Adela und der Steinschiffer

Als Adela den Heidewald verließ, stachen am Fluss schon die Wanderarbeiter nach dem

Adela, Muhme der Wiesen und Felder, Zeichnung: Petra Elsner
Adela, Muhme der Wiesen und Felder,
Zeichnung: Petra Elsner

Ton unter der Grasnarbe. Der Sonnenball stieg gerade feurig über die Baumwipfel und nährte die rote Stunde dieses Morgens. Grillen zirpten,  und die Vögel besangen den Glanz des Lichtes, während sich die schöne Wiesenmuhme  das wüste Treiben im Weidengrund besah. Adela war ein weiblicher Heidegeist, der keinen Raubbau zulassen durfte.

Natürlich brannten sich die Bewohner des Wanderlandes seit einer Ewigkeit Ziegel. Das hätte Adela nicht weiter aufgeregt. Doch diese Männer nahmen mehr, als sie selbst brauchten. Ziegelhandstreicher formten Grünlinge aus dem Ton, Brenner türmten daraus Meiler, und das Feuer darin, ließ die Grünen steinhart werden. Überall in den Wiesen am Westrand des Wanderlandes rauchten die Meiler und Feldbrandöfen, denn Adrian, der schlaue Schiffer, kaufte die Bausteine und schipperte sie in die nächste Stadt. Da kam er gerade wieder schweren Schrittes. Weil der Fluss mit seinem kastenförmigen Lastkahn nicht sicher befahrbar war, zog ihn Adrian mit einem Pferdegespann von Land aus. Der Treidelpfad, der bei diesem Schiffeziehen entstand, lag wie ein breites Band neben dem Flusslauf. Lange hatte Adrian, wie andere Schiffer auch, nur Baumstämme transportiert, bevor er sich entschloss, Steinschiffer zu werden. Die Städte rings um das Wanderland begannen gerade zu wachsen, so dass der Schiffszieher gar nicht so viele Steine heranbugsieren konnte, wie jene verbauten. Bald schon wurde Adrian wohlhabend, konnte sich Pferde, Knechte und ein zweites Schiff leisten. Aber er war mit dem Wohlstand auch vom Hochmut befallen.

Adela tänzelte und wehte durch die Wiesen wie ein Schmetterling. Adrian sah die Schöne mit dem Blumenkranz, aber sein begehrlicher Blick bekam sie nicht recht zu fassen. Irgendwie sah er immer nur das Echo ihrer geschmückten Gestalt. Doch dann wehte eine harte Stimme an sein Ohr: „Wer hat  dir erlaubt, meine Ufer zu plündern?“

Adrian drehte sich erschrocken um, aber da hallte es schon in sein anderes Ohr: „Schick dich von dannen,  Schiffer, sonst ereilt dich die Wüste!“

Der Mann schüttelte sich, als wollte er den Spuk abwerfen, da stand sie plötzlich vor ihm: „Geh, Schiffer, und nimm deine Tonstecher mit, dieses Land hat genug Wunden!“

Adrian lächelte kühl: „Ah, das verlangt ein Blumenweib? Dass ich nicht lache!“

Die Wanderarbeiter schauten besorgt,  und der Älteste unter ihnen erklärte: „Herr, nimm er sich in Acht, sie ist kein einfaches Weib, sondern eine  Muhme der Wiesen und Felder. Ihr Zauber könnte uns alle böse treffen.“

„Schweig,  Alter, und spute dich, die Ziegel müssen an Brod!“,  befahl ungerührt Adrian und raunte sodann Adela zu: „Und du Weib, komm in meine Arme oder scher’ dich vom Acker! Hier hat nur der Steinschiffer das Sagen!“

Die Männer bei der Tonsohle blickten finster als sie Adelas Murmeln vernahmen: „Ich wünsche dir Sand und Schluff in den Ton, auf dass deine Ziegel nichts mehr taugen.“

Dann lief sie zurück in die Wiesen. Aus ihrem Rocksaum rieselte dabei feiner Sand, und der Wind frischte auf, der sich kaum später zum Sturm erhob. Der blies weißen Sand in jeden Winkel des Landes und bedeckte es dünengleich.  Die Wanderarbeiter zogen bald weiter, denn sie hatten seither vergebens nach gutem Ton gegraben. Adrians Schiffe zerbarsten in jenem Sturm auf einer Sandbank, und der Mann verlor darüber nicht nur Hab und Gut, sondern auch seinen Verstand.  Er stand da in seinem Kahn auf welligem Sandland, in den Händen eine Stake, mit der er davon kommen wollte, doch Adelas kalter Atem hielt ihn für immer fest im Bann.

(Aus meinem Buch “Schattengeschichten aus dem Wanderland” – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel “Die Gabe der Nebelfee”

Spende? Gerne!
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Seelenfang

Frühjahrsmorgen am Döllnfließ. Foto: Lutz Reinhardt
Frühjahrsmorgen am Döllnfließ.
Foto: Lutz Reinhardt

Ohne Seele
sind die Worte
leer.
Sie berühren nicht,
sie sind
nicht echt.

Raumgreifend
füllt das
Gefasel ungeniert
die heiligen Plätze,
skrupellos
mit großer Gier.

Ohne Herz
verlieren
nicht nur
die Worte
den Verstand.
Wir verlieren DAS Seelenband.

© Petra Elsner

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Die Moorgeister vom Plagefenn

Umor, Schlangentroll vom Plagefenn Zeichnung: Petra Elsner
Umor, Schlangentroll vom Plagefenn
Zeichnung: Petra Elsner

An diesem milden Frühlingsmorgen scherbelte das Eis auf dem schmalen Wassergraben, der das Moor umgab. Es schien, als würden die feuchtschweren Mooshügel atmen. Auf einem dieser hockte Fidelio, das Fledermännchen, und zählte Gasblasen. Eigentlich müsste das Moorgeistergeflüster längst erwacht sein. Blub, wieder war eine Blase zerplatzt, doch mehr regte sich nicht. Fidelio wischte sich die Schlammspritzer von seiner blassen Nase und seufzte. Das himmelblaue Männchen mit den Libellenflügeln wollte gerade davon surren, als sich aus dem Moor eine wirklich fette Beule aufblähte. Das Fledermännchen ging in Deckung, da gluckste und schmatzte es, und ein brauner Schlammtroll quoll aus dem Matsch. Fidelio lugte hinter den Binsen hervor. „Oh, Blubber, endlich ausgeschlafen?” „Nein, aber die Sonne heizt das Moor so an, da wird man zwangsläufig wach. Moorflocke wird auch gleich aufsteigen.”
„Und Umor?”, fragte die glasige Gestalt. „Nein, keine Sorge, der große Schlangentroll kommt wie immer erst zur Nacht.”

Indes erschien Moorflocke mit ihrem Wollgrashütchen an der Oberfläche, und Fidelio kicherte: „Mein Gott, ich habe über den Winter ganz vergessen, wie hübsch hässlich ihr seid. Da hilft keine Schlammpackung!” Moorflocke tauchte beleidigt ab, nur eines ihrer Froschaugen linste noch aus dem Sumpf und dem hielt Fidelio eine lila Glockenblume hin. Moorflocke spritzte aus dem Schlick. „Wo hast Du denn die her, die blühen doch erst in ein paar Wochen?” „Topfblumen, extra für dich.” Das kleine Elfenmännchen wusste genau, etwas Schöneres konnte er ihr nicht bringen. Dann hockten sich auf die wabernden Mooshügel und schauten in die geheimnisvolle Landschaft. Noch war das große Kesselmoor im Herzen der Schorfheide kahl und öd, doch bald würde wieder alles von Seggen, Binsen und Farnen sattgrün schimmern. Wenn erst überall die Glockenblumen läuten, dann schlägt die Hochzeit der Moorgeister. Aber eigentlich hat dieser Spuk keine bestimmte Stunde. Die Moorgeister foppen jeden, der sich sommerwärts in ihre Nähe begibt. Den Heidekrautschneidern schicken sie fliegende Ringelnattern, auf das sie schreiend davonlaufen. Ein anderes Mal erschrecken sie mit feinem Heulen oder schrillem Pfeifen. Doch all das ist gar nichts gegen eine Begegnung mit Umor. Wer den buckligen Moorgeist mit dem Schlangenhaar, den glühenden Augen und der Schuppenhaut erblickt, den packt das kalte Grausen. Wer davonläuft hat Glück, wer Wurzeln schlägt, den holt sich Umor.

Es dämmerte früh an diesem Tag, und Fidelio wurde unruhig. So sehr er auch die Moorgeisterkinder mochte, ihrem Vater, dem Schlangentroll, wollte er nicht begegnen. Doch es begab sich, dass eben zu jener Stunde ein Kräuterweiblein vom Großen Plagesee den Weg durch den Sumpf nahm. Moorflocke warf Frösche nach ihr, und Blubber rülpste unwirklich laut und klatschte mit Ästen auf das Wasser. Das alles aber störte die Frau nicht weiter, denn sie kannte den Unfug der kleinen Moorgeister. Doch als plötzlich eine Schlammfontäne aufbrach, und Umor aus der Finsternis schoss, stockte ihr der Atem. Grausig sah er aus, und die Frau erstarrte.

Fidelio mochte die Auftritte Umors gar nicht. So flog er zu der Kräuterfrau und wisperte ihr zu: „Nicht hinsehen.” Er hatte keinen großen Zauber, nur die Gabe, einen Nebelschleier zu schicken. Den legte er nun schützend um die Erstarrte, die sogleich ungesehen fliehen konnte. Umor aber grollte ganz fürchterlich, seine glühenden Augen sprühten vor Wut Funken, die als Glühwürmchen wie Spione davon schwebten. Die kindlichen Moorgeister murmelten: „Das Fledermännchen ist aber mutig. Nicht, dass der Vater es jagt, wir müssen ihm beistehen.“ Und so wirbelte Moorflocke eine Wolke aus Wollgrasähren auf und Blubber brachte das Moor zum Brodeln und ließ es düster stöhnen. Umor tauchte schließlich im Morast ab. Er kannte seine Kinder und wusste, zusammen sie allemal stärker als er. (pe)

(Aus meinem Buch “Schattengeschichten aus dem Wanderland” – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel “Die Gabe der Nebelfee”

 

Info: Plagefenn

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Katen im Nachtgewand

Neue Rabenkarten in Arbeit. Foto: pe
Neue Rabenkarten in Arbeit. Foto: pe

Es sind wieder ein paar neue Rabenkaten in Arbeit, denn zum Tag des offenen Ateliers, am 8. Mai 2016 (11 bis 18 Uhr im Schorfheidewald), sind die kleinen Unikate aus meiner Hand immer sehr gefragt… Diese hier haben eine neue Farbgebung: Katen im Nachtgewand, für die Nachtschwärmer halt …

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Unter dem Eis

Schorfheide zwischen Kurtschlag und Kappe. Foto: Petra Elsner
Schorfheide zwischen Kurtschlag und Kappe.
Foto: Petra Elsner

 Noch gefriert
die Zeit.
Nagt die Kälte
an meinen Flanken.
Das Herz ersehnt
milde Gedanken
und Leichtigkeit.
Doch noch schläft
das große Erwachen
unter der Zerbrechlichkeit.
(pe)

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Saisonstart im Wildpark

Imke Heyter, Chefin des Wildparks Schorfheide – Mit langem Atem für den Erhalt der heimischen Arten:

Imke Heyter bei den sechs Luchsen: „Brandenburg aber ist meine Heimat, und ich finde es extrem schön. In den sechs Jahren, in denen ich in Westfalen lebte und studierte, habe ich erst festgestellt, WIE schön Brandenburg ist. Ich finde es wichtig, dass die Leute in der Region bleiben und nicht alle abwandern.“ Auch deshalb arbeitet Imke Heyter raumgreifend an ihren Projekten. Fotos (3): Lutz Reinhardt
Imke Heyter bei den sechs Luchsen: „Brandenburg aber ist meine Heimat, und ich finde es extrem schön. In den sechs Jahren, in denen ich in Westfalen lebte und studierte, habe ich erst festgestellt, WIE schön Brandenburg ist. Ich finde es wichtig, dass die Leute in der Region bleiben und nicht alle abwandern.“ Auch deshalb arbeitet Imke Heyter raumgreifend an ihren Projekten.
Fotos (3): Lutz Reinhardt

Was andere Menschen nur bestaunen, lebt Imke Heyter (43). Mit jeder Faser ihres Seins, schafft sie für den Wildpark Schorfheide in Groß Schönebeck. Beharrlich, unnachgiebig, leidenschaftlich. Seit ihr Vater Dr. Frank Heyter 2005 in den Ruhestand wechselte, führt sie den Park in seinem Sinne weiter.

Die nachhaltige Vision des Begründers nahm vom 21. April 1996 mit dem 1. Spatenstich langsam Gestalt an – das ist bald 20 Jahre her. Grund genug zum Feiern, denn seither macht sich der weitläufige und unglaublich schöne Wildpark einen guten Namen selbst über die Grenzen der Region hinaus.

60 Prozent der Gäste kommen aus Berlin, 35 aus Brandenburger. Anders ist es bei ihren sehr besonderen und fantasievollen Festen, da kommen besonders die Einheimischen. Seit 2009 machen die Vollmondwolfsnächte von sich reden – ungebrochen bis heute. Die Termine sind meist auf Monate ausgebucht. Deshalb gab und gibt es Zusatztermine auch über die kalendarischen Vollmondnächte hinaus.

Imke Heyter lächelt: „Wölfe heulen nicht nur bei Vollmond, sie heulen selbst bei Tag. Aber ein bisschen Glück gehört dazu. Wir möchten ein authentisches Naturerlebnis bieten. Unser Angebot ist das europäische Wildtier, welches hier früher mal heimisch war oder wieder ist – präsentiert in einem natürlichen Großgehege. Das ist unsere Marktlücke, aus der wir eigenwirtschaftlich agieren.“

Bei den lustigen Ottern: Der Wildpark beherbergt ausschließlich Wildtierarten, die in der Schorfheide heimisch sind, wie beispielsweise Wolf, Fischotter, Rotwild, Damwild, Schwarzwild, Muffelwild und Tiere, die bei uns in freier Wildbahn bereits ausgestorben sind, wie Wisent, Elch und Przewalski-Pferd. Außerdem züchten wir seltene, vom Aussterben bedrohte Haustierrassen wie z. B. Englische Parkrinder, Rauhwolliges pommersches Landschaf, Exmoorpony`s und Wollschweine.
Bei den lustigen Ottern: Der Wildpark beherbergt ausschließlich Wildtierarten, die in der Schorfheide heimisch sind, wie beispielsweise Wolf, Fischotter, Rotwild, Damwild, Schwarzwild, Muffelwild und Tiere, die bei uns in freier Wildbahn bereits ausgestorben sind, wie Wisent, Elch und Przewalski-Pferd. Außerdem züchten wir seltene, vom Aussterben bedrohte Haustierrassen wie z. B. Englische Parkrinder, Rauhwolliges pommersches Landschaf, Exmoorpony`s und Wollschweine.

Der Wildpark lebt von den Eintrittsgeldern und von dem, was die Gastronomie mit ihrer speziellen Wild- und Kräuterküche im Besucherhaus erwirtschaftet. Die Chefin versteht es mit der zupackenden Hilfe ihrer 15 Angestellten, die Park-Idee auszukleiden: Mit Spezialführungen für jedes Alter, Streichelzoo, Waldspielplatz, Kräutergarten, Fischräucherei und anderem mehr. „Die attraktivsten Tiere sind zurzeit natürlich die Wölfe. Es sind vornehmlich die großen Beutegreifer, die die Besucher locken. Ich selbst verteile meine Liebe ganz gerecht auf alle Tiere. Natürlich sind meine Favoriten Elche, Wölfe, Luchse aber alle anderen auch“, verrät sie.

In der heutigen Zeit, in der die Welt und das Leben vieler ungewiss ist, sieht die Frau in dem Arial Wildpark auch eine Nische, in der Mitmenschlichkeit noch gelebt wird. Ein unbezahlbares Gut. Hinzu kommt diese spannende Aufgabe. Imke schwärmt: „Für mich ist es der schönste Arbeitsplatz der Welt, ich möchte nicht tauschen, auch wenn man sehr gebunden ist. 365 Tage im Jahr ist der 100 Hektar große Wildpark für die Besucher geöffnet. Da übernimmt man Tag und Nacht Verantwortung für die Tiere, alle Angestellten und nicht zuletzt auch für die Besucher und Tierpaten. Man lebt es, oder man lässt es, etwas dazwischen gibt es nicht. Trotz Freude und Spaß an der Arbeit, geht es nur mit einem wirklich guten Team. Ich habe Mitarbeiter, die mit Leib und Seele dabei sind. Alle sind fest angestellt. Ich halte nichts davon, Mitarbeiter im Winter zu entlassen. Wir sind hier in der strukturschwachen Region des Barnims, da hängt an jedem, der noch Arbeit hat, meist eine ganze Familie. Es gibt fast keine Fluktuation, wer sich bewährt, der bleibt.“

Die Lux-Familie wartet auf die Fütterung.
Die Lux-Familie wartet auf die Fütterung.

20 Jahre ist eine lange Zeit. Da sind neue Gehege gewachsen und auch ein Abenteuerspielplatz für Kinder. Inzwischen gilt es verwitterte Zäune und Dächer zu erneuern. Letztes Jahr wurde das Wisentgehege neu angelegt. Imke Heyter wird nicht müde, Fördermittel zu beantragen und abzurechnen. Ohne das käme die Privatinitiative nicht voran. Zu den Feierlichkeiten am 21. April hat sich Ministerpräsident Dietmar Woidke angesagt. Eine eher interne Feier für die Macher des Wildparks ist geplant. Ein Wochenende später bedankt sich der Wildpark bei all seinen Fans und Dauergästen mit einem Wochenendeinlass zum Kinderpreis. Aber zuvor wird zum Osterfest geladen. Der symbolische Saisonstart wartet wieder von K-Freitag bis Ostermontag mit offener Wolfsnacht, Osterfeuer und dem ganzen üppigen Unterhaltungsprogramm auf, dass die Fangemeinde so sehr liebt. Sie dürfen gern auch mit von der Partie sein. (pe)

Wildpark Schorfheide, Prenzlauer Straße 16, 16244 Groß Schönebeck, Tel: 033393 65855, weitere Infos im modernisierten Internetportal: www.wildpark-schorfheide.de

 

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Der Ball der Wasserfrauen

Die kichernden Regentropfennixen waren zum Ball geladen und kamen mit einem kräftigen Guss im Döllnfließ an. Immer in der Johannisnacht trafen sich die Wassergeister aller vier Himmelssphären, um für Freya, die hohe Wasserfrau des Wanderlandes, Kräuter zu sammeln. Für diese eine Nacht des Jahres verloren die Nixen ihr Fischgewand, und all die schönen Wesen aus Pfützen, Tümpeln, Brunnen und Teichen, aus Flüssen und Seen lustwandelten im hellen Mondlicht durch die Wiesen, und schnitten schweigend reife Pflanzen. Nur das leise Läuten ihrer Glockenblumenkränze und das Zirpen der Grillen waren vernehmbar.

Wasserfrau Zeichnung von Petra Elsner
Wasserfrau
Zeichnung von
Petra Elsner

Die Wiesen am Fließ dufteten schon Tage lang so berauschend, dass kaum einer in den Heidedörfern Schlaf fand. Man hockte hellwach am Feuer, tanzte, trank Bier oder Wein, als ein Mädchen vor einem liebestollen Manne in die Wiesen floh. Aber es war zu weit die Hänge hinuntergelaufen, denn dort, wo der Auenwald begann, verästelte sich der Fluss, und die Wiese verwandelte sich in einen wundersam blühenden Sumpf. Das Mädchen war völlig entrückt, als es die Blütenpracht sah. Es pflückte sich einen Strauß, wie er schöner nicht sein konnte, aber währenddessen verlor es den festen Boden unter den Füßen, und die schmatzende Erde verschluckte das Mädchen. Es waren die Regentropfenixen Pia, Nike und Dafne, die das versinkende Wesen entdeckten und die hohe Wasserfrau herbei riefen. Freya schüttelte ärgerlich ihr Blumenhaupt. „Wer unsere Rituale stört, sollte eigentlich mit dem Sumpfwasser ziehen.“ Als Wächterin des unterirdischen Flusses, der an diesem Ort vom Diesseits ins Jenseits strömt, konnte die weiße Nixe Leben schenken oder nehmen. Aber Pia, Nike und Dafne waren so aufgeregt: „Sieh, sie ist so schön, du darfst sie nicht mit unseren Blumen geschmückt ins Reich der Toten schicken“, riefen die kleinen Nixen wie aus einer Stimme. „Gütiger Himmel“, raunte Freya. „Gut, dass die Kräuter geschnitten und gebündelt sind, sonst hätte euer Aufschrei ihnen all ihre Heilkraft genommen“, schimpfte die hohe Frau. Da es aber so gar keinen Grund gab, in dieser Festnacht ein so schönes Mädchen im Sumpf stecken zu lassen, zog Freya es aus dem Morast, wusch es in dem glasklaren Wasser des Fließes und legte es sanft am Ufer ab. Immer noch hielt das ohnmächtige Mädchen den prächtigen Strauß fest umklammert. Und wie es da so lag, schön wie ein Sommermorgen, steckte ihm Freya eine schützende Seerose ins Haar.

Als das Mädchen erwachte, sah es, wie die Wasserfrauen tanzten oder lachend Kräuter wuschen. Aber als jene bemerkten, dass das Mädchen ihnen zusah, erschraken sie, denn augenblicklich wuchs ihm ein Fischleib. Freya hatte den alten Zauber ihres Vaters vollkommen vergessen: Wenn ein Mädchen den Ball der Wasserfrauen beobachtet, wird es selbst zur Nixe. Gerade war die Verwandlung geschehen, da ritt auf einem Wellenross der alte Seegott heran. Der zottige Zausel mit dickem Wanst holte sich die neue Nixe.

Wochen und Monate vergingen. Schauerwetter peitschte das Land, da konnten die Regentropfennixen reisen. Eines Nachts gelangten sie an das Haus eben jenes Jünglings, der noch immer nach dem Mädchen suchte. Sie trommelten auf seine Fensterscheibe eine Melodie und malten aus Klangfarben einen See. Der Jüngling schreckte auf, hatte er nur geträumt oder sah er seine Liebste als schöne Nixe, die ein alter Seegott begehrte. Als endlich die nächste Johannisnacht anbrach, lief der junge Mann zum Großen Döllnsee und lauschte dem Wellenspiel. Irgendwo klatschte etwas auf das Wasser, ein Flossenschlag? Und richtig, im Mondlicht schwamm eine helle Gestalt auf ihn zu. Da sprang der Jüngling in das schwarze Nass und erhaschte die Nixe. Die war so schön, dass er fast das Atmen vergaß, aber dann küsste er das Mädchen. Indem verloren sie sich in einem Strudel, der dem Fischmädchen die Flosse abzog. Als das Paar auftauchte, erleuchteten hunderte große und kleine Wasserfrauen mit ihren weißen Leibern den See. Wie ein Geleitzug brachten sie die Zwei sicher zum nächtlichen Ufer, während der Seegott aus den Tiefen des Wassers machtlos grollte.

(Aus meinem Buch “Schattengeschichten aus dem Wanderland” – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel “Die Gabe der Nebelfee”

 

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Die Wunderbuche

Ein Märchen für die Woche ist eins meiner Schorfheidemärchen. Das muss ein paar Tage reichen, ich ersaufe gerade in Arbeit…

Die Wunderbuche:

Croll. Zeichnung von Petra Elsner
Croll. Zeichnung von Petra Elsner

Der kleine Druide, den der verfehlte Liebesschrei eines Einhorns ins Wanderland holte, war ein besonders emsiger. Schon im März schwebte er mit den goldenen Wolken der Haselnusspollen durch den Heidewald. Er liebte diesen Hauch von Glamour. Croll war kein heiliger Druide, sondern ein seltsamer Waldschrat, der mit den Bäumen sprach. Gern versteckte er sich hinter einer Blättermaske, denn Croll war nicht besonders gesellig. Selbst die wispernden Stimmen der Baumfeen störten ihn. Was jene aber nicht daran hinderte, über seine viel zu großen Ohren zu lästern, in die Croll, wenn es ihm zu viel wurde, demonstrativ kleine Früchte als Schalldämpfer steckte. Ansonsten aber lebten die Tiere und Gespinste einträchtig beieinander zwischen den tiefen Senken und den welligen Sandern.

Croll wohnte in der mächtigsten Buche im Wanderland. Wo sie stand, entfalteten sich im April Blütenteppiche aus unzähligen Buschwindröschen. Aber mit dem frischen Austrieb des Blätterdachs begann die Dämmerzeit unter den Buchen. In diesem Schattenlicht wuchsen die Träume und segelten die Fledermäuse.

Crolls Buche war älter als die üblichen Hundertjährigen. Sie thronte schon gut 300 Jahre auf einer Düne östlich des kleinen Pinnowsees. Ihr Stamm sah aus, als wäre er aus einem verschlungenen Baumbündel gen Himmel gewachsen. Über 30 Meter hoch wand sich ihr silbriges Rindenkleid, umweht vom glasigen Blattschleier. Dort oben, in den Wipfeln, erntete Croll immer im Mai rehbraune Knospen. Wozu er sie benutzte, blieb sein Geheimnis.

Und es war nicht alles, was er behütete, denn Croll war eben auch der Wächter der größten Buche der Schorfheide*. Am liebsten lauschte er ihrem Geflüster nachts, denn dann raunte ihm der mächtige Urwaldriese seine Weisheiten zu: Welche Bäume Kraft spenden und welche Kraft rauben. Die alte Buche war gewissermaßen Crolls Meister, durch sie wurde er zum einzigen Kräuterkoch, der jene magische Essenz, die allen guten Zauberwassern innewohnt, inszenieren konnte. Und weil dem so war, kamen alle Naturwesen mit dem ersten Frühlingslicht zu ihm.

Doch dieses Jahr war alles anders. Der Nebel hing fest zwischen den Stämmen und das rostrote Laub rollte sich auf dem kalten Waldboden. Die Frühlingswinde, die den Frost verwehen sollten, wollten einfach nicht kommen. Längst war es Mai und immer noch wuchs die Dürre in der Buche. Überall knackte es in der Rinde, als wollte sie reißen. Jeder weitere eisige Tag ließ den Baum Stück um Stück sterben. Es musste etwas geschehen.

Croll durchforstete all seine Kräuterhöhlen. Irgendwo hatte er diese Notration deponiert. Als er das Pulverdöschen schließlich fand, hockte er ratlos auf einem Ast und grübelte: Die magische Essenz wird es dieses Jahr nicht mehr geben, aber er könnte mit diesem kleinen Rest seinen Baum erretten. Dann aber blieben alle Waldgeister ohne Zauber. Was sollte er nur tun? Wieder platzte die Baumhaut seiner Buche etwas weiter auf. Und es war Croll, als hörte er seine Freundin vor Schmerz stöhnen. Da gab es kein Fragen mehr. Croll sprang auf, entzündete ein Feuer und kochte darüber ein schwarzes Mus, dem er zu guter Letzt das Pulver beigab. Mit dieser Masse bestrich er hauchdünn seinen Baum. Das dauerte mehrere Tage und Nächte, aber unter jedem Pinselstrich hörte Croll junges Leben atmen und das machte ihn sehr froh.

Ende Mai ging endlich der Frost und die Waldgeister kamen zu dem Druiden in der Buche, um sich etwas von jener Substanz zu holen. Croll zog die Zipfel seiner leeren Taschen aus den Hosen: „Die Ernte ist erfroren, ihr könnt erst nächstes Jahr wieder kommen.“ All die kleinen Zauberwesen standen steif und stumm. Wie sollten sie nun das Wanderland erwecken? Da reckte sich und ächzte plötzlich Crolls Buche. Aus ihrer Rinde perlten schillernde Lebenstropfen, die in die grünen Flakons der kleinen Feen und Kobolde schlüpften und wo sie auf den Boden fielen, erblühte augenblicklich das Land zwischen den zwei schnellen Flüssen. (pe)

(* Silkebuche ist der reale Name dieses Baumes)

(Aus meinem Buch “Schattengeschichten aus dem Wanderland” – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel “Die Gabe der Nebelfee”

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