Lyrik-Krümel

Foto: Lutz Reinhardt

Märzgrau  
Dämmerfeucht schmatzt die Luft
schweres Atmen
die Raben kreisen über ihrem Schlafbaum
müdes Blinzeln
Rauch mischt sich mit dem Niesel
leise wispert der Wald.

 

© Petra Elsner

Morgenstunde (783. Blog-Notat)

Es sind wieder mal Wuseltage in Haus und Garten. Der Imkergatte kratzt Beuten und ich bugsiere Komposterde von A nach B. Staubverbesserung 😊, denn Boden kann man es nicht nennen, was da auf dem Heideland beheimatet ist. In den Hochbeeten ist die erste Saat eingebracht und in Reihen dazwischen, die im Winter gewonnene Terra Preta als Dünger. Ich bin gespannt, ob sich was verändern wird. Heute Morgen haben wir die erste selbstgemachte Butter verkostet – eine Offenbarung. Die schmeckt wie einst. Es ist schon krass, wie sich unsere Lebensmittel immer zum Schlechteren hin verändern. Dieses Verpanschen ist eine schlimme Unart. Zuerst bemerkten wir, dass sich gekaufte Butter immer schlechter schmieren ließ, dann, dass der runde Buttergeschmack nachließ. Machen wir also fortan die Butter fürs Brötchen selbst und nehmen die Gekaufte nur noch zum Kochen. Preiswerter ist hier das Selbstmachen nicht, aber genussvoller. Für 125 Gramm benötigt man 300 g Sahne. Im Atelier wird im Augenblick mal weniger… es gibt einfach draußen soo viel zu Schauen 😊 und Handtieren…

Morgenstunde (782. Blog-Notat)

Am Donnerstagnachmittag begann der Frühling. Erster Kaffee unterm Glasdach. Ich habe einen halben Komposthaufen nach dem Baumschnitt ins neue Hochbeet verfrachtet, was ich heute gut merke, aber ich bin froh, dass das halbwegs noch gelingt, wenn auch nur mit zig Verschnaufpausen und blauen Flecken. Die Stimmung ist immer noch schwankend winterlich hart, frühlingshaft mild. Antje Vollmer ist diese Woche gestorben. Nach ihrem finalen Essay in der Berliner Zeitung waren wir zwar vorbereitet, aber wie immer, wenn eine Große geht, bleiben wir ratlos zurück. Sie war als Pazifistin und politischer Mensch Nahrung für mein Denken. Hans-Eckhardt Wenzel hat ihr/uns ein Grablied geschrieben, dass in mir weiterschwingt: „Ach, wie gerne würd ich fragen, hoffen übers Meer aus Schweigen, dass die Toten von uns trennt…“
Und so wankt die Stimmung zwischen Verlust und Wandel – im Garten ist es besser… Habt ein schönes Wochenende alle miteinander und wärmt Euch!

Morgenstunde (781. Blog-Notat)

Die Schneeglöckchenzeit neigt sich, aber bevor das erste Leuchten im Garten vergeht, zeige ich Euch meinen „Schneeglöckchenweg“. Nein, kein Spalier, alle zehn Meter befindet sich ein kleiner Blüten-Batzen am Weg. Es ist ein bisschen wie Ostereier suchen, beim Entdecken wird gelächelt. Gestern sang der erste Star dazu sein Lied, dass sind so die Momente, die beständig sind, alles andere ist eher im Rutschen. Wir erleben derzeit die Demontage unserer vertrauten Lebensverhältnisse. Nicht mit Augenmaß, ohne Empathie und Bodenhaftung. Die Ampel hat es geschafft, ärmere Schichten der Bevölkerung innerhalb eines Winters ins Elend zu stürzen. Wer diesen Menschen Energiepreise verordnet, die ums Doppelte so hoch sind, wie deren Einkünfte, der schiebt genau diesen Prozess im Eiltempo an. Ob die Selbstgerechten etwas von Gerechtigkeit verstehen? Ich glaube inzwischen – kaum.

Morgenstunde (780. Blog-Notat)

Ausstelungsflyerfoto: Manfred Lentz

So langsam laufen die Vorbereitungen für die Gemeinschaftsausstellung der 14 Buschdorf-Künstler in der Zehdenicker Klosterscheune an. Wer es sich vormerken möchte: Am 30. April, 14.30 Uhr wird die Vernissage stattfinden. Die Kurtschläger Samba-Trommler Os Velhos Sambeiros werden dem Fest ein musikalische Sahnehäubchen spendieren. Ich werde mit zwei Fahnenbildern und einigen Buchillustrationen vertreten sein. Das Rahmenprogramm für die Laufzeit (bis 25. Juni 2023) der Schau steht noch nicht fest. Ich plane zu Ende Mai/Anfang Juni eine Musikalische Lesung, aber die Ideen der 14 Akteure gilt es noch zu koordinieren.  Ansonsten schleichen die Tage, uns drückt die Sehnsucht nach Wärme und Frühling, doch heute Morgen liegt der hoffentlich letzte Hauch des Winters starr im Hof. Alles sieht eisig aus, möge es genug sein…

Morgenstunde (779. Blog-Notat)

Foto: Lutz Reinhardt

Als ich aufstand ging die Sonne fort… und Wind peitschte das Land. Ach, was ist mit diesem Frühling? Die Schneeglöckchen trotzen allem, aber die Märzenbecher zeigen noch nicht einmal ihre Köpfchen. Als der Liebste gestern ins Erzgebirge aufbrach, habe ich für einen Freund und Bilderkunden im Wurzelwerk meiner virtuellen Welt gegraben. Er ist in die Jahre gekommen und denkt über das Vererben nach, also wünschte er sich Kaufbriefe für seine schlapp 20 Werke, die er von mir nach 1996 in Folge erstanden hat. Das ist beachtlich! Natürlich gab es sie auf die eine oder andere Art und ist belegt, da ja alles via Koto ging, auch für die Steuer. Aber die alten „doc“-Dateienformate ließen sich längst nicht mehr öffnen und in den Steuerunterlagen von 29 Jahren wollte ich wirklich nicht kramen… Also habe ich gestern reichlich vier Stunden über meine Werkliste Kaufvorgänge rekapituliert – Kinner, nee, dit is Strafarbeit… Die Wünsche des Herrn sind unergründlich… und damit war der sonnige Tag destruktiv und fast gelaufen. Ein bisschen Gartenarbeit noch, um die Beine zu vertreten und ein paar lustlose Pinselstriche. Ich hab‘s dann besser gelassen. Es gibt so Verrichtungen, die einen dämpfen und das heutige Himmelgrau fühlt sich wie November im März an, ich werde mich aufs Sofa verkrauchen (ist ja grad frei😊) und schmökern…

Morgenstunde (778. Blog-Notat)

Atelierblick: Winterarbeitsplatz.

Das pitschnasse Grau kann einem ganz schön auf den Sender gehen, oder? Eigentlich wollten wir heute die Reste des rumliegenden Baumschnitts im neuen Hochbeet versenken, aber das wird wohl nichts. Im Märzen der Gärtner… es wird später angerichtet. Derweil keimt es in den Töpfen auf den Fensterbänken, ab Montag solls ja Sommer werden, meinen Wetterweissagende, andere behaupten, es bleibt, wie es ist: wildes Wetter. Wir werden sehen.
22 Künstlerhefte habe ich diese Woche handgebunden, fünf konnte ich bereits verkaufen, und für Samstag hat sich, wegen der Hefte, Atelierbesuch angesagt, sehr schön, ich freu‘ mich.  Es scheint einige zu interessieren, auch wenn „Zeitschatten“ nur allerkleinste Kreise zieht – der „Stein“ ist geworfen und ich bekomme den Kopf frei für die große Leinwand im Atelier…😊

Der Bessere

Mein kürzestes Märchen:

Der Bessere saß auf einem Thron aus Lorbeerblättern. Er hatte sich hübsch glattrasiert und mit Leuchtfarben bemalt. Er strahlte förmlich selbstverliebt, als er herab auf seine aschfahlen Boten sah. Sie blickten mit müden Augen und borstigen Hängewangen zu ihm auf. Einer aber wagte sich, ein Lorbeerblatt aus dem Tron zu zupfen, womit das ganze Herrschaftsmöbel ins Rutschen kam…

Morgenstunde (777. Blog-Notat)

Nach sechs Wochen Klausur bin ich jetzt bei der Handproduktion der Künstlerhefte, die die Novelle in sich aufnehmen. Beim Falten der Seiten sehe ich, wie schön sich die gestalteten Initiale in den Text einbinden. Ist einfach edel anzuschauen. Der Kopf kann sich derweil etwas ausruhen. Ich bin sehr erleichtert, das schwerlastige Thema auf meine Weise bewältigt zu haben, es war echt anstrengend, diesen innerlichen Rückwärtsfilm laufen zu lassen. Man soll ja nie, nie sagen, aber wenn irgend möglich, ist dieses Thema damit für mich nun ad acta gelegt. Schließlich werde ich dieses Jahr 70 Jahre alt, da sollten man beginnen, die Tage zu genießen… Gestern kamen immerhin schon drei Bestellungen für die Hefte. Ja, ich weiß, es treibt viele Älteren noch um, denn wir sind, woher wir kamen… Habt ein schönes Wochenende alle miteinander!

Fotoprojekt „Vier Jahreszeiten“

Foto vom 1. März 2023.

Bild 3: Kopfweide im März 2023
Meine Beteiligung am  Projekt von Royusch

Das Fotoprojekt „Vier Jahreszeiten“ betrachtet fotografisch immer das gleiche Motiv im Jahresverlauf. Allein die Verwandlung durch die Zeit ändert es. Ich habe mich für meine Kopfweide entschieden. Sie ist der erste Blickfang in unserem 140 Meter langen Landschaftsgarten.

Anfang März steckt der Nachtfrost noch in der Erde. Nun ist die Kopfweide vollständig beschnitten und ein paar Ruten wurden zu Weidenzaunblenden und Windspielen. Körbe kann ich daraus leider nicht binden, denn es ist eine Bruchweide, eine eher wenig bekannte Art (Salix fragilis).

Windspiel
Eine Woche später, am 6. März: Schnee.

Unter den Schichten der Zeit
lauert die Erinnerung
und nagt an der Jetztzeit.

Für alle, die es märchenhaft lieben:

In den Weiden                                                             

Die alten Weidenbäume am Plattenweg flüsterten im Wind, und säuselten ein Schauerlied  von der Zeit, als zum Gut Fergitz noch königliche Reiter durch die Niederungen preschten. Wegen der jungen Hexe und ihrem eiligen Prozess. Die geköpfte Magd von 1701. Dem melancholischen Mädchen warfen die Eiferer vor, der Teufel solle ihr Geld und einen Kürbis gebracht haben. Aber ein Schadenzauber war der 15-Jährigen nicht nachzuweisen, und doch wurde sie enthauptet. Die Weiden munkelten auch, der Geist von Dorothee Elisabeth verströme sich noch in den weiten Wiesen. Der riefe mit einem Farbenrausch aus rotem Mohn, weißen Margeriten und dem Kornblumenblau nach einem Mann, der der Ruhelosen in der Johannisnacht Trost zuspräche. Die Weiden hören diesen Sehnsuchtsruf jedes Jahr.
Es war ein Schelm, der den Weiden in dieser Zeit die Köpfe stutzte. Dieser Baum sah aus wie eine geduckte Eule, der nächste wie ein sich bückendes Hexlein und der übernächste wie ein rucksackbeladener Wanderer. Geheimnisvolle Gestalten, die erst in der Dämmerung ihr verborgenes Leben preisgaben. An den alten Schnitten vermorschte das Holz, und dort bildeten sich nach und nach kleine Höhlen. Manche wundersam vom Gundermannkraut umwunden, andere klafften weit offen, wie vom Blitz gespalten. An diesen erdigen Orten hausten nicht nur Käfer.  Vögel brüteten in den Weidenköpfen, und die Wiesenfeen hielten hier ihren Winterschlaf. Das wusste Robert. Der mittellose Bildhauer war es, der die Bäume im Januar  beschnitt. Der köpfte sie nie ganz, sondern beließ ihnen einige Gestalt gebende Ruten. Robert hatte einmal bei dieser Winterbrotarbeit den Höhlengang eines schlafenden Flügelmädchens aufgeschnitten. Er sah es in dem Fluss der Kälte schlottern. Da stopfte der wortkarge Mann das Loch rasch wieder mit Moos zu und schmunzelte überrascht in seinen borstigen Graubart. Etwas Unerklärliches war ihm ins Herz gefahren. Er hatte den ganzen  Feenkram nie geglaubt,  aber nun wollte er sie im Sommer auch tanzen sehen. Das Raunen der Weiden verstand er an diesem Wintertag noch nicht.
An einem späten Juniabend stolperte der Bildhauer blubbernd aus dem Dorfkrug. „Anschreiben ist nicht mehr“, schimpfte ihm der Wirt hinterher und zog die Eichentür fest ins Schloss. Robert kratzte sich verlegen den Schopf und dachte bei sich, herrje, ohne Moos nix los. Aber vielleicht doch? Er schwankte  trunken durch die milde, helle Sommernacht hinaus in die Weite. Sein Kopf dröhnte schwer vom Wein, als ihm irgendeine ungeheure Stimme um die Ohren schlich: „Hilf mir! Geh nicht weiter! Sag mir ein tröstendes Wort, dann kann ich endlich fort.“
Robert wedelte mit den Händen vor seinen Ohren, um den Spuk zu vertreiben. Er fürchtete erschrocken das Erwachen der Weidengeister. Schon als er Kind war, hatten die Alten im Dorf von  toten Seelen in den Kopfweiden gesprochen. Sie seien Treffpunkte der Hexen und Wasserwesen, schoss es ihm durch den vernebelten Sinn.  Wieder tönte der Hilferuf. Der Mann schüttelte seinen Kopf, der vom Schreck etwas nüchterner ward. Dann sprach er mit jenem Baum, den er als sich bückendes Hexlein beschnitten hatte: „Was jammerst du, Weidenhex?“‘
Da raunte es aus dem morschen Holz: „Ich bin es nicht, es ist der ruhelose Geist der kopflosen Dorothee Elisabeth.“
Und abermals jagte es dem Mann um die Ohren: „Hilf mir! Geh nicht weiter! Sag mir ein tröstendes Wort, dann kann ich endlich fort.“
Robert ließ sich ins Gras fallen, verstummte kurz und sprach dann leise in die Nacht: „Deine Geschichte hatte ich fast vergessen, aber ich verspreche dir, dass ich dich fortan in meinen Gedanken behalte.“ Spricht es und sinkt in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Die Morgensonne badete den Tag, als der zerknautschte Zecher im Gras erwachte. Etwas wisperte, und er lauschte ihm nach: Da sah er sie, die tanzenden Feen, und er hörte sie flirrend singen: „Das Hexlein ist davon. Mit Kopf und allen Gliedern ist es entschwebt und kehrt nie wieder als Geist an diesen Ort.“
P.E.