Ach, wie peinlich. Ich habe einen Termin doppelt besetzt. Daran merkt frau ganz deutlich, wie verhuscht und zerfasert ich letzten Winter war. Beim Kalenderübertrag von 2018 zu 2019 einfach den falschen Monat erwischt und schwuppdiwupp wars geschehen. Ist echt ärgerlich, auch wenn der Mann am Telefon meine absagende Erklärung ruhig und gefasst angenommen hat. Asche auf mein Haupt … das soll möglichst ein Einzelfall bleiben. So fängt der Tag heute ruckelig an, da wird es besser sein, keine Präzisionsarbeit zu beginnen. Die kleine Auftragsarbeit in Schwarz-Weiß ist gestern noch vor dem Terminschock fertig geworden und hat via Mail Freude ausgelöst – Gott sei Dank. Es ist immer so eine Sache, ob das Bestellte zu guter Letzt auch gefällt. Diesmal ist es so, fein. Zeigen will ich die Arbeit hier nicht, denn es wird ein privates Geschenk sein und wer weiß schon, wer hier so alles mitliest 😊. Ich versuch‘ dann mal, etwas mit dem lädierten Tag anzufangen.
Vom Tage ein „Kleines Goldrauchen (2)“ auf Leinwand (20 x 20).
Dunkelzeit, da bin ich wieder etwas dem Goldrauschen verfallen, ein kleines Bisschen zusätzliches Licht eben. Obgleich ich eigentlich in Schwarz-Weiß zu arbeiten hätte, doch es fehlt mir momentan der Antrieb. So gebe ich dem Rufen des Gartens nach: Wein runterschneiden, neue Lichterkette einhängen war gestern bei strömenden Regen. Heute wieder Blätterfegen … und täglich grüßt das Murmeltier. Die Buntblattweide im Vorgarten muss noch ausgelichtet werden und auch sie bekommt danach eine Glühwürmchenkette für ein leises Leuchten im Advent. Nachbars Kater schleicht um das katzengesicherte Vogelhaus und krallt sich dann doch eine Meise aus dem Hortensienstrauch. Dass sind Momente, die ich wirklich hasse, ich weiß, ist Natur, aber kann er nicht woanders jagen… Gestern habe ich Pakete zur Post gebracht, und dachte, mich laust der Affe, als der Postmann für ein Kalenderpaket (500g, Wert 18 Euro) doch wirklich 29 Euro und ein paar Cents aufrief. Was macht frau da – zahlen, denn der Kalender war als Trostfunken versprochen. Aber man glaubt es kaum, was denken sich die Schweizer solche Portopreise aufzurufen? Mein Onkel fuhr mit seiner Weihnachtspost für den deutschen Anhang immer von Will nach Konstanz, aber das ist nun wirklich für mich zu weit…
Am offenen Fenster schaue ich dem Flug deiner Seele nach. Schmerzhafte Stille im Lebensgarten. Die Hülle überlassen atemschwerer Erde. Dein Herz aber hallt in meinem nach.
In alten Kamellen gekramt, die ganze Nacht. Die Schweizer Tante bat mich zu suchen, nach alten Urkunden und altem Wissen. Wann ist der Opa Arthur gestorben? Wie war das mit der Flucht? Und die Jugendjahre vom Onkel? Ich war damals noch nicht einmal das Funkeln in den Augen meines Vaters. Und als der Vater ging, blieben die Dokumente bei seiner zweiten Frau. Ich habe die Verbindung zu ihr vor 20 Jahren abgebrochen, muss ich jetzt, wegen dieser Urkunden Kontakt aufnehmen? Und, hat sie das Zeug überhaupt noch? Ich konnte nicht schlafen. Am Abend fand ich beim Kramen mein altes „Unser-Kind-Album“ mit Taufzeitung und Impfnachweisen. Vom Großvater nix. Aber diese Texte meiner Mutter, wie sie über unsere Kinderheimzeiten schrieb. Nichts weshalb, nur das. In dieser Nacht fragte ich mich, weshalb ich mich an meine Lebenszeit zwischen zwei und sechs Jahren nicht entsinne? Nichts, außer ein paar Blitzlichter an Weihnachten. Meine vier Jahre ältere Schwester und ich waren vom dritten Lebensjahr gemeinsam in einem Wochenkinderheim in Eichwalde untergebracht. Zuletzt bewohnten wir sogar ein gemeinsames Zimmer. Erst als sie mit der dritten Klasse auf eine Schule mit erweitertem Russischunterricht kam, verließen wir diesen Ort. Ich kam im letzten Jahr vor Schulbeginn nach Zeuthen in einen Tageskindergarten und hier beginnen meine Wahrnehmungen, die Jahre zuvor stecken in einer Nebelwolke. Was ich allerdings früher zu diesem Thema nie bedacht hatte: Mein Vater war kriegsversehrt und wirklich jedes seiner Lebensjahre wochenlang in Kliniken und Krankenhäusern. Damals gab es nicht ewiglich Krankengeld, die Mutter musste also für uns alle zusammen das Geld ranschaffen. Vollbeschäftigt in einer 6-Tage-Arbeitswoche mit 45 Stunden zzgl. Pausen und einem Arbeitsweg (hin und zurück von zweieinhalb Stunden)… Diese Erkenntnis stimmt mich endlich milde – sie war keine Rabenmutter. Heute fand ich beim Weitersuchen einen elektronischen Ordner mit „Alten Dokumenten“ – schnauf, darin war vieles, was ich brauchte. Vor der Hochzeit mit meinem Liebsten hatte ich mir wohl vom Vater das alte Familienstammheft geben lassen und vorsorglich kopiert, was ich für wichtig hielt. Das war mir nun wirklich nur entfallen…Der Opa Arthur ist also mit 49 Jahren am 1. Mai 1949 in Oberreichenbach Nr. 23 verstorben. Er lebte nach seiner Rückkehr aus dem Krieg im Siechenhaus am Dorfrand, wo er wegen schwerer Tuberkulose mit einigen anderen Männern unter Quarantäne stand. Meine Lieblingsoma Selma erzählte es mir auf einem langen Sommerspaziergang, als wir an dem verlassenen Katen vorbeikamen. Aber die Flucht bleibt unbesprochen. Nach all den Stunden in der Vergangenheit, musste ich einfach den Kopf abschalten und habe weiter kleine Bücher gebaut. Stoisch. Die Kollektion ist jetzt für den Advent bereit.
Eine kalte Dürre liegt dort draußen vor der Tür. Das Weinlaub kräuselt sich knisternd, der nächste Windhauch wird es fallen lassen. In den stillen Reformationstag gestern klingelte abends das Telefon und meine Schweizer Tante erklärte mir: Dein Onkel ist nach seinem Mittagsschlaf nicht mehr aufgewacht. Er stand in der direkten Familienlinie als Letzter vor mir. Onkel Manfred war mal ein profiboxendes Federgewicht, aber er trug immer schwer an der Last des Schweigens. Die Flucht aus Schlesien – allein mit der Mutter als Achtjähriger unterwegs. Nie hat jemals jemand in meiner Familie darüber gesprochen. Da war nur sein tränenschwerer Blick, der verriet, es muss ungeheuerlich gewesen sein für die Zwei. Mein Vater, damals 17 Jahre, lag verwundet im Lazarett, hart gezeichnet vom Krieg. Ob die Brüder untereinander sprachen, ich weiß es nicht. Der Eiserne Vorhang kühlte die Familienbande ab, denn der Jüngere hatte 1953 auf den Älteren gewartet, in Westberlin, aber der kam nicht. Auch das erfuhr ich erst nach der Wende und nach Vaterns Tod. Was alles ins ewige Schweigen fällt – viel, wie gleich die Weinlaubblätter im Hof.
Meine Weihnachtswerkstatt ist wiedereröffnet. So 30 Tage vor dem 1. Advent und frostigen Außentemperaturen ist das an der Zeit. Zunächst galt es die „Kurtschlager Edition“ aufzufüllen, damit wieder alle Titel der sechs Künstlerhefte vorrätig sind. Im Herbst hatten die Minis guten Zuspruch erfahren und die Kiste war fast leer, also Bücher bauen, Bücher bauen…, den ganzen Tag. Danach hat es mir doch gestern Abend echt in den Fingern gejuckt, einen siebenten Titel zu layouten. Wie immer unter totalem Stress, denn man muss die Zeilen genau auszählen, aber irgendwie, nach der zweiten Weinschorle, hab ich an einer Stelle statt 15 Zeilen 16 Zeilen in den Flyersatz eingefügt und alles war zu guter Letzt am Ar…
Also heute Morgen tapfer von vorne und nun ist er da, der 7. handgefertigte Titel namens „Meander Memolos Zeitloch“. Mit diesem Text erging es mir wie mit „Ottilies Nachtwanderung“, leider vergriffen und seit 13 Jahren von der Kleinverlegerin im Schwarzwald nicht nachaufgelegt. Was einfach schade um die illustrierte Geschichte ist. Sie erzählt von einem höchst schussligen Uni-Faktotum, dem das Zeitgefühl abhandengekommen ist. Auf der Suche nach ihm gerät er erst in ein schwarzes, dann in ein weißes Loch und wie es ihm dabei ergeht, erzählt diese Eulen-Fiktion für Erwachsene. Für 7 Euro ist sie bei mir im Atelier zu haben…
Meander Memolos Zeitloch – mein 7. handgefertigte Titel in der „Kurtschlager Edition“.
Kurz vor Angermünde verschwand der Geisternebel und ein glasklarer Tag berührte die Uckermark. Klare Luft soweit das Auge schaut. Die Lesung in der Schwedter Grundschule am Waldrand war eine schön-anstrengende Stunde. Die Kleinsten unter den Zuhörern hatten Mühe, die Stille zu wahren, aber eben diese Kinder waren es, die sich zu guter Letzt das Buch „Der Schatz der Baumriesen“ sogar kauften. Ich hab‘ mir beim Lesen die Seele aus dem Leib gespielt – das kann ich inzwischen: mit vielen Stimmen sprechen. Aber eine Stunde lang nur dieser Vorleserin zu folgen, ist für Viertklässler halt doch schwer. Bei der vorausgegangenen Lesung las ich kurze Stücke, die jeweils nur fünf, sechs Minuten lang waren, dass machte Interaktion möglich, was bei so einer durchgehenden Geschichte nicht möglich ist. Aber gut, wir haben einander herausgefordert und warum nicht.
Morgen Vormittag lese ich wieder einmal in der Bibliothek der Schwedter Grundschule am Waldrand. Diese Schule mit der Spezialisierung auf Deutsche Sprache hat ganz besonders aufmerksame Zuhörer zu bieten, was der Vorleserin/Autorin echt Freude bereitet. Diesmal gibt’s die Fantasy-Geschichte „Schatz der Baumriesen“ auf die Ohren – wild, romantisch und sehr spannend. Das Buch war einige Zeit lang fast vergriffen, jetzt wurde nachgedruckt und man kann es online hier bestellen.
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