Memory 5: Gedenkweiden

Petras Gedenkweide. Fotos: pe

Gestern in Zeuthen entdeckt: Anfang der 80er Jahre lebte ich noch in dem gelben Haus (das heute Schlüpferrosa aus der Wäsche guckt) an der Bahnlinie gen Osten. Es war laut, wenn „Nikitas letzte Rache“ (so nannten wir die schweren, russischen Diesel-Loks) vorbeischepperten. Noch lauter wurde es, als irgendwann in den 70er Jahren die kleine Sanddüne, auf dem ich als Kind im Winter rodelte, eingeebnet wurde. Keine Ahnung weshalb, aber fortan benutzte die Reichsbahn das Gelände jeden Sommer als Parkplatz für Baumaschinen. Alle Bemühungen meinerseits, den Platz zu begrünen, um die Lärm- und Schmutzbelästigung zu dämpfen, scheiterten in jedem Sommer aufs Neue. Die jungen Bäume wurden einfach plattgefahren. Es musste mir etwas anderes einfallen und dachte mir, wenn wir widerstandsfähige Weiden genau auf den Rand des Schotter-Radwegs pflanzen, dann würden sie nicht mehr übersehen werden und vielleicht eine Überlebenschance haben.  Außerdem standen Weiden seinerzeit unter Naturschutz, man würde es nicht so einfach wagen, sie umzunieten. Vielleicht. Die Klicke meines damals zehnjährigen Sohnes Jan half mir bei dem Unterfangen, denn es war eine ganz schöne Schufterei an der verfestigten Wegkannte zu graben. Fünf Weiden pflanzten wir. Sie müssten heute Riesen sein, aber, aber. Die Brache ist heute ein ausgebauter Parkplatz und die Bäume mussten dafür irgendwann doch weichen, bis auf zwei, die sogar bei einer Erneuerung des Weges umbaut wurden. Zu guter Letzt wurden sie doch gefällt, aber an einem Stumpf treiben wieder junge Ruten. Meine Zeuthener Freunde aus der Spreestraße nennen die kleine Kämpferin  „Petras Gedenkweide“, dass treibt mir doch ein breites Grinsen ins Gesicht ?.

Schnee auf der Dühne vor dem gelben Haus in der Zeuthener Bahnstraße 10. Weihnachten 1957. Meine große Schwester Angelika und ich auf dem neuen Schlitten.

1002. Blog-Beitrag

Morgenstunde (88. Blog-Notat)

Der Vogelklotz war zwar fertig, aber der Unterseite fehlte noch der Lack und schon kam Spontanbesuch und reservierte das Teil. Fein, da hat doch Frau gleich wieder Lust weiter zu wuseln. Diesmal werden es meine Musikclowns aus der Reihe „Schräge Vögel“ (siehe oben) sein, die aufs Holz springen werden… Aber jetzt ist erst einmal Wochenende, wir besuchen Freunde in meiner alten Heimat Zeuthen. Süß-schmerzlich, denn dort werde ich immer den Phantomschmerz meiner verlorenen Familie spüren. Das gelbe Haus an der Bahnlinie…  Dennoch das Freundschaftstreffen ist es wert, ihn auszuhalten.
Macht Euch ein schönes Wochenende, ich bin dann mal weg.

Immer wenn wir auf der A10 an diesem Wasserturm von Niederlehme vorbeirasen, werden die Erinnerungen wach. Von der Dahmebrücke schaut man hinunter nach Wildau hinein, wo ich geboren wurde. Der Ort dahinter ist Zeuthen, dort lebte ich 35 Jahre lang bis 1992.

Blog-Beitrag 1001

Hitzetaumel

Foto: Petra Elsner

Der Tag tropft leise
von den Saiten,
tönt dunkelrot in Moll.
Schwer schiebt der Atem
den nächsten Herzschlag an
Vertan fühlt sich das Leben
im Hitzetaumel.

 

Blog-Beitrag: 1000

© Petra Elsner
August 2018
Hinweis zum Urheberrecht: Der Text darf ohne Angabe des Urhebers nicht weiterverwendet oder kopiert werden.

Morgenstunde (87. Blog-Notat)

Vogelklotz in Arbeit

Moin, allerseits. Die letzte Seite der „Laterna magica“ wächst, dann kommt nur noch der Lack und kurz danach hoffentlich ein Gewitter mit reichlich Regen. Es geht in diesen Tagen nicht nur um den Durst der Dürre. In den Dörfern um Zehdenick brennt es immer öfter. Gestern Abend jaulten wieder die Sirenen und die Blaulichter rasten Richtung Groß Dölln. Beunruhigend, denn unser Dorf ist waldumstanden, nicht auszudenken, wenn ein größerer Brand ausbrechen würde. Es ist anders als 2014 als ein Brandstifterpaar aus Zehdenick umging, dem die Brände „nur“ zur Vertuschung seiner Einbrüche diente. Die neuerliche Brandserie scheint ein echter Feuerteufel anzulegen. Der Brandmeister glaubt jedenfalls nicht mehr an Selbstentzündung. Fraglos wird es schwer sein, so einen Strolch zu fassen und so sind die gegenwärtigen Nächte nicht nur tropisch, sondern gefühlsmäßig auch mulmig.

Diese Figur springt gerade auf das Holz…

Morgenstunde (86. Blog-Notat)

Aktuelle Handfertigkeiten

Hätten heute Morgen nicht schon 35 Grad vor der Tür (Ostseite) gebrütet, man könnte, wenn man ins Atelier schaut meinen, es ist gleich Advent: Gestern habe ich das 70. Bändchen von der jüngsten Sommergeschichte „Die Hitze unter dem Sonnenhut“ gebunden, dazwischen auch mal ältere Titel, heute ist ein neuer Vogelklotz in Arbeit, es ist der dritte seine Art. Cartoon auf Holz gebracht.

Ein neuer Vogelklotz entsteht…

Es wird nicht sehr viele davon geben, denn sie sind ein bisschen zu aufwändig. Aber doch schön, die Klötzer wirken irgendwie wie eine kleine Laterna magica. Dazwischen bemale ich immer mal wieder einen kleinen Apfelkönig mit Spruch auf dem Rücken, ansonsten ist die Birne mau, da geht frau lieber zum Handwerkeln über. In allen Räumen ist es wegen der herabgelassenen Jalousien dunkel und so nicht gut möglich, an einer Leinwand zu arbeiten. Aber ich will nicht klagen, wenigstens habe ich diese Möglichkeiten und muss nicht nur echauffiert in einem stillen Winkel hocken. Es werden wieder andere Tage kommen… Bis dahin – gebt auf Euch acht!

Vogelklötzer mit „Schrägen Vögeln“…
… oder genauer gesagt: Paradiesvögel…

Morgenstunde (85. Blog-Notat)

Hier waren wir noch gestern: Im erzgebirgischen Landschaftsschutzgebiet „Oswaldtal“, liegt das Örtchen Waschleithe. Es gehört zu der Stadt Grünhain-Beiersfeld .

In aller Früh hab ich rasch Gemüse geerntet, bevor die große Glut das Land grillen wird. Zurück von einem Familienevent am Samstag, fanden wir das alte Häuschen, obgleich alle Jalousien heruntergelassen waren, stickig und aufgeheizt vor. Erst um Mitternacht sank die Raumtemperatur auf 25 Grad. Reisen ist in diesen Tagen wegen der unzähligen Baustellen- und Unfallstaus wahrhaft strapaziös, aber im südlichen Erzgebirge, war die Nacht unter dunklen Tannenbäumen noch kühl. Es war die erste Juli-Nacht, die mir einen Tiefschlaf schenkte. Daran wird diese Woche wohl kaum zu denken sein. Ehrlich, mir reichts, die Hitze ist absolut kontraproduktiv, frau schafft so gut wie gar nichts und wird darüber unleidlich. Was wollte ich im Juli alles erledigt haben… es ist nur ein bisschen Fummel-Kram geworden, keine großen Würfe. Wir kommen andere nur in dieser Hitze voran?
Anfang der 90er Jahre dachte ich nach der Wende in Ostdeutschland ernsthaft über Auswandern nach. Ich war fünf Wochen auf Kap Sunion, der Südspitze Attikas. Die Dolmetscherin, die meinen ersten Roman ins Griechische übersetzte, hatte in Legrena ein Sommerhäuschen. Dort kam ich unter und spürte den Möglichkeiten nach, aber ehrlich, die Hitze, der ewige blaue Himmel stimulieren eine norddeutsche Schreiberseele kein bisschen … Nach jenem Sommer machte ich mich als freischaffende Autorin und Malerin selbstständig und nahm mein Glück in die eigene Hand. Langsam wurde ich wieder heimisch und legte den Auswandergedanken ad acter. Auch, wenn es dauerte, bis Frau, Ostdeutsche, nicht mehr so jung, überhaupt wahrgenommen wurde. Nun denn: Eines ist seither gewiss, Hitze und Arbeiten verträgt sich für mich einfach nicht….

Eine Leseprobe aus dem ersten Roman, der nie im Deutschen, sondern nur auf Griechisch erschien, findert Ihr hier:

Die Nacht

Oder auch hier:

Buchcover
Foto: Petra Elsner

Ferien

Zeichnung: Petra Elsner

Da sitz‘ ich nun, ich armer Tor
im leisen Tropensommer.
Das Publikum hat sich verdrückt
an klare Wasser, helle Strände
und schickt zu allem Überfluss
noch virtuelle Gut-Gehts-Post.
Die Zeit döst in der Delle
doch sicher ist,
es kommt doch an –
das laute Ferienende.

 

© Petra Elsner
28. Juli 2018

Memory (4): Die handgefertigten Bücher

Verborgene Schätze…. Zeichnung: Elsner

Was immer uns Menschen umtreibt, den eigenen Text zwischen zwei Buchdeckeln sehen zu wollen – gemeinhin tun wir viel dafür. Doch bevor sich ein Verlag für den Einen oder die Andere interessiert, vergeht oft lähmende Zeit. 2006 fand ich meinen ersten deutschen Buchverlag (1993 einen Griechischen), aber davor gab es schon viele Texte, von denen ich mich irgendwie befreien musste, um weiter schreiben zu können – so kam es zu den handgefertigten Büchern.

Mein erstes handgebautes „Buch“ entwickelte ich als Internatsschülerin in der 5. Klasse. Es war eher ein schmales A5-Bändchen, aber immerhin. Ich hatte mein Heimweh und die Kälte des Internatslebens auf losen Seiten notiert, Bilder mit schichten Buntstiften dazu gezeichnet, und weil ich meinen Kummer ernst und wichtig nahm, band ich ihn – gewissermaßen für die Ewigkeit – zwischen zwei glänzend rote Pappdeckel und: Es ging mir danach wirklich besser, denn der Kummer war „ausgelagert“. Eine nützliche Erfahrung, die ich später immer wieder aufgriff.
Ein handgefertigtes Buch ist etwas ganz Besonderes, die Anlässe seiner Herstellung jedoch so vielfältig wie die Macharten. Umso mehr die elektronische Welt menschliche Kommunikation verändert, drängen die handgemachten Dinge wieder ins Bewusstsein. Denn: sie sind einzigartig, erzählen vom Leben, haben Seele.

Meine Flyerkunstbücher aus den 90er Jahren. In dieser Zeit baue ich diese aufwändigen Unikate nicht mehr.

In den 90er Jahren habe ich Flyerkunstbücher entwickelt und gebaut, als meine spezielle Form des Künstlerbuches. Darunter winzige Minis, klein wie ein gefaltetes Zigarettenpapier und Maxis, als besondere Ausstellungsstücke. Immer halfen mir diese Teile etwas loszuwerden und natürlich auch, einen Schein zu verdienen. Diese Flyerkunstbücher waren handwerklich eine aufwändige Sache und für viele Interessenten einfach zu teuer, so kam ich zu den schlichteren Modellen, die Hefte mit der Fadenbindung, bezahlbar, aber auch handfertigt. Obgleich ich inzwischen einen Hausverlag habe, ich baue diese nummerierten Künstlerbändchen immer noch, denn sie tun mir und anderen einfach gut.
Anfang der Woche bestellte eine Blog-Leserin alle fünf Titel meiner „Kurtschlager Editionen“ und schrieb mir nach dem Eintreffen das Wörtchen „zauberhaft“ dazu in ihre Mail. Ich las es mit einem breiten Lächeln.

Beispiel: Raben-Collektion 2013

Hier geht es zu den vorrätigen Titeln:

Morgenwelk

Foto: Petra Elsner

Der Morgen torkelt noch in seinen Träumen
vom Glück und vom Vollkommen sein.
Doch fällt die Sommernacht schwer aus Bäumen,
wird das Erwachen nüchtern sein.
Der Sommer heizt das Leben an,
das schwitzt und ächzt welk durch den Tag.
Kein Lüftlein weht, kein Lustgesang,
bis die nächste schwüle Nacht wieder Hitzeträume webt.

 

© Petra Elsner
Juli 2018
Hinweis zum Urheberrecht: Der Text darf ohne Angabe des Urhebers nicht weiterverwendet oder kopiert werden. Auch das Zitieren von Textstellen bei Veranstaltungen bedarf meiner Genehmigung.

 

Morgenstunde (84. Blog-Notat)

Fühlt sich an wie Sommer-Depri. Vielleicht. Ich kuschle mich heut in der Frühe noch in den Kissen, als der Liebste mit der Werkstatt spricht. Das Auto ruckt und ruckelt wieder. Sensor oder Benzinpumpe?  In jedem Fall wird es wieder teuer. Dieses gebrauchte Auto frisst monatlich die Notgroschen nach seinen Werkstatt-Terminen weg und will sich einfach nicht erholen. Es hat uns niemand verraten, aber ich fürchte, es ist ein Montagsauto, in dem so ein gefräßiger Montagswurm schlängelt. Man kriegt ihn einfach nicht zu fassen. Vor Jahren hab‘ ich mal diesen Text über den Typen geschrieben, aber ich glaube, in diesem Fall hilft mein damaliger Rat nicht. Ich bin ratlos und traurig.

Der Montagswurm
Zeichnung: Petra Elsner

Der Montagswurm

Das Jagdrevier des Montagswurms ist unermesslich. Gewiss, eine märkische Spezialität ist er nicht, aber man kann ihm auch hier ganzjährig immer montags begegnen. Einige sind winzig wie Glühwürmchen, andere hingegen lang wie die Oder. Er lauert bereits im Morgengrauen in Straßengräben und an Schienensträngen. Am allerliebsten provoziert er einen mächtigen Stau, denn darin kann er sich so richtig satt fressen und endlos wachsen. Wovon er sich ernährt? Der Montagswurm frisst Zeit und rülpst dazu ansteckende schlechte Laune unter die Leute. Zeit, die er raubt, ist unwiederbringlich. Deshalb werden am Montagabend den Verrichtungen der Bestohlenen seinetwegen viele Details fehlen. Gleich jenem berüchtigten Montagsauto, das wahrlich keiner besitzen will.
Ein besonders gefräßiger Montagswurm belagert gern die Trasse des RE 1. Maulwurfartig taucht er urplötzlich als Baustelle hinter Fangschleuse auf und verprasst dort massenweise Montagsminuten von gestressten Pendlern, vollmundigen Studenten-Selbstdarstellern, feierlaunigen Ausflüglern, Fastfood futternden Auszubildenden, dubiosen Schmugglern oder schlicht:  Reisenden. Vielleicht walten ja nur deshalb einige Zugbegleiter auf dieser Linie so unerhört barsch, unhöflich und manchmal sogar richtig militant ihres Amtes als Servicepersonal. Sie sind offenbar nur genervt von diesem Montagswurm, dem es gut gelingt, jene Dienstleister die ganze Woche über anzusäuern.
Also, wenn Sie das nächste Mal einem Montagswurm begegnen – Ruhe bewahren! Luft anhalten, bis sich sein Schlechte-Laune-Atem verzogen hat (nach drei Sekunden ist er wirkungslos). Der allein produziert nämlich erst das Fluidum, in dem ein Montagswurm zum Giganten mutiert. Und sollten Sie ganz ungewollt bereits in seiner Falle stecken, dann schauen Sie sich derweil ein liebgewordenes Erinnerungsfoto an (nicht vergessen, eines einzustecken), das Sie zum Lächeln und auf andere Gedanken bringt. Dann verschwindet der Typ – lautlos und ganz unauffällig.