Morgenstunde (626. Blog-Notat)

100 Tage Ampel-Koalition, da habe ich nur den Sehnsuchtsvogel im Kopf und ich bin reif für die Insel…  Nee, das war kein guter Start. Zugegeben, die Umstände hätten nicht schwieriger sein können. Die haben die Planspiele für die schöne neue Ampel-Welt komplett verstellt. Denn wer hätte Weihnachten gedacht, dass man im Lande Atomenergie und Braukohle für das Zukunfts-Tableau diskutiert?… Geben wir den Koalitionären noch etwas Zeit, um in diesen komplizierten Zeiten das rechte Maß zu finden. ABER: Ein bisschen couragierter und herzhafter könnte es schon zugehen. Wie kann es eigentlich sein, dass die Regierung dem unverschämten Treiben der Energiekonzerne so lange einfach nur zusieht, während abermals Existenzen vernichtet werden? Erschließt sich mir nicht, denn es gilt doch „Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden“ – oder?

PS: Den Sehnsuchtsvogel hab ich mir einfach mal gemalt – zum Hinfahren ist mir der Sprit zu teuer und auch die Hotelpreise klettern in nicht gekannte Höhen …

Lyrik-Krümel

„Hufeland, Ecke Bötzow“ von Lea Streisand

Eine Buchbesprechung

„War schön jewesen. Geschichten aus der großen Stadt.“, so enden Lea Streisands leichtfüßige Hörkolumnen auf Radio Eins und die mochte ich vom ersten Ton an. Aber die junge Autorin auf ihrer Rückreise in die Kindheit zu erleben, das war etwas ganz anderes. Denn ehrlich, wie haben Jungpioniere die Zeitenwende nach 1989 erlebt und begriffen? Darüber hatte ich nie nachgedacht. Mein Sohn war damals 17 Jahre alt und die Verwirrungen für diese Altersgruppe waren schon extrem. Man war bis zu Erschöpfung mit den Veränderungen beschäftigt und der Blick engte sich ein. Insofern bin ich sehr dankbar, dass ich das Roman-Kind Franzi auf seiner Haltsuche in der alten und der neuen Zeit begleiten durfte. Denn die Erinnerungen der Autorin schupsten mich geradewegs zurück in meine Kindheit zwischen enthusiastischen Pioniernachmittagen und melancholischer Sinnsuche. Geheimnisgräberische Eltern gab es damals auch schon und Zeit hatten die auch für uns Kinder nie. Da war es nicht verwunderlich, dass Nachbarskinder wie Geschwistern Lebenseinfluss bekamen. Aber so richtig spannend wurde für mich dieser Erinnerungsroman erst, als Franzi von den Übergängen spricht: „Eines Tages stand ein Container bei uns auf dem Schulhof… In dem Container landeten Bücher. Landkarten, Atlanten. Die ganze Welt, wie wir sie kannten, wie man sie uns beigebracht hatte, wurden in die Tonne getreten. Dabei hatten sie uns jahrelang eingeimpft, Bücher seien etwas Heiliges. Kluge Frauen und Männer hätten sie geschrieben, um uns klüger und die Welt besser zu machen. Mit Büchern musste man sorgsam umgehen. Man durfte nichts hineinschreiben, keine Eselsohren reinmachen und sie nur mit gewaschenen Händen anfassen. Und nun stand auf unserem Schulhof dieser riesige Mülleimer, und alles, was wir wussten, wurde entsorgt. Stattdessen galt es, neues Wissen zu erlangen…“ „Wie man es anstellte, selbstständig zu werden, lernte ich aus der Werbung ‚Krönung light‘-Werbung. Mein Vorbild war die junge blonde dynamische Frau, die ihr Leben mit Krönung light voll im Griff hatte…“ Aber kaum später mutierte die Schülerin zum Hippie: „Ich fühlte mich geborgen in dieser vergangenen Rebellion…Wir bewegten uns in dieser Vergangenheit wie in einer Traumwelt, in der die Dinge geordneter und freundlicher zu sein schienen. Peace, Love and Rock’n’Roll, das waren doch universelle Werte. Der Widerstand, den wir leisteten, richtete sich gegen die Zukunft. Die Freiheit machte mir Angst. Es gab keine Sicherheit mehr. Alles konnte passieren. Unsere Eltern waren auch keine Gegner mehr. Sie waren nur noch mit sich beschäftigt und taperten teilweise genauso überfordert durch die schöne neue Welt wie wir.“
Ja, all das habe ich damals als Jugendredakteurin auch gesehen, selbst erlebt und ich bin sehr angetan, dass ich durch dieses Buch, die kindliche Seite dieses Wandels jetzt nachträglich bedenken konnte und mich auch ungeniert an die Sonnendecks über den Dächern des Prenzlauer Berges erinnern durfte. Dieses Buch hat die Gründe geborgen, weshalb manche heute so und nicht anders geworden sind.
© Petra Elsner

„Hufeland, Ecke Bötzow“ von Lea Streisand, Ullstein, Hardcover, 224 Seiten, ISBN: 9783550050312, 20 €

Morgenstunde (625. Blog-Notat)

Frühlingseis

Mal für den Moment die Welt ausblenden, Sonne tanken und Komposterde ernten. Im Märzen – die Beete aufbereiten. Der Liebste hat mir eine bretthohe Umrandung gebaut und aufgestellt. Da kann die Komposterde für eine Gemüseansaat rein. Nach den hinfälligen Wochen war ich gestern fast den ganzen Tag draußen, es geht also aufwärts. Geschmeidiges Sonntagslicht lässt uns lächeln, das ist es, was stärkt. Nur Nachbars Kater klagt und leckt sich die Schrammen aus nächtlichen Revierkämpfen und das Radio berichtet am 17. Kriegstag von Einschlägen in der Westukraine unweit der polnischen Grenze. Der Krieg rückt näher, aber ich kann mich nicht jeden Tag emotional aufräufeln…

Das Gemüsegärtchen im März.

Das Allerschönste noch nicht gesehn

Eine Besprechung:

Wenzel, das ist die wunderbare Melange aus Folk und Rockpoesie, ein sehender Wanderer auf dem Drahtseil in der Ferne. Ein schier unerschöpfliches Multitalent als Sänger, Instrumentalist, Komponist, Autor und Regisseur. Ein Feingeist. Über 40 Platten hat der Mann seit 1986 herausgebracht. Vielleicht ist die neueste Scheibe „Allerschönste noch nicht gesehn“ des 66-Jährigen die ultimative Antwort auf das Älterwerden. Auf jeden Fall aber erzählt er mit beißender Poesie vom heimatlosen Schmerz und legt uns sozialkritische Episoden in unsere Zeit, wider die allgemeine Verblödung. Er spricht aus „…was uns bedrückt, das schweigt schon so lang im Munde…“ und weiß „In die Irre führt, was uns nicht berührt…“ – gegen den Wahn „in diesem aufgeblasenen Land“, singt er sich den Trotz aus der Kehle und berührt die Herzen jener, die sich fremd fühlen auf diesem kühlen Grunde. Hans-Eckardt Wenzel, der unermüdliche Liedermacher ist ein musikalischer Robin Hood, der jenen gibt, denen alles genommen wurde. Aber natürlich nicht nur ihnen… „Allerschönste noch nicht gesehn“ umarmt das verletzlich Menschliche in uns.

Petra Elsner

Erhältlich hier:

Morgenstunde (624. Blog-Notat)

Der Husten wird nach fünf Wochen endlich leiser. Nun geht es um Kraftgewinn. Dringend. Aufmunternd sind da die schönen Besuche der letzten Woche und die lieben Briefe meiner Freundin Ines, die gestern sich mit mir ihre Wenzel-CD teilte, damit ich mir für das eine Vinyl (der Spender ist immer noch unerkannt) nicht einen Plattenspieler anschaffen muss. Letzte Woche kam unterhaltsamer Besuch aus Deutschboden ins Atelier, der mir etwas von weniger bekannten Sagenplätzen in unserem Märchenwald erzählte und mir eine Chronik von Deutschboden überließ. Gestern kam meine Freundin Petra vom Weißen See zu Besuch. Die bekannte Keramikerin schenkte mir einen handgeformten Frühlingstopf. Es ist immer wohltuend mit Menschen zu sprechen, die ebenfalls ein kreatives Leben führen, ungeachtet ihres Alters. Ich habe im Austausch die Namenschwester mit handgemachten Lyrik-Bändchen beglückt – eine gegenseitige Ermutigung. Petra Wessel aus Böhmerheide war eine der ersten Menschen in der Schorfheide, die ich einst in meinen Teezeiten-Porträts in einer Barnimer Zeitung vorstellte. Seit damals sind wir uns zugewandt. Dafür bin ich wirklich dankbar. Es zeigt, man kann auch als Journalistin Menschenfreund sein, es ist eine Frage der Achtung des Gegenübers – wie eigentlich immer im Leben… Ich geh dann jetzt mal im Garten die ersten Sonnenstrahlen genießen…

Morgenstunde (623. Blog-Notat)

Die Waschbären klauen schon wieder die Meisenknödel und der Dachs stochert im Kompost – es ist zwar noch lausekalt im Garten, aber das sind deutliche Zeichen des Frühlings. Der eisige Morgen dampft in der Sonne. Es ist der 13. Kriegstag. Die Nachrichten darüber führen uns eine humanitäre Katastrophe vor Augen. Und jeden Tag stellt sich aufs Neue die Frage, lässt sich dieser Krieg stoppen? Ich habe noch niemals in meinem Leben jemandem den Tod gewünscht, jetzt hoffe ich auf einen Attentäter … Dabei schleicht die Farbe Rot wieder auf meine Malgründe, diesmal nicht als Liebe, diesmal als Blut…

Morgenstunde (622. Blog-Notat)

Es ist der erste sonnige Tag, gefühlt seit Wochen und ich finde zufällig dieses Foto aus dem Lesegarten von einem Tag des offenen Ateliers. Es zeigt einen Sonntag im Mai. Nici singt und auf der Wiese und im Kaffeezelt lauschen Atelierbesucher ihr. Was haben wir doch für schöne Feste gegeben. Diese Erinnerungen wohnen für immer in mir, sie sind inzwischen Legende. Von der werde ich zehren, denn in diesem Frühling brennen sich andere Bilder ein. Keine friedlichen. Der Heizöltank leert sich, was wird der Nachschub kosten? Jetzt schon reichlich das Doppelte. Die Einkünfte halten da nicht mit. Wir werden für das Heizöl die drei Inseltage im Jahr canceln müssen und was noch? Ach, ich will mich nicht sorgen, denn es ändert eh nix…

Lyrik-Krümel

März

Ein letztes Winterröcheln
knarrt im Ostwind
der schleift das Land
schwarz steht der Wald
es riecht nach Moder
der Tod verschanzt
sich im Unterholz
dort keimt Leben.

 6. März 2022, Petra Elsner

Morgenstunde (621. Blog-Notat)

Es ist schon merkwürdig, dass man/frau sich in diesen Tagen irgendwie deplatziert vorkommt, wenn er/sie ein Märchen schreibt oder wie der Blogger Werner, Reiseberichte. Es ist wie ein falscher Ton inmitten der Todesnachnichten, der Hilferufe, der Kriegsberichterstattung und den Aktionen der Hilfeleistenden. Aber wie lebt man in solchen Zeiten (richtig)?  Zuerst wohl, sich nicht von der Angst lähmen zu lassen. Ja, sicher, wenn der Ukrainische Präsident vom Machthunger Putins spricht und uns warnt, der würde bis nach Berlin, den alten Standort der Mauer, ziehen… ist Angst nicht unbegründet. Aber sie ist kein guter Begleiter. Sie frisst Lebensenergie. Die aber brauchen wir alle, um durch diese Zeiten zu kommen. Viele von uns sind angeschlagen von der Corona-Zeit. Andere schütteln die gerade von sich ab und helfen direkt. Die Zehdenicker Feuerwehr mit einem Hilfstransport zum Beispiel. Möglichkeiten der Hilfe vor Ort zeigt zum Beispiel Sandra auf kurtschlag.de auf. Gesucht wird ein Quartier für zwei ukrainische Mütter mit ihren Kindern. Aber Hilfe hat viele Gesichter, zum Beispiel Mitfahrgelegenheiten für diese Mütter zu organisieren (denn sie sollen ja irgendwann auch arbeiten gehen können) und vielleicht die Einrichtung einer zeitweiligen KITA oder einer Oma-Tagespflege. Und niemand sollte ein schlechtes Gewissen mit sich tragen müssen, weil er/sie vielleicht nicht oder nicht mehr bei solchen Anstrengungen dabei sein kann oder will. Es wird sich irgendwann etwas Passendes finden…  jeder wie er kann.