Der Spuk in der Tanne – der 6. und letzte Akt

Am Morgen des 24. Dezembers hastete Leons Mutter Eleonore von Stand zu Stand. Sie war wohl die Letzte, die hier noch Geschenke suchte. Den ganzen Monat über hatte sie im Krankenhaus Doppelschichten arbeiten müssen, weil viele Kollegen wegen Erkältungen ausgefallen waren. Die Frau drückte ein schlechtes Gewissen, denn für Leon war da kaum noch Zeit gewesen. Und wer war nur dieser Rudi Sonne? Auf Leons Zettel stand „Es kann später werden, bin bei Rudi Sonne, Am Markt 4.“ Als die Händler langsam mit dem Abbau ihrer Stände begannen, trat Eleonore voll beladen mit Einkaufstüten vor das Haus hinter der Tanne. Sie klingelte bei „Sonne“. Aus dem Lautsprecher flüsterte es: „Wer da?“ „Eleonore Winter! Leon?“ „Pssst, ja, komm rauf Mama, aber leise“, wisperte das dünne Stimmchen aus dem Messingschild. Zugleich summte die Eingangstür und sprang auf. Im Treppenhaus duftete es aus allen Ritzen nach Braten und Süßspeisen. Hier tönte fröhliche Weihnachtsmusik bis auf den Flur, dort ein Orgelkonzert. Die Atmosphäre knisterte vor feierlicher Spannung. Im vierten Stock stand eine Wohnungstür offen. Eleonore Winter trat in den Flur, legte alle Beutel und Pakete ab und schnaufte etwas außer Atem. Dann suchte sie nach Leon. Der starrte gemeinsam mit Rudi Sonne aus dem Fenster. Stocksteif saßen sie beieinander, nur Leons Zeigefinger deutete ihr  an, dass sie näher kommen soll. Sie schlich sich auf den freien Stuhl und schaute ebenfalls aus dem Fenster hinaus. Draußen auf dem Balkontisch lag ein großer Sack und in dessen Mitte eine Nuss. Eleonore sah Leon fragend an, der ihr zutuschelte: „Das ist meine Zaubernuss, es wird bestimmt gelingen!“ Die Frau nickte zustimmend, wusste nur nicht, was ihr Sohn meinte. Sie saß wie auf Kohlen: Kein Braten im Ofen, kein Geschenk eingepackt. Sie fühlte sich festgenagelt und wurde unruhig. „Psst, Mama!“, ermahnte sie das Kind, als endlich Fridolin erschien. Schon einige Tage hatte er sein Futter auf diesem Stoff vorgefunden, aber diesmal zog Rudi Sonne an einer Schnur,  und der Sack schnellte blitzartig mitsamt dem Tier in die Höhe. „Geschafft!“, jubelten der kleine und der große Mann.

Friedolin kehrt heim.

Leon erzählte nun seiner Mutter von den 300 Goldnüssen, dem diebischen Eichhörnchen, den unzähligen Fangversuchen und von der einen Zaubernuss, die den Fridolin nun in den Sack befördert habe. Dann telefonierte der Maler wie vereinbart mit dem Naturbeamten.

Eine Stunde später startete Bodo Grünlich seinen Jeep und rüttelte und schüttelte mit Fridolin im Sack, Leon, Rudi und Eleonore über altes Kopfsteinpflaster und Sandstraßen zu Willi und Frieda am Waldrand. Die beiden Alten warteten schon, denn Grünlich hatte sie informiert und streng nachgefragt, ob denn alles gut vorbereitet sei. „Gewiss, doch! Der Willi hat sogar die Höhle im Pflaumenbaum mit dem Kompressor ausgepustet und dann darin ein weiches Moosnest bereitet“, erzählte Frieda noch und der Beamte klang zufrieden. Als Bodo Grünlich den zappelnden Sack leicht geöffnet vor den Höhleneingang hielt und der kleine Nager in sein neues Quartier entschlüpfte, schaute Leon hinauf in die dürre Baumkrone. Unzählige Nüsse und Tannenzapfen hingen an dünnen Fäden im Geäst. „Das ist ja ein richtiger Weihnachtsbaum für Fridolin“, freute sich das Kind. Es dämmerte langsam,  und die Schritte der kleinen Gesellschaft knirschten durch den Schnee davon. Alle waren sehr erleichtert und konnten nun ihren Heiligen Abend beginnen.

Spende? Gerne!
Hat Ihnen diese Geschichte gefallen? Vielleicht möchten Sie mich und mein Schaffen mit einem kleinen Obolus unterstützen? Sie können das ganz klassisch mit einem Betrag Ihrer/Eurer Wahl per Überweisung tun. Die Daten dafür finden sich im Impressum. Dankeschön!

Der Spuk in der Tanne – der 5. Akt

Fridolin von der Tanne

Die Tage vergingen und Weihnachten rückte heran. Rudi Sonne und Leon hatten seit jener abendlichen Begegnung dem kleinen Eichkater täglich drei Nüsse spendiert. Ohne goldene Farbe, versteht sich. Fridolin besuchte sie immer zur gleichen Stunde. Es tönte dazu ganz leise, weil an seinem Sprungast zwei Weihnachtsglocken hingen, die natürlich mit der Bewegung läuteten.

An diesem Abend standen die Jungs von der Kinderfeuerwehr vor Rudi Sonnes Tür. Sie waren extra zum Revierförster gefahren, bei dem in dieser Jahreszeit auch Eicheln für die Waldtiere lagerten. Längst war es stadtbekannt, dass  Leon und der Maler 200 Nüsse vergoldet hatten, die Fridolin samt und sonders vom Baum gepflückt und versteckt hatte. Den jungen Kameraden war ihre Unterstellung wirklich peinlich, und sie baten Leon mit einer großen Schüssel Eicheln in den Händen um Verzeihung. „Schwamm drüber!“, meine der nur großzügig. Alles schien gut, denn auch die Händler hatten den kleinen  flauschigen Kerl tief in ihr Herz geschlossen und verwöhnten ihn mit schönsten Früchten. Die Nachtwächter wurden abbestellt. Fridolins akrobatische Aktionen brachten die Menschen auf dem Platze oft zum Lachen, es schien fast, als gehörte er für immer an diesen Ort.

Nur was sollte werden, wenn der Markt am Heiligen Abend schloss und der Weihnachtsbaum  nach den Feiertagen abgeschmückt und zu Kompost verarbeitet werden würde? Gewiss, die Bewohner am Markt würden Friedolin auch weiter füttern. Aber auf dem Marktplatz standen keine Bäume, und es gab auch keinen schönen Stadtpark. Wo sollte er eine Höhle finden, wo einen Fluchtpunkt und sicheren Ort? Und sollte dieses Eichhörnchen immer ohne Gefährtin leben? Leon und Rudi rauften sich die Haare über diesen Gedanken, denn ihnen wurde klar: Sie mussten etwas unternehmen.

Zuerst fragten sie den Ortsbrandmeister Lemke, wer denn den Baum der Stadt geschenkt hätte. Lemke wusste das nicht. Er habe den Baum doch nur aufstellen lassen und geschmückt: „Da müsst ihr wohl den Bürgermeister fragen.“ Doch auch Conrad Lob konnte keine Auskunft zu geben: „Sprecht einmal mit der Unteren Naturschutzbehörde, der Bodo Grünlich ist dort der Baumexperte.“

Besagter Sachverständige und Baumfreund wusste, von welchem Haus am Wald die Tanne stammte: „Nicht  wahr? Der Baum war viel zu schön zum Fällen. Aber wenn es um einen Weihnachtsbaum geht, drücke ich alle Augen zu. Was? Der Fridolin von der Tanne ist nicht rechtzeitig ausgezogen und hockt nun auf den öden Stadtsteinen?  Das ist ja furchtbar!“, rief Grünlich aufgebracht.

Der Maler und der Junge saßen noch lange bei dem Naturbeamten und hörten sich geduldig an, was so ein Tier frisst und was nicht, wie es artgerecht gehalten wird und was geschehen könnte, wenn nicht. Eines war gewiss, Fridolin von der Weihnachtstanne musste dorthin zurück, wo er herkam ….

 

Der Spuk in der Tanne – der 4. Akt

Der Spuk.

Die kleine Stadt erwachte langsam. Flocken wirbelten. Ein Mann schlich um die Tanne und lauschte, ob sich darin etwas regte. Es war ihm, wäre etwas in ihr Unterholz gehuscht, schnell wie ein Luftzug. Fridolins Augen suchten hellwach die Dunkelheit ab. Dort, bei den Blumenkübeln, entdeckte er einen zweiten Wachmann. Und weiter hinten noch einen und dahinter noch einen. Bewegliche Schatten, die offenkundig den Marktplatz beobachteten. Die Schritte knirschten nicht mehr im Schnee.  Der Mann in Fridolins Nähe blieb stehen. Klein und kahlköpfig. Just dort, wo gestern das Eichhörnchen seine Vorräte vergraben hatte. Fridolin wartete, aber der Wächter bewegte sich keinen Zentimeter von der Stelle. Er  passte auf, dass niemand mehr unbemerkt über das Marktgelände spazierte.

Gut, dass in dem Baum noch andere Leckereien hingen. Fridolin kletterte von Astetage zu Astetage, knabberte hier an Schockladenplätzchen, dort an roten Äpfeln, ganz unten fand er Leons goldene Nüsse: Oh, wie wunderbar, dachte der kleine Nager und knackte eine Schale nach der anderen. Die übrigen versteckte  Fridolin diesmal in den Balkonkästen des Hauses gleich hinter der Tanne. Es war mit einem kleinen Eichkatersprung locker zu erreichen,  ohne  dass er auf das Steinpflaster hinabsteigen musste.

Am Nachmittag schlenderte Leon mit seinen Freunden von der Kinderfeuerwehr über den Adventsmarkt. Von Tag zu Tag kamen immer mehr Händler mit weihnachtlichen Waren. Darunter auch Handwerker, die ihre Künste vorführten. Auch Rudi Sonne, war unter ihnen und bot sich als Porträtzeichner an. Leon wollte ihm dabei zusehen.  Als die Kindergruppe bei der Tanne ankam, fragte jemand: „ Habt ihr  wirklich alle hundert Nüsse neu vergoldet und angehängt, du und der Maler, ganz allein?“ Leon nickte. Sein Blick suchte jetzt die Tanne ab. Wo waren sie nur. Aufgeregt lief er um den ganzen Weihnachtsbaum herum. Nein, nicht eine einzige konnte er noch finden. Leon stand und prustete: „Jemand hat meine Nüsse geklaut!“ Alle Augen richteten sich nun auf das Kind. Die Blicke fragten: Wer? Wo? Was? Warum? Aber als sie Leon, den Tollpatsch,  entdeckten, lächelten die Leute nur milde. Gewiss hatte er sie nur wieder verloren.  Die Feuerwehrkinder aber schauten nicht so entspannt: „Erst lässt du unsere Goldnüsse vom Laster zermalmen, und dann schwindelst du uns obendrein noch an“, sprach  einer aus, was alle dachten. Leon drehte sich blitzartig ab und rannte zu Rudi Sonne: „Jemand hat unsere Nüsse gestohlen!“ Der Maler hob die Brauen: „Wie jetzt, unsere Goldnüsse, alle?“ „Alle hundert, wer macht denn  so was?“, schluchzte das Kind. „Und meine Kameraden glauben mir kein Wort mehr!“ Leon sah den Malerfreund so herzergreifend an, dass jener vorschlug: „Komm heute Abend zu mir, wir zaubern zusammen noch einmal neue Goldnüsse und hängen sie morgen Nachmittag mit deinen Freunden gemeinsam auf!“

Diesmal ging alles viel schneller, denn der Maler hatte einfach flüssige Goldfarbe auf den Tisch gestellt, in die er mit Leon Nüsse tauchte. Wieder waren es genau hundert Stück, nur nicht ganz so leuchtend und edel wie jene, die mit Blattgold belegt waren. Die trockneten sehr bald draußen auf dem Balkon. „Hoffentlich stibitzt die nicht wieder jemand!“, wünschte sich Leon.

Fridolin beim Nüsse mausen.

Die Beiden saßen zufrieden beim Tee und schauten hinaus in das Winterdunkel, als plötzlich Fridolin auf dem Balkon auftauchte. Zwischen seinen Zähnen hielt er eine Nuss, natürlich eine  goldene …

Der Spuk in der Tanne – der 3. Akt

Fridolins Herz raste,  und die ganze kleine haarige Gestalt zitterte.  Noch immer saß ihm der Schock in den Knochen, selbst als der Baum zur Ruhe kam. Was war geschehen? Das kleine Eichhörnchen schlief fest in seiner Höhle, als die Holzfäller nächtens Flutlicht auf die Tanne richteten. Alles ging blitzschnell: Eine Motorsäge jaulte auf,  sie schnitt einen Keil in den Fuß des Baumes, dann legte sich Fridolins allerschönste Tanne krachend um. Im Fallen dachte der Eichkater noch, sein letztes Stündlein habe geschlagen, doch er konnte sich vor Schreck nicht rühren. Und so kam es, dass er mitsamt der Tanne auf dem Tieflader an diesen fremden Ort geriet.

Fridolin. Zeichnung: Petra Elsner

Jetzt sortierte und putzte Fridolin sein Fell über den unzähligen blauen Flecken. Seine Schlafstatt hatte sich komplett aufgelöst und hing nun wie Spagetti an der rauen Höhlenwand. Fridolin sammelte von ihr die Heu-, Stroh- und Moosteile ab und baute sich daraus ein neues Lager. Darauf sank er erschöpft nieder und grübelte: Da hat es Opa Willi doch wahrgemacht. Schon seit Wochen sprach er zu Oma Frieda, die Tanne müsse weg, sie überschatte ihr kleines Häuschen am Waldesrand. Oma Frieda schimpfte: „Das kannst du doch nicht machen,  Willi! Die Tiere im Baum haben hier ihr Winterquartier, sie werden ohne Obdach umkommen!“ Doch der alte Mann meinte nur, wenn kein Licht ins Haus fiele, koste es zu viel Strom. Er werde die Tanne einfach der Stadt als Weihnachtsbaum spendieren, dann habe man auch mit dem Fällen keine Mühe. Zwar hörte Fridolin das Gespräch der beiden Alten, doch er konnte sich nicht  recht  vorstellen, was das bedeuten würde.

„Nun, ich hab es ja überstanden“, murmelte er sich Mut zu. Doch  erst  als der kleine Nager wieder Hunger verspürte, wurde ihm klar, dass ihm seine Wintervorräte abhandengekommen waren. Der unfreiwillige Umzug hatte gefährliche Folgen. Schließlich trug das flinke Tier den ganzen Herbst über sein Futter zusammen. Fridolin rieb sich die Wintermüdigkeit aus den Augen. Er musste neue Nahrung heranschaffen  –  rasch! So lockerte er das Aststück vor seiner Höhle und lugte vorsichtig hinaus. Hui, was war das für ein Lichtermeer, es schien ihm weiter, als das der himmlischen Milchstraße, und wie bunt sein Baum aussah. Beinahe verzückt lauschte er der Marktmusik und dem herzhaften Kinderlachen. Fridolin wunderte sich über all das muntere Treiben. Das letzte Lachen hatte  er in der Pilzzeit gehört, als Ferienkinder den Wald durchstreiften. Und wie er hinter dem Stern in der Tannenspitze in seine neue Welt linste, gefiel ihm, was er sah.

Als die Nacht kam und kein Mensch mehr unterwegs war, kletterte Fridolin durch die Tanne. Oh, hier fand er viele Leckereien, doch er brauchte etwas Handfestes, um der Kälte gut trotzen zu können. So griff er sich eine der Solar-Laternen und balancierte tänzelnd erst über die Hüttendächer der Händler, über die Stromleitungen, Verkehrsschilder und Litfaßsäulen, bis er sein neues Revier erkundet hatte. Er schien in ein kleines Paradies geraten zu sein. Überall duftete es lecker und nahrhaft. Bald schon hatte er einen Futterberg zusammengetragen. Nur wo sollte er seine neuen Vorräte verstecken? Der Boden war hier überall mit Steinen belegt, nur in den großen Blumenkübeln konnte er etwas einlagern. Als der Morgen graute und erste Autos Ware auf de m  Markt anlieferten, huschte Fridolin wieder in seine Höhle zurück…

Der Spuk in der Tanne – der 2. Akt

Beim Vergolden. Zeichnung: Petra Elsner

Leon hockte an Rudi Sonnes blank gescheuertem Küchentisch und tupfte mit ihm vorsichtig Blattgold auf die frischen Walnüsse. Der Maler konnte die Traurigkeit des Jungen einfach nicht mit ansehen und  hatte das Kind noch am gleichen Abend zu sich   eingeladen. Dort saßen sie nun. Das Küchenfenster gab den Blick zum Markt frei, wo die Weihnachtstanne ihr glanzvolles Licht über den inzwischen leisen Ort warf. Rudi zeigte dem Jungen  noch einmal, wie man mit dem Pinsel eine hauchdünne Blattgoldlage zu fassen bekam. Nämlich,  indem er zuvor leicht mit dem Pinselhaar über seine Wange strich und es so mit Hautfett haftfähig machte. „Es sind die kleinen Tricks, die ein gutes Handwerk zu  Stande bringen“, kommentierte der Mann sein Tun. Dann goss er Tee in zwei Becher und schob den Teller mit Schmalzstullen wortlos in die Mitte des Tisches. Er wusste, Leons Mutter hat Nachtschicht, ein gemeinsames Abendbrot konnte dem Kind nur willkommen sein. Der Junge balancierte noch ein Goldblatt auf seine Nuss. „Jetzt nur nicht niesen“, warnte Rudi mit einem Augenzwinkern. Leon musste sich schwer ein prustendes Lachen verkneifen. Dann aßen sie erst einmal in aller Ruhe. Sechs Nüsse hatten sie inzwischen bezogen,  und  sie wussten, sie würden Morgen auch noch Zeit damit zubringen.

Leon schärfte seinen Blick auf die Tanne. „Schau’ mal,  Rudi, irgendetwas bewegt sich in dem Baum. Sieh’ nur, jetzt hüpft ein kleines Licht über die Marktstände. Und nun tänzelte  es dort oben auf der Stromleitung entlang. Was ist das nur?“ Der  Mann stutzte ebenso und wusste keine Antwort. Die  Zwei schauten dem seltsamen Wanderlicht nach, bis es entschwand. Ratlos zuckten die Beobachter mit ihren Schultern und wandten sich wieder dem Vergolden zu.

Am nächsten Morgen hing ein Geschrei und Gezeter über dem Marktplatz. „Bei mir hat einer den Sack mit Sonnenblumenkernen aufgerissen“, brüllte verärgert der Mann vom  Bio-Stand. „ Bei mir fehlen zwei Duftkissen“, rief die Blumenfrau. „In meiner Hütte hat auch jemand stibitzt“, raunte der Mandelbäcker. Und die üppige Frau vom Gemüsestand entdeckte: „Von meiner Auslage hat jemand Aprikosen und Trockenpflaumen geklaut!“ An anderer Stelle waren Esskastanien und ein Lebkuchenherz angeknabbert. Es war nicht wirklich viel, was jedem fehlte, aber die Händler fühlten sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass nächtens jemand frech durch ihre Hütten spazierte und sich heimlich bediente.

Bürgermeister Conrad Lob hatte die ärgerlichen Rufe durch das offene Fenster seiner Amtsstube vernommen. Jetzt trat er in die aufgebrachte Runde und versicherte, nein, Ratten gäbe es in seiner sauberen Stadt wirklich nicht. Doch was oder wer könnte dann der nächtliche Besucher sein? Auf jeden Fall forderte Herr Lob sicherheitshalber einen Wachschutz an, damit der schöne Adventsmarkt seiner Stadt nicht in Verruf geriet.

Als abends Rudi Sonne und der kleine Leon mit ihren Goldnüssen vor die Tanne traten, war der Ärger unter den Marktleuten längst verraucht. Keiner sprach mehr von den nächtlichen Vorkommnissen. Gern wäre Leon jetzt auf die Feuerwehrleiter gestiegen, um rund um die große Weihnachtstanne seine schönen Schmuckstücke zu platzieren. Doch die rückte wegen solcher Kleinigkeiten nicht extra an. Auch nicht für Mitglieder der Kinderfeuerwehr. So hängten die Zwei ungesehen ihre Goldnüsse nur ins  Erdgeschoss des Baumes. In der Tüte der Gemüsefrau war nur noch eine einzige unverzierte Walnuss verblieben. Der Maler zog seine buschigen Augenbrauen hoch und drückte  die Nuss dem Jungen mit den Worten in die Hand: „Es ist eine Zaubernuss! Öffne sie nur, wenn dir gar nichts  Anderes mehr einfällt.“ Dann zog der Mann seinen schwarzen Schlapphut und ging. Leon schaute hinauf in den prachtvollen Weihnachtsbaum. Aber seltsam, irgendetwas schien ihn von dort oben aus zu fixieren…

Der Spuk in der Tanne (1)

Die letzten Tage vor Weihnachten will ich Euch mit einer Weihnachtsgeschichte in sechs Akten beleben. Sie steckt in meinem Weihnachtsbuch „Von der Stille des Winters“…

Auf dem Marktplatz…

Das erste fahle Licht dieses Morgens stieg gerade über die verschneiten Dachfirste, als ein schwer tuckerndes Motorengeräusch die Stille zerriss. Ein Rabe kreischte auf der Laterne unheilvoll auf,  und der letzte Langschläfer huschte an die Gardine, um zu sehen, was dort draußen so einen Krach verursachte. Otto, dem Truckerfahrer standen Schweißperlen auf der Stirn, während er sich mit seinem Tieflader durch diese enge Gasse quetschte. Kaum drei Meter standen sich die geduckten Feldstein- und Fachwerkhäuschen gegenüber. Zentimeterweise manövrierte der Mann am Lenkrad die gewaltige Fuhre. In jeder Kurve war Präzision gefragt. Er wagte sich kaum zu atmen, als würde er so ein, zwei Zentimeter dünner werden. Nicht, dass er auf den letzten Metern noch die Tannenspitze lädierte. Doch schließlich öffnete sich die Pflasterenge zum Marktplatz, wo schon eine Menge Menschen wartete.

Ortsbrandmeister Lemke schnupperte gerade am Holunderpunsch, als der kleine Leon über ein Kabel stolperte und ihm dabei die hundert vergoldeten Walnüsse aus der Schale sprangen, welche er eben noch stolz vor sich trug. Wie Murmeln rollten sie auf den Steinen auseinander. Leon galt als der größte Tollpatsch der Kinderfeuerwehr, und nun lachten ihn schon wieder alle aus. Er verschluckte entsetzt seinen Aufschrei, während  der große Truck die handvergoldeten Nüsse  platt rollte. Leon stiegen Tränen in die  Augen. Tagelang hatte die Kindergruppe diese Nüsse mit kostbarem Blattgold belegt. Rudi Sonne, der Kunstmaler, zeigte ihnen, wie man den güldenen Hauch mit einem Pinsel auf Nüsse oder Äpfel  aufbrachte. Dazu erzählte der Wirt vom „Weißen Hirsch“, dass dieses Blattgold sogar essbar auf Schokolade oder einem Pfefferkuchen sei.

Die Ankunft der Tanne auf dem Markt vor dem Rathaus war immer ein großes Ereignis im Städtchen. Festlich geschmückt, beleuchtete der Baum die dunkle Jahreszeit und den Monat der Vorfreude auf die schönsten Feiertage des Jahres. Und was das Beste an diesem Ankunftstage war, dass jeder mitschmücken und etwas dazu beisteuern konnte. Doch Leon hatte wieder einmal alles vermasselt. Es interessierte den Jungen  nicht mehr, dass jetzt gerade ein Kran die mächtige Tanne vom Tieflader hievte und die Feuerwehrmänner den Baum zum Stehen brachten. Der Achtjährige  wollte sich einfach nur noch durch die Reihen der Wochenmarkthändler davonschleichen.  Da legte sich plötzlich eine schwere Hand auf seine Schulter. Als er sich umdrehte, lächelte ihn die rotbäckige Gemüsefrau an und drückte ihm eine große Tüte voll Walnüsse in die Hand: „Hier, mein Jung’, nun musst du sie nur noch schön goldig machen.“ Dankbar stand das Kind noch bei der Marktfrau, da wogte ein „Oh“ und ein „Ah“ durch die Menge auf dem Platze. Der erste Stern auf der Tannenspitze erstrahlte,  und Lemke platzierte von der großen Feuerwehrleiter aus auf dem Baum, was man ihm zureichte.

Immer mehr Menschen kamen zum Schmücken herbei. Die einen brachten selbstgebackene Weihnachtsplätzchen mit, die anderen Glaskugeln und Lichterketten, klitzekleine Päckchen mit roten und blauen Schleifen, kandierte Früchte, Schokoladenherzen, kleine, solarbetriebene Laternen  und echte Tannenzapfen. Auf dem Markt duftete es plötzlich nach Zuckerwatte, Zimt, Nelken und gerösteten Mandeln. Es schneite wieder, und das frische Weiß dämpfte alle Töne. Frau Ortsbrandmeister  Lemke schenkte gegen die fröstelnde Kälte dampfenden Holunderpunsch aus, und Adventsstimmung schlüpfte in alle Herzen….

Teil 2 hier
Teil3 hier:
Teil 4 hier:
Teil 5 hier:
Teil 6 hier:

Leckereien im Advent

Weil man vorzeiten den Weihnachtsstollen erst zu den Weihnachtsfeiertagen anschneiden durfte, gab es beim Stollenbacken ein leckeres Nebenprodukt, das schon in der Adventszeit warm auf die Kuchenteller kam: Der Stollenkuchen gebacken auf einem Blech.

Zutaten

700 gMehl
250 mlMilch
2 Würfelfrische Hefe – gesamt 80 g
180 gZucker
250 gButter
1 TLSalz
100 gOrangeat
100 gZitronat
250 ggekochte, geriebene Kartoffeln
Zitronenabrieb von einer
ganzen Zitrone
200 gRosinen – 4 Tage in Rum
eingelegt
200 gfrisch gehackte Mandeln
10 Tropfen
Bittermandel-Aroma
Butter zum Bestreichen und
Zucker

Die Zubereitung

Die Milch leicht erwärmen und die Hefe hineinbröckeln, etwas Zucker zugeben und die Hefe auflösen.

Das Mehl in eine große Schüssel geben und eine große Mulde hineindrücken, den restlichen Zucker und die Hefemilch hineingießen, mit etwas Mehl breiig verrühren und diesen Vorteig etwa 15 min gehen lassen.

Nun das gesamte Mehl, Zucker, Vanillezucker, abgeriebene Zitronenschale, Salz, das weiche (nicht zerlassenen) Butterschmalz oder Butter und so viel lauwarmer Milch verkneten. dass ein geschmeidiger, nicht klebender Teig entsteht. Den Teig solange kneten, bis er sich vom Schüsselrand löst.

Dann erst Mandeln. Zitronat usw. sowie die gekochten und geriebenen Kartoffeln unter den Teig kneten bis alle Zutaten gleichmäßig verteilt sind.

Den Teig etwa 2 Stunden gehen lassen.

Nochmals durchkneten, auf knapp einen Zentimeter dicke ausrollen und auf ein Kuchenblech legen. Den Teil diagonal mit einem Teigroller einritzen, vor dem Backen mit zerlassener Butter bestreichen und zuckern. Dann bei  180 g backen (Ofen nicht vorheizen) ca. 20 Minuten backen.

Die Masse ergibt entweder zwei runde Kuchen oder anderthalb Bleche. Kartoffelkuchen lauwarm servieren. In einer Blechdose hält er sich etwa eine Woche. Was nicht gebraucht wird, lagenweise einfrieren und vor dem Servieren wieder erwärmen.

Kartoffel-oder Stollenkuchen

Morgenstunde (40)

Annenwalder Advent: Morgen, am 10. Dezember geht es mittags nach Annenwalde bei Templin. Im Hofladen von Kitty Weitkamp werde ich ein Plätzchen bekommen, um von 14 bis 18 meine Bücher, Eulenkalender und diverse Drucke und Kartensets anbieten zu können. Beim Annenwalder Advent geht es dieses Jahr etwas kleiner zu, trotzdem lohnt sich gewiss ein Ausflug dorthin. Im Hofladen wird Glühwein und Kunsthandwerk geboten. Die Gaststätte „Kleine Schorfheide“ gegenüber serviert ein Adventsmenü. Auf dem Pferdehof kann der Gast auf Ponys und Pferden reiten. Christian Wendt kutschiert die Kremserfahrten und in der Glashütte um die Ecke kann man Weihnachtsglas gestalten. Die Landfrauen Densow sind mit Kaffee und Kuchen dabei und am Abend gibt der Lychener Kirchenchor „Europäische Weihnachtslieder ab 18 Uhr in der Dorfkirche. Es ist also nett was angerichtet. Ich hoffe auf Euch als freundliche Besucher … 🙂

Schutzengel
Zeichnung: Petra Elsner

Sonnenregen im Dezember

Winterlicher Regengesang.

Sonnenregen im Dezember.
Da lächelt kurz die Zeit,
und lüftet mit einem Windstoß
ihr dickes Wolkenkleid.

Sonnenregen im Dezember.
Kein Schnee weit und breit
und trotzdem singt und klingt
die leise Weihnachtszeit.

© Petra Elsner

Blog-Pause

Brezelzwerg. Zeichnung: Petra Elsner

Die Weihnachtsfrau ist im Arbeitsmodus
und kann kaum über den Auftragsberg schauen…
Also legt sie besser eine Blogpause ein.

Habt einstweilen eine gute Adventszeit, bis die Tage…