Es gab diese Silvesternacht anno 1975. Ich saß frisch geschieden am Küchentisch mit einer Flasche Rotwein und der geborgten Schreibmaschine meiner Mutter. Nebenan schlief mein kleiner Sohn. Ich hätte jemanden zum Reden gebraucht in dieser Nacht, aber da war keiner. Doch ich musste einfach „sprechen“ über den vergangenen Rosenkrieg, über das Nachtreten und den Versuch mich auszuhungern. Männer hatten damals noch alle Mittel in der Hand. Wenn das Kind krank wurde, gab es beispielsweise kein Krankengeld für die Mutter. Frau war ja (noch) verheiratet. Niemals zuvor hatte man mich so beschämt. Aber das aufzuschreiben war mir dann doch zu schmonzettenhaft, zu tränenschwer und ich hatte auch noch nicht die Worte, nur ein vages Bestreben. Ein Gefühl, ich könnte so die emotionale Last loswerden. Stattdessen aber schrieb ich erst ein Gedicht, dann eine fiktive Geschichte, die war so grottenschlecht, dass sie morgens im Papierkorb landete. Aber: die Nacht war rum und ich ein bisschen leichter, wenn auch mit schwerem Kopf vom Hügel-Rotwein. Zweierlei hatte ich begriffen: Du musst das Echte rauslassen und du musst an deinem Schreiben erarbeiten. So, wie einer ein Handwerk erlernt. Fortan las ich Bücher ganz anders. Achtete mehr auf die Stilistik der Autoren und schrieb täglich Kleinigkeiten. Kleine Szenen in der S-Bahn, Beobachtungen im Kaffeehaus und in manchen Nächten Gedichte. Ich habe nichts aus dieser Zeit aufgehoben, nur manche Sprachbilder sind geblieben. Fünf Jahre später begann ich Artikel und Reportagen für den Verlag Junge Welt zu schreiben, als Folge einer einsamen Silvesternacht, die zur Initialzündung wurde…
Wir erlebten ein Jahr der Warnungen, der Belehrungen, der Entmutigungen und existenzieller Bedrohungen bei angeknackster Gesundheit. Es reicht! Die Zeit fließt im Strom der Jahre nie gleich. 2022 hatte viele Stromschnellen, Klippen und manchen Strudel. Eine gesunde, glückliche und friedliche Ankunft in sicheren Gefilden wünscht Euch für 2023, Petra
Für alle, die hier Silvester-Märchen suchen… ich habe nur dieses eine, Ihr findet es Petra hier:
Eine Vorbereitung für das Zeichenwerk 2023 musste noch sein. Da ja mein kleiner Zeichentisch zugunsten des Leinwandplatzes heruntergeklappt werden musste, brauchte es eine Alternative. Gegenüber tragen jetzt der kleine Büroturm und ein Bock eine größere Holzplatte aus dem Bestand. Finnpappe obendrauf und fertig ist der Winterzeichenplatz. Es kann dann also losgehen mit den Scribbles zum wilden Garten, den Schrägen Vögeln & Co 😊. Arbeitsbeginn: Neujahr. Bis dahin ist Ruhe im Quartier, alles einfach Austrudeln lassen – mit Vorfreude auf die nächtlichen Begegnungen am Feuer auf der Bleiche in der Silvesternacht. Heute ist der letzte Beutezug des Jahres angesagt, nur Zukäufe von Grundnahrung, alles andere kommt in den nächsten ein, zwei Wochen aus dem Tiefkühler. Das verschafft Zeit…
Und auf einmal ist der Kalender leer und die Schultern scheinen leichter. Eigentlich sollte heute Mittag noch ein Freundinnentreffen in Templin stattfinden, aber eine der Frauen hat Corona erwischt… und so hängen wir zwei, nach der telefonischen Absage, erst einfach mal ab. Gestern gab es bei uns das große familiäre Jahresessen zu viert, denn mehr sind wir ja nicht mehr, in meiner Linie also nur noch zwei. Das Kochen auf den Punkt ist ja immer ein wenig stressig und umso älter ich werde, desto flattriger wird es. Nun denn, aber es war gelungen… Mein Sohn hat mir für seinen Großauftrag die bestellte und eigens angefertigte Leinwand mit seinem Transporter aus dem Künstlerbedarf mitgebracht. In unser Auto hätte sie nie gepasst… Die parkt jetzt im Atelier, bis die Zeit reif ist, die große Staffelei reinzuholen und an sie heranzutreten. Wenn das Licht höher steht, es hat keine Eile. Aber schön, dass sie schon mal da ist. Es ist ein Bauchgefühl, was kommen muss… Jetzt lassen wir uns ein, auf den Jahresausklang.
Spät im Dezember saß der Herr der Träume an seinem Schreibtisch und raufte sich die rosa Haare. Wie konnte das nur geschehen, noch nie waren ihm die Träume ausgegangen. Er schüttelte seine gläserne Traumkugel, aber kein Fantasiefunken entfiel ihrem Flockengestöber. Nur verwelkte und gequälte Worte wie: „Nachhaltigkeit“, „Resilienz“, „Relevanz“. Sie hatten längst all ihrer Magie verloren. Auch in seinem purpurnem Wunderkästchen gähnte nur die ganz große Leere. Der Herr der Träume war entsetzt. Irgendetwas musste geschehen. Er stieg in den Keller, um sich eine Flasche Wunschpunsch zu holen. Die sehr spezielle Substanz goss er in ein Emaile-Töpfchen und wärmte sie auf dem Kaminofen. Etwas später hockte er auf seinem Schaukelstuhl und schlürfte an dem Heißgetränk. Für gewöhnlich stiegen mit den Duftwölkchen auch ein paar Ideen in seinem Kopf auf. Aber, nein, auch dieses Ritual war völlig sinnlos. Vielleicht hatte der Herr der Träume in diesen trostlosen Zeiten zu viel gearbeitet, dass er nun in dieser Leere saß. Missmutig schlurfte er zurück zu seinem Schreibtisch, setzte sich und griff nach der Schachtel mit dem schönen Briefpapier. Dicker Staub lag darauf, denn er hatte eine Ewigkeit keinen Brief mehr verfasst. Aber nun schrieb er etwas ungelenk mit letzter Hoffnung: „Lieber Weihnachtsmann, ich bin vollkommen ratlos, denn mir sind die Träume ausgegangen. Ohne Träume aber, gibt es keine Zukunft. Es ist seit jeher meine Aufgabe, den Entmutigten Träume zu schenken… Darf ich Dich um Hilfe bitten? Ich brauche ein bisschen neue Fantasie… Hochachtungsvoll, der Herr der Träume.“ Er faltete das Papier, steckte es in ein geblümtes Kuvert, versah es mit einer Briefmarke und sandte es an das Weihnachtspostamt in Himmelpfort. Ja, er wusste, dass dorthin eigentlich nur Kinder ihre Wunschzettelpost schickten dürfen, aber Erwachsene schreiben zuweilen auch Wünsche auf, vielleicht würde er ja erhört.
Am Morgen des Heiligen Abends fand der Herr der Träume ein unscheinbares Päckchen vor seiner Tür. Absender: Weihnachtspostamt Himmelpfort. Der Mann lächelte, öffnete den Karton und fand darin ein kleines Schlafsandsäckchen. Er räusperte sich verlegen und dachte, du meine Güte, doch nicht solche Träume! Aber was war das? Das Päckchen in seiner Hand füllte sich wundersam aufs Neue. Als er hineinsah, entdeckte er eine schillernde Traumkugel, wie man sie in einschlägigen Läden teuer kaufen konnte. Hm, sinnierte der Herr der Träume: Als Briefbeschwerer gut geeignet, aber für Träume zu Visionen, aus denen immer wieder neue Träume wuchern? Er zweifelte. Während er die Kugel auf den Schreibtisch legte, gewann das Päckchen abermals an Schwere. Diesmal enthielt es ein rotes Buch. Auf seinem Einband stand in goldenen Lettern: „Das Gewicht der Träume“. Der Herr der Träume staunte: haben Träume ein Gewicht? Seltsam. Es war kein Buch zur Traumdeutung, nein, es war ein Kompendium, das feinsäuberlich alle geträumten Träume der Menschheit enthielt. Neben jedem Traum zeigte eine kleine Waage an, ob es ein leichter oder ein schwerer Traum war. Der Mann wunderte sich. Gibt es gewichtige Träume? Ja, schon. Solche, die von einem guten Leben für alle Menschen erzählen zum Beispiel. Und wie er darüber nachdachte, erwischte er sich in einem Tagtraum von einer heilen Welt ohne Mangel und Not. Eine super-schöne Vision, wie er fand und urplötzlich blitzen aus dem Herrn der Träume wieder Fantasiegemäuer der schillerndsten Art.
das dritte Krisenjahr infolge neigt sich und jeder trägt in diesen Zeiten eine Last mit sich. Es ist jetzt der Moment, inne zu halten, um während der Weihnachtstage, Kraft und Liebe zu tanken. Daraus wird neue Zuversicht wachsen. Allen treuen Lesern meines Blogs sei fürs Begleiten gedankt und auch jenen, die mich übers Jahr immer mal wieder mit ermunternden Worten und auch mit Spenden unterstützen. Das hat geholfen. Dankeschön! Ich wünsche Euch allen eine frohe Weihnacht und einen friedlichen Jahreswechsel. Bleibt tapfer und mitmenschlich,
Diese Tage tragen Zauberfunken mit sich. Hier ein warmherziges Gespräch in der Nachbarschaft, dort eine kleine Überraschung oder Wichtelei. Jeden Tag dieser Woche finde ich zwei, drei Grußbriefe im Briefkasten (DANKE!) und eine trägt Karten aus, als kämen sie aus einer alten, verschollenen Welt und trügen ein Geheimnis mit sich. DANKE liebe M.! Sehr fein. Da knistert der Geist der Weihnacht 😊. Das Heizöl ist übrigens nicht gekommen, nicht wegen des Blitzeises, nee, der Fahrer hat sich krankgemeldet. Viele erzählen oder schreiben derzeit vom Kranksein der ganzen Familie und dass sie nun zum dritten Male nur in kleinen Kreisen feiern können. Da erfahren Briefe per Post oder Mail eine erfreuliche Renaissance. Macht Euch glücklich….
Manchmal spüre ich, wie wichtig es ist, dass ich noch schreibe und nicht nur für mich selbst, sondern gelegentlich auch, wenn ich mich um anderer Leute Texte kümmere. Als ich gestern die Buchbesprechung zu „Rotkäppchen spricht“ postete, war ich überrascht, als der Autor den Text mit den Worten auf Facebook teilte „Das Buch … hat eine erste Besprechung erhalten. Wir freuen uns sehr.“ Das hat mich überrascht, denn das Buch ist ja schon Anfang Juli erschienen, im Kontext einer viel besuchten Ausstellung und kein Journalist hat dieses besondere Buch wahrgenommen und rezensiert? Wieviel in dem großen Medienbetrieb doch untergeht oder erst gar nicht beachtet wird. Offenbar haben in Coronazeiten die Relevanten den Blick auf die Kunst und ihre Vielfalt besonderes im Regionalen verloren oder schlimmer noch, geringschätzen ihn. Das ist bitter. Der Flurschaden, den die Berufsverbote während der Lockdowns hinterlassen haben, ist größer und vielschichtiger als geahnt und er in schwach gefüllten Theatern sichtbar wird. Ein Jammer.
Im Flüsterton spricht mich dieses wunderschöne Buch an. Es war der Begleitband zu der Ausstellung „Rotkäppchen spricht“, die letzten Sommer Märchenbilder von Julia Kneise im Erfurter Haus Dacheröden präsentierte. Jetzt steht es für sich und das kann es auch, das sinnliche, sinnreiche Buch, das von der Stimmung und dem verborgenen Moment hinter der Geschichte erzählt, denn es berührt Herzen. Immer wieder verschoben, aus hinlänglich bekannten Gründen, verschaffte Corona dem Autor und Verleger Siegfried Nucke Zeit und Zugang, diese Worte für das gemeinschaftliche Projekt mit Julia Kneise zu finden. Nucke nimmt den Märchenfaden aus Grimms- und Andersen-Texten auf und assoziiert zu der Spannung des bildhaften Moments, den Kneise auf ihren Malgründen inszeniert. Die feinsinnige, safte, aber auch eindringlich-distanzierte Malerei, die nach der Zeit für Märchen sucht, tritt mit Tiefgang, Romantik und Poesie gegen die Inflation der Bilder an. Der Autor stimmt sich ein in diese rätselhafte Reise – ein Zweiklang von lyrischer Schönheit entstand, der mit Subtexten den Augenschein lichtet. „Julia Kneises Rotkäppchen blickt uns an, unschuldig und wissend: ‚Schau mich an! Ich bin stark. Lass mich gehen, auch wenn es dir das Herz zerreißt. Niemals bin ich allein.“, schreibt Nucke in seinem Text zum Geleit. Das gilt auch für dieses starke Buch, in der Welt, um zu verzaubern. (pe)
Das Buch ist ausschließlich über den Verlag Tasten & Typen für 25 Euro (Vorkasse, portofrei) bestellbar. Im Frühjahr wird die Ausstellung noch einmal im Schloss Molsdorf (bei Erfurt) zu sehen sein.
Ja, Leisetreten habe ich mir vorgenommen, aber, mit rechtem Arm in der Dreieckschlaufe, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Aus dem Nichts – Muskelfaserriss oder Zerrung, keine Ahnung. Der Verschleiß schmerzt, beeinträchtigt und zwingt zu Ruhestellung. Das kann ja heiter werden… Aber was solls –. Der Kartoffelstollenkuchen ist ja gebacken und schon vieles bereits vorgekocht… Wir waren gestern Abend noch am Bleichefeuer zum 4. Advent. Die erste Schicht war schon durch, die zweite versammelte sich erst nach dem Elfmeterschießen. Sehr spannend. Fröhliches Plaudern mit Glühwein in der Winternacht. Eine Stunde, dann wurde es einfach zu kalt. Täglich trifft jetzt Weihnachtspost ein, ich liebe es! Von manchen ist es das einzige Lebenszeichen aus dem ganzen Jahr. Aber das war wohl schon immer so. In den nächsten Stunden soll der Heizöltanker kommen, wenn er es denn herschafft. Es hat leicht zu regnen begonnen und das Glatteis wird wachsen…
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