In diesen Tagen haben wir Mühe unsere innere Mitte zu halten: zu viele Baustellen auf einmal. Wir sind beide nach der fiesen Erkältung noch recht dünn drauf und nun steht in Bälde auch noch die Wohnungsauflösung der Eltern im Erzgebirge an, denn auch der Vater ist seit heute im Pflegeheim. Es gibt Zeiten, da ist man nicht bei sich selbst. Und alles, was zustande kommt, erscheint einem nicht gut gelungen. Das nährt ein schlechtes Gewissen. Wieviel kann man tragen und wie machen es die anderen? Die Frage ist wohl müßig, denn die Familien sind halt ungleich ausgestattet in der Anzahl ihrer Menschen und ihrem Vermögen. Wir haben von beidem wenig, weil der Teufel ja immer auf den gleichen Haufen scheißt. Bei mir war noch kein Teufel… 😊. Also müssen wir schauen, wie wir das stemmen…
Morgenstunde (802. Blog-Notat)
Der erste Frühjahrssturm blies uns jedes Jahr die Ziegel von dem alten Zeuthener Mietshaus. Ich stellte dann Eimer und Schüsseln auf, denn ich wusste ja schon, es würde Wochen dauern, bis sich ein Dachdecker erbarmte und die Dachsteine ersetzte. Die hielten bis zum nächsten Sturm und meine Wohnzimmerdecke bekam wieder Wasserflecken. Jedes Jahr aufs Neue die Tropfsteinhöhle zu renovieren, das war mir sehr bald zu arg und so spendierte ich den Flecken eine florale Bemalung, die sich leichter instand halten ließ. Erst als die Sturmschäden immer größer wurden, ließ die Gemeinde das Dach komplett neu decken. Es war ein Westgrundstück, dass sie nur notverwaltete. Als wir unser Kunst- und Honighäuschen vor 15 Jahren in Kurtschlag kauften, hatte der Badanbau so hässliche Styroporplatten an der Decke. Als wir die runterrissen, wussten wir, weshalb die da klebten: Wasserflecken. Das Dach war vielleicht niemals richtig dicht. Wir waren noch beim Häuschen abzahlen und konnten eine Dachsanierung nicht umgehend stemmen. Inzwischen gibt es ja gute Abdeckfarbe für Wasserflecken…, aber eine Lösung war die auch nicht. Nun also: heute und die nächsten zwei, drei Tage sind die Dachdecker auf dem Hof. Ich habe die Baustellenversorgung an mich gerissen, für alles andere bin ich eh zu klapprig in diesen Tagen. Draußen vor der Tür sieht es im Augenblick ziemlich wild aus…
Foto: Lutz Reinhardt
Fotoprojekt „Vier Jahreszeiten“

Bild 5: Kopfweide im MAI 2023
Meine Beteiligung am Projekt von Royusch
Das Fotoprojekt „Vier Jahreszeiten“ betrachtet fotografisch immer das gleiche Motiv im Jahresverlauf. Allein die Verwandlung durch die Zeit ändert es. Ich habe mich für meine Kopfweide entschieden. Sie ist der erste Blickfang in unserem 140 Meter langen Landschaftsgarten.
Anfang Mai treibt die Kopfweide wieder neu, aber dieses Jahr war es lange im April zu kalt, da war der Baum offenbar noch ein bisschen vorsichtig und deshalb poste ich mein Mai-Bild etwas später, damit man den schönen Austrieb auch erkennen kann. Ein Köpfchen treibt allerdings nicht. Es waren Ameisen in sein Holz eingezogen, mal sehen, ob er noch zu Leben erweckt werden kann.
Das Weidenthema hat mich oft in meiner Geschichtenwerkstatt berührt. Diesmal ist die Leseprobe ein Ausschnitt aus meiner Fantasy-Geschichte „Der Schatz der Baumriesen“:
… Der Läufer kam nur mühsam voran. Ohne den Hirsch versank er knietief im Schnee, und war sehr bald erschöpft. Er hatte keinen Dörrfisch mehr, er musste unbedingt Nahrung finden. Nur wo? Ihn umgab das schier endlose Weiß. Aber dort vorn, bei den Weidenbäumen, da könnte ein Flusslauf sein, hoffte der Suchende und lenkte seine Schritte dorthin. Es schneite wieder und der Blick versank im endlosen Nichts. Melchor zählte jetzt die Schritte, damit er wusste, wie weit er vorwärtskam. Hundert Meter, zweihundert. Dann endlich tauchte schemenhaft die Baumzeile vor ihm auf. Wirklich erleichtert, fand Melchor hier ein schnelles Wasser, in dem Forellen sprangen. Mit den Händen war der junge Mann flink genug, bald eine zu erhaschen. Er schnitt ein Weidenbündel und baute sich ein trockenes Lager. Darauf hockte er nun und briet sich den Fisch. In seinem Bündel suchte Melchor nach einem Salzbeutel, dabei erfasste er die Kugel und hielt sie ins Licht. Sie strahlte wie ein Sonnenball zur Abendstunde, und ganz langsam taute der Schnee von den Weiden und sein Lagerplatz war beinahe grün. Melchor sah sich verwundert um. Dort, wo die Kugel das Licht traf, ging der Winter, langsam, aber er verschwand. Als der Morgen kam, fand der Läufer eine grüne Gasse vor, über die er wie auf einen Teppich schritt. Die Kugel brauchte Zeit und Licht, um sich zu entfalten. So bahnte sie für den Laufenden nur eine schmale Gasse. Aber im Land der Baumriesen eingetroffen, vertrieb die Feuerkugel sogleich Eisas messerscharfe Winde, und das Eis schmolz….
Morgenstunde (801. Blog-Notat)
Nach seiner gut besuchten Lesung in Gandenitz hat mir Frank Martens die Bildertafeln (siehe Foto) mit den Illustrationen zu „Georgs Landleben“ zurückgebracht. Wir hatten dazu ein langes Gespräch über Auftritte im Älterwerden, die unterschiedlichen Tempi im Kunstschaffen und das Büchermachen. Solche Gespräche genieße ich immer sehr, weil in ihnen ein gewisses Maß an Selbstvergewisserung liegt und man sich gegenseitig stärkt. Meine Freundin Ines hatte übers Wochenende die 20 märchenhaften Geschichten zu „Aus dem Laub der Zeit“ (Arbeitstitel) Korrektur gelesen, während ich die 52 dazugehörigen Zeichnungen aus 20 verschiedenen Ordnern zusammensuchte. Gestern ging das Material an den Schwedter Verlag – mit positivem Echo noch am selben Tag. Ein schönes Gefühl! Es wird naturgemäß bis in den Herbst dauern, bis das neue Geschichtenbuch erscheint, aber jetzt wissen wir: Es wird es geben.
Morgenstunde (800. Blog-Notat)
Ganz schön ungewohnt, wenn in meine kleine Welt plötzlich eine TV-Team dringt. Wir hatten Freitagabend gerade das Reisegepäck für den Liebsten fertig, als die RBB-Moderatorin den Zettel „Kurtschlag“ für das nächste Dorfporträt des Landschleichers aus der Schale zog. Samstag, kurz nach 10 Uhr, düste der Liebste zur nächsten Elternzeit und ich harrte der Dinge, die eine Stunde später kamen. Der Gemeinderat hatte sich gekümmert und vorbereitet, was spontan möglich war. Die Feuerwehr war beispielsweise außer Haus, aber Orte ohne Menschen wollten die Filmer nicht aufnehmen. Und dann standen sie im Regen vor unserem Kunst- und Honighäuschen und durchforsteten die Winkel. Ich war immer noch recht heiser, so dass Reporter Tim Jäger stimmgewandt aus meinem Märchenbuch „Die Nebelfee“ vorlas. Das half mir. Jedenfalls waren sie wirklich allesamt bemüht, alles (auch alle anderen Drehorte) fein aussehen zu lassen und ihr 5-Minuten-Zusammenschnitt (oder waren es 4 (?) aus vier Stunden Drehzeit!) war wirklich gelungen und am Sonntagabend gut anzusehen. Aber Kinner nee, war ich aufgeregt…😊, wird mit den Jahren nicht besser…
Sonst gehörte der stille Sonntag dem Eckenausräumen für die Anschlussarbeiten der Telekom, die allerdings gestern Mittag den Montagstermin auf den 22. verschob. Das mit der Hilfe dauert also noch, aber die Ecken bleiben bis dahin leer…

Und hier geht es zum Landschleicher:
Lyrik-Krümel
Morgenstunde (799. Blog-Notat)
Stille Woche. So mit wenig Stimme, eher merkwürdigen Lauten, die aus dem Innern kommen, wird man irgendwie ganz ruhig. Ich lass es inzwischen zu, so wie ich im Älterwerden es auch zulasse, dass der früher umtriebige Ehrgeiz sich senkt. Ich werde im September 70 Jahre alt und muss inzwischen niemandem mehr etwas beweisen. Mein gelebtes Leben steht, für das, was ich bin. Die Dinge, die auf mich zukommen, werde ich weiter versuchen zu realisieren, aber ich selbst treibe nichts mehr voran. Auf meinem privaten Blog schorfheidewald wird man mir auch weiterhin beim Schreiben, Illustrieren und den Alltäglichkeiten im Kunst- und Honighäuschen „zusehen“ können. Für alle, die sich in den letzten Tagen über eine Wertung schwer erregt haben, sei gesagt: Man muss hier nicht, man kann Mitlesen. Es ist mein intimer Kosmos und nicht der öffentliche Rundfunk…, sondern ein privater, unverschleierter Einblick in ein Künstler-Leben im Norden Brandenburgs und meine Spiegelung, der für mich sichtbaren Wirklichkeit. Ich geh dann mal in den Garten….
Creas Funkenspiel
Sie lag im Laub der Zeit. Wie lange wusste sie nicht. Doch jetzt kitzelte Sonnenlicht ihre grünen Haarspitzen – und da war noch etwas. Jemand hatte sie gerufen? Seit Jahren fragte niemand mehr nach Inspirationen, denn es herrschten Einfalt und strenge Gebote. Crea schob ihr wirres Haar aus der Stirn und erhob sich verschlafen aus den Knisterblättern: „Ist da einer, der das furchtlose Denken sucht? Das genüssliche Gedankenspiel, das aus dem Gleichklang ausschert, um Neues zu entdecken? Dann will ich aufstehen und dir zuhören.“ Crea suchte mit stechendem Blick nach dem Rufer, sah aber nichts. Sie wollte sich schon zurück in den Blätterteppich fallen lassen, da trat ein Mädchen mit dünner Stimme aus der Deckung einer dicken Eiche. „Ich suche die singende Lebensschönheit. Es muss sie einst gegeben haben, wo ist sie hin, weißt du das, wilde Crea?“ „Wieso nennst du mich ‚wild‘?“ „Weiß nicht, die Leute sprechen so von dir. Sie sagen noch anderes über dich, was ich mich nicht traue, auszusprechen.“ „Ach so, die Leute, die braven, fügsamen. Sie werden sich niemals aus der festen Umarmung des Gleichmaßes lösen. Nie können sie erleben, was für ein schönes Funkenspiel das ist. Aber ihr habt ja jetzt die Künstlichen, die für euch dichten und singen.“ „Ja, stöhnte das Mädchen, „alles ohne Seele, ohne Mitgefühl und vor allem ohne Überraschung.“ „Oho, da steht ein kluges Mädchen vor mir!“ Crea zwinkerte ihm zu und klopfte sich dabei die letzten Blätter aus dem Kleid. Dann hob sie drehend ihre Hände, und plötzlich tanzten Feuerfunken in der Luft. Das Mädchen staunte, und Crea sprach: „Man kann Inspiration nicht lernen. Es braucht einen berührenden Anstoß, und etwas wird in dir klingen. Was das ist, wirst du spüren, und dem musst du nachgehen, es pflegen, wie eine Zimmerpflanze. Crea drehte sich nun mit ausgestreckten Armen, und aus den Funken wurde ein Feuerkreis und schließlich eine Fontäne, aus der die Funken wie Tropfen zu Boden fielen. Einige trafen das Mädchen, das sich dabei seltsam offen fühlte, als würde es tiefer in die Welt blicken können. Das war der Moment, in dem Creas Spiel erlosch und sie zurück in den Blätterteppich sank. Das Mädchen ging auf einem anderen Weg nach Hause, und auf einmal trug es eine wundersame Idee mit sich.
Morgenstunde (797. Blog-Notat)
Ausgebremst. Was abzusehen war, die Erkältung, die sich auf die Stimmenbänder legt, hat mich nun auch fest im Griff. Während der Liebste schon eine reichliche Woche lang schnieft und krächzt, kann ich seit gestern nur noch flüstern und ein Reizhusten sorgt für Schwäche in den Gliedern. Also alles ganz langsam mit den Pflanzen im Garten. Die Auswärtstermine für heute und morgen sind abgeschrieben. Sagen kann sie ja gerade nichts, muss deshalb Tag für Tag entscheiden, was auswärts machbar ist. Aber eine neue Geschichte schreiben, das geht wohl immer…
Morgenstunde (796. Blog-Notat)
Volles Haus hatte gestern die Zehdenicker Klosterscheune und ein Wetterchen darüber – zum Hinschmelzen. Die Kurtschlager Sambaspieler gaben mit großer Spielfreude ihr Bestes zum Auftakt und ich wanderte währenddessen von einem Freundesgrüppchen zum nächsten, um wenigsten mit allen ein paar Worte zu wechseln. Ich hatte mir vorgenommen, mich nicht zu ärgern, sollte mich der letzte Winkel auf der linken Empore hinter dem Zeichenschrank treffen. Ist dann doch ein Stich im Herzen, wenn es eintrifft, nun denn. Die Künstler hatten auf die Hängung keinen Einfluss und sahen die Platzvergabe erst am Tage selbst. Wir waren gehalten, zur Eröffnung als Künstlerriege neben den Rednern anzutreten (wie das bei einer Laudatio oder Eröffnung üblich ist). Da standen wir nun und kamen ist Staunen und ins Köpfe senken (was das Foto meines Freundes Ronald gut dokumentiert) darüber, wie lange man reden kann – über die Ankunft auf dem Lande, den privaten Hausbau, erste Künstlerbegegnungen und die Idee zur Künstler-Webseite. Der Namensgeber für die „Buschdorf-Künstler“, wollte hier nicht über die Künstler sprechen, er sprach über sich selbst. Tja und auf einmal war die schöne Stimmung für mich dahin. Der Bilderschau tut das keinen Abbruch, sie steht für die Vielfalt künstlerischer Ansätze, freien Geist, reiche Fantasie und Qualität. Das macht Lust auf Entdeckungsreise zu gehen, auch über die Klosterscheune hinaus und damit ist viel erreicht – auf dem flachen Lande.






Nachtrag: Wir leben im Empörungszeitalter… Damit alles korrekt ist, ich habe am 3. Mai in diesen Text die zwei Worte „für mich“ dazugesetzt, damit ganz deutlich ist – nicht für alle.
Fotos: Lutz Reinhardt








