Kerzen in der Stadtbahn (1)

Öffentliches Schreiben einer Kurzgeschichte:

1969: Das Licht flackerte wie ein Sehnsuchtsfunken als das Teenie-Mädchen aufstand. Die Stadtbahn bremste. Als sie anhielt stieg Irene aus dem Wagon, aber nur um in den dahinterliegenden zu huschen. Doch auch dieser war menschenleer. Sie richtete ihr weißblondes Kurzhaar im Fensterspiegel. Keine einzige Seele war in dieser Heiligen Nacht unterwegs. Irene zog die Packung Baumkerzen und das Feuerzeug aus ihrer Manteltasche, nahm sich eine Kerze, zündete den Docht an, tropfte etwas Wachs auf das Fensterbrett und stelle das Licht in die Nacht. Wo seid ihr nur? Offenbar steckte der Lastkahn der Eltern irgendwo auf der Elbe im Eis fest. Sie konnte es nur vermuten, aber das gab es schon manches Jahr. Heimkehr aus dem Internat und kein Feuer im Ofen, im Kühlschrank nur Licht. Es gab Heilige Nächte, in denen wollte die kindliche Irene vor Einsamkeit sterben, aber heute fühlte sie sich stark genug, das ungewisse Alleinsein zu ertragen. Sie wusste nicht, ob ihr das wirklich gelingen würde. „Nächster Halt: Baumschulenweg“ krächzte die Ansage des Zugführers durch den Lautsprecher. Irene stieg abermals um in den nächsten Wagon. Im hintersten Eck entdeckte sie einen älteren Herrn, der gerade Glühwein in den Becher seiner Thermoskanne goss. Als er aufblickte, stand sie noch. Er winkte sie zu sich. „Auch ‘nen Schluck, ich habe noch einen zweiten Becher dabei?“ Irene nickte, ließ sich auf den Sitz gegenüber fallen. Sie blicke in das zerfurchte Gesicht des Mannes und fragte sich still: Wie viele Jahre mochten in diesen Gräben stecken? Wortlos stellte sie eine brennende Kerze auf das Fensterbrett.
Dazu murmelte der Alte, „Kokeln in der Bahn ist verboten“ und schlürfte an seinem Becher Glühwein.
„Und Saufen in der Öffentlichkeit wird auch nicht gern gesehen“, maulte Irene zurück.
„Stimmt,“ sprach der Mann und fuhr sich nachdenklich durch das borstige Silbergrau in seinem Gesicht. „Aber allein Trinken, ist nicht gut für die Seele. Eben dachte ich noch, ich hätte eine zum Anstoßen gefunden. Komm, auf die Heilige Nacht!“ Er prostete Irene zu und sie erwiderte schweigend. Der Wein dampfte und stieg ihr in die Nase. Schon mit dem ersten Schluck spürte sie einen Anflug von Rausch. Sie hatte mittags etwas gegessen, jetzt war es später Abend. Der Alte sah ihre Einsamkeit und auch, dass sie im Grunde zu jung war, durch die Nacht zu stromern. „Darf ich fragen, warum du allein unterwegs bist?“ Irene hob ihre Lieder: „Meine Eltern sind Schiffer. Sie stecken irgendwo mit ihrem Kahn fest. Passiert schon mal. Und Sie, warum sind Sie Weihnachten allein?“
Der Alte murrte: „Passiert immer wieder. Die Frauen bleiben nicht lange bei mir.“
„Warum? Zuviel Glühwein?“
„Quatsch. Zuviel Arbeit, ich bin Monteur, wenn du verstehst.“
„Hm. Da ist es wohl besser, Paare sind gemeinsam unterwegs, wie meine Eltern.“
„Und warum kümmerts keinen, dass du allein bist heute Nacht?“
„Es weiß wohl einfach keiner.“
„Weiß man in diesem Land nicht immer alles?“
„Kann sein.“
„Und was sagt das Amt zu sowas?“
Irene sah den Mann verkniffen an und schnauzte: „Das geht Sie gar nichts an!“ Sie blies die Kerze aus, erhob sich ruckartig und stieg ohne zurückzusehen beim nächsten Halt aus …

 

Morgenstunde (696. Blog-Notat)

Ein Nachmittag auf Samtpfoten war das gestern bei Freunden am Wentowsee. Sinnieren auf ihrer Seeblick-Terrasse. Die Wärme drückte uns in den Schatten und dennoch hatten der Liebste und ich mehr Sitzefleisch als gewöhnlich. Vier Stunden blieben wir, tafelten und erzählten von den gegenwärtigen Unbehaglichkeiten. Wir haben alle seit langer, langer Zeit schwere Schultern…
Ich bemerke, dass ich immer öfter bezweifele, was uns als „nicht verifizierte“ Nachrichten tagtäglich serviert wird. Denn schlussendlich heißt das ja nichts anderes als, diese Nachrichten sind nicht nachgewiesen, sind etwas vom Hören sagen, was auch heißt, es kann ganz anders gewesen sein. Trau schau wem! „Nicht verifiziert“ – von diesen nicht gesicherten Meldungen gibt es inzwischen zu viele, dass macht unglaubwürdig. Seriöse Recherche ist das nicht. Man spürt in dieser Zeit, dass Medien die notwendige Distanz zur Politik nicht mehr wahren. Aber indem verspielen sie im Grunde ihre Position der sogenannten vierten Macht… und ihre Unabhängigkeit.

Morgenstunde (695. Blog-Notat)

Zwei Gartentage. Bei 24 bis 26 Grad war das absolut entspannend. Ich beginne Garteneckchen aufzugeben, die nicht gedeihen wollen. Es gibt einfach Erdreiche, in denen nur die Ameisen hausen… Nicht gut für Wurzelfüße. Mal sehen, was wird. Dann war da noch der Buchsbaumzünsler zu bekämpfen – mit einem BIO-Mittel von PLANTURA. Ist unbedenklich für anderes Getier, letztes Jahr war ich damit erfolgreich. Aber, du meine Güte, wie viele Buchsbäume und Bäumchen ich inzwischen habe…  die 28 Stück, wenn ich nicht welche übersehen habe. Abends schreibe eine ältere Geschichte weiter, tagsüber ging es zwischendurch an die fünfte Eule. Tatra: Ein fliegendes Raufußkäuzchen – da ist es 😊.

Kollegin Jana Weinert erinnerte mich neulich an ein Gedicht von Ernst Jandl …
Eulen
bist eulen?

ja
bin eulen
ja ja
sehr eulen

bist auch eulen?
ja
bin auch eulen
sehr eulen
ja ja

will aber nicht mehr eulen sein
bin schon zu lang eulen gewesen
will auch nicht mehr eulen sein
bin schon zu lang eulen gewesen
ja
mit dir da
mit dir da auch
bin nicht mehr eulen ja
bin nicht mehr eulen auch
ja ja
ja ja auch
doch wer einmal eulen war
der wird eulen bleiben immer
ja
ja ja

Morgenstunde (694. Blog-Notat)

Der große Schattenfänger und die große Schamanin (je 213 x 84 cm)

Sie wirken fast klein wie Briefmarken, meine 2-Meter-Bilderfahnen in der Kirche von Groß Dölln (UM). Bis in den September ist die Sommerschau von zehn Bildschaffenden im Rahmen der OFFENEN KIRCHE täglich von 10 bis 18 Uhr zugänglich. Neben den diversen Bildern und Objekten kann auch der Technikinteressierte hier auf seine Kosten kommen, denn das edel restaurierte Uhrwerk der alten Turmuhr ist hier ebenfalls ausgestellt. Die wenigen wohltemperierten Sommertage laden ja gerade zu solchen Aktivitäten ein. Schönen Sonntag noch allerseits!

Morgenstunde (693. Blog-Notat)

Sumpfohreule in Lauerpose. Das ist schon ein seltener Anblick – oder? Gefunden habe ich ihn in einem GEO-Foto von Jürgen Knöpfel, dass ich für mich zeichnerisch übersetzte. Damit neigt sich die eulige Woche. Ein Motiv kommt noch, dann ist’s vorerst genug. Draußen auf der Straße wird das Lindenlaub gelb, die vorgefundene Hybridsorte scheint hitzeempfindlicher zu sein als andere. Ich habs mir nicht ausgesucht, aber finde nun stets und ständig Blätter vor der Tür. Mist, man kann doch nicht täglich den Hof fegen…und die Straße auch nicht. Das ist keine Hochsommerarbeit. Aber irgendwie kommt neuzeitlich alles anders…Machts Euch schön an diesem Wochenende 😊!

Morgenstunde (692. Blog-Notat)

Fliegende Sperbereule (inzwischen vergeben).

Gestern: 38,4 Grad Schattentemperatur um 15.45 Uhr im Hof – echt, auf solche Höhepunkte kann ich verzichten. Es war, als atme man heiße Wüstenluft. Nach 20 Uhr waren es noch 36 Grad als ich die Sprenger im Garten anstellte. Ich mochte kaum hingehen, denn die Hitze lässt mich Wanken. Der Blutdruck rauscht in den Keller. Habe mir während der Hitze angewöhnt, den Blutdruck täglich zu kontrollieren und die blutdrucksenkenden Medikamente geringer zu dosieren oder eine Gabe wegzulassen. So geht es halbwegs.  Wir haben alle keine Erfahrungen mit diesen Hitzewellen und müssen experimentieren… Den Tag verbrachte ich im abgedunkelten Atelier mit dem Zeichnen dieser Sperbereule. Immerhin, der Liebste hing nur wie hin geplättet auf dem Sofa und sagte nicht mehr viel. Da zerbröselt die Zeit. Solche Sommer sind zum Fürchten. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste jetzt mit den Öffentlichen in irgendein Büro – du liebe Güte, alle jene, die es müssen, haben mein Mitgefühlt. Jetzt hoffe ich, dass der Regen uns wirklich erreicht…10.15 Uhr, die ersten Tropfen fallen 😊 – herrlich!

Lyrik-Krümel

August

Immer noch Wüstentage
der Sommer wirkt vergänglich
verletzlich ist er längst
die Zeit hetzt
mit Sonnenbrand
über flimmerndes Land.

© Petra Elsner

 

Morgenstunde (691. Blog-Notat)

Ich weiß nicht, die wievielte Hitzewarnung zum Tag es in 2022 ist, aber gefühlt waren und sind es zu viele. „Wüstentage“ heißen sie neuerdings und ja, sie verwüsten. Nach den Pflaumen- und Birnenbäumen werfen jetzt die Winteräpfelchen die Früchte ab. Obwohl die Bäume täglich einen Eimer Wasser bekamen! Es ist nur noch traurig… Der Garten leidet und ich auch.
Verziehe mich nach dem Morgengang ins Atelier. Die Schneeeule (vergeben am 3. September22) war gestern, heute setze ich mich an eine Sperbereule im Flug. Ich muss aufpassen, dass ich mir dabei nicht wieder ein krummes Kreuz hole. Aber es gibt ja die Tage zusehends Ablenkung. Die meisten Freunde oder Atelierbesucher haben, der Hitze wegen, ihre Besuche immer weiter weg in den Spätsommer geschoben, aber nun kommen sie. Alle zwei Tage klingelt es zu den Kaffeezeiten, das bringt Abwechslung und reizt uns aus der Hitze-Lethargie… gut so.

Morgenstunde (690. Blog-Notat)

Spätsommer im Obstgarten.

In den nächsten Tagen wird der Imkergatte Abschleudern. Wenn dieser Honig gerührt ist, werden die letzten Gläser der Ernte 2022 gefüllt, danach bin ich aus den Verrichtungen des Liebsten raus. Er wird im August das Winterfutter einbringen und die Behandlung gegen die Milben beginnen. Darüber wird es Herbst werden.
Hab mir für den Spätsommer das Zeichenthema „Fliegende Eulen“ gewählt. Gestern ist nach zwei Tagen der erste Waldkauz fertig geworden, heute arbeite ich an einer Schneeeule unterm Vollmond 😊… eine Handvoll Motive werden es wohl, danach kann der Mann von der Insel Föhr wählen und andere Eulenfans vielleicht auch. Das Thema erschöpft sich ja irgendwann, schließlich hatte ich ja schon diverse Eulen in den Serien: Nick und die Kauzigen Eulen; Hüter der Weisheit; Flug über Europa; die Kauzköpfe und verschiedene Einzelteile; und nicht zu vergessen, die beiden Eulengeschenkbücher „Ottilies Nachtwanderung“ und „Meander Memolos Zeitloch“…  Insgesamt sind es über hundert Eulen, die aus meiner Hand kamen. Herrje, man könnte meinen – das reiche, aber da kommt doch immer noch einer oder auch eine mit schönen Extrawünschen 😊…

Morgenstunde (689. Blog-Notat)

Träume-Cartoon.

Schlaffer Sonntagsmorgen. Die dichte Schaffenswoche wirkt nach. Früher haben wir in so einer matten Stimmung lange beim Frühstück gesessen, geschwafelt und geraucht. Eine nach der anderen. Irgendwann klingelte es und meine Freundin Dagi schneite herein. Noch eine Kaffeekanne, noch mehr Zigaretten, herrliches Palaver. Seit 15 Jahren gibt es solche Frühstückskonstellationen nicht mehr. Sie schliefen ein, seit ich nicht mehr rauche. Seither ist mir das morgendliche Glucken unmöglich, ich springe in den Tag und arbeite schon wieder. Ja, gut, dass ich nicht mehr rauche, bekomme eh nicht gut Luft…aber diese gemächliche Sonntagsmorgenstimmung – sie fehlt mir. Als man die Horrorbilder auf die Zigarettenschachteln druckte („Rauchen tötet!“), habe ich meine Träume-Cartoons arg verkleinert und sie als Einschiebezettel zwischen Zellophan und Horrorbild gesteckt. „Ohne Rauch kein Zauber!“, war nun darauf zu lesen. Ich habe mich lange den Aufklärungskampagnen verweigert, bis ich eines Sonntagsmorgens einen so mordsmäßigen Hustenanfall bekam, dass ich schlagartig von dem „Zauber“ abließ. Ehrlich, ich dachte damals, es würde das Ende meiner Kunst sein, denn die Zigarette war gewissermaßen mein „Korrektiv“.  Schmauchend pausieren, um Abstand zu nehmen, ruhig auf die Arbeit schauen, dabei den nächsten Pinselstrich zu erkennen… Schlussendlich ging es dann doch ohne Rauch, aber der Zauber… er ist irgendwie dahin 😊.