Morgenstunde (631. Blog-Notat)

Irgendwie sind das gerade bedeckte Tage. Nicht das Wetter, das Gemüt. Das Tempo trödelt, macht müde und die Laune, naja… Frühjahrsmüde, die Zeitumstellung? Nee, die bleibende Schwäche im Körper nervt. Sechs Wochen (!) nach dem Krankenhaus hatte ich gestern endlich den Termin zur Anschlussbehandlung beim Lungenarzt. Dort durfte ich erst mal zwei Stunden in überfüllten Räumen (mit Termin!) warten. Eine gute Stunde davon im Stehen. Brandenburgische Zustände. Man mutet den Menschen auf dem flachen Lande wirklich eine Menge zu… Also: Der Arzt hörte die Lunge doch noch irgendwas murmeln und so gibt einen CT-Termin usw. ☹. Das Dauerthema ATEM sitzt im Kalender…

Die Raureifelfe

Ein Windhauch blies eiskalte Wassertropfen aus dem Nebelschwaden. Während sie ins dürre Gras fielen, wuchsen ihnen haarfeine Kristalle. Weiß und nadelspitz formten sie wie von Zauberhand die Raureifelfe. Ein paar Stunden würde sie in die Welt schauen und mit dem aufsteigenden Sonnenlicht wieder tauen. Die Zarte erschien nur sehr, sehr selten. Manche Jahre ließ sie sich überhaupt nicht blicken. Aber auch wenn die Elfe sich zeigte, konnte man sie nicht leicht entdecken. Das war nicht verwunderlich, denn schließlich war die winterkahle Landschaft mit verzauberndem Raureif überzogen. Es war ganz so, als wollte man einen Wassertropfen im Meer finden. Deshalb glaubten die Menschen, wenn sie etwas über die Raureifelfe hörten, dass sie nur im Märchen existierte. Das stimmte die Elfe traurig, denn sie hatte doch diese wunderfeine Magie zu verschenken. Wer sie mit den Augen berührte, dem reichte sie ihre Kronenperle, die ihr mit jedem Reifgewand neu wuchs. Diese lichte Perle enthielt die reinste Lebensenergie.
Im Haus am Waldrand hatte die ganze Nacht das Lampenlicht gebrannt. Lisa legte der Mutter kalte Wadenwickel an. Doch das Fieber wollte nicht sinken, und der alte Doktor schüttelte bei seinem Abendbesuch hilflos den Kopf als er raunte: „Es wird ein Wunder brauchen.“
Als sie der Mutter einen Schluck Wasser einflößte, sah die Kranke durch das Fenster den herrlichen Raureif im Morgen glitzern. Sie flüsterte: „Geh, du musst die Raureifelfe finden!“
Lisa zögerte nicht, zog sich warm an und lief vor das Haus. Aber wo nur sollte sie mit der Suche beginnen? Am Waldrand oder bei den Weiden am Bach? Sie könnte überall sein, und selbst vor ihrer Nase würde sie die Elfe wohl kaum entdecken. Schnell ging sie noch einmal ins Haus zurück, griff sich die große Leselupe und eilte hinaus. Weißer Eiswind verschleierte die Sicht. Aber dann brach das Sonnenlicht durch die Wolken und ließ den Frost funkeln. Jedes welke Blatt, jedes Ästchen war mit diesem Kristallzauber überzogen, dessen Schönheit ein Lächeln fordert. Und so besorgt Lisa auch war, inmitten dieser Glitzerwelt war sie beinahe heiter. Sie stand gar nicht weit vom Haus, inmitten der alten Streuobstwiese, und besah mit der Lupe genau die Kristallwerke an den Stängeln und trockenen Blütenständen. Lange, bis die Augen schmerzten. Als die Kraft der Sonne wuchs, begann die Kristallwelt zu tropfen. Bald regnete es unter den knorrigen Bäumen geradezu und Lisa verzagte: „Bitte, Raureifelfe, zeig dich mir! Ich brauche dich! Ich kann nicht auf den nächsten Reifzauber warten!“
„Warum nicht?“ säuselte es aus dem Unterholz am Wiesenrand.
Lisa drehte sich hektisch nach der Stimme und sah die Schöne, die sich im Schattenblau kühlte. Das Mädchen war hin- und hergerissen, denn es erkannte, die Raureifelfe würde sehr bald zu Tauwasser zerrinnen; das berührte sie mit einem Schrecken. Aber die Elfe sprach: „Du musst dich nicht fürchten. Das Leben heißt Kommen und Gehen. Jedes hat nur eine bestimmte Zeit. Du aber bist gekommen, um ein Leben zu verlängern. Für ein Weilchen soll es so sein, weil du mich gefunden hast.“ Die Raureifelfe nahm die Perle von ihrem Haupt und legte sie in Lisas Hand. „Geh‘ schnell, bevor sie schmilzt, und beträufele mit ihrem Wasser die Stirn der Kranken.“  Damit war die Elfe verschwunden, und das Mädchen trug den Hauch des Lebens nach Haus.

© Petra Elsner
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Morgenstunde (630. Blog-Notat)

Neues Leben im Fensterbrettgewächs“haus“.

Ich habe Gerhart Baums finstere Prognose mit in die Nacht genommen und logischerweise schlecht geschlafen. Der alte FDP-Mann sprach gestern kurz vor Mitternacht bei Maischberger von einer düsteren Zeit, die vor uns liegt. Und er mahnte die Ampel, den Menschen reinen Wein einzuschenken und sie auf Einschränkungen und Opfer einzustimmen. Ich glaube, der Ampel ist noch immer nicht klar, das mit den geopolitischen Veränderungen die satten Zeiten komplett vorbei sind. Alle sprechen von „Zeitenwende“. Aber was bedeutet die? Biodiversität? Gewiss. Aber die Politik wird die Inflation, getrieben von Spekulation und gestörten Lieferketten, auf Dauer nicht ausgleichen können und so werden die Realeinkommen schwinden und der Wohnstand abschmelzen. Man sollte sich davor nicht ängstigen, denn mit leichtem Gepäck reist es sich schneller durch die Zeit. Nur, wo geht es hin? Mit der atomaren Bedrohung am Horizont lebt es sich nicht mit freiem Herzen und ich ertappe mich bei dem Gedanken, macht es noch Sinn zu dichten, im Garten zu ackern? Tag 29 im Ukrainekrieg, mir scheint die Schlacht um die Ressourcen der Welt beginnt erst.

Morgenstunde (629. Blog-Notat)

Vor ein paar Jahren musste ich mir noch jeden Stock aus dem Wald holen, weil das von uns angepflanzte Gehölz noch kindlich war. Jetzt, nachdem wir seit 14 Jahren in diesem Schorfheidedorf leben, beginnt der Überschuss. Wohin mit dem Strauch- und Baumschnitt? Vor Corona gab es Oster- und Herbstfeuer… aber auch die zunehmende Trockenheit reglementierte die Mengen für die Festfeuer, so dass wir unser Zeug meist nicht mehr loswurden.
Dieses Frühjahr habe ich begonnen, den dürren Strauchschnitt als Totholz- oder Benjeshecke zu arrangieren. Natürlich geht’s auch größer, aber mir haben erst einmal die kleinen Anlagen bei den Kompostpostplätzen gereicht. Im Sommer wird Kapuzinerkresse drüber ranken. Ja und wenn im Herbst der Weidenschnitt obendrauf kommt, dann brühtet vielleicht nächstes Jahr ein Rotkehlchen darin.

Mit dem aufsteigenden Licht grinst überall die Hausarbeit. Nach dem Saharastaub kommt die Birkenblüte, etwas später die Kiefer… Überall Staub, der im Winter eher unentdeckt dämmert… Ich habe es immer noch nicht so richtig drauf, Arbeit zu übersehen, also wusele ich uferlos hier und dort herum, nur die Schwäche treibt mich ab und zu ins Atelier. Das Licht da draußen lock gegenwärtig mehr…
Montag kam ein Ex-Galerist auf eine Kaffeezeit zu Besuch und erzählte uns von seinem Abgang aus seinem Arbeitsleben. Der Glückspilz hatte seine Pension, das Café und seine Galerie am Werbellinsee just 14 Tage bevor Corona in Deutschland auftauchte, aus Altersgründen verkauft. Er ist einer der wenigen, der so schadlos durch diese Zeit kam. Aber so ganz verabschiedet hat sich der Mann von der Kunst dann doch noch nicht: Er entdeckte eine kleine Spachtel-Arbeit für sich in meinem Atelier und kaufte sie spontan. So fing die Woche gut an…

Morgenstunde (628. Blog-Notat)

Büsche auslichten

Das ganze Wochenende Flieder- und Hartriegelbüsche gelichtet und junge Triebe gekappt. Der Wind blies dazu eisig. Aus dem Nachbarzaun klapperten und wankten dazu die vom ersten Frühjahrssturm gelösten Zaunfelder. Ein knarrendes Bruchholzröhren. Aber der Garten lag so wunderfein im Frühlingslicht. Das nährte die Hoffnung, dass der Winter endlich gehen wird. Wenn ich als Kind Ostern meine Großmutter in der Osterglockensenke an der Bache besuchte, war die immer wiederkehrende Frage bei allen Begegnungen „Und, gut über den Winter gekommen?“ Danach beklagten die Alten lange all die Maläsen, die ihnen im Winter zu schaffen machten. Es muss seinerzeit, in den grauen 50er Jahren, durchweg schwieriger gewesen sein, den Winter zu überstehen. Will sagen, es starb sich damals schneller und die Leute haben sich einfach mal länger als heutzutage hingelegt, wenn es ihnen in ihren Winterhäusern nicht gut ging. Der Frühling wird richten…

Frisches Lyrik-Segel

Morgenstunde (627. Blog-Notat)

Gartentage. Auch wenn ich immer noch viele Pausen einlegen muss und die Stimme noch brüchig ist… es geht voran: Die Teiche bekommen frisches Wasser und die vom Winterwind zerzausten Lyrik-Segel werden erneuert. Wassertriebe vom Haselnuss-Strauch dienten mir gestern als Baumaterial für die Rahmen der neuen Märchenplatten im Lesegarten. Da kann jetzt das Sonnenmädchen leuchten… und in die Vogellaube ziehen wieder die Sommergäste ein.
Zwei sehr verrostete Altvögel habe ich gestern mit neuer Farbe versehen. Aber so ganz glücklich bin ich mit dem Ort noch nicht, denn eigentlich war die Grundidee, dort zum kurzweiligen Lesen zu animieren. Sozusagen die kleine Kost im Lesegarten… Die handgemachten Sprüchevögel oder die „weisen Vögel“ luden dazu ein. Aber sie verwitterten so schnell und ich hatte eine Heidenarbeit mit der ständigen Instandsetzung der Falter. So wurde eine schnöde Sammelecke für geschenkte und gekaufte Vögel daraus. Aber ehrlich, die Grundidee war schöner und vielleicht fällt mir ja irgendwann noch eine wetterfeste Variante ein. Ich teste mal laminierte Teile – analog der Lyrik-Segel, schöner wäre Holz, aber das ist eben nach einem Regensommer hin…es gibt genug andere Baustellen in Haus und Hof… Wünsche ein schönes Frühlingswochenende allerseits 😊!

Morgenstunde (626. Blog-Notat)

100 Tage Ampel-Koalition, da habe ich nur den Sehnsuchtsvogel im Kopf und ich bin reif für die Insel…  Nee, das war kein guter Start. Zugegeben, die Umstände hätten nicht schwieriger sein können. Die haben die Planspiele für die schöne neue Ampel-Welt komplett verstellt. Denn wer hätte Weihnachten gedacht, dass man im Lande Atomenergie und Braukohle für das Zukunfts-Tableau diskutiert?… Geben wir den Koalitionären noch etwas Zeit, um in diesen komplizierten Zeiten das rechte Maß zu finden. ABER: Ein bisschen couragierter und herzhafter könnte es schon zugehen. Wie kann es eigentlich sein, dass die Regierung dem unverschämten Treiben der Energiekonzerne so lange einfach nur zusieht, während abermals Existenzen vernichtet werden? Erschließt sich mir nicht, denn es gilt doch „Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden“ – oder?

PS: Den Sehnsuchtsvogel hab ich mir einfach mal gemalt – zum Hinfahren ist mir der Sprit zu teuer und auch die Hotelpreise klettern in nicht gekannte Höhen …

Lyrik-Krümel

„Hufeland, Ecke Bötzow“ von Lea Streisand

Eine Buchbesprechung

„War schön jewesen. Geschichten aus der großen Stadt.“, so enden Lea Streisands leichtfüßige Hörkolumnen auf Radio Eins und die mochte ich vom ersten Ton an. Aber die junge Autorin auf ihrer Rückreise in die Kindheit zu erleben, das war etwas ganz anderes. Denn ehrlich, wie haben Jungpioniere die Zeitenwende nach 1989 erlebt und begriffen? Darüber hatte ich nie nachgedacht. Mein Sohn war damals 17 Jahre alt und die Verwirrungen für diese Altersgruppe waren schon extrem. Man war bis zu Erschöpfung mit den Veränderungen beschäftigt und der Blick engte sich ein. Insofern bin ich sehr dankbar, dass ich das Roman-Kind Franzi auf seiner Haltsuche in der alten und der neuen Zeit begleiten durfte. Denn die Erinnerungen der Autorin schupsten mich geradewegs zurück in meine Kindheit zwischen enthusiastischen Pioniernachmittagen und melancholischer Sinnsuche. Geheimnisgräberische Eltern gab es damals auch schon und Zeit hatten die auch für uns Kinder nie. Da war es nicht verwunderlich, dass Nachbarskinder wie Geschwistern Lebenseinfluss bekamen. Aber so richtig spannend wurde für mich dieser Erinnerungsroman erst, als Franzi von den Übergängen spricht: „Eines Tages stand ein Container bei uns auf dem Schulhof… In dem Container landeten Bücher. Landkarten, Atlanten. Die ganze Welt, wie wir sie kannten, wie man sie uns beigebracht hatte, wurden in die Tonne getreten. Dabei hatten sie uns jahrelang eingeimpft, Bücher seien etwas Heiliges. Kluge Frauen und Männer hätten sie geschrieben, um uns klüger und die Welt besser zu machen. Mit Büchern musste man sorgsam umgehen. Man durfte nichts hineinschreiben, keine Eselsohren reinmachen und sie nur mit gewaschenen Händen anfassen. Und nun stand auf unserem Schulhof dieser riesige Mülleimer, und alles, was wir wussten, wurde entsorgt. Stattdessen galt es, neues Wissen zu erlangen…“ „Wie man es anstellte, selbstständig zu werden, lernte ich aus der Werbung ‚Krönung light‘-Werbung. Mein Vorbild war die junge blonde dynamische Frau, die ihr Leben mit Krönung light voll im Griff hatte…“ Aber kaum später mutierte die Schülerin zum Hippie: „Ich fühlte mich geborgen in dieser vergangenen Rebellion…Wir bewegten uns in dieser Vergangenheit wie in einer Traumwelt, in der die Dinge geordneter und freundlicher zu sein schienen. Peace, Love and Rock’n’Roll, das waren doch universelle Werte. Der Widerstand, den wir leisteten, richtete sich gegen die Zukunft. Die Freiheit machte mir Angst. Es gab keine Sicherheit mehr. Alles konnte passieren. Unsere Eltern waren auch keine Gegner mehr. Sie waren nur noch mit sich beschäftigt und taperten teilweise genauso überfordert durch die schöne neue Welt wie wir.“
Ja, all das habe ich damals als Jugendredakteurin auch gesehen, selbst erlebt und ich bin sehr angetan, dass ich durch dieses Buch, die kindliche Seite dieses Wandels jetzt nachträglich bedenken konnte und mich auch ungeniert an die Sonnendecks über den Dächern des Prenzlauer Berges erinnern durfte. Dieses Buch hat die Gründe geborgen, weshalb manche heute so und nicht anders geworden sind.
© Petra Elsner

„Hufeland, Ecke Bötzow“ von Lea Streisand, Ullstein, Hardcover, 224 Seiten, ISBN: 9783550050312, 20 €

Morgenstunde (625. Blog-Notat)

Frühlingseis

Mal für den Moment die Welt ausblenden, Sonne tanken und Komposterde ernten. Im Märzen – die Beete aufbereiten. Der Liebste hat mir eine bretthohe Umrandung gebaut und aufgestellt. Da kann die Komposterde für eine Gemüseansaat rein. Nach den hinfälligen Wochen war ich gestern fast den ganzen Tag draußen, es geht also aufwärts. Geschmeidiges Sonntagslicht lässt uns lächeln, das ist es, was stärkt. Nur Nachbars Kater klagt und leckt sich die Schrammen aus nächtlichen Revierkämpfen und das Radio berichtet am 17. Kriegstag von Einschlägen in der Westukraine unweit der polnischen Grenze. Der Krieg rückt näher, aber ich kann mich nicht jeden Tag emotional aufräufeln…

Das Gemüsegärtchen im März.