Morgenstunde (938. Blog-Notat)

Die Nacht nach der Lesung im Jagdschloss konnte ich nicht gut schlafen. Mir spukte es im Kopf herum, wie denn Lesungen ohne meine Bücher zukünftig laufen sollen. Ich erzählte ja bereits, dass der Verlag nicht mehr auf Zuruf Bücher liefert. Da wird das öffentliche Agieren für mich ungewiss. Gut, ich werde mit meiner angeschlagenen Gesundheit nicht mehr sehr viele Lesungen geben, aber für jene eben sollten meine Bücher vorliegen. Diese Altersübergänge nerven. Auch die des Verlages. Es war also nachts, als ich eine helfende Idee fand: Nämlich, wenn die Bücher vergriffen bleiben, könnte ich ja „Hefte zur Lesung“ handfertigen, als Auszugsausgabe ausschließlich für Lesegäste. Ähnlich wie die guten Programmhefte von anspruchsvollen Theatern. Nur eben handgefertigt, limitiert, nummeriert… Sozusagen etwas Besonderes, wenn denn schon das Buch, die Bücher nicht greifbar sind. Ich höre immer öfter, dass es anderen Literaten im Alter ähnlich ergeht, die in Kleinverlagen beheimatet sind. Und dann gibt es noch die anderen, die ganz Großen mit stärkeren Herausgebern, aber auch unter ihnen gibt es die am Rande…

Der musikalische Poet Wenzel schrieb in seiner Laudatio zum 80. Geburtstag von Christoph Hein im „Freitag“: „Ausdauer ist die Stärke der Schwachen. Die Welt muss auch für den nächsten Tag lebendig bleiben…“ und weiter – auch interessant: „Auch Hein gehört zu den entmachteten Eliten. Der Punkt, von dem er Welt und Vergangenheit betrachtet, liegt am Rand. Von dort nur ist es möglich, ins Innere der Welt zu blicken.“

Nun, ich bin kein Hein, aber doch auch Schattenelite, die sich irgendwie selbst helfen muss – am Rande ihres Seins.

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Morgenstunde (782. Blog-Notat)

Am Donnerstagnachmittag begann der Frühling. Erster Kaffee unterm Glasdach. Ich habe einen halben Komposthaufen nach dem Baumschnitt ins neue Hochbeet verfrachtet, was ich heute gut merke, aber ich bin froh, dass das halbwegs noch gelingt, wenn auch nur mit zig Verschnaufpausen und blauen Flecken. Die Stimmung ist immer noch schwankend winterlich hart, frühlingshaft mild. Antje Vollmer ist diese Woche gestorben. Nach ihrem finalen Essay in der Berliner Zeitung waren wir zwar vorbereitet, aber wie immer, wenn eine Große geht, bleiben wir ratlos zurück. Sie war als Pazifistin und politischer Mensch Nahrung für mein Denken. Hans-Eckhardt Wenzel hat ihr/uns ein Grablied geschrieben, dass in mir weiterschwingt: „Ach, wie gerne würd ich fragen, hoffen übers Meer aus Schweigen, dass die Toten von uns trennt…“
Und so wankt die Stimmung zwischen Verlust und Wandel – im Garten ist es besser… Habt ein schönes Wochenende alle miteinander und wärmt Euch!

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Morgenstunde (614. Blog-Notat)

Kann das Rätsel nicht selbst auflösen, also bitte: Wer hat mir den Wenzel geschickt? So ohne Absender und Begleitwort??? Nun werde ich mir erst mal einen Plattenspieler borgen, um die Platte hören zu können. Aber natürlich freut mich die Überraschung schon an sich 😊.
Es ist Sonntag, sechs Uhr morgens. Mein Schlafmodus ist vollkommen durcheinander. Die Heizung springt an, was nach dem 12-stündigen Stromausfall von gestern bei mir ein Glücksgefühl auslöst. Der Tag hatte mich geschafft. Das kalte Haus, kochen auf dem Campingkocher mit Gaskartusche. Wasser hatte ich, Gott sein Dank, vorausschauend abgefüllt, Lesen mit der Taschenlampe… Von echten Sturmschäden blieben wir verschont. Nach den kleinen, häuslichen Verrichtungen folgt in diesen Tagen immer ein Erschöpfungsschlaf von mindestens zwei Stunden. Gewicht 49 Kilo, Muskeln nach dem langen Liegen im Arsch, jede Bewegung zieht extrem Sauerstoff, der gleich abfällt unter 90. Man könnte diesen Zustand wohl desolat bezeichnen. Aber, es ist schon besser als am Entlassungstag, an dem es keine zehn Schritte weit ging. Alles ist verlangsamt und auch die Weitererzählung der begonnenen Geschichte wird ein wenig dauern – ich lass da mal noch ein bisschen Zeit dazwischen… Habt einen schönen Sonntag allerseits und bleibt sturmfest…

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