Und zack stürmt der Herbst. Wir haben die Heizung angeworfen und ich habe gestern die Weihnachtsgeschichte 2021 geschrieben (noch wird nichts davon verraten). Nun zeichne ich dafür, was länger dauert als die anderthalb Seiten zu texten. Das Wetter passt jedenfalls. Eigentlich ist dieses alljährliche Thema für mich gewöhnlich am ersten Regentag im September dran, aber zunehmend ist es der August, der schon mal herbstelt, während der September gerne noch einmal den Sommer gibt. Mir solls recht sein, die Arbeit an der illustrierten Kurzgeschichte fügt sich gut zwischen die angekündigten Besuche, danach geht es mit dem Romanstoff (Schreiben und Detail-Recherche) weiter….
Morgenstunde (539. Blog-Notat)
Foto: Lutz Reinhardt
Die „Treiborte“ haben gestern den Bilderspeicher verlassen, zum Probewohnen in Wandlitz. Das ist immer der beste Weg, wenn ein Bilderkäufer unschlüssig ist. Er/sie kann es ausprobieren, wie es sich mit dem Bild im Raum lebt und wenn es nicht passt, zurückbringen ohne irgendeine Verpflichtung. Außer: es sollte noch heil sein 😊. Die beiden neuen Wandlitzer kennen wir schon aus unserer Berliner Zeit. Sie las im Blog, dass wir nur einen faulen Sonntag vorhatten… und überraschten uns spontan mit ihrer Gesellschaft. Es wurde ein entspannter Gesprächsnachmittag, wobei es zu ersten Weihnachtseinkäufen im Atelier kam und besagter Leihgabe. So unaufgeregt kanns zugehen, wenn man unangemeldet kommt. Da gibt’s zwar keinen Kuchen, aber auch keinen Stress. War schön gewesen. Man sieht sich wieder zum Literaturfest am 18. September am Bahnhof Wandlitzsee. Ich setz mich derweil in meine nächste Schreibzeit…
Morgenstunde (538. Blog-Notat)
Der Imkergatte ist beim Füttern. Leider haben wir nur große Gebinde Futtersirup bekommen. Also quält er sich mit den 28-Kilo-Lasten. Und immer wieder kommt irgendwas dazwischen oder dazu. Vorgestern Invasion im Hofinnern. Hunderte Bienen suchten wie wild. Sie flogen wie Pfeile. Irgendwas haben sie gerochen, aber da war nix, außer leere, verschlossene Beuten. Der Spuk war nach einer halben Stunde schlagartig vorbei. Wie eingefallen, so verschwunden. Gespenstisch. Eine Futterrunde ist rum, sie können also nicht hungrig sein. Aber es ist ihr Naturell nach Futter zu suchen. Gestern rief eine Überüberüber…-Nachbarin an: „Was meinst du, wie viele Bienen hier sind.“ Also ist der Liebste hin gesprintet und siehe da, es waren Futterwaben, die man schlicht vergessen hatte zu entsorgen, nachdem der Alt-Imker verstorben war. Diese Waben waren naturgemäß ein gefundenes Fressen… Als der Abend dämmerte, ist der Liebste nochmal zu ihr und hat die Beuten verschlossen, nachdem alle Bienen raus waren… Abenteuer pur. Aber heute gibt’s einen faulen Sonntag… nur eine kleine Spachtelei vielleicht 😊.
Morgenstunde (537. Blog-Notat)
Am Geli-Gedenktag kamen nachmittags liebe Gäste, die vor einiger Zeit von Kurtschlag nach Baden-Württemberg in die Nähe ihrer Kinder zogen. Sie haben es manches Mal bereut, weil das Miteinander in diesem Walddorf schon etwas sehr Besonderes ist, auch wenn Corona es veränderte. Aber wie dem auch sei, sie holten mich mit ihrer herzerfrischenden Plauderart aus meiner gedämpften Stimmung und zu guter Letzt kam es sogar zu einem kleinen Bildverkauf. Ein Schräge-Vogel-Cartoon. Sie haben bereits vier Originale und nun kommt ein weiteres Gute-Laune-Motiv an ihre Wohnzimmerwand (siehe unten). Zum Verkauf hatte meine umweltfreundliche Tüten-Collection Premiere…😊.
Das Problem dieser Verpackungen ist – man bekommt sie nicht in kleinen Gebinden, und so steht nun ein weiterer Paket-Kollos mit 250 Teilen (je Größe) auf dem Dachboden. Aber gut. Kommende Woche haben sich zwei Kleingruppen zum Atelierbesuch angekündigt – es kommt Leben in der Bude zum Sommerausklang… Habt ein schönes Wochenende allerseits!
Lyrik-Krümel
Feuer, Wasser, Luft und Erde
Morgenstunde (536. Blog-Notat)
Es ist eine merkwürdige Woche. Der Muskelkater will nicht gehen und die Gedanken sind besorgt, dass uns herbstwärts das Leben weiter verhagelt wird. Die MP-Konferenz von gestern lässt ahnen, dass dieses Durchregieren ein Dauerzustand bleibt. Ein Schlafwagen parkt im Kanzleramt. Was ist nur aus uns geworden? Das Land braucht Energie für einen ungekannten Aufbruch. Der Inhalt des Wortes Ressourcen muss vollkommen neu definiert werden. Es braucht Denkfreude, Erfindergeist, einen mutigen Wandel, Empathie und Achtsamkeit. Die Welt hat Fieber… All das liegt mir dieser Tage auf der Seele…
Ich spendiere hier mal lieber einen weiteren Ausschnitt aus meinem aktuellen Romanprojekt, dem ich den Titel „Die Zeit der weißen Wälder“ gab:
… Am anderen Morgen klopfte der Puppenspieler an ihre Tür. Er lächelte geheimnisvoll. Zu ihrer Überraschung trug er heute eine rot-lila schillernde Jacke mit großen aufgesteppten Taschen und weite weiß-schwarze Streifenhosen. Der Mittfünfziger sah in ihr verwundertes Gesicht, drückte ihr wortlos eine Tüte mit belegten Brötchen in die Hände und schlängelte sich an ihr vorbei. Aus seinen großen Jackentaschen holte er eine Thermoskanne, einen Salzstreuer und zwei schöne Glasbecher. Emilia stand noch wie angewurzelt in der Tür und dachte, was für eine Verwandlung. Erst seine galante Handgeste holte sie an den Tisch. Hans, der Täuscher goss Kaffee ein und streute eine Prise Salz darüber. „Das nimmt das Bittere aus dem Kaffee,“ erklärte er und legte ein Gruppenbild zwischen die Becher. „Es ist ein Foto von einem Treffen des Arbeiter- Turn- und Sportbundes zu Zeiten der Weimarer Republik. Und sieh mal, hier unten hocken Fredi und Harry, unsere Urgroßväter. Sie waren damals einfache Arbeiter in einer der Reichenbacher Druckglashütten. Die Eltern der jungen Männer verlangten, dass sie nach ihren Wanderjahren ihre Flausen vom Künstlerdasein sausen ließen, um endlich etwas Anständiges zu machen. So denken ja leider die meisten Leute auch heute noch. Die Familien stammten aus Nordböhmen und die jungen Männer waren im 1. Weltkriegs in eine Wiener Munitionsfabrik zum Arbeiten eingezogen worden. Als dort eine der Arbeitsbaracken explodierte, sind sie auf und davon und nach Budapest gelaufen. Es waren Hungerjahre und es hieß, in Budapest gäbe es Weißbrot. Das war ihr Antrieb. Der Fredi lernte unterwegs von einem Wandergesellen die Grundbegriffe der Ölmalerei und mehrere Musikinstrumente spielen. Harry eignete sich das Puppenspiel an, schrieb Stücke und schnitzte seine Figuren. Die beiden waren einfach unglaublich im Zusammenspiel, dass sie in den 20er Jahren in ihre knappe Freizeit verlegten mussten. Stattdessen fertigten sie nun sechs Tage in der Woche Schliffperlen für Kronleuchter. Oder sie schliffen Linsen, Signalgläser, Knöpfe, Fahrradstreuscheiben und technische Gläser. Über die Glashütte fanden sie zum Turnen. Doch diese sozialdemokratische Sport-Bewegung wurde 1933 nach der Machtübernahme der Nazis verboten. Dieses Foto aber hat die Männer 1945 vor der Kriegsgefangenschaft bewahrt und ihnen vielleicht sogar das Leben gerettet, damals, zu Kriegsende als die Russen über die Neiße kamen. Sie konnten damit beweisen: Sozi, nicht Nazi.“
Emilia schwieg nachdenklich. In Gedanken war sie plötzlich in Fredis Laube am Sportplatz. Ein wackliges Lattenhäuschen auf schwerem, schwarzem Boden. Sie war mit ihrer Mutter für eine Ferienzeit Ende der 70er Jahre dort untergekommen. Es regnete ununterbrochen. Alles in der wackligen Bude war längst klamm, aber in Fredis Glaskiste funkelte das Licht. Es war Bruchglas oder Fehlschliffstücke, mit denen sie spielen durfte. In dieser Kiste lag der Baustoff für ein Traumzauberland. Schillernd und prächtig, ganz anders als das Grau, dass die kleine Stadt unweit des Rotsteins damals überzog. Als gäbe es gegen den Staub der Zeit keine Farbe. Ja, sie kannte den Urgroßvater noch. Er erfand für sie Geschichten von Zwergen und Räubern. Uralt sah er beim Mittagsschlaf auf dem Sofa neben ihr aus, dass es sie manchmal gruselte, er könnte nicht mehr aufwachen. Alt nicht von den Jahren, sondern verbraucht vom Leben. Eines schönen Sommertages ging er mit der Zeitung hinaus aufs Klo im Hof und kam nicht wieder. Vom Schlag getroffen. Damals hat man die Alten noch human sterben lassen, dachte Emilia. Nicht erst nach etlichen Reanimationen, nach denen das Überleben eines Hochbetagten meist kein gutes Leben mehr war. Fredi lebte 84 Jahre lang und wurde von seinem sanften böhmischen Humor getragen. Emilias Mutter hatte seine Staffelei, den Koffer mit den Ölfarben und seine Fantasie geerbt. Die Übergabe glich einer Initialisierung, denn die Mutter wurde zur malenden Geschichtenerzählerin. Als sie starb, nahm Emilia das mütterliche Skizzenbuch an sich und zeichnete darin weiter. Häuser, Stadtquartiere. Sie brauchte etwas Handfestes, etwas Relevantes, dass nicht von Stimmungen anderer abhängig war. Und doch spürte sie diffus das innere Familienband, das sie verweigert hatte. Die künstlerischen Talente der Ahnen – sie sind die Verbindung.
Der Puppenspieler sprach in ihre Gedanken: „Du starrst noch ein Loch in das Foto.“
„Entschuldige.“ Emilia legte das Gruppenbild zurück auf den Tisch und murmelte: „Was ein Erinnerungsbild so alles auslösen kann. Sogar Leben retten. Erstaunlich. Dahinter zerbröselt die Zeit, wird fremd, verfälscht. Die Wahrheit verliert sich auf kurz oder lang im Meinungsnebel.“
„Oh, ich mag Menschen, die nachdenklich Philosophieren.“
„Die meisten nennen es eher kopflastige Schwermut.“ Sie sah auf den verkleideten Mann und zog flüchtig an seinem schillernden Jackenärmel: „Ist das der echte Täuscher oder verkleidet sich der Puppenspieler nur streng?“
„Das wirst du allein herausfinden müssen.“ Er lächelte gespielt, steckte das Foto ein und fragte: „Wonach suchst du hier?“
Sie sah ihn offen an und zögerte doch einen Moment. Dann flüsterte sie fast: „Ich suche nach der Verbindung.“ …
Feuer, Wasser, Luft und Erde
Morgenstunde (535. Blog-Notat)
Circa 20 Berliner Besucher kamen heute für eine Nachmittagsstunde ins Quartier. Alles Geimpfte. Dennoch bat ich die Gruppe, sich zu teilen, damit sich nicht zu viele in den Räumlichkeiten aufhalten. Während die einen schauten und blätterten, sahen sich die anderen derweil im Garten um. Die Stippvisite war schön gewesen und eine Handvoll meiner Bücher zog mit den Gästen davon. Bin zufrieden. Die kommende Woche wird wieder leiser und ich komme dazu, weiter zu schreiben.
Hier mal wieder eine Leseprobe aus meinem aktuellen Romanprojekt:
… Das Land stieg jetzt langsam zum Oberlausitzer Bergland an. Unweit entdeckte sie auf einem dieser langgezogenen Bergrücken den Puppenspielerwagen. Es gab wohl kein treffliches Abbild für die totale Einsamkeit. Sie bog auf den nächsten den Sommerweg ab und lenkte das Auto, wie bei einer Crossfahrt, um tiefe Löcher in der Lehmpiste. Auf der Kuppe angelangt, lief Emilia schnurstracks auf den Wohnwagen zu. „Tach! Ich wollte nur fragen, ob du diesen Mann kanntest?“ Sie hielt ihm demonstrativ das kleine Gauklerfoto vor die Nase und wartete.
Hans, der Täuscher setzte sich eine alte Nickelbrille auf die schmale Hakennase, fingerte nach dem Foto und starrte es an. „Hm, Fredi, der Spezi von meinen Urgroßvater. Doch, ich kannte ihn.“
„Ach, wirklich?“
„Ja, wer nicht? Ein Unikum wird man nicht im Stillen.“ Er nahm die Brille wieder ab, steckte sie ganz bedächtig zurück in die abgegriffene Schutzhülle: „Und Sie, wonach suchen Sie mit diesem alten Foto?“
„Wenn ich das so genau wüsste.“
„Aha. Ein guter Grund um zu Reisen.“ Er sah nach diesem Satz so aus, als thronte plötzlich ein schwerfälliger Gedanke über seinem Dutt-Haupt, der ihn fortnahm, weit weg von der fragenden Frau ihm gegenüber. Er horchte in sich hinein und verstummte.
Emilia ging grußlos. Ja, sie war auf Reisen und nun ein Mensch mit Zeit. Sie hatte diese Zäsur selbst gesetzt, war ihr nicht ausgeliefert, wie andere Leute, deren Lebensbrüche durch Krieg und Vertreibung, durch die Wende oder durch Naturkatastrophen herrührten. Sie war aufgebrochen, um die Spur des Gauklers aufzunehmen. …
Morgenstunde (534. Blog-Notat)
Der erste Honig zeigte sich gestern Abend cremig. Erst einmal 60 Gläser, die ich heute etikettiere. Das Kurtschlager Gold in den anderen Gefäßen ist noch zu flüssig. Da aber die Temperaturen sinken, wird der auch nicht mehr ewig brauchen, bis er die richtige Konsistenz erreicht. Es geht also langsam wieder los…
Das zweite Training im LandDojo in Krohnhorst hat mir heute einen zauberhaften Muskelkater spendiert. Hätte nicht gedacht, dass beim Qi Gong allein durch langsame Bewegung und dem Halten von Positionen so viele Muskelgruppen angesprochen werden. Schmerz lass nach, aber das Ganze tut mir wirklich gut.
Morgen kommt eine kleine Besuchergruppe ins Atelier, ein guter Grund, ein bisschen aufzuräumen und die Spinnen aus dem Katen zu verjagen…😊.