Einsam (4)
Erzählt für Erwachsene
…„Ich dachte mir, sie wollte mich auf ihrer Reise nur nicht verlieren. Kommt ja oft Gepäck weg, habe ich gehört. Vielleicht hat sie auch geglaubt, dass sie mich nicht mehr braucht. Aber man ist doch nicht frei von Erinnerungen, nur indem man etwas zurücklässt. Erinnerungen wohnen in unseren Gedanken, man hat sie immer bei sich.“
Der Besen nörgelte „Wenn du meinst.“ Er wusste, man kann Erinnerungen auch verdrängen, sogar gänzlich ausblenden, aber er wollte dem Bären nicht die Hoffnung nehmen und schwieg. Warum sollte sich Juli an ihre Heimat erinnern wollen, wenn sie doch vor ihr davonlief?
An einem Sonntagmorgen im Dezember klingelte das Telefon im Flur. Der Vater drückte die Stummtaste seiner TV-Nachrichten und lief in den schmalen fensterlosen Gang: „Hallo? Juli???“ Die Mutter sprang aus ihrem Zimmer hinzu, nun lauschten beide. „Hallo ihr Zwei. Wie geht es euch? Habt ihr Schnee?“ Juli druckste herum, als die Eltern wissen wollten, wie es ihr selbst ginge. Bis die Mutter geradeheraus fragte: „Was ist wirklich los mein Kind?“ Da erzählte die Zwanzigjährige, sie habe sich beim Surfen das rechte Schlüsselbein gebrochen und könne nun einige Wochen nicht mehr Kellnern. Ohne das Trinkgeld käme sie nicht zurecht. Ihre Worte „…ich werde wohl mein Pensionszimmer verlieren. Könnt Ihr mir bitte helfen?“, brachte die Mutter auf Trab. „Natürlich Kindchen. Was sollen wir Dir überweisen?“
Der Vater sandte umgehend die gewünschten 1000 €. Beide ahnten jedoch, dass Juli damit nicht weit kommen würde…