebeck, Telefon: 033393 63819, Mobil: 01705735148,
wildfang@naturwacht.de,

Kosten:       15 € pro  Person, Verpflegung in Gaststätte auf eigene Kosten, Anmeldeschluss ist der 27. Mai 2016.
Telefon: 0170/5735884 oder per Mail:
wildfang@naturwacht.de

Visits: 1697

Adela und der Steinschiffer

Als Adela den Heidewald verließ, stachen am Fluss schon die Wanderarbeiter nach dem

Adela, Muhme der Wiesen und Felder, Zeichnung: Petra Elsner
Adela, Muhme der Wiesen und Felder,
Zeichnung: Petra Elsner

Ton unter der Grasnarbe. Der Sonnenball stieg gerade feurig über die Baumwipfel und nährte die rote Stunde dieses Morgens. Grillen zirpten,  und die Vögel besangen den Glanz des Lichtes, während sich die schöne Wiesenmuhme  das wüste Treiben im Weidengrund besah. Adela war ein weiblicher Heidegeist, der keinen Raubbau zulassen durfte.

Natürlich brannten sich die Bewohner des Wanderlandes seit einer Ewigkeit Ziegel. Das hätte Adela nicht weiter aufgeregt. Doch diese Männer nahmen mehr, als sie selbst brauchten. Ziegelhandstreicher formten Grünlinge aus dem Ton, Brenner türmten daraus Meiler, und das Feuer darin, ließ die Grünen steinhart werden. Überall in den Wiesen am Westrand des Wanderlandes rauchten die Meiler und Feldbrandöfen, denn Adrian, der schlaue Schiffer, kaufte die Bausteine und schipperte sie in die nächste Stadt. Da kam er gerade wieder schweren Schrittes. Weil der Fluss mit seinem kastenförmigen Lastkahn nicht sicher befahrbar war, zog ihn Adrian mit einem Pferdegespann von Land aus. Der Treidelpfad, der bei diesem Schiffeziehen entstand, lag wie ein breites Band neben dem Flusslauf. Lange hatte Adrian, wie andere Schiffer auch, nur Baumstämme transportiert, bevor er sich entschloss, Steinschiffer zu werden. Die Städte rings um das Wanderland begannen gerade zu wachsen, so dass der Schiffszieher gar nicht so viele Steine heranbugsieren konnte, wie jene verbauten. Bald schon wurde Adrian wohlhabend, konnte sich Pferde, Knechte und ein zweites Schiff leisten. Aber er war mit dem Wohlstand auch vom Hochmut befallen.

Adela tänzelte und wehte durch die Wiesen wie ein Schmetterling. Adrian sah die Schöne mit dem Blumenkranz, aber sein begehrlicher Blick bekam sie nicht recht zu fassen. Irgendwie sah er immer nur das Echo ihrer geschmückten Gestalt. Doch dann wehte eine harte Stimme an sein Ohr: „Wer hat  dir erlaubt, meine Ufer zu plündern?“

Adrian drehte sich erschrocken um, aber da hallte es schon in sein anderes Ohr: „Schick dich von dannen,  Schiffer, sonst ereilt dich die Wüste!“

Der Mann schüttelte sich, als wollte er den Spuk abwerfen, da stand sie plötzlich vor ihm: „Geh, Schiffer, und nimm deine Tonstecher mit, dieses Land hat genug Wunden!“

Adrian lächelte kühl: „Ah, das verlangt ein Blumenweib? Dass ich nicht lache!“

Die Wanderarbeiter schauten besorgt,  und der Älteste unter ihnen erklärte: „Herr, nimm er sich in Acht, sie ist kein einfaches Weib, sondern eine  Muhme der Wiesen und Felder. Ihr Zauber könnte uns alle böse treffen.“

„Schweig,  Alter, und spute dich, die Ziegel müssen an Brod!“,  befahl ungerührt Adrian und raunte sodann Adela zu: „Und du Weib, komm in meine Arme oder scher’ dich vom Acker! Hier hat nur der Steinschiffer das Sagen!“

Die Männer bei der Tonsohle blickten finster als sie Adelas Murmeln vernahmen: „Ich wünsche dir Sand und Schluff in den Ton, auf dass deine Ziegel nichts mehr taugen.“

Dann lief sie zurück in die Wiesen. Aus ihrem Rocksaum rieselte dabei feiner Sand, und der Wind frischte auf, der sich kaum später zum Sturm erhob. Der blies weißen Sand in jeden Winkel des Landes und bedeckte es dünengleich.  Die Wanderarbeiter zogen bald weiter, denn sie hatten seither vergebens nach gutem Ton gegraben. Adrians Schiffe zerbarsten in jenem Sturm auf einer Sandbank, und der Mann verlor darüber nicht nur Hab und Gut, sondern auch seinen Verstand.  Er stand da in seinem Kahn auf welligem Sandland, in den Händen eine Stake, mit der er davon kommen wollte, doch Adelas kalter Atem hielt ihn für immer fest im Bann.

(Aus meinem Buch “Schattengeschichten aus dem Wanderland” – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel “Die Gabe der Nebelfee”

Spende? Gerne!
Hat Ihnen diese Geschichte gefallen? Vielleicht möchten Sie mich und mein Schaffen mit einem kleinen Obolus unterstützen? Sie können das ganz klassisch mit einem Betrag Ihrer/Eurer Wahl per Überweisung tun. Die Daten dafür finden sich im Impressum. Dankeschön! 

Visits: 1985

Seelenfang

Frühjahrsmorgen am Döllnfließ. Foto: Lutz Reinhardt
Frühjahrsmorgen am Döllnfließ.
Foto: Lutz Reinhardt

Ohne Seele
sind die Worte
leer.
Sie berühren nicht,
sie sind
nicht echt.

Raumgreifend
füllt das
Gefasel ungeniert
die heiligen Plätze,
skrupellos
mit großer Gier.

Ohne Herz
verlieren
nicht nur
die Worte
den Verstand.
Wir verlieren DAS Seelenband.

© Petra Elsner

Visits: 1052

Die Moorgeister vom Plagefenn

Umor, Schlangentroll vom Plagefenn Zeichnung: Petra Elsner
Umor, Schlangentroll vom Plagefenn
Zeichnung: Petra Elsner

An diesem milden Frühlingsmorgen scherbelte das Eis auf dem schmalen Wassergraben, der das Moor umgab. Es schien, als würden die feuchtschweren Mooshügel atmen. Auf einem dieser hockte Fidelio, das Fledermännchen, und zählte Gasblasen. Eigentlich müsste das Moorgeistergeflüster längst erwacht sein. Blub, wieder war eine Blase zerplatzt, doch mehr regte sich nicht. Fidelio wischte sich die Schlammspritzer von seiner blassen Nase und seufzte. Das himmelblaue Männchen mit den Libellenflügeln wollte gerade davon surren, als sich aus dem Moor eine wirklich fette Beule aufblähte. Das Fledermännchen ging in Deckung, da gluckste und schmatzte es, und ein brauner Schlammtroll quoll aus dem Matsch. Fidelio lugte hinter den Binsen hervor. „Oh, Blubber, endlich ausgeschlafen?” „Nein, aber die Sonne heizt das Moor so an, da wird man zwangsläufig wach. Moorflocke wird auch gleich aufsteigen.”
„Und Umor?”, fragte die glasige Gestalt. „Nein, keine Sorge, der große Schlangentroll kommt wie immer erst zur Nacht.”

Indes erschien Moorflocke mit ihrem Wollgrashütchen an der Oberfläche, und Fidelio kicherte: „Mein Gott, ich habe über den Winter ganz vergessen, wie hübsch hässlich ihr seid. Da hilft keine Schlammpackung!” Moorflocke tauchte beleidigt ab, nur eines ihrer Froschaugen linste noch aus dem Sumpf und dem hielt Fidelio eine lila Glockenblume hin. Moorflocke spritzte aus dem Schlick. „Wo hast Du denn die her, die blühen doch erst in ein paar Wochen?” „Topfblumen, extra für dich.” Das kleine Elfenmännchen wusste genau, etwas Schöneres konnte er ihr nicht bringen. Dann hockten sich auf die wabernden Mooshügel und schauten in die geheimnisvolle Landschaft. Noch war das große Kesselmoor im Herzen der Schorfheide kahl und öd, doch bald würde wieder alles von Seggen, Binsen und Farnen sattgrün schimmern. Wenn erst überall die Glockenblumen läuten, dann schlägt die Hochzeit der Moorgeister. Aber eigentlich hat dieser Spuk keine bestimmte Stunde. Die Moorgeister foppen jeden, der sich sommerwärts in ihre Nähe begibt. Den Heidekrautschneidern schicken sie fliegende Ringelnattern, auf das sie schreiend davonlaufen. Ein anderes Mal erschrecken sie mit feinem Heulen oder schrillem Pfeifen. Doch all das ist gar nichts gegen eine Begegnung mit Umor. Wer den buckligen Moorgeist mit dem Schlangenhaar, den glühenden Augen und der Schuppenhaut erblickt, den packt das kalte Grausen. Wer davonläuft hat Glück, wer Wurzeln schlägt, den holt sich Umor.

Es dämmerte früh an diesem Tag, und Fidelio wurde unruhig. So sehr er auch die Moorgeisterkinder mochte, ihrem Vater, dem Schlangentroll, wollte er nicht begegnen. Doch es begab sich, dass eben zu jener Stunde ein Kräuterweiblein vom Großen Plagesee den Weg durch den Sumpf nahm. Moorflocke warf Frösche nach ihr, und Blubber rülpste unwirklich laut und klatschte mit Ästen auf das Wasser. Das alles aber störte die Frau nicht weiter, denn sie kannte den Unfug der kleinen Moorgeister. Doch als plötzlich eine Schlammfontäne aufbrach, und Umor aus der Finsternis schoss, stockte ihr der Atem. Grausig sah er aus, und die Frau erstarrte.

Fidelio mochte die Auftritte Umors gar nicht. So flog er zu der Kräuterfrau und wisperte ihr zu: „Nicht hinsehen.” Er hatte keinen großen Zauber, nur die Gabe, einen Nebelschleier zu schicken. Den legte er nun schützend um die Erstarrte, die sogleich ungesehen fliehen konnte. Umor aber grollte ganz fürchterlich, seine glühenden Augen sprühten vor Wut Funken, die als Glühwürmchen wie Spione davon schwebten. Die kindlichen Moorgeister murmelten: „Das Fledermännchen ist aber mutig. Nicht, dass der Vater es jagt, wir müssen ihm beistehen.“ Und so wirbelte Moorflocke eine Wolke aus Wollgrasähren auf und Blubber brachte das Moor zum Brodeln und ließ es düster stöhnen. Umor tauchte schließlich im Morast ab. Er kannte seine Kinder und wusste, zusammen sie allemal stärker als er. (pe)

(Aus meinem Buch “Schattengeschichten aus dem Wanderland” – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel “Die Gabe der Nebelfee”

 

Info: Plagefenn

Spende? Gerne!
Hat Ihnen diese Geschichte gefallen? Vielleicht möchten Sie mich und mein Schaffen mit einem kleinen Obolus unterstützen? Sie können das ganz klassisch mit einem Betrag Ihrer/Eurer Wahl per Überweisung tun. Die Daten dafür finden sich im Impressum. Dankeschön!

Visits: 2543

Katen im Nachtgewand

Neue Rabenkarten in Arbeit. Foto: pe
Neue Rabenkarten in Arbeit. Foto: pe

Es sind wieder ein paar neue Rabenkaten in Arbeit, denn zum Tag des offenen Ateliers, am 8. Mai 2016 (11 bis 18 Uhr im Schorfheidewald), sind die kleinen Unikate aus meiner Hand immer sehr gefragt… Diese hier haben eine neue Farbgebung: Katen im Nachtgewand, für die Nachtschwärmer halt …

Visits: 821