Morgenstunde (549. Blog-Notat)

Nachmittags gab es gestern wieder eine ausgiebige Teezeit im Atelier. Es war Gedankenaustausch mit vielen Gleichklängen. Und seit langem hörte ich mal wieder einen Witz: „Wenn die Neuen Länder, die Neuen sind, dann sind die Alten Länder, die Gebrauchten 😊.“  Zum Abschied hatte sich die Besucherin zwei kleinformatige Originale und vier Ausgaben meiner handgefertigten „Kurtschlager Edition“ ausgesucht. Sie sammelt die handgefertigten Künstlerhefte, zu deren Reihe es inzwischen zehn Titel gibt.
Als es wieder still wurde im Atelier, habe ich sehr genüsslich die letzten Seiten von „Der Buchspazierer“ verschlungen. Was für ein feines Buch von Carsten Henn! Es wärmt das Herz. Ich habe schon sehr, sehr lange nicht mehr so eine wohltuende Lektüre lesen dürfen. Es nährt die Kraft der Fantasie. Empfohlen hatte es mir die Auftraggeberin für das Logo der Wandlitzer Waldflitzer 😊. Danke noch einmal dafür! Inzwischen kaufe ich nur noch Bücher nach persönlichen Empfehlungen. Aber selbst unter diesen sind leider einige, die für mich völlig neben meiner Spur liegen… diesmal nicht, das Buch ist ein Volltreffer für sensible Menschen. Womit ich es hier gerne weiter empfehle und nicht, weil „Spiegel-Bestseller draufklebt. Letzteres ist für mich schon lange kein sicherer Garant für gute Literatur mehr, aber hier stimmt es…

Morgenstunde (548. Blog-Notat)

So schönes Tropfengrau hängt in den Wolken, genau richtig, um sich zu versenken, aber, aber, mit der Hexe im Kreuz geht das nicht lange genug. Ist doch immer was. Seit Freitagabend also eitler Gang, ich hatte nur einen Gartenstuhl angehoben und zack, das saß und sitzt sie. Auf der Wiesenstelle, auf der ich stand als sie aufsprang, wächst heute ein Birkenpilz, wie ein Entschuldigungsgeschenk.
Der Garten kann Märchen zaubern. Im Romantext aber bin ich nur einen Absatz weiter, das Sitzen will nicht. Also habe ich den 10-Litertopf Hühnersuppe gekocht und zwischendurch 150 Etiketten geschnitten und auf die zweite Honigabfüllung geklebt. Aus der Bienenküche kommen jetzt alle zwei, drei Tage neue Gläser… diese Sommerblütensorte schmeckt sinnlich wie ein Sommer sein kann, für mich ist er perfekt. Jede einzelne Schleuder variiert geschmacklich und kommt in gesonderte Abfüllgefäße (es wird also nicht zusammengegossen) und das macht die Löffelprobe beim Abfüllen wirklich jedes Mal spannend…Ihr könnt ja kosten kommen 😊. Schönen Sonntag noch!

Morgenstunde (547. Blog-Notat)

Der Vormittag gehörte dem wöchentlichen Beutezug. Ich habe das erste fette Suppenhuhn für diese Herbstsaison erstanden. Acht bis zehn Liter feine Hühnersuppe wird es ergeben. Gut die Hälfte friere ich. Das Tropfenwetter kommt mir auch gelegen, da kann ich mich verkriechen und schreiben. Habt ein schönes Wochenende allerseits!

Eine weitere Leseprobe aus “Die Zeit der weißen Wälder”, mein aktuelles Roman-Projekt:

…Es dämmerte als sie ihr Fremdenzimmer aufschloss. Flackerndes Licht zuckte darin. Die Frau trat ans Fenster und sah den Puppenspieler am Feuer hocken. In Jeans und Holzfällerjacke wirkte er nicht so klapprig wie in seinen dünnen Kostümen. Emilia zog sich einen dicken Pullover über und ging in den Hof. Sie wunderte sich ein bisschen, als sie an der Seitenmauer das Wanderhäuschen erblickte.
„Du hier, wie kommts?“
„Gelegentlich habe ich hier einen Stellplatz.“
„Aha. Und, morgen wieder ein Parkplatzspiel bei Helga?“
Er nickte und steckte wortlos eine zweite Kartoffel auf einen Holzspieß und legte sie in die Glut.
Sie saßen im Feuerschein hingen ihren Gedanken nach. Als die Kartoffeln gar waren, reichte er ihr einen Spieß, ein Küchenmesser und eine Schale voll Kräuterquark. Während sie ihre Kartoffel pellte sagte sie: „Ich reise morgen ab.“
Hans, der Täuscher sah verdutzt auf: „Schon alles gefunden, wonach du gesucht hast?“
„Nein, aber die Steine sprechen nicht mit mir.“
„Warum versuchst du es nicht mit den Menschen?“
Sie blickte auf und ihre großen, traurigen Augen schauten ihn ganz ruhig an. Der Puppenspieler war vielleicht sechs, sieben Jahre älter als sie, aber ebenso ausgemergelt. Dieses Magere gab ihr einen speziellen Hinweis: „Manche Menschen verbrauchen sich schneller als andere. Sie brennen an zwei Enden und zerbrechen früh. Meist hinterlassen sie viel Liebe, aber auch einen elenden Schmerz, der nicht weichen will. Solange die Toten reden, sprechen die Lebenden nicht.“
Dass hatte der Mann am Feuer nicht erwartet. „Deine Toten reden auch?“
„Ja, manchmal.“
Emilia stand auf und holte die Flasche Rotwein, die sie noch in Reichenbach gekauft hatte und die beiden Glasbecher. „Die hast du am Samstagmorgen vergessen.“
„Nein, ich habe sie dir hinterlassen. Solche Becher haben Fredi und Harry auch geschliffen. Ich habe noch einige davon.“
Emilia dankte, goss den Wein ein und reichte ihm einen Becher, dabei fiel sein Blick auf ihre Hand und er dachte bei ihrem Anblick: Noch fest, aber schon samtig. Das Leuchten der Haut bevor sie welkt. Er umschloss das Glas und ihre Hand mit seinen beiden Händen. Es war wie eine stille Bitte nach Nähe und Emilia wartete gerührt, bis er seine Hände wieder öffnete. Sie hatte es geahnt, dass dieser Mann ihr etwas bedeuten könnte. Vielleicht. Die beiden tranken und schauten schweigsam dem lodernden Feuer zu. Man wird vorsichtig nach verlebten, verwehten Lieben…

Morgenstunde (546. Blog-Notat)

Heute ist keine Zeit für eine ausgiebige Morgenstunde, ich will gleich zum Qi Gong und nachmittags kommen Gäste. Statt Alltagsschilderungen aus Atelier und Garten, lege ich Euch einen weiteren Abschnitt aus „Die Zeit der weißen Wälder“ in den Tag… machts Euch schön!

Aus meinem aktuellen Roman-Projekt:

…Emilia kaufte sich in Niesky ein neues Skizzenbuch. Stifte trug sie ja immer bei sich, einfach, um rasch eine plötzlich aufkeimende Idee festzuhalten. Als wäre sie sonst flüchtig, wie ein nächtlicher Traum. Im Fach Entwurfszeichnen war sie die Beste während ihres Architekturstudiums. Viele Kommilitonen meinten, sie solle doch besser zur Kunsthochschule wechseln, doch sie winkte ab. Warum? Das war kein Rätsel. Sie wollte einfach nicht wie ihre Mutter den stimmungsgeladenen Gezeiten ausgesetzt sein. Dem Wetter von guter oder schlechter Laune. Den Krisen in den Brieftaschen der Leute. Den diversen Moden rauf und runter. Und den Seitenhieben der Westkollegen gen Osten. Damals nach der Wende und dreißig Jahre weiter immer noch. Vom Wegbeißen der Männerklüngel gegen Frauen in der Kunst ganz zu schweigen. Die Mutter hatte sich bis zu Letzt wund geschuftet mit den Händen und dem Hirn. Dieses Leben schien Emilia zu hart, zu unwägbar, zu verletzlich. Aber dennoch wollte sie, die Urenkelin von Fredi, jetzt einfach zeichnen in Reichenbach. Sie klappte ihren Regiestuhl auseinander und platzierte ihn auf dem Bürgersteig gegenüber dem Hussitentor und begann ihre Skizze. Erst das Ganze, dann viele herangezoomte Details: Die Steinadern, die Maserung, die Patina der Zeit, das Mauerblümchen… Bald schon blieben Passanten stehen, blickten ihr über die Schulter und fragten nach dem Woher und dem Warum. Sie hatte erst keine Worte dafür, aber schließlich konnte sie es formulieren: „Zeichnen ist für mich ein Pilgern zu den Vorfahren.“
Emilia vertiefte sich tagelang in die Strukturen der Stadt. Das Wetter hielt sich sommerlich und die Leute begannen im Vorbeigehen zu scherzen: „Na, was sagt der Stein heute?“ Jetzt zeichnete Emilia abgelaufene Steinplatten der Gehwege. Alle ihre Herzmenschen hatten Schritte auf sie gesetzt, der Fredi, seine Tochter Ria, deren Tochter Sylvia und nun Emilia. Es war, als spürte sie ihren Abdrücken nach – der gepressten Zeit. Donnerstagnachmittag blieb eine alte Frau bei der sonderbaren Zeichnerin stehen. Sie sagte nichts, sie zog aus ihrem unverwüstlichen Dederon-Beutel mit zittrigen Händen ein kleines Gemälde. Nicht größer als ein grau-weiß gerahmtes A4-Blatt. Leuchtende Sonnenblumenköpfe waren darauf zu sehen, frisch, wie aus dem Tau gezogen. Emilia wusste es sofort: Es war eine kleine Wohnzimmermalerei von Fredi. „Ich schenke es Ihnen, weil ich glaube, Sie brauchen es nötiger als ich.“ Die Alte stellte es einfach an den Regiestuhl, rollte ihren Beutel zusammen, steckte ihn in ihre Kittelschürze und tippelte langsam davon. „Danke!“ rief Emilia ihr hinterher. „Danke!“ Die hochbetagte Frau drehte sich noch einmal um, lächelte verschmitzt und verschwand in einem der Häuser am Markt….

Morgenstunde (545. Blog-Notat)

Die Schmetterlingswiesen sind verblüht und stehen trockengrau, also kommt die Mahd. Gestern Nachmittag schon und heute folgt der Rest unter den Obstbäumen. Ich will die letzten trockenen Stunden dafür nutzen. Der Garten bekommt so augenblicklich wieder Weite, auch schön, aber ehrlich, die Wildblumenwiese war mir lieber, doch alles ist vergänglich…

Für Euch kommt hier eine weitere Leseprobe aus „Die Zeit der weißen Wälder“ (meinem aktuellen Roman-Projekt):

Samstagnachmittag fuhr Emilia nach Reichenbach. Schlapp 20 Kilometer waren es nur von dem Dörfchen bei Niesky. Abends würde sie in ihr Fremdenzimmer zurückkehren. Sie wollte die sichere Distanz bewahren und sich nicht sofort von der Familienvergangenheit vereinnahmen lassen. Aber würde das gehen? In der Parktasche vor dem Ackerbürgermuseum in der Görlitzer Straße stoppte sie. Es war ihr, als lächelte sie das fein sanierte, weinberankte Kleinstadthäuschen an. Sie hatte Glück, denn das Museum öffnete nur am Wochenende. Emilia trödelte ein wenig ratlos durch das rekonstruierte Hausinnere, den schönen Garten und die anliegenden Werkstätten. Was suchte sie hier? In ihrer Erinnerung hing in der Vorgängerin dieser „Guten Stube“ eine kleine Malerei ihres Urgroßvaters, aber nach der Erneuerung zierten jetzt große Fotos die sandgelben Wände. Auf dem großen Tisch in der Raummitte lagen Fotoalben, als hätte soeben ein Familienbesuch dazu geführt, den Nachfahren ein altes Foto von einer Hochzeit oder einem runden Jahrestag zu zeigen. Sie zog sich einen der dunklen Holzstühle zurecht, setzte sich und begann in die schwarzweißen Fotogesichter zu schauen. Während sie blätterte, hatte sie das Gefühl, gleich würde Fredi an den Tisch heranschlurfen und sich mit einer Tasse Eingebrocktem zu ihr setzen. Diesen Schlabberkram aus Malzkaffee, Milch, Zucker und Weißbrotstücken mochte sie so gar nicht und schüttelte sich jetzt angewidert. Ja, diese Stube atmete das Original der kleinen Leute von einst, nur war Fredis Stube viel dunkler und dichter möbliert. Die Enge zwang dazu. Emilia wollte schon gehen, als die Museumsaufsicht mit einem Stapel Broschüren das Ziegelpflaster im Hausflur betrat und den Gast freundlich ansprach: „Die Nachauflage unserer Künstler-Broschüre ist gerade eingetroffen. Möchten Sie mal reinsehen? Allein die Stadt Reichenbach hatte in den 1900er Jahren immerhin 13 Kunstmaler. Deswegen finden Sie auch keine Gemälde mehr in unserem Museum. Alle oder keiner, sonst gibt es nur böses Blut, denn für alle ist eben dieses Haus zu klein. Aber schauen Sie mal, so sahen diese Maler damals ihre Stadt und deren Umgebung.“
Emilia griff nach dem obersten Bändchen und sah, das erste Bild neben den Geleitworten zeigte ihren Urgroßvater an seiner Staffelei. Zwischen Eingangstür und Küchentür hatte er auf lumpigen zwei Quadratmetern gearbeitet. Ein paar Sonntagsstunden. Das Bildwerk darin war vielleicht 1,20 Meter breit. Eine Welt in der Welt und von dort aus, ein Blick in die Weite, die wie in Zeitlupe entstand. Minutiös, Pinselstrich an Pinselstrich glänzende Ölfarbe und ein Dunst aus Malöl und Terpentin zog durch den Raum. Emilias Sinne nahmen die Foto-Pose in sich auf und sie dachte dazu: Wie klein Fredis Welt war und doch holte er für sich und andere verlorene Landschaften zurück in diese Nachkriegsstuben: Das Isermoor, das Kirchlein von Morchenstern, die Wälder Nordböhmens. Später erst erkundete er künstlerisch die neue Heimat, den Rotstein, den Töpferberg, das Hussitentor… Still bei sich. Emilia wusste von ihrer Mutter, dass Fredi sich nie wagte auszustellen. Er fürchtete sich vor der öffentlichen Kritik, vor dem Verriss seiner Heimatmalerei als kleinbürgerlich rückständig. So schuf er nach innengewandt und in diesem Schutzraum durfte er alles.
Emilia verließ mit der Künstler-Broschüre das kleine Museum. Sie steckte das Bändchen in eine leere Papiertüte und dachte: Mutter konnte das auch – auf wenigen Quadratmetern Bilderwelten schaffen. Viele Jahre ohne Atelier. Sie legte einfach ein paar Plastiksäcke auf den Wohnzimmerboden und legte los. Sie war die Einzige dieser Familie, die sich wirklich traute, von ihrer Kunst zu leben. Wahrlich nicht immer gut. Aber gerade das fürchten die Menschen seit der Zeit der Aufklärung. Die Freiheit der Kunst von Glaubenszwängen, aber auch vom Dienstherren-Salär, führte in das Risiko der Verarmung. Heutzutage bauen sich manche gut betuchten Rentner nach einem sicheren Berufsleben  erst einmal ein stattliches Atelier, bevor sie beginnen, ihre erste Leinwand zu bepinseln. Sie nennen sich ein Jahr später „Künstler“ und stellen ihre Anfängerarbeiten in Kaffeehäusern und Zahnarztpraxen zur Schau. Aber ach, Emilia wollte das nicht weiter sinnieren. Sie startete das Auto und fuhr aus der Stadt…

Morgenstunde (544. Blog-Notat)

Ein altes Stück Holz, mit der Stichsäge in Form gebracht. Bemalt und lackiert. Unten ein Loch hineingebohrt und die Metallstange hineingesteckt. Nun schwebt er, der neue Mitbewohner im halbierten Blumenmond 😊. Ein Gartenspielzeug für mich und den Wind. Überhaupt war gestern ein federleichter Tag. Vor der Holzarbeit habe ich zwei Romanseiten geschrieben. Es floss einfach, daran werde ich jetzt gleich anknüpfen…

Morgenstunde (543. Blog-Notat)

Gestern Morgen zwickte mich da ein Zweifel: Haben wir das richtig entschieden? In der Nachbarschaft hatten die Kollegen das große Flanieren bei sich auf den Höfen und wir waren zum ersten Male bei den OFFENEN ARELIERS Brandenburgs nicht dabei. Aber dann kam der sechste angemeldete Augustbesuch ins Atelier und die Zweifel verflogen. Ein anregender Gedankenaustausch war das und genauso wünschen wir uns die Einblicke ins Schaffen. Also lassen wir nicht mehr nur den einen großen Event im Jahr steigen, sondern: man/frau darf immer reinschauen und gewiss sein, dass ich mir Zeit nehme. Ich glaube, in so flüchtigen Zeiten, hat das einen besonderen Wert.  In all den Jahren wuchs bei uns zum OFFENEN ATELIER die Gästeschar. Schlussendlich konnte ich mich kaum noch auf Gespräche einlassen, weil wieder jemand eintraf oder etwas brauchte, wollte… ich war an diesen zwei Tagen eigentlich nur ein Staublappen über der Gesellschaft. Und viele, sehr viele kamen eigentlich nur wegen des Kuchens und mancher schaute erst gar nicht ins Atelier… Also, ich bin zufrieden mit der „ganzjährigen Atelier-Öffnung auf Nachfrage“. Heute zum Sonntag erreichte mich noch die tolle Nachricht, die Wandlitzer Gäste aus der letzten Woche geben die Leihgabe nicht mehr her. Sehr fein 😊 und ein Grund zur Freude, weil meine Kunst wieder einmal Herzen berührt hat…

Morgenstunde (542. Blog-Notat)

Netze durchspannen die Heide. Sie sind traumschön und sie künden unmissverständlich vom Herbst. Es ist meine Jahreszeit. Ich mag das leicht Morbide, die Bilder der Vergänglichkeit, aber auch das Ernten und Winterfestmachen des Quartiers. Noch gibt es Sonnentage, Kaffeezeiten im Freien, Abende unterm Sternenhimmel und ein, zwei Herbstfeste vielleicht. Aber bald schon ziehen wir uns zurück in die Häuser und die Kerzenzeit beginnt. Ich werde mich mit dem Zeilenwerk umgeben und abtauchen in dessen Figurenwelt…

Aus „Zeit der weißen Wälder“, meinem aktuellen Romanprojekt:

… „Verstehe“, sprach der Mann jetzt tonlos. Er ahnte, welchen Prozess die Frau auf sich nahm. Er zog eine kleine Handpuppe aus seinen unergründlichen Jackentaschen und ließ den Kasper sprechen: „Sieh‘ mich an. Hundert Jahre bin ich alt und bin der einzige Kasper meiner Art. Einem Bauch- und Handgefühl entsprungen, geschnitzt von Harry. Fast 50 Jahre habe ich in einer Kiste verschlafen, bis mich der Hans fand. Der Sohn eines Nieskyer Holzhausbauers, studierte Landschaftsarchitektur und schien damit zufrieden. Doch nach dem frühen Tod des Vaters, gleich nach der Wende, fand er beim Entrümpeln die Puppenkiste des Urgroßvaters auf dem Dachboden. Da wars um ihn geschehen. Er kündigte, baute sich dieses ausgeklügelte, minimalistische Häuschen auf Rädern und fuhr einfach los. Die Oberlausitz rauf und runter, als Wanderer, der die Puppen wiedererweckt. Verstehst du worum es hier geht? Seinem inneren Klang zu folgen, aber dazu braucht es Mut.“
Emilia nickte: „Ich weiß, sonst werden mich die Toten nicht loslassen.“
„Genau, aber Geduld ist das wichtigste Gewürz der Heilung,“ sprach der Kasper noch und verschwand wieder in den schillernden Jackentaschen des Puppenspielers….

Morgenstunde (541. Blog-Notat)

Der Mittwochsbesuch im Atelier bot einen intensiven Austausch, vor allem um das leidige Thema der Vermarktung meiner Bücher. Man käme schwer an die Titel heran und auch der online-Einkauf wäre bei meinem Hausverlag zu kompliziert. Ja, ich kann es nicht ändern. Mir wird dann immer vorgeschlagen, einen anderen Verlag zu suchen (hey, ich bin 68 Jahre alt!) oder es heißt plötzlich: Wir nehmen mal ein paar Bücher unserem Buchhändler des Vertrauens mit – hm, spätesten daran merke ich, sie haben gar nichts verstanden. Was sollte mir das bringen, wenn ich die Bücher ja selbst erst einmal vom Verlag zum Autorenrabattpreis kaufen muss. Diese kleine Spanne ist mein Beteiligungshonorar. Die Rabatte für Buchhändler sind allerdings viel höher, ich müsste quasi bei dieser Idee draufzahlen. Aber ich bin kein Buchhändler, sondern eine Autorin, die aus ihrem Atelier heraus nur ihre eigenen Werke Ateliergästen anbietet. Rabatte und Buchpreisbindung sind den meisten Menschen fremd und ich denke dann immer im Stillen: Meine Güte, ich bin 27 Jahre schriftstellerisch tätig und habe die Dinge wohl durchdacht und meine Möglichkeiten auf diesem schwierigen Markt auch.  Etliche Ateliergäste denken, es mangele mir nur an dem richtigen Geschäftssinn. Herrje… Morgen kommen Besucher aus Birkenwerder, ich hoffe, sie interessieren sich nur für die sichtbaren Bilder und die Bücher und nicht für deren Vermarktung… die drei Zeichnungen für die Weihnachtsgeschichte 2021 habe ich heute abgeschlossen. Schönes Wochenende allerseits!

Morgenstunde (540. Blog-Notat)

Und zack stürmt der Herbst. Wir haben die Heizung angeworfen und ich habe gestern die Weihnachtsgeschichte 2021 geschrieben (noch wird nichts davon verraten). Nun zeichne ich dafür, was länger dauert als die anderthalb Seiten zu texten. Das Wetter passt jedenfalls. Eigentlich ist dieses alljährliche Thema für mich gewöhnlich am ersten Regentag im September dran, aber zunehmend ist es der August, der schon mal herbstelt, während der September gerne noch einmal den Sommer gibt. Mir solls recht sein, die Arbeit an der illustrierten Kurzgeschichte fügt sich gut zwischen die angekündigten Besuche, danach geht es mit dem Romanstoff (Schreiben und Detail-Recherche) weiter….