Morgenstunde – ein Wort zum Sonntag (762. Blog-Notat)

Foto: Lutz Reinhardt

Die Neujahrstille der jüngsten Tage ist wieder einmal trügerisch: Die weihnachtliche Feuerpause scheiterte im Ukrainekrieg. Im Ruhrgebiet Festnahmen wegen Terrorverdacht und gleich nebenan sammeln sich Klimaaktivisten gegen anrückende Kohlebagger … das Neue beginnt, wie das Alte endete, wäre ja auch glatt ein Wunder, wenn‘s anders gewesen wäre. Wer war da hoffnungsvoll? Die „besseren Menschen“ der grünen Elite haben die Leute mit geringen Einkommen vergessen: Studenten, die Neurentner mit den schmaleren Budgets und Geringverdienende. Die Lebensverhältnisse klaffen kratertief auseinander und umso weiter sich die Interessenlager voneinander entfernen, desto weniger sehen sie sich. Immer mehr Menschen leben unter dem Radar. Die einen verschwinden aus dem Licht und die anderen kleben am Glanz und reden sich schön, zu schön. Denn unter dem Lack wächst der Rost einer lustlosen, vernachlässigten Gesellschaft. Langsam, selbstverliebt und peinlich moralisierend. Das Nicht-Hinsehen, das sozial Ausgrenzen und gesellschaftliche Abhängen ist auch eine Variante von Rassismus, meine Damen und Herren….

Morgenstunde (761. Blog-Notat)

Die erste Nacht im neuen Jahr wirklich geschlafen. Das Heizöl ist eingetroffen und gestern war der Liebste endlich beim Arzt. Er steht immer noch beim Essen am Tisch, aber der Schmerz ist nicht mehr so langanhaltend und die Medis (Spritze und was zur Muskelentspannung) müssen ja erst einmal wirken. Wir hoffen auf Besserung. So trug das junge Jahr bisher mehr Klagelaute als alles andere. Der Abbau des Weihnachtsstrauches gestern war eine Riesenschweinerei. Nach dem Abschmücken steckte kaum noch ne Nadel im Geäst und rund um das Honiglager lag ein dicker Nadelteppich. Nun denn, alle Jahre wieder – die Kehrseite des Advents…  Ich werde mich heute an das Thema Schräge Vögel für „Georgs Landleben“ setzen, was ich nach meiner Lungenentzündung letzten Februar nicht wieder aufgenommen hatte. Da hatte ich seinerzeit nur zwei Vignetten von 14 fertig – gab damals gerade nix zum Lachen und da kann frau halt nicht so ein fröhliches Blatt-Szenario entwickeln. Ich versuche es jetzt und hoffe, den Anschlussfaden zu finden und etwas Aufheiterung auch … Habt ein schönes Wochenendete allerseits!

Der wilde Garten (5)

Öffentliches Arbeiten an einer Geschichte (der Schluss):

… Wochen später erwachte Lenes Wunschgarten und die beiden Schläfer im Heu auch. Die zarten Krokusse sahen für den kleinen Blattträger und Flederlene mächtig wie bunte Bäume aus. Längst hatte die Verwandelte begriffen, nicht jede Wunschvorstellung lebt sich gut. Ja, das Fliegen war wundervoll, aber ansonsten war das Dasein sehr beschwerlich. Sie wollte lieber wieder ein Mensch sein und wie sie das bei sich dachte, wurde es wahr. Frau Lene verlor ihre roten Fledermausflügel und wuchs zu ihrer einstigen Gestalt und war fortan etwas vorsichtiger mit ihren Wunschträumen, denn sie wusste ja inzwischen, in diesem wilden Garten konnte alles wahr werden. Als das Maigrün sich entfaltete, sang dort das Leben sein schönstes Lied. Frau Lene sah, auch wenn sie wegen ihres Alters nicht mehr alle Winkel aufräumen konnte, dort, wo sie den Garten sich ihm selbst überließ, lebte die Natur besonders auf und der kleine grüne Blattträger bekam Gesellschaft: Rote Blattträger und weiße. Sie lebten in den Blätterteppichen unter den hohen Büschen und manchmal sprach Frau Lene mit ihnen und mit dem Dachs auch.

***

Und hier noch einmal die ganze Geschichte:

Der wilde Garten

Die Stille wisperte verschlafen und es war ihr, als würde dort jemand auf sie warten. An diesem dunklen Morgen entschied sich Lene, die reale Welt zu verlassen. Sie stieg aus der Rüstung und lief leichtfüßig, nur mit einem blauen Seidenhemd bekleidet, hinaus in den wilden Garten. Vorbei an den Holunderbüschen und den Kopfweiden. Aus den Kräuselblättern winkten ihr seltsame Wesen zu. Kleine fledermausartige Gestalten, bunt wie der Herbst. Auf der Mooswiese nah am Wald musste sie verschnaufen. Das Moos leuchtete samtig und der mächtige Haselnussstrauch wedelte mit seinem goldenen Laub. Es war weit im Oktober und doch noch sommerlich warm, aber wie lange noch? Sie wollte es nicht weiter bedenken, aber wie sie da so stand, fragte sie das Rotkelchen. „Wohin willst du so leicht bekleidet, Frau Lene? Der Nordwind wird doch bald eintreffen.“
Lene trat näher an den Vogel heran und streichelte sanft sein Gefieder: „Ach, ich bin so müde vom schweren Tragen.“
Das Rotkelchen zupfte sich drei Flaumfedern und sprach: „Schau, sie sind ganz leicht, aber sie werden dich wärmen, wenn es nötig wird.“ Lene dankte und ging weiter. Aus dem Unterholz knurrte es und Lene dachte, ach, Herr Dachs, gib nicht so an, aus dir wird nie ein Bär. Sie lächelte still in sich hinein als plötzlich eine eisige Böe durch das Gartenland jagte und alles schwärzte, was eben noch grün war. Lene schlotterte in ihrem dünnen Hemd. Schnell drückte sie die drei Flaumfedern fest an ihr Herz und schlagartig vermehrten sie sich und wuchsen zu einem dichten Federkleid. Jetzt konnte sie gehen, wohin sie wollte. Vom Fuß der Efeuhecke her hörte sie ein müdes Gähnen. Lene bückte sich und sah einen dicken Troll, der sich unter einem Moosbatzen zur Ruhe legte. Gleich daneben, kroch ein Igel in einen Blätterhaufen. Ein paar Elfchen flirrten noch im Strauchwerk, aber all die Kröten, Schlangen und die Regenwürmer krochen jetzt unter dem Steinhaufen tief in die Erde. Mit der nächsten Böe fegten die braunen Kräuselblätter vorbei, darin juchzten die bunten Flederwesen und riefen: „Komm mit, wir kennen einen Unterschlupf!“ Aber sie waren viel zu schnell, Frau Lene konnte ihnen nicht folgen. Fliegen müsste man können, dachte sie. Aber was war das? Ihr Hals, die Schultern, Arme, ihr ganzer Körper begannen zu jucken. Es war, als wollte etwas aus ihrer heraus und plötzlich begann sie zu wachsen und zu schrumpfen zugleich. Große, rote Flederarme wuchsen ihr, während ihre Gestalt klein wie ein Vogel wurde. Wie konnte das sein, wurde wahr, was sie gerade dachte? Ungeheuerlich. Aber als sie die Flügel hob, segelte sie mit dem nächsten Luftzug in die Höhe. Eine taumelnde Freude trug die Flederlene hoch in die dicken Schneewolken.

Es war kalt, unsagbar kalt. Leichter Schneefall setzte ein. Mit ihm sank sie taumelnd abwärts. Hunderte Augen sahen dem Trudeln zu. Sie hatten die Flederlene erwartet, die Grastrolle, die Moosmännchen, die Erdgnome, die Elfchen, das Nebelpferdchen und die Walddrachen – die ganze kleine Gesellschaft des Unterholzes. Kaum, dass sie sich noch bewegen konnte, landete sie steif und sah etwas Grünes auf sich zukommen.
„Darf ich bitten, Flederlene, komm näher, hier ist es trocken,“ wisperte der kleine Blattträger und reichte ihr mit einer sanften Geste die Hand. Sie hatte keine Kraft nachzufragen, woher und wohin. Vorsichtig und mit eingeschlagenen Flügeln trat sie schlotternd zu der grünen Gestalt und folgte ihr unter dem Blattschirm an den Rand einer gewaltigen Rinne, die ins Erdinnere führte.

„Unten ist es warm,“ meinte der kleine Blattträger und rutschte abwärts, sie folgte ihm vorsichtig in den tiefen, dunklen Schlund. Auf eine Ebene angekommen, rumste es plötzlich sehr gewaltig und eine riesige Gestalt stampfte um die Ecke: „Ah, Flederlene! Aus mir wird also nie ein Bär, ha, aber ein mächtiger König der Unterwelt, wie du siehst. Und hier bist du unerwünscht!“ Seine dunklen Augen funkelten und seine goldene Krone leuchtete. Der Dachs genoss den Augenblick seiner Macht, dann trat er mit seiner schweren Pfote so hart auf, dass der Boden in der Dachsburg brach. Unter lautem Getöse stürzten der kleine Grünling und das Flatterwesen mit dem Erdrutsch in einen tiefen, lichtlosen Abgrund. Es roch modrig als der Staub sich legte. Er hustete, sie schluchzte. Dann schwiegen beide starr vor Erschütterung. Lange. Nur die Stille hauchte Besänftigung. Als sie sich endlich rappelten, suchten sie tastend nach dem Ausgang aus der finsteren Erdkammer. Doch es gab keinen, sie saßen fest. Der kleine Blattträger legte sich schließlich erschöpft auf den Boden und bedeckte sich mit seinem großen Blatt: „Leg dich zu mir Flederlene. Wenigstens ist es warm, lass uns durch den Winter dämmern und auf das große Erwachen hoffen.“ Und so geschah es…

Ein Tropfenton, kaum hörbar und zerbrechlich, war das Erste, dass in die Kammer drang. Lene schlug die Augen auf und dachte: Ich lebe. Aber was hat mich nur geritten, mein Abenteuer im Winter zu beginnen? Vollständige Dunkelheit umgab sie und sie fühlte sich schwach wie ein Hauch, als es plötzlich überall raschelte, bröselte, scharrte, schlängelte, kroch. Alles, was der Boden vor Frost und Winterkälte schützte, erwachte von diesem Ton und strebte auf zum Licht. Das große Tauen begann und drängte zur Eile, denn in der Erdkammer sammelte sich das Wasser und stieg stetig an. Der kleine Blattträger spürte Lenes Aufregung und murmelte: „Keine Angst. Das Aufsteigen der Tiere ist unsere Chance hier rauszukommen. Hörst du die Regenwürmer husten?“ Flederlene spürte jetzt, wie sich der Boden neben ihren Füßen wölbte. Ein Maulwurf entstieg dem Erdhügel, streckte sich und grub hastig seine Röhre durch die Kammerdecke weiter. „Schnell, wir klettern ihm nach“, flüsterte der Grünling und rollte sein Blatt zusammen. Es war beschwerlich unter den Kieselschlägen dem Maulwurf zu folgen und es dauerte, bis sie die Oberfläche erreichten. Aber sie schafften es. Doch was war das? Als sie dem verschütteten Teil der Dachsburg entkommen waren, ging der Regen in Schneefall über und in der Dämmerung zog der Frost wieder an. „Fehlstart!“ riefen die atemlosen Wiesenwürmer und kehrten schimpfend wieder um. „Scheiß Klimawandel!“ maulte der Maulwurf und verschwand unter der Erde.
Schlotternd standen die beiden beim alten Haselnussbusch und Flederlene sah, der Strauch begann gerade zu blühen. „Ach, kleiner Blattträger, es ist erst Februar, der Winter wärt noch. Es war nur eine Warmfront, die uns den Frühling vorgaukelte. Lass uns ein trockenes Plätzchen im Scheunenheu suchen.“ Auf dem Weg dorthin, sah sie, wie viel die Gärtnerin vor dem Winter nicht geschafft hatte. Überall lagen dicke Blätterteppiche und die Weiden waren nicht beschnitten. „Der Garten sieht wild aus“, murmelte sie. Der kleine Blattträger hatte sie dennoch gehört und antwortete: „Gut so, das gibt ihm neue Kraft. Sorge dich nicht, es geht ihm und seinen Bewohnern bald viel besser, du wirst sehen.“

Wochen später erwachte Lenes Wunschgarten und die beiden Schläfer im Heu auch. Die zarten Krokusse sahen für den kleinen Blattträger und Flederlene mächtig wie bunte Bäume aus. Längst hatte die Verwandelte begriffen, nicht jede Wunschvorstellung lebt sich gut. Ja, das Fliegen war wundervoll, aber ansonsten war das Dasein sehr beschwerlich. Sie wollte lieber wieder ein Mensch sein und wie sie das bei sich dachte, wurde es wahr. Frau Lene verlor ihre roten Fledermausflügel und wuchs zu ihrer einstigen Gestalt und war fortan etwas vorsichtiger mit ihren Wunschträumen, denn sie wusste ja inzwischen, in diesem wilden Garten konnte alles wahr werden. Als das Maigrün sich entfaltete, sang dort das Leben sein schönstes Lied. Frau Lene sah, auch wenn sie wegen ihres Alters nicht mehr alle Winkel aufräumen konnte, dort, wo sie den Garten sich ihm selbst überließ, lebte die Natur besonders auf und der kleine grüne Blattträger bekam Gesellschaft: Rote Blattträger und weiße. Sie lebten in den Blätterteppichen unter den hohen Büschen und manchmal sprach Frau Lene mit ihnen und mit dem Dachs auch.              
© Text/Illus: Petra Elsner

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Der wilde Garten (4)

Öffentliches Arbeiten an einer Geschichte:

…Ein Tropfenton, kaum hörbar und zerbrechlich, war das Erste, dass in die Kammer drang. Lene schlug die Augen auf und dachte: Ich lebe. Aber was hat mich nur geritten, mein Abenteuer im Winter zu beginnen? Vollständige Dunkelheit umgab sie und sie fühlte sich schwach wie ein Hauch, als es plötzlich überall raschelte, bröselte, scharrte, schlängelte, kroch. Alles, was der Boden vor Frost und Winterkälte schütze, erwachte von diesem Ton und strebte auf zum Licht. Das große Tauen begann und drängte zur Eile, denn in der Erdkammer sammelte sich das Wasser und stieg stetig an. Der kleine Blattträger spürte Lenes Aufregung und murmelte: „Keine Angst. Das Aufsteigen der Tiere ist unsere Chance hier rauszukommen. Hörst du die Regenwürmer husten?“ Flederlene spürte jetzt, wie sich der Boden neben ihren Füßen wölbte. Ein Maulwurf entstieg dem Erdhügel, streckte sich und grub hastig seine Röhre durch die Kammerdecke weiter. „Schnell, wir klettern ihm nach“, flüsterte der Grünling und rollte sein Blatt zusammen. Es war beschwerlich unter den Kieselschlägen dem Maulwurf zu folgen und es dauerte, bis sie die Oberfläche erreichten. Aber sie schafften es. Doch was war das? Als sie dem verschütteten Teil der Dachsburg entkommen waren, ging der Regen in Schneefall über und in der Dämmerung zog der Frost wieder an. „Fehlstart!“ riefen die atemlosen Wiesenwürmer und kehrten schimpfend wieder um. „Scheiß Klimawandel!“ maulte der Maulwurf und verschwand unter der Erde.
Schlotternd standen die beiden beim alten Haselnussbusch und Flederlene sah, der Strauch begann gerade zu blühen. „Ach, kleiner Blattträger, es ist erst Februar, der Winter wärt noch. Es war nur eine Warmfront, die uns den Frühling vorgaukelte. Lass uns ein trockenes Plätzchen im Scheunenheu suchen.“ Auf dem Weg dorthin, sah sie, wie viel die Gärtnerin vor dem Winter nicht geschafft hatte. Überall lagen dicke Blätterteppiche und die Weiden waren nicht beschnitten. „Der Garten sieht wild aus“, murmelte sie. Der kleine Blattträger hatte sie dennoch gehört und antwortete: „Gut so, das gibt ihm neue Kraft. Sorge dich nicht, es geht ihm und seinen Bewohnern bald viel besser, du wirst sehen.“…

Morgenstunde (760. Blog-Notat)

Foto: Lutz Reinhardt

Seit Neujahr kann der Liebste kaum krauchen. Schweres Geschoss im Kreuz, den vierten Tag infolge. Er steht beim Essen. Sitzen auf dem Stuhl, nicht auszuhalten. Alles also recht ungemütlich derzeit. Blass und gequält schaut er in die Pfützen-Landschaft im Hof. Ein Sperber jagt dort erfolglos Spatzen.
Wir warten heute erneut auf Heizöl. Möge es diesmal klappen, denn die Tanks sind jetzt fast leer. Ich pendele derweil zwischen Krankenlager, Küche, Zeichenplatz und Computer. Die Leiwand hat die hauchdünne Bleistiftkontur des Tafelbergs bekommen. In den kleinen Pausen lese ich die letzten Manuskriptseiten zum Roman eines Kollegen. Die Zeit fließt dunkel…

Der wilde Garten (3)

Öffentliches Arbeiten an einer Geschichte:

…„Unten ist es warm,“ meinte der kleine Blattträger und rutschte abwärts, sie folgte ihm vorsichtig in den tiefen, dunklen Schlund. Auf eine Ebene angekommen, rumste es plötzlich sehr gewaltig und eine riesige Gestalt stampfte um die Ecke: „Ah, Flederlene! Aus mir wird also nie ein Bär, ha, aber ein mächtiger König der Unterwelt, wie du siehst. Und hier bist du unerwünscht!“ Seine dunklen Augen funkelten und seine goldene Krone leuchtete. Der Dachs genoss den Augenblick seiner Macht, dann trat er mit seiner schweren Pfote so hart auf, dass der Boden in der Dachsburg brach. Unter lautem Getöse stürzten der kleine Grünling und das Flatterwesen mit dem Erdrutsch in einen tiefen, lichtlosen Abgrund. Es roch modrig als der Staub sich legte. Er hustete, sie schluchzte. Dann schwiegen beide starr vor Erschütterung. Lange. Nur die Stille hauchte Besänftigung. Als sie sich endlich rappelten, suchten sie tastend nach dem Ausgang aus der finsteren Erdkammer. Doch es gab keinen, sie saßen fest. Der kleine Blattträger legte sich schließlich erschöpft auf den Boden und bedeckte sich mit seinem großen Blatt: „Leg dich zu mir Flederlene. Wenigstens ist es warm, lass uns durch den Winter dämmern und auf das große Erwachen hoffen.“ Und so geschah es…

Morgenstunde (759. Blog-Notat)

Die Initialzündung

Es gab diese Silvesternacht anno 1975. Ich saß frisch geschieden  am Küchentisch mit einer Flasche Rotwein und der geborgten Schreibmaschine meiner Mutter. Nebenan schlief mein kleiner Sohn. Ich hätte jemanden zum Reden gebraucht in dieser Nacht, aber da war keiner. Doch ich musste einfach „sprechen“ über den vergangenen Rosenkrieg, über das Nachtreten und den Versuch mich auszuhungern. Männer hatten damals noch alle Mittel in der Hand. Wenn das Kind krank wurde, gab es beispielsweise kein Krankengeld für die Mutter. Frau war ja (noch) verheiratet. Niemals zuvor hatte man mich so beschämt. Aber das aufzuschreiben war mir dann doch zu schmonzettenhaft, zu tränenschwer und ich hatte auch noch nicht die Worte, nur ein vages Bestreben. Ein Gefühl, ich könnte so die emotionale Last loswerden. Stattdessen aber schrieb ich erst ein Gedicht, dann eine fiktive Geschichte, die war so grottenschlecht, dass sie morgens im Papierkorb landete. Aber: die Nacht war rum und ich ein bisschen leichter, wenn auch mit schwerem Kopf vom Hügel-Rotwein.  Zweierlei hatte ich begriffen: Du musst das Echte rauslassen und du musst an deinem Schreiben erarbeiten. So, wie einer ein Handwerk erlernt. Fortan las ich Bücher ganz anders. Achtete mehr auf die Stilistik der Autoren und schrieb täglich Kleinigkeiten. Kleine Szenen in der S-Bahn, Beobachtungen im Kaffeehaus und in manchen Nächten Gedichte. Ich habe nichts aus dieser Zeit aufgehoben, nur manche Sprachbilder sind geblieben. Fünf Jahre später begann ich Artikel und Reportagen für den Verlag Junge Welt zu schreiben, als Folge einer einsamen Silvesternacht, die zur Initialzündung wurde…

Also: Macht was draus, die Nacht kommt bald 😊

Zum Jahresausklang

Wir erlebten ein Jahr der Warnungen, der Belehrungen, der Entmutigungen und existenzieller Bedrohungen bei angeknackster Gesundheit. Es reicht!
Die Zeit fließt im Strom der Jahre nie gleich. 2022 hatte viele Stromschnellen, Klippen und manchen Strudel. Eine gesunde, glückliche und friedliche Ankunft in sicheren Gefilden wünscht Euch für 2023,
Petra

Für alle, die hier Silvester-Märchen suchen… ich habe nur dieses eine, Ihr findet es Petra hier:

Morgenstunde (758. Blog-Notat)

Eine Vorbereitung für das Zeichenwerk 2023 musste noch sein. Da ja mein kleiner Zeichentisch zugunsten des Leinwandplatzes heruntergeklappt werden musste, brauchte es eine Alternative. Gegenüber tragen jetzt der kleine Büroturm und ein Bock eine größere Holzplatte aus dem Bestand. Finnpappe obendrauf und fertig ist der Winterzeichenplatz. Es kann dann also losgehen mit den Scribbles zum wilden Garten, den Schrägen Vögeln & Co 😊. Arbeitsbeginn: Neujahr. Bis dahin ist Ruhe im Quartier, alles einfach Austrudeln lassen – mit Vorfreude auf die nächtlichen Begegnungen am Feuer auf der Bleiche in der Silvesternacht. Heute ist der letzte Beutezug des Jahres angesagt, nur Zukäufe von Grundnahrung, alles andere kommt in den nächsten ein, zwei Wochen aus dem Tiefkühler. Das verschafft Zeit…

Morgenstunde (757. Blog-Notat)

Und auf einmal ist der Kalender leer und die Schultern scheinen leichter. Eigentlich sollte heute Mittag noch ein Freundinnentreffen in Templin stattfinden, aber eine der Frauen hat Corona erwischt… und so hängen wir zwei, nach der telefonischen Absage, erst einfach mal ab. Gestern gab es bei uns das große familiäre Jahresessen zu viert, denn mehr sind wir ja nicht mehr, in meiner Linie also nur noch zwei. Das Kochen auf den Punkt ist ja immer ein wenig stressig und umso älter ich werde, desto flattriger wird es. Nun denn, aber es war gelungen… Mein Sohn hat mir für seinen Großauftrag die bestellte und eigens angefertigte Leinwand mit seinem Transporter aus dem Künstlerbedarf mitgebracht. In unser Auto hätte sie nie gepasst… Die parkt jetzt im Atelier, bis die Zeit reif ist, die große Staffelei reinzuholen und an sie heranzutreten. Wenn das Licht höher steht, es hat keine Eile. Aber schön, dass sie schon mal da ist. Es ist ein Bauchgefühl, was kommen muss… Jetzt lassen wir uns ein, auf den Jahresausklang.