Morgenstunde (577. Blog-Notat)

Stress-Stunden liegen hinter uns. Jetzt, zurückgekehrt, dampft jeder für sich erst einmal ab. Wir waren wieder in Charité in Berlin-Steglitz. Dicker Verkehr, dreimal die richtige Abfahrt verpasst, immer wieder zurück auf die Stadtautobahn und neuer Abfahrtsanlauf. Der Liebste war über sich verärgert, hektisch, ich daneben mit einen Angst-Blutdruck kurz unterm Autodeckenblech. Die Lungenfunktion war dadurch stark beeinträchtigt, genauer gesagt: beim Arzt-Termin nicht messbar. Der Professor schaute mich nachdenklich an und erhöhte die Dosis des Kortison-Sprays. Immer Ende Oktober, wenn das kühlere Wetter einzieht, wird es eh schlechter mit dem stabilen Atmen. Sommer- und Winterlunge eben. Aber Dank der Anti-Körper-Therapie ist wenigstens das Allgemeinbefinden nicht so schlecht, wie vor einem Jahr. Trotzdem, doppelte Ration Kortison ist mit den Nebenwirkungen auch nicht gerade lustig. Die Haut will Pergament werden. Bitte nicht drücken, das gibt blaue Flecke. Schon allein vom aufliegenden Bein im Schlaf. Schitt. Altwerden macht gelegentlich ratlos und traurig. Aber nun liegt die Kutscherei erst einmal für ein Vierteljahr hinter uns… Schnauf. Was machen eigentlich Leute, die solche Fahrten nicht mehr leisten können? Sie bekommen einfach dieses Medikament nicht. Im Flächenland Brandenburg wird generell früher gestorben. Ich hoffe, wir schaffen das noch ein Weilchen nach Berlin. Meine Qi Gong- Ertüchtigung hat sich der Prof interessiert notiert, vielleicht (ganz sicher!) ist das auch etwas für andere Lungenkranke im späten Stadion, in dem Joggen & Co einfach nicht mehr geht. Morgen geht’s wieder ins Land-Dojo in Krohnhorst, für heute ist‘ genug.

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Morgenstunde (576. Blog-Notat)

Auf den letzten Metern im Oktober steigen die Infektionszahlen wieder und wir erleben abermals die gleiche Maßnahmen-Debatte. Nur die Machtgegebenheiten sind andere und jene, die mit Härte und Strenge in der Pandemie agierten, werden im Abgang jetzt ganz locker. Was für ein Scherbensalat liegt da noch vor uns. Ich hoffe, die Neuen halten sich nicht zu lange an Formalien und den umstrittenen Ausdrucksformen „moderner Kommunikation“ auf und packen beherzt das Entschlacken der Verhältnisse an. Die Welt ändert sich gravierend, egal welches Tempo Deutschland aufnimmt. Der allgemeine raue Ton ist dabei kein wirklicher Antrieb. Er ist nur der hässliche Abrieb. Ich spüre bei unseren Besuchern, die wegen des Honigschildes klingeln und eine unerwartete kurzweilige Verkostung erleben, immer öfter, dass unser herzlicher Umgang überrascht. Als säßen die Naschenden für einen Moment wie hin gebettet auf dem Stuhlpolster, irgendwie matt und ungeschützt, weil „bemuttert“. Hier gibt es kein Getöse, wir steuern gegen den Trend, auch wenn man/frau das vielleicht als altmodisch empfindet. Ich nenne das schlicht mitmenschlich. Habt ein schönes Wochenende allerseits!

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Morgenstunde (575. Blog-Notat)

Auf der windigen Heimfahrt von der Wahl des neues Sozialrates für Künstler in Berlin, stand da gestern, gleich hinter Groß Schönebeck, eine weiße Hirschkuh in der Nacht. Hey, was für ein Anblick! In der keltischen Mythologie galten diese Weißen als Boten der Erd-Göttin. Noch heute stehen weltweit die weißen Waldtiere als Helfer oder Orakel von Geisterwesen. Aron, mein weißer Hirsch in meiner Fantasy-Geschichte „Der Schatz der Baumriesen“ trägt diese Gedanken mit sich, aber diese Schöne am Straßenrand – was wollte sie mir sagen? Ich will besser nicht orakeln, nur erzählen, wie schön dieses Nachtbild war. Ein Augenblick, kein Foto. Sachlich betrachtet könnte man/frau natürlich auch sagen: Sie hat nur ein spezielles Gen in sich, aber wie unromantisch wäre das…

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Morgenstunde (574. Blog-Notat)

Das waren wieder vier Tage voller Begegnungen. Andre, der soziale Netzeflechter und Kunsthelfer; die wunderbare Lyrikerin Jana mit ihrem feinfühligen Mann (wir haben Bücher getauscht) und der singende Micha (wir tauschten seine neue CD gegen Samen vom Feldrittersporn).  Ein Murmeln der Meinungen und ein Arbeitsaustausch. Ich bin schon lange Eine, die nicht auf ihrem Goldstaub hockt, sondern weitergibt, was ihr überlebensnotwendig für freie Kulturschaffende scheint. Heute gegen Mittag klingelte das Telefon, ein Eulenliebhaber meldete sich zum zweiten Mal. Anschließend konnte ich ein Paket mit zwei Kauz-Köpfen (gerahmte Zeichnungen, den Habichtskauz und den Sibirischen Uhu) packen und sie ihm auf die Insel Föhr schicken. Ein Geben und ein Nehmen…

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Morgenstunde (573. Blog-Notat)

Zum Wochenende gibt es hier einfach mal wieder eine Leseprobe aus meinem Roman-Projekt “Die Zeit der weißen Wälder”.

… Bei solchen Gedanken stellte sich Emilia vor, das Kunst zu schaffen, ein Schöpfungsakt sei, der beseelt. Nicht nur das Werk, auch den Künstler. Sie öffnete eine Schachtel nach der anderen und fühlte den Stich im Herzen. Sie, die Mutter, war ihr der wichtigste Mensch gewesen. Nicht wegen der sogenannten Mutterliebe, sie war die Einzige, die sie präzise verstand. Sie hätte auch ihre Reichenbacher Strukturzeichnungen verstanden. Die mäandernden Lebenslinien im Stein, den Versuch den Schimmer von Zeit einzufangen. Jetzt war es Emilia, als kämen aus der Stille der Kisten flüsternde Worte: „Schau‘ genau hin, das sind wir.“

Sie nahm einen Stoß dieser Kisten mit hinüber ins Haus. Dort legte sie die Zeichnungen aus. Ein Bilderteppich wuchs, der alles überzog. Emilia hockte mit einer Tasse heißer Schokolade inmitten dieser Fülle. Tränen stiegen in ihr auf und ihre Atmung zitterte. Sie hatte sich damals keine Auszeit für eine Trauer gestattet, wollte einfach weiter funktionieren, den Ansprüchen gerecht werden. Damit ihr das möglich wurde, hatte sie sich emotional gepanzert und diese glatte Emilia-Wohnwelt geschaffen. Berührungslos, bedeutungslos. Jetzt platzte mit jedem Blick diese Schutzhülle auf.  Splitter aus Schmerz. Eingehüllt in die mütterliche Stimme, die aus jeder Linie aufstieg, saß sie da, sanftmütig, verletzlich und versunken. Tagelang? Sie spürte die Zeit nicht mehr. Sie aß nicht, trank nur diese Kakaomilch, schlief inmitten des Bilder-Caos‘, erschöpft vom Schauen und Erinnern auf dem Boden, nur in eine Decke gehüllt.

Es klingelte. Wenig später klopfte es an die Terrassentür. Herzog griff nach der Klinke und stand plötzlich in dieser überbordenden Bilderwelt. Seine Stadtplanerin blickte ihn aus verquollenen Augen an. Irgendwie entrückt, vernachlässigt. Der mächtige Zweimetermann sah, dass hier kein Platz war für ihn und sein Anliegen. „Wollen wir ein paar Schritte gehen?“ Emilia Bach schüttelte ihren Kopf, „Ich habe Ihnen nichts zu sagen, und ich will auch nicht mit Ihnen durch die Heide spazieren.“ Er nickte und ging langsam hinaus, die Dorfstraße hinunter bis zur Brücke über das Döllnfließ. Herzog lehnte sich auf das blaue Geländer und sah dem Lauf des Wassers zu. Den hatte er auch schon spritziger gesehen. In der Hitze der letzten Sommer war aus dem Fließ in dünnes Rinnsal geworden.  Zeichen der Dürre, dachte der Mann, der im Frühling gerne mit der Naturwacht durch die Schorfheide wanderte. Fremde Augen beobachteten sein Ungeschick. Er spürte die fragenden Blicke hinter den Gardinen in seinem Rücken. Jemanden ungebeten zu besuchen, war ein unerwünschtes Eindringen. Er hätte sich ankündigen müssen. Aber konnte er ahnen, in welchem Zustand sich diese Kollegin befand? Und warum jetzt, fragte sich Herzog, warum hatte sie jetzt die Trauer geweckt? Nach so vielen Jahren? Er verstand es nicht und auch nicht den Rückzug der Bach in diese entlegene Gegend. Ja, sie hatte dieses Mutterhaus geerbt und gewiss war es schlau, es nicht gleich zu verkaufen. Häuser sind in diesen Zeiten wachsende Bankkonten und sie werden mit der globalen Völkerwanderung immer wertvoller. Aber muss sich die Frau gleich in dieser Einöde vergraben und sich den Jahreszeiten aussetzen? Das Leben in den Städten war doch viel smarter. Was war los mit dieser Emilia Bach. Sinnkrise? Sich ärgerlich gedacht, stieg der Mann in seinen schwarzen BMW und fuhr unverrichteter Dinge davon. So etwas war er nicht gewohnt, er würde ihr schreiben müssen…”

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Morgenstunde (572. Blog-Notat)

Passepartouts schneiden, Blätter fegen, Weintrauben ernten und saften… Im Herbst wird man nie fertig, erst wenn Schnee die Baustellen bedeckt, beginnt das Loslassen. Für das Wochenende haben sich wieder Atelierbesucher angesagt, wie schön. Ich möchte hier mal alle, die ähnlich unterwegs sind, ermutigen, geduldig zu sein und nicht zu verzagen. Vor 14 Jahren habe ich draußen am Zaunschild angesagt: sonntags von 14 – 18 Uhr geöffnet. Und: Es kam selten jemand. Ich hatte dann zwar jede Woche wenigstens einmal das Atelier übersichtlich aufgeräumt, aber mich selbst weggeschlossen. Sonntagnachmittags finden auf dem flachen Lande die Kulturveranstaltungen statt…Nach sieben Jahren habe ich die Öffnungszeiten gecancelt und habe stattdessen Ausflüge unternommen…Ich wollte einfach nicht mehr ungewiss warten. Nach etlichen Atelierfesten ist inzwischen vielen klar geworden: Man/frau darf jederzeit kommen und schauen. Besser sich telefonisch ankündigen, damit ich auch Zeit habe, bzw. sie mir für Gäste nehmen kann. Das hat wirklich lange gedauert, zumal sich unser Walddorf nicht wirklich um die Ecke befindet. Klar, im Winter ist die Speichergalerie geschlossen, alles konzentriert sich dann auf das Zeichenwerk und die Geschichten dazu. Es gibt darüber hinaus die originalen (unverkäuflichen) Illustrationen zu meinen Büchern zu sehen. Gerahmte und für schwer Interessierte ziehe ich die Schübe des Zeichenschranks auf und hole die Mappen mit den losen Blättern hervor. Über 1000 Motive auf kleinsten Raum 😊, eben was so alles in 30 Jahren geschieht… und es ist schön, dem Staunen zuzusehen.

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Morgenstunde (571. Blog-Notat)

Zurück auf dem Hof am Schorfheidewald ist es spürbar Herbst geworden. Am Meer war es hingegen milder. Hier zog schon der Nachtfrost durch die Gärten und nahm dem Oktober die späte Blütenpracht. Da wartet viel Arbeit: Stauden schneiden, die erfrorenen Pflanzen von den Beeten hacken, die nicht winterharten Töpfe ins Haus holen…und die Blätterschlacht meistern.
Das Häuschen brauchte von gestern Nachmittag bis heute Morgen, um die ausgekühlten Wände zu erwärmen, da wurden wir abends das Schlottern nicht los.  Erst zum Frühstück war alles wieder wohltemperiert. Nun sind wir guter Dinge, denn die sieben Tage auf Usedom haben uns gut entspannt und klingen sonnig in uns nach. Was hatten wir für ein Glück mit dem Wetter! 😊 Und auch hier wird es noch ein paar lichte Tage und Atelierbesuche geben, bevor wir den Bilderspeicher winterfest machen… Nächste Woche hängen wir die Sommer-Ausstellung in der Kapper Kirche ab…

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Morgenstunde (570. Blog-Notat)

Der letzte Inseltag. Wir werden ihn auskosten und uns zugleich auf die Heimkehr freuen, auf die eigenen Plätze im Leben und Arbeiten. Der Kopf sammelt schon für den Fortgang des Romans. Endlich scheint es mir zu gelingen, über die Folgen der menschlichen Verluste zu schreiben.  Dafür mussten mehr als 43 Jahre vergehen. Als meine Mutter sehr jung starb, trieb es mich zu einem Buchprojekt, dass ich nicht leisten konnte, damals. Aus der Distanz wird es möglich, aber es wird doch ein ganz anderes Buch sein. Hier, unter dem weiten Himmel am Meer, werden die Gedanken leicht, selbst, wenn sie schwer wiegen. Also nochmal die Nase in den Wind, solange die Atmung hält. Morgen packen wir…

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Morgenstunde (569. Blog-Notat)

Flattrige Atmung, da fällt das Strandlaufen aus. Ein Jammer. Der Liebste pilgert allein. Ich nehme mir ein paar Blicke und drei Muscheln vom Strand mit in die Ferienwohnung und lese auf dem Balkon. Das Reizklima der Ostsee ist zwar gesund, aber kann in den ersten Tagen auch zu einer Verschlechterung der Atemsituation führen. Irgendwann wird’s wieder besser werden, ist zuhause manche Tage auch so, wieso sollte es urplötzlich anders sein. Ich vergesse es eben nur an guten Tagen, träume von Kraft und Tempo, woraufhin schnell die Klatsche folgt…
Foto: Lutz Reinhardt

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Morgenstunde (568. Blog-Notat)

Jeder Tag streut andere Farben. Von Silbergrau, leuchtend Blau, zartes Rosa bis Mitternachtsblau. Das Meer verzaubert und besänftigt. Ich hatte gedacht, es würde regnen und ich würde lesen/schreiben. Aber nee, Sonne pur, der Strandlauf ist der Tagesmittelpunkt. Nichts weiter, seltsam.  Essen, Laufen, Schlafen. Acht Kilometer täglich, dass ist eine Herausforderung für eine Lungenkranke. Der Liebste läuft doppelt so viel… Wir treffen uns im Café an der Seebrücke, da hat er schon das zweite Bier, wenn ich endlich eintreffe. Jeder geht sein Tempo, so nerven wir uns nicht gegenseitig. Der Liebste ist Schnell-Läufer, ich wohl eher Rennschnecke 😊. Wie auch immer, habt ein erfreuliches Wochenende!

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