Mitte der 70er Jahre, als mein Sohn Jan gerade im Kindergartenalter war, fieberte er jeden Abend dem Sandmännchen entgegen. Meist saß er dazu bei meinen Eltern, die im Obergeschoss des gelben Hauses an den Bahnschienen wohnten. Ich hatte keinen Fernseher, denn mein Verdienst war seinerzeit als Schrift- und Grafikmalerin unterirdisch. Das Kindchen war ein Frühchen und die ersten Lebensjahre oft krank. Für alleinstehende Mütter gab es seinerzeit nur 21 Tage Krankengeld, danach nichts mehr. Das war schwierig. So lernte ich mit den Dingen aus zweiter Hand Lücken zu stopfen, darunter war auch ein alter Fernseher, der aber leider nicht mehr funktionierte. Also hab‘ ich das Teil ausgeschlachtet, ein paar Bühnenvorhänge zum auf- und zuziehen vor der Glotze angebracht und die Handpuppe Karl dorthinein gesetzt. Karl erzählte die Gute-Nacht-Geschichte und alles war gut, bis eines Tages mein Sohn im Kindergarten einen Streit vom Zaune brach. Sein Kumpel Peter hatte erzählt, was am Vorabend für eine tolle Geschichte im Sandmann lief, aber Jan pochte darauf, dass bei ihm der Karl eine ganz andere Geschichte erzählt hatte. Sie kriegten sich richtig in die Wolle und gingen sich tagelang aus dem Weg. Bis ich fragte, weshalb denn der Peter gar nicht mehr zum Spielen käme. Jan wollte den Lügner nicht mehr sehen und verriet mir, was geschehen war. Autsch, da musste ich mein Kindchen aufklären, dass unser Fernseher eigentlich eine Puppenbühne ist, die nur für ihn spielt. Der Sohn verstand und fragte nur noch, ob der Karl auch für zwei Sandmanngucker spielen würde. Ich nickte und Jan verschwand, um den Peter zu holen…
PS: So einen STASSFURT mit Moped-Schalter zum Abziehen hatten übrigens meine Eltern auch Anfang der 60er Jahre. Wenn der Vater zur Arbeit fuhr, zog er den Schalter ab und nahm ihn mit, auch in den Schulferien.
1019. Blogbeitrag
Views: 919
Der etwas andere Sandmann – den gabs auch im Radio. Und ich war der einzige, der den kannte. Die. die keinen fernseher hatten, hatten irgendwie auch keine Eltern, die nach Alternativen gesucht hätten. Mir wollte dann immer keiner glauben, dass der Sandmann reden kann und im Radio ganz andere Geschichten erzählt.
Ferien bei Oma. Die hatte keinen Fernseher, aber sich die Abendgeschichten des Rundfunksandmanns gemerkt. Wenn ich dort war, gabs erst die Radiosendung und dann noch am Bett 2 oder 3 der kurzen Stories von Oma am Bett: Kleiner Pfennig und Käptn Briese …
Radiosandmanngeschichten von Oma – auch schön! Dank Dir für Deine Sonntagsworte, herzlichst Petra
OK