Einsam (5 – der Schluss)
Erzählt für Erwachsene
… Als sie am Morgen des Heiligen Abend den Frühstücksraum ihrer Pension betrat, wartete auf Julis Stuhl ein großes Paket auf sie. Es roch nach Heimat. Die wenigen verbliebenen Gäste lächelten erwartungsvoll. Jeder von ihnen wusste, dass ein Weihnachtsfest fern der Familie schmerzendes Heimweh auslösen konnte. Schon die letzten Tage im Advent hatte sich die Seele der jungen Frau verdunkelt. Sie wirkte abwesend und in sich gekehrt. Juli zögerte erst, packte dann aber vor aller Augen aus. Obenauf lag der Bär, den sie sofort an ihr Herz drückte. „Mein Tröster! Ach, wie hab ich dich vermisst, mit dir kann mir nichts mehr passieren,“ frohlockte sie und lachte schief. Sie fand handgestrickte Socken (super bei 30 Grad!), eine Dose mit den köstlichen Familienplätzchen und zwei dicke Bücher über Meeresbiologie. Die wollte sie schon lange haben. Als Letztes eindeckte sie ein Kuvert mit einem Sparbuch, begleitet von einem Zettelgruß der Eltern: „Es wird dir helfen, dein Auslandssemester zu finanzieren. Wir umarmen dich.“
Juli fühlte sich gestärkt. Sie wusste jetzt, sie würde nach dem Semester guten Mutes heimkehren. Und die Zeit bis dorthin beschützte ein kleiner Bär heimlich ihre Wege.
©Petra Elsner