Morgenstunde (447. Blog-Notat)

Brot und Spiele und die Verwerfungen besser ausblenden. So fühlt sich das Rahmenprogramm der Pandemie gerade an. Ein erstes Aufflammen von Wahlkampf funkt zwischen die Verordnungen und daneben erleben wir Virologen-Kämpfe, in denen Theoretiker gegen Praktiker auftreten und so ganz nebenbei die Modellierer distanzieren. Welch Szenario zum Empfang des jungen Jahres. Währenddessen die Winterspiele in der Blase und die Ballspiele in den Tempeln des Glücks. Die Zuschauer fernab vor den TV-Glotzen. Das Radio spielt IMMER und so fühlt sich manch Moderator als letzte, rettende, alles ausgleichende Kulturinstanz und gibt doch nur der Hofnarren. Denn erfunden und erlitten haben die anderen und waren in ihren Kellerstudios und in Wohnzimmerkonzerten kreativ. Sie, die Musiker mussten erst protestieren, damit diese digitalen Privat-Formate im Öffentlich-Rechtlichen einen Platz bekamen und wahrgenommen werden konnten. Darüber verging das erste halbe Corona-Jahr. Und statt im Sommer eine landesweite digitale Bildungsoffensive startet, mit Schulungen der gesamten Lehrerschaft in digitalen Anwendungen (auch der Beamten in den Behörden…), mit Testungen und Justierungen der digitalen Machbarkeit … wurde der Sommer der Lockerungen gefeiert und verlebt… und die Rufer der zweiten Welle als Unker verprellt.
Von den politischen Unterschieden mal abgesehen, zerlegt sich die Gesellschaft  gerade komplett in die Teilhaftigen und in die Entbehrlichen.  Und immer öfter das Eingestehen: Wir wissen es nicht! Meine Erfahrung sagt mir gerade: Es ist die Stunde der Generalisten, die einen weiten Blick auf das Ganze haben, mit kausalem Denken (wenn, dann), so wie ein Helmut Schmidt in der Hamburger Sturmflut von 1962, der durch beherzten, unbürokratischen Einsatz tausende Leben rettete. Es ist vollkommen unbefriedigend den Taktierereien und dem Machtgeplänkel in der Corona-Politik zuzusehen, ich bin es echt leid, denn ich sehe keine wirkliche Krisen-Strategie, die alle Bürger gleichermaßen  im Blick hat.

Morgenstunde (446. Blog-Notat)

Meine „Sonnenallee“ im Garten wurde heute nochmal ein bisschen überzuckert, doch längst taut die weiße Pracht. Viel abbekommen haben wir leider nicht, aber der Winter beginnt ja gerade erst, ich bleibe hoffnungsvoll.  Heute haben wir das erste Mal mit dem Vater (92) im Erzgebirge geskypt. Das eröffnet Möglichkeiten die 400 Kilometer zu ihm mal anders zu überwinden. Es hat mir sehr gefallen, wie neugierig er die App-Funktionen untersucht hat und welche Freude in seinen Augen stand uns anzuschauen. Wenn es so etwas in dem Auer Pflegeheim gäbe… aber dort ist das Telefon schon das Äußerste, was einfach zu wenig ist für getrennte, hochbetagte Paare. Nachfolgende Generationen haben selbst diese Technik, aber dennoch, kommt das große Vergessen, dann braucht es für den visuellen Kontakt eine helfende Hand. Es wird wohl sehr bald neue Berufe geben (müssen), die die Kommunikation lenken und ermöglichen, nicht nur in Schulen, auch in Pflege- und Altersheimen und nicht nur während der Pandemie. Überall in der Gesellschaft zeigen sich in diesen Monaten Baustellen, die mit einer stoischen Langsamkeit des Seins nicht gut zu bewältigen sind…

Morgenstunde (445. Blog-Notat)

Irgendwie fühlt frau sich schon beobachtet, wenn so ne kleine Kamera auf dem Bildschirm sitzt und einen anschaut. Hab sie sicherheitshalber von mir weggedreht, man weiß ja nie… Aber die kleine Technik-Aufrüstung ist somit am Tag drei des jungen Jahres geschehen und was auch immer noch kommen wird, ich kann jetzt mitskypen. Ob das oft sein wird, ich weiß es nicht, aber ich bin vorbereitet.
Draußen dämpft Schneefall den sonntäglichen Autoverkehr. Den Liebsten graults schon vorm Schneeschieben, aber ich finde Schnee ganz wundervoll, könnte ruhig ein bisschen mehr davon sein. Winter ohne Schnee ist wie Sommer ohne Sonne. Als ich noch in Zeuthen in dem gelben Haus an der Bahnlinie gen Osten lebte, haben wir es immer verschlafen, wenn Schnee fiel, weil die „Rache Nikitas“, die schweren Diesel-Loks vor den langen Güterzügen, kaum noch zu hören waren. Oder wir schreckten in den Betten auf, weil einfach etwas fehlte – der Zuglärm. Also Schnee ist gut für die Ohren und ein treffliches Begleitbild für die Vier-Schanzen-Tournee, die in einer halben Stunde losgeht. Heißt: Beine hoch und einfach mal sonntagsfaul sein. Lasst es Euch gut gehen!

Morgenstunde (444. Blog-Notat)

Gesundes Neujahr wünsche ich Euch! Möge es uns Leichtigkeit zurückgeben und Zuversicht nähren. Die drei Gestalten im Fenster halten wie ich erst mal Ausschau ins neue Jahr, vielleicht sprechen sie ab mit einem Dorfkind, als Überraschung am Wegesrand. Mal sehen. Es sind die kleinen Dinge, die gelegentlich über verbrauchten Pinseln entstehen. Ein Kasper fehlt noch.

Zum Beispiel solche alten Fotos: Zingst 1957 – ich, meine Mam (Ϯ) und meine Schwelle (Ϯ).

Schon vor zwei, drei Jahren hatte ich die Idee, im Garten ab und zu ein Puppenspiel für Kinder zu geben, doch dann ging mir bekanntlich ziemlich die Luft aus. Aber jetzt – wer weiß, die neue Therapie macht nicht gerade einen Leistungssportler aus mir, aber das Atemvolumen hat sich etwas verbessert, noch auf flachem Niveau, aber immerhin. So gehe ich das neue Jahr ruhig an, eher nach innen gewandt. Ich habe nie zu den frischen Neujahrsläufern gehört, die kopfüber in den neuen Kalender reinspringen. Ich schaue erst mal, bedenke mich, sortiere alte Fotos, lese alte Briefe von jenen, die nicht mehr bei mir sind, räume ein bisschen auf, so räkelt sich die Zeit…

 

Morgenstunde (443. Blog-Notat)

Die Rauhnächte lassen mich wieder nicht gut schlafen und wenn, dann träume ich so seltsame Sachen wie: Ich bin mit einem dicken Federbett in der S-Bahn unterwegs. In den Rauhnächten des Vorjahres war ich stets und ständig mit einer Tür unterm Arm in meinen Träumen zugange.  Kommt davon, wenn man am Kalenderwerk dreht, denn als man vom Mond- zum Sonnenjahr überging, waren elf Tage und zwölf Nächte übrig. Damit diese Zwischenzeit vom 25. Dezember bis 6. Januar nicht von Geistern und Dämonen besetzt werden konnte, räucherte man das Haus zum Schutz mit Kräuterwerk aus. Aus diesem Räuchern entstand der Name „Rauhnächte“ und die Träume darin sollen Omen für die kommenden Monate sein. Aber die Deutung lasse ich lieber…
Das Jahr 2020 fällt derweil aus dem Kalender, was hatte man ihm alles unterstellt bevor als anschlug. Golden sollte es sein, was mich verleitete, einen goldenen Herzvogel zu zeichnen, als gutes Omen sozusagen. Was ist draus geworden? Nichts. Ein Schauderjahr ist es geworden, eins für die Tonne. Was vor uns liegt, werden wir sehen, wenn‘s ran ist, ich verkneife mir fortan jegliches Orakeln. Während wir auf den Sommer warten, werde ich weiter technisch aufrüsten. Mein Lieblingsschrauber kommt im Januar und richtet mir das Notwendige für Videobegegnungen ein, bin gespannt. Vielleicht werde ich auf meine alten Tage doch noch meine Technik-Aversion ablegen können, wer weiß.

Zu meinem Neujahrsmärchen geht es hier.

Morgenstunde (442. Blog-Notat)

Starke Windböen aus Süden am „3. Feiertag“, das heißt jede Menge Eichenlaub auf der Türschwelle. Der Wind fegt aus dem Park heraus, was die Stadtarbeiter liegen gelassen haben. Wenn es die Straße langsaust, sieht das wild aus, wie in einem alten Western. Ansonsten atmet das Schorfheidedorf Sonntagsstille. Ab und zu rattert ein Kleinkind auf elektromotorisierten Motorrollern vorbei und hebt dazu lässig die Hand zum Gruß, wie Artur auf dem roten Traktor. Schön, das mag ich. Das Fest ist rum, die Geschichten sind erzählt, die Braten gegessen und die Brettspiele gespielt. Gepokert haben wir auch, zu zweit, das geht schon. Eigentlich wollten wir heute das Terrassenöfchen (unser Weihnachtsgeschenk) ausprobieren, aber bei dieser Windstärke – lieber nicht. Zwischen den Jahren, das war immer die Zeit im Jahr, Freunde zu treffen, die Geschäfte ruhen zu lassen, wirklich die Privatsphäre mit Erlebnissen zu füttern – gibts es dieses Jahr auch nicht. So werde ich mich am Montag wieder an den Zeichenplatz setzen und mit der Reinzeichnung für das Auftrags-Buchcover beginnen. Von den acht Entwürfen entschied man sich für den Fünften und den Sechsten für den Rücktitel. Da hab ich zu tun.

Der träumende Nachtwächter

Eine Weihnachtsgeschichte
Der Nachtwächter träumte im Laufen und nur sein Laternenlicht sah ihm dabei zu. Es tänzelte flackernd, wenn sich der alte Mann für ein Weilchen an eine Hauswand lehnte, um sich kurz auszuruhen. Er war heute schon so viele Stadtstraßen auf und ab gelaufen. Bevor er aber wirklich im Stehen einschlief, blitzte das Flämmchen zwischen jedem seiner Wimpernschläge so hell, dass Eduard Morgenstern wieder die Augen aufschlug, seinen amtlich vorgeschriebenen Weg fortsetzte und währenddessen seine Traumgeschichte weiter durch seinen Kopf rangierte. Er träumte zu jeder Nachtwache denselben Wachtraum, wo war er nur abgerissen? Ah, bei dem kantigen Mann mit den rauen Händen, der die schönen Kerzenleuchter schnitzte. Für jedes neugeborene Menschenkind schuf der kleine Beschützer, für die Mädchen einen Engel und für die Jungen einen Bergknappen. Alle diese Leuchter standen in der Weihnachtszeit in den festlich beleuchteten Fenstern und jeder konnte so im Vorbeigehen erkennen, wie viele Kinder zu dieser Familie gehörten. Diesen Seelenlichtern fühlte sich der Nachtwächter Morgenstern immer schon verwandt, schließlich trug auch er sein Laternenlicht durch das Dunkel und beschützte mit seinem Wachen den Schlaf der Stadt. Im Traum war er einer von ihnen.
Doch dieses Jahr geschah etwas Merkwürdiges. Als es Frühling wurde, standen die Weihnachtsleuchter immer noch in den Fenstern der Leute und auch noch zur Sommersonnenwende flackerten ihre Kerzen. Es ging eine Seuche um und die Menschen suchten einfach nach einem Beistand. Kerzenlicht galt seit jeher als ein Sinnbild für das Leben und so erklärte es sich, dass die Weihnachtslichter alle Nächte des Jahres erstrahlten. Mehr als es Kinder gab drängten sich die Figuren hinter dem Glas, denn auch die hilflosen Eltern und die besorgten Großeltern holten ihre alten Schutzleuchter aus den Truhen und stellten sie mit Hoffnungsfunken in den Augen dazu. Und weil es keine Medizin gegen diese Krankheit gab, hatte der Schnitzer Fidelius Waldvogel alle Hände voll zu tun. Jeder wünschte sich ein handgefertigtes Schutzzeichen. Auch um diese nächtliche Stunde brannte noch Licht in der Werkstatt am Markt. Eduard Morgenstern klopfte wie jeden Abend an dessen Fenster und winkte dem Schnitzer freundlich zu. Als der Meister dem Wächter nachsah, beschlich ihn auf einmal eine Idee.
Er holte sich ein schönes Stück Lindenholz herbei, hobelte eine Fläche glatt, besah sich den Verlauf der Maserung und zeichnete mit einem Bleistift einen neuartigen Schutzleuchter. Mit einem Hohleisen begann er eine Form aus dem Holz zu heben. Langsam tastete Fidelius Waldvogel sich an seine Vorstellung heran und arbeite mit einem scharfen Schnitzmesser die Feinarbeiten nach. Erst in der dritten Morgenstunde ruhten die Hände neben seinem Schnitzwerk. Der Blick des Mannes wanderte hinauf zum hellsten Stern am Firmament und lächelte verschmitzt.
Der Advent wehte heran und Eduard Morgenstern fühlte sein Kommen. Auf seiner nächtlichen Runde bestaunte er, wie festlich die Stadt die Ankunft der Weihnachtszeit erwartete. Waldvogels Werkstatt lag dunkel hinter der angestrahlten Fensterauslage. Offenbar hatte er sein Tagwerk vollbracht. Morgenstern besah sich die neuen, herrlichen Engel und Knappen, aber was war das? Er entdeckte eine Reihe von hölzernen Nachtwächtern mit Windlichtern an der Lanze. Und, na so was, „Das bin ja ich!“, raunte er grinsend in seinen Bart. Auf dem Schildchen las er leise: „Der Nachtwächter, ein Schutzleuchter für alle Tage im Jahr!“ Eduard Morgenstern war verwundert und verzaubert, denn er fühlte sich, als wäre er in seinem Wunschtraum erwacht.

Lesezeit 26

Shutdown im Land, deshalb gab es diese Vorlesevideos aus dem Atelier am Schorfheidewald. „Winter- und Weihnachtsgeschichten“ lautete ihr Thema. Diesmal: Die Stallweihnacht.
Es ist die zehnte Weihnachtsgeschichte, die ich Euch in dieser Aktion vortrage.  Niemals hätte ich gedacht, wenn ich allein im Atelier vor der Smartphone-Kamera laut lese, dass der Blutdruck steigt und echtes Lampenfieber aufkommt. Ich sprach mir zu: Hey, du spinnst ja, warum nur, es sieht doch niemand zu? Doch, nur später und das Video wird zur Konserve. Mein Advents-Projekt war also einigermaßen aufregend. Zusammen genommen bilden die zehn Geschichten eine ganze Lesestunde und wer will, kann sich durch die Links unter dem Beitrag klicken, das ist leichter, als sich durch den Blog zu scrollen… Damit ist enden die Lesezeiten in 2020, aber, natürlich kommt am 24. Dezember noch meine neueste Weihnachtsgeschichte – als Blogbeitrag ohne Video. Ich hoffe, mein Angebot hat den einen oder die andere kurzweilig von den alltäglichen Sorgen abgelenkt. Das war meine Absicht.

Wenn sich das Video nicht öffnen lässt, klickt hier:

Die Geschichte zum Nachlesen findet Ihr hier:

  1. Weihnachtsgeschichte
  2. Weihnachtsgeschichte
  3. Weihnachtsgeschichte
  4. Weihnachtsgeschichte
  5. Weihnachtsgeschichte
  6. Weihnachtsgeschichte
  7. Weihnachtsgeschichte
  8. Weihnachtsgeschichte
  9. Weihnachtsgeschichte

Morgenstunde (441. Blog-Notat)

Dass Viren mutieren wissen wir. Unzählige Mutationen des SARS Coronavirus 2 hat die Wissenschaft inzwischen entdeckt. Ich weiß nicht, ob die Abriegelung Großbritanniens da wirklich etwas bringen wird, denn natürlich ist auch die hochansteckende Variante schon unterwegs in Europa. Deshalb glaube ich, Panik bringt uns kein Stück weiter, sie führt nur ins Chaos. Denn so sehr viele Menschen sich auch vorsehen, selbst isolieren – der Postbote geht von Haus zu Haus, die Handwerker auch, zum Arzt müssen wir, in den Supermarkt und zur Apotheke. Und natürlich erwartet die Familie Hilfe und Zuspruch. Die Corona-Zeit hält inzwischen einfach zu lange an. Wir können uns nicht monatelang einander entziehen. Der Liebste ist zurück aus dem Erzgebirge und zugleich schwappt dieser dumpfe Gedanke ins Hirn: Hat er sich irgendwo infiziert?  Solche Befürchtungen tun nicht gut. Deshalb denke ich, wir können uns nicht vollkommen schützen, nur ein bisschen. Als ich gestern die Vorhänge zuzog, um mich ungestört in ein kompliziertes Buch zu versenken, klopfe es kaum später an die Scheibe. „Fenstern“ ist auch so etwas, dass die Neuzeit wiederentdeckt. Sandra stand da im Schein der Laterne und reichte mir einen Wichtelgruß durch den offenen Spalt (der Fensterflügel lässt sich nur ein wenig öffnen, weil er dann gleich an meine Arbeitsplatte stößt). Sie sah mich überrascht. Ich danke Dir sehr, Du gute Seele! Ja, will sagen, wir müssen uns wohl mit den Umständen in dieser Zeit arrangieren, denn sie wird andauern…

 

Schutzengel

Als die drei kleinen Engel auf dem Zeichenkarton erwacht waren, fragten sie die Zeichnerin, was sie denn hier sollten. Na, was für eine Frage, dachte die Frau und sprach: „Die Welt ein bisschen besser machen. Der Goldene sorge bitte für helle Gedanken, der Rote für Herzwärme und der Blaue für Klarheit. Ihr sollt die Schutzengel der Harmonie sein. Hört ihr es nicht? Auf der Welt herrschen Hass und Streit, die Erde ächzt atemschwer. Das Leben wird untergehen, wenn die Menschen nicht einen neuen Weg miteinander finden. Ihr sollt ihnen bei ihrer Suche beistehen.“
„Oh je,“ stöhnte der blaue Engel, „diese Aufgabe ist viel zu groß für uns Winzlinge.“
„Ach, was!“ meinte die Zeichnerin. „Seid wie ein Funkenflug, eine gute Inspiration, ein zündender Gedanke. Und nun macht euch endlich auf den Weg, die Zeit ist überreif! Ade!“