Reportagen aus der (kleinen) Schorfheide: Dörfliche Sonnenseiten

Werner Kothe Foto: Lutz Reinhardt
Werner Kothe
Foto: Lutz Reinhardt

Er ist so jemand, der sein Dorf gerne ins Gerede bringt, der Glaskünstler Werner Kothe aus Annenwalde. Der aus Berlin zugezogene Bildhauer übernahm 2002 die Glashütte, die im Jahre 2000 mit EU-Mitteln erbaut wurde, und erweckte sie zum Kunsttempel
und Museum. Dann erwarb er den verwilderten Park gleich nebenan, um ihm zu neuer Schönheit zu verhelfen. Und da war noch die Sache mit dem nördlichsten Weinberg, deren erste Ernte der Waschbär holte. 2009 ist es ein Weltrekord, mit dem der Künstler von sich Reden macht: „Das Dorf mit den meisten Sonnenuhren“, aus Glas versteht sich. Und natürlich gelingt es dem Marketingfuchs mit solchen Ideen die Medien nach Annenwalde zu locken und nicht nur sie.

Glashütte Annenwalde Foto: Lutz Reinhardt
Glashütte Annenwalde
Foto: Lutz Reinhardt

Die Toskana des Nordens, nennt man die Uckermark, so wundert es nicht wirklich, dass der Annenwalder auf das Spiel mit dem Licht, der Sonne und dem Solarglas kam. Energiegeladen erzählt er von seiner Motivation: „Wer durch Annenwalde geht, läuft über Brandenburger und Preußische Geschichte in der Uckermark. Aber um Gäste herzulocken, mussten wir die Glasshütte wiederbeleben. 1865 war Schluss mit der Hütte, weil sich die technologischen Bedingungen für die Herstellung von Glas gravierend verändert hatten. Es war der Beginn des industriellen Zeitalters in Deutschland. Durch die Erfindung des Gases und der Eisenbahn konnte eine moderne Glasindustrie heranwachsen. In Annenwalde ernährte man sich fortan der Landwirtschaft, vom Wald, und der Schifffahrt. 80 Prozent der alten Dorfstruktur sind noch erhalten, das ist historisch spannend. Auf meinem Weg zur Glashütte habe ich mich mit Glas befasst. Ich hab es zerschlagen und es im Keramikofen verschmelzen lassen. Zufällig entdeckte ich dabei die Fusing-Technick.“ Die wurde Kothes künstlerische Zukunft. Ende der 90er Jahre kamen erste Aufträge für Kirchenfenster und Taufschalen. Diese spezielle Heißglasproduktion ist seither das neue Markenzeichen der Hütte in Annenwalde.

Werner Kothes GENESIS, Foto: Lutz Reinhardt
Werner Kothes GENESIS,
Foto: Lutz Reinhardt

Nachdem Kothes im Dorf Wurzeln geschlagen hatten, sind etliche Künstler in das Wohlfühldorf gezogen. Eine Weberin, ein Maler und Grafiker, ein Holzbildhauer, eine Malerin mit Galerie, eine Keramikerin, auch die schreibende Zunft ist am Orte vertreten. Das aktive Dorf zieht eben mit Singkreis, Sommer- und Winterfesten und der Glashütte an. Von allein geschieht so etwas natürlich nicht. Man dockt gewissermaßen an, wird inspiriert von den Kunstfesten, Symposien, Workshops und den sympathischen Ideen, die immer wieder durch die Medien wabern.

Werner Kothe steht für Bleibendes, „für Dinge, die auch noch nach Jahrzehnten von Wert sind“, und will andere mit dem Sinn für Nachhaltigkeit durchaus anstecken. „Und übrigens sind Sonnenuhren ein treffliches Sinnbild für unseren Landkreis, in dem die meiste alternative Energie in Brandenburg produziert wird“ erinnert der Künstler und könnte stundenlang weiter schwärmen von dem großartigen Flecken Welt, der sich Uckermark nennt.

Foto: Lutz Reinhardt
Foto: Lutz Reinhardt

 Glashütte Annenwalde, Annenwalde 28, 17268 Templin, OT Densow, Tel. 03987 200250, www.glashuette-annenwalde.de

Öffnungszeiten : Die – So von 11.00 – 17.00 Uhr

Views: 953

Silberreiher am Döllnfließ

Dieser Glitzertag hat mich in die Sonne gezogen, obgleich noch 11 Grad minus herrschen. Beim Spaziergang entlang des Döllnfließes stockt mir plötzlich der Atem – ein Silberreiherpaar flattert aus dem Schilf. Zwei Schnappschüsse gelangen, denn ich hatte gerade die Kamera in der Hand, um am Fließ nach Eisgebilden zu schauen. Die schönen, weißen Vögel wirken wie Exoten. Sie sind etwa so groß wie Graureiher, doch schlanker und haben einen besonders langen Hals. Den Kopf trägt dieser Vogel zwischen die Schultern gelegt. Hier am Döllnfließ haben wir vor drei Jahren mal EINEN Silberreiher im Schneetreiben – und so ganz unscharf gesehen – es ist meine erste Paarsichtung. So etwas macht augenblicklich glücklich!!!

Silberreiher am Döllnfließ  Foto: Petra Elsner
Silberreiher am Döllnfließ
Foto: Petra Elsner
Zweiter Silberreiher am Döllnfließ. Sichtung am 25.1.2014 Foto: Petra Elsner
Zweiter Silberreiher am Döllnfließ. Sichtung am 25.1.2014
Foto: Petra Elsner

Views: 867

Reportagen aus dem Schorfheidewald: Die Töpferin

Eine Haut aus den Farben der Landschaft: 
Die „Schorfheide“ – das ist ein alter Mythos und doch nur ein Sammelbegriff für ein größeres Waldgebiet. Der Name entstand im Mittelalter aus „Schorp Weide“, als die Bauern ihre Schafe in den einstigen Eichenwald (Hutewald) trieben, um sie mit Eicheln zu mästen. Lang ist’s her, heute bevorzugen Jäger, Wanderer, Ausflügler oder Pilzsammler dieses Naturparadies. Und wer ein besonderes Markenzeichen der Region sucht, der stößt unweigerlich auf die Schorfheidekeramik von Petra Wessel.
Direkt am Weißen See in Böhmerheide betreibt sie ihr Atelier, aus dem ihre witzigen Tongestalten launig in die Welt spazieren: Mautzende Kater, schmollende Schnecken, blinzelnde Kobolde … eine herzige Gartengesellschaft, deren Besonderheit ihre spezielle Haut ist, die sie zu Markte trägt. Diese Oberfläche assoziiert spontan „Schorfheide“ – das helle Ocker des leichten Dünensandes in dem die Wälder wurzeln, das Umbra der Waldäcker, und das tiefe Braun der mächtigen Baumstämme. Die Töpferin hat diese Farbgebung gewissermaßen der Landschaft abgeschaut und die Spuren darin, die Kratzer und Abdrücke stammen ebenfalls daher – von Erlenfrüchten, Hafer …
Als nach der Währungsunion 1990 alles, was man der Frau bis dahin aus den Händen gerissen hatte, plötzlich wie Blei im Laden stand, begann ihre Suche nach dem Einzigartigen. Während sie experimentierte und entwickelte, entdeckte sie ihre Lust daran, eine regionale Marke zu kreieren, eben eine Keramik, die der Schorfheide entspringt und für sie wirbt. So verwundert es kaum, dass die Töpferin sich zugleich für den Tourismus am Weißen See zu engagieren begann. Sie gründete mit anderen den Tourismusverein Schorfheide-Chorin. „Hilfreich war der damalige Trend ‚Zurück zur Natur’ unter den Westberlinern, die ihr Umland endlich entdecken konnten. Das große Staunen über das wunderbare Waldland mit seinen glasklaren Seen – 50 Kilometer von Berlin entfernt. Man mochte wieder natürliche Hölzer in den Wohnungen und dazu passte auch meine  Naturkeramik“, erzählt sie rückblickend und weiß heute: „Letztendlich verkauft man mit seinem Schaffen auch immer das Umfeld mit. Zum Beispiel: ‚Wollen Sie nicht einmal einen Ausflug zum Weißen See in Böhmerheide machen, und mich in meinem Atelier besuchen? Dort gibt es auch ein nettes Restaurant, eine gute Pension …’ Jetzt, wo die Kaufkraft wegen der Krise nachgelassen hat, gebe ich Kurse.“
Und Ferientöpfern kommt gut an. Wer der Frau, die wie ein sprudelndes Quellwasser plaudert zuhört, erfährt neben den praktischen Werktipps auch viel von der Drehscheibe, die sich Leben nennt. Dass Umwege, wie eine falsche Studienwahl (Bauwesen) oder verdrängte Leidenschaften, mitten ins Zentrum führen können; bzw. Mütterzeiten Klärungsprozesse einleiten. Mit 25 Jahren schenkte sie Tochter Jana das Leben und zeitgleich wuchs der Drang, die eigene Kreativität auszuleben, was schlussendlich 1983 in die Selbstständigkeit führte. Nichts lief bis dahin spurgerade in ihrem Leben dieser couragierten Frau, und doch, oder gerade deshalb wohl, ist heute ihre Aufbaukeramik aus schrägen Teilen inzwischen ein krönendes Ganzes. Hier zeigt sich eine langsam erworbene Selbstgewissheit, die spürt, wer mit oder neben der Frau arbeitet.

Petra Wessel Foto: Lutz Reinhardt
Petra Wessel
Foto: Lutz Reinhardt

Kontakt: Keramikwerkstatt Petra Wessel, Buchfinkenweg 4, 16244 Schorfheide OT Böhmerheide, Telefon: 033393 495, Mail: p.wessel@online.de

Views: 1027

Waldgestalten

Siegfried Haases Vogelfantasie Foto: Lutz Reinhardt
Siegfried Haases Vogelfantasie
Foto: Lutz Reinhardt

Versteckt zwischen den Buschkiefern, dort, bei Klein Dölln, wo das Döllnfließ einen weiten Bogen zieht, wächst seit einigen Jahren ein Überraschungsort in der Schorfheide. “Flatternde Forke” könnte man diese Vogelfantasie von Siegfried Haase nennen, die er aus altväterlichem Landarbeitsschrott entwickelt und verschweißt hat.  Die witzige Skulptur hat das Groß Döllner Urgestein für die geneigte Öffentlichkeit als Überraschung aufgestellt. Im Zauberwald zwischen Kurtschlag und Klein Dölln kann der Spaziergänger sie neben all den anderen hintersinnigen und heiteren Gestalten betrachten und sich an dem herzhalfen Mutterwitz des Künstlers erfreuen. Eben dort findet man beispielsweise auch diesen umweltfreundlichen Autoturm vom Bildhauer Lutz Kittler aus Friedrichswalde. Bei diesem milden Wetter ist der unbeschriftete Kunstwald ein lohnendes Ausflugsziehl.

Autoturm von Lutz Kittler Foto: Lutz Reinhardt
Autoturm von Lutz Kittler
Foto: Lutz Reinhardt

Views: 1049

Reportage aus der Schorfheide: Sehnsuchtsorte

Jeder hat sie, die Sehnsuchtsorte, um so älter man wird, desto mehr sind es. Meine Freundin Trilli hat, um dem imaginären Gefühl Gestalt zu geben, die “Sehnsuchtsberatungsstelle” und “Das große Buch der Sehnsucht” geschaffen. Es war ihre Variante das Verlustgefühl zu materialisieren. Bei mir war/ist es ein mir unbekannter Ort: das Walddorf Schluft in der Schorfheide. Dort verlebten meine Eltern in den 70ern einen Sommer und als sie heimkehrten, sah ich zwei glückliche Menschen wie sie nie glücklicher waren – vorher und nachher. Das war es wohl – mein Lockruf in die Heide – eine Schwingung meiner Ahnen vielleicht. Denn immer, wenn wir durch Schluft kommen, spüre ich einen unerklärlichen Hauch von Glück. (pe)

Schneezeit in der Heide

Landgasthof zur Linde, Foto: Lutz Reinhardt
Landgasthof zur Linde,
Foto: Lutz Reinhardt


2010. Mitten im Schorfheidewald, am nordwestlichsten Ende des Barnims, liegt das Dörfchen Schluft in der Eiseskälte. Tief verschneit atmet es im Januar die große Stille. Nach dem irren Schnee walzte eine Fuhre Langholz, vom Kurt­schlager Damm her kommend, die weißen Massen über dem dörf­lichen Kopfsteinpflaster platt. Pro­blemlos könnte man jetzt hier Au­torennen fahren, doch die meisten Tagesstunden gehört die Piste nur den Katzen.
Wenn es dämmert, brennt in der Hauptstraße 19 verlässlich ein Licht. Dort, im Landgasthof „Zur Linde“ wartet das Wirtspaar  Angela (55) und Burghard Repkow (57) auf Gäste. Unter­halb der Woche sind diese jetzt selten. Ein, zwei kommen am Abend. Mal kommt der Förster vom Trämmersee auf ein Bier. Oder die junge Schauspielerin von gegenüber paukt zufällig im Sommerhaus Texte und huscht zu später Stunde auf ein Abendbrot quer über den Damm.
Aber in der gemütlichen Linde geht es seit Jahresbeginn ge­dämpfter zu. „Die Besucher wir­ken irgendwie in sich gekehrter“, rätselt Angela. „Ja, im Dezem­ber, da hatten wir noch die großen Treibjagden mit heiterem Jagd­hornblasen und die Adventskon­zerte am Feuer, dort drüben auf dem festlich erleuchteten Spiel­platz“, erzählt sie weiter.

Die Lindenwirtin Foto: Elsner
Die Lindenwirtin
Foto: Elsner

Ihr Mann lächelt dazu von wei­tem, bleibt lieber in der Deckung des Tresens. Ist eben das Original im Hintergrund. Gewiss, für sei­nen schelmischen Blick und die leisen, aber geraden Töne, mag man den Mann sogleich. Die zwei sind Wirtsleute in der vierten Ge­neration, da weiß man sich in den dünnen Zeiten zu helfen. „Reich wird man eh’ nicht mit so einer kleinen Wirtschaft. Es gab mal so einen Moment, Anfang der 90er Jahre, da dachten wir, wir müssten alles ändern. Eine grö­ßere Speisekarte, vielleicht sogar anbauen. Inzwischen hat uns die Normalität wieder, und wir leben von den Wochenendgästen in der grünen Jahreszeit. Jetzt kommen mal ein paar Leute zum Skilau­fen, die sich dann auf einen hei­ßen Tee oder Grog und ein Bau­ernfrühstück freuen.“
„Vergiss nicht die Wahlen“, wirft Burghard Repkow ein. „Und die kommen am Wochen­ende wieder“. Er schmunzelt, sie nickt: „Ja, ja, die Stichwahl zum Landrat. Ansonsten richten wir jetzt viele Familienfeste aus, bis zu 20 Personen, auch außer Haus. Erst zum 30. Januar hat sich wie­der eine Wandergruppe angesagt, verrät die Wirtin, völlig klaglos. Das ist ebenso.
Vielleicht wird es etwas an­ders, wenn der Oberförster dieses Jahr einen Wild-Beobachtungs-Schirm auf der Schilfwiese am Kurtschlager Damm errichtet hat, und Kutsch­fahrten Naturfreude dorthin füh­ren. Vielleicht. Bis dahin ist es im Januar leise in Schluft, dem kleinsten Örtchen der Gemeinde Schorfheide. 120 Menschen sie­deln hier, wo andere Ferien ma­chen. Beispielsweise in „Schluftis Waldvilla“ in der Schulstraße. Doch die Bewohner des abge­schiedenen Barnimer Winkels sind und waren nie verwöhnt. Schnee ist hier kein Problem. Man schippt selbst, immer schon. Und die Repkows bauen indes – in al­ler Ruhe – eine kleine Ferienwoh­nung für Sommergäste aus.
Bereits in den 20er Jahren ka­men vor allem Berliner, „Som­merfrischler“ wie man damals sagte, nach Schluft. Die in den siebziger Jahren erbauten Bungalows unterstrei­chen, dass bis heute viele den Er­holungswert des Minidorfes in der Gemeinde Schorfheide zu schät­zen wissen. Ein guter Ort, die Seele baumeln zu lassen.

PS: Diese Gaststätte ist inzwischen geschlossen.

Views: 1108

Die Winterfrau in der Kleinen Schorfheide

Die Winterfrau Kitty Weitkamp Foto: Petra Elsner
Die Winterfrau Kitty Weitkamp mit ihrem Baegle-Baby namens Skipper
Foto: Petra Elsner

Die Winterfrau
Wenn das Jahr seinen dunklen Mantel überstreift, tanzt auf Festplätzen der Lichterschein und die Luft geht schwanger mit dem verführerischem Duft von gerösteten Mandeln, süßem Backwerk, Apfelpunsch und Glühwein. Der Advent ist prall gefüllt mit einschlägigen Märkten, aber keiner kann mithalten mit dem Winterfest in der mächtigen Gutsscheune von Annenwalde. Auf 50 Ständen werden regionale Köstlichkeiten aufgetischt und ausgesuchte Kunsthandwerker stellen wirklich besondere Produkte vor. In diesem wohl-fein inszenierten Klima verströmt sich heiter echte Vorfreude auf das herannahende Weihnachtsfest.
Bei einer Klangprobe des ortsansässigen Singkreises in der gewaltigen Scheune entstand die Idee zu diesem „Winterlichen Scheunenmarkt“. Gutsbesitzerin Kitty Weitkamp und die Annenwalder Malerin Heike Munser kreierten 2007 erstmals diesen Wohlklang – mit viel, viel Enthusiasmus und kaum eigenem Nutzen. Als vergangenes Jahr das Fest wegen Straßenarbeiten aussetzte, barmte die Malerin: „Hoffentlich macht sie weiter, denn wissen Sie – ohne Kitty geht hier nichts.“ Sie ist eine Steherin, aber das musste sie auch werden.
Annenwalde – das uckermärkische Dorf hinter dem Eisernen Vorhang waberte durch alle Familiengeschichten der Weitkamps und war immer präsent. Dort, unweit von Templin, lag für die kindliche Hamburgerin die wahre Heimat. Der Großvater hatte 1933 das Trabergestüt Annenwalde gegründet. Weil er sich in Johanna Brockmann verliebte, verzichtete er auf sein Geburtsrecht und baute diesen östlichsten Zweig des Stammhauses Weitkamp (gelegen in Billerbeck im Münsterland) auf. Im II. Weltkrieg geriet der Großvater Wilhelm in russische Gefangenschaft, während Johanna zunächst mit den Kindern vor den Russen nach Billerbeck floh, kehrte sie doch kaum später allein zurück, um den Besitz vor Beschlagnahme zu sichern. 1948 wurde ihr Mann aus der Gefangenschaft entlassen, aber schon 1953 musste die Familie abermals fliehen. Eine Warnung verhinderte, dass man den Wilhelm „holte“, um unter einem juristischen Vorwand das Gut zu verstaatlichen. Als die Mauer fiel, der Vater als Wiedereinrichter 1990 das Gut auslöste, setzte Kitty das erste Mal ihren Fuß auf Annenwalder Boden und spürte sofort: „Hier bin ich Zuhause.“
Fortan pendelte Kitty zwischen Hamburg und dem uckermärkischen Dorfidyll, machte ihr Abitur und begann Tiermedizin zu studieren. Aber dann erlag der Vater 1995 zwei Tage vor Weihnachten einem Herzinfarkt. In dieser Winternacht wurde Kitty plötzlich Gutsherrin, mit 20 Jahren. 140 Pferde und ein gewaltiges Arial waren zu bewirtschaften, sie musste sich entscheiden und schmiss schließlich das Studium. Die Krise des deutschen Traberrennsports läutete den nächsten Wandel ein: das Gut musste abspecken. Ca. 30 Pferde gibt es heute nur noch, darunter mehr Reit- als Rennpferde. Das Gestüt bietet „Ferien auf dem Reiterhof“ mit kleinen Apartments, Reitstunden, Kutschfahrten und einem urigen Streichelzoo.
Immer samstags vor Totensonntag, ist es so weit: Von 11 bis 18 Uhr lächelt in der Gutscheune wieder die Uckermark. Dazu haben Kitty Weitkamp und Heike Munser die pure Lebensfreude unter dem Dach vereint. Zwischen lebenden Weihnachtsgänsen, saisonalen Leckerbissen, Handwerk, Kunst, Kitsch und Trödel können bei Glühwein, Apfelpunsch und Met, Winterlieder vom Annenwalder Singkreis, Jazz, Funk, Soul und Blues von der Gruppe „Don’t Tell Mama“ und Puppenspiel erlebt werden. Neben dem Markttreiben werden Bastelaktionen, Ponyreiten und Kutschfahrten durch die sehenswerte Umgebung angeboten. Und mittendrin wird Kitty, die starke Winterfrau, hinter dem Glühweinstand zu finden sein.

© Petra Elsner

Views: 1046

Die Farbenfrau aus der “Kleinen Schorfheide”

Vom Wandel der Träume in Gandenitz:

Grit Jänisch-Martens verrät: „Mich reizen total die Grüntöne. Man kann x-verschiedene Gelbtöne haben und x-verschiedenen Blautöne, die mischt man zu Grün, aber umso ein zartes Frühlingsgrün der Birken zu erzielen, muss  ich experimentieren und das ist es, was ich liebe.“ Foto: Lutz Reinhardt
Grit Jänisch-Martens verrät: „Mich reizen total die Grüntöne. Man kann x-verschiedene Gelbtöne haben und x-verschiedenen Blautöne, die mischt man zu Grün, aber umso ein zartes Frühlingsgrün der Birken zu erzielen, muss ich experimentieren und das ist es, was ich liebe.“
Foto: Lutz Reinhardt

Sie ist längst ein Gesicht des Nordens. Still, zurückhaltend, warmherzig. Die Farbenfrau ist verliebt in Farben, die der Natur entspringen. Sie färbt damit in großen Trögen die Wolle der Schafe, die Seide der Seidenraupen, Baumwolle und Leinen.  Manchmal schaut sie in einen dramatischen Winterhimmel und wünscht sich, ihr Garn in dieses unglaubliche Violett zu tauchen. Immer aber experimentiert sie rund um die Farbe Grün, ein Glück für sie, wenn die jenes erreicht, das die Birke in ihre ersten zarten Blattspitzen schiebt.
Der innerliche Aufbruch zum Landleben ist schon ein gutes Weilchen her und nährte sich, als die frischgebackene Ingenieurin für Wasserwirtschaft Mitte der 90er Jahre in Berlin keine Arbeit fand. Durch Zufall geriet Grit Jänisch-Martens (43) in den Uni-Betrieb, wo sie sich mit Arznei- und Gewürzpflanzen beschäftigen konnte. Es galt im Feldversuch  zu erforschen, ob man diese Pflanzen auf bestimmte Inhaltsstoffe züchten kann, darunter waren auch Färberpflanzen. Das passte. Denn die Lust, mit Naturstoffen selbst zu färben, machte sich gerade in ihrem Freundeskreis breit. Bei Grit war dieses Interesse schon älter.  Die Quelle dafür entsprang im Elternhaus in Hönow, das seinerzeit noch im Grünen lag. Sie erinnert sich:  „Ich wollte immer Tiere haben und hatte mein eigenes Beet. Die Familie reiste und wanderte viel, unternahm weite Radtouren. Ich glaube, mein Umweltbewusstsein entstand schon in dieser Zeit. Bei Falko war das ganz anders. Er kommt aus der Stadt Brandenburg und konnte sich nie vorstellen, aufs Land zu ziehen, während es bei mir schon immer ein Traum war.“
Aber wer mit Grit leben will, musste wohl irgendwann mit in ihrem Traum  reisen. Das Paar ist jetzt 23 Jahre beieinander und gleich nach ihrem Studium „war klar, wir ziehen auf‘s Land“, verrät die Frau schmunzelnd.  Aber wohin?  „Wir haben Annoncen gesichtet,  sind mit dem Auto rumkutschiert, und haben uns schließlich einen Sommer lang auf die Räder gesetzt.  Erst radelten wir durch Märkisch Oderland – dann in die Uckermark. In Templin waren wir ganz verzaubert – boh, ist das schön, irgendwie hier muss es sein.“ – das neue Leben und es fand sich in Gandenitz am Rande der “Kleinen Schorfheide”.
Doch von dort oben war es zu weit, um beruflich zu pendeln.  Alternativ hieß das, etwas Eigenes aufzubauen, dazu belegten die beiden noch ein Fernstudium für Baubiologie. Zwei Jahre lang. „Ursprünglich wollten wir ein Ingenieurbüro aufmachen, aber als wir das Grundstück hatten und die Versorgungslücke erkannten, reifte die Idee zum Laden“, erklärt Grit den Wandel. 2001 haben sie schließlich das Grundstück gekauft, bauten an den Wochenenden um- und aus. 2004 gaben sie die sichere Existenz in Berlin auf und zogen vollständig in das abgelegene Bauernhaus in Gandenitz.
Vier Mutterschafe und einen Bock weiden vor dem Hof am Waldrand, der jetzt in der winterlichen Stille ruht. Ab und zu tuckert jemand per Auto über den Sommerweg heran, um in Falko Martens (42) Naturbaustoffhandel einzukaufen oder sich baubiologisch beraten zu lassen.  Das ist vornehmlich sein Part, aber Grit weiß alles über natürliche Farben und hilft, wo sie kann. Ihr Mann ist darüber hinaus der Spezi Lehmbau und Lehmofenbau. Seit die zwei Kinder kamen, hat sich für Grit alles noch einmal gedreht. Ja, sie ist und bleibt die Farbenfrau des Nordens, aber immer mehr ihrer Lebensenergie fließt augenblicklich in den Baustoffhandel und die Organisation der Familie. Das ist nicht nur für Frauen typisch, jeder, der auf dem flachen Lande eine Geschäftsidee ausprobiert, muss sehen, was zu guter Letzt wirklich ernährt. Und dass heiß gelegentlich auch, Träume zu erden und sie nur in den Freiräumen zu leben. So arbeitet die Farbenfrau jetzt in großen Schüben an ihrem Farbrausch – umso seltener, je größer die Lust. Die Brillanz natürlicher Farbstoffe ist unglaublich. Und das Staunen darüber auch.  Den Marktbesuchern ist meist nicht klar, dass es kaum 150 Jahre her ist, da alles noch mit natürlichen Materialien gefärbt wurde, weil es gar nichts anderes gab“, erklärt sie wissend. „Das Volk hatte damals eigentlich keine Farben. Rot und Blau  gehörte den Reichen. Es gibt viele Pflanzen, mit denen man Gelb färben kann, Goldrute und Färberkamille, aber Gelb trugen die Huren und die Juden – also wollte diese Farbe wirklich keiner haben …“ Die Farbenfrau doziert und leuchtet dabei. Sie hat früher an der Humboldt Universität einmal im Jahr eine Vorlesung gehalten und lächelt über diese Ausnahme. Aber wer weiß, was und wie sich das Leben noch einmal wandelt.

Kontakt:
Naturfärbe-Atelier, Grit Jänsch-Martens, Küstrinchener Weg 3, OT Gandenitz, 17 268 Templin, Telefon: 03987 200744

Views: 970

Reportagen aus dem Schorfheidewald: Der Stein-Scout

Naturbeobachter Klaus-Herrmann Mewes Foto: Lutz Reinhardt
Naturbeobachter Klaus-Herrmann Mewes
Foto: Lutz Reinhardt

Wenn diese Steine reden könnten, dann würden sie gewiss von Wilddieben und gemeuchelten Förstern munkeln, vom seltsamen Jagdglück von Wilhelm II. oder anderer Größen plaudern und vielleicht auch von einem, der erst als Rentner in die Heide kam, um endlich seinen Traum zu leben: Naturbobachtungen in der Schorfheide. Das Klaus-Hermann Mewes dabei auf die Spur der Steine kam, war dann eigentlich nur eine Frage der Zeit. Denn schon immer hat sich der hellwache Mann für alles was da kreucht und fleucht interessiert.

An diesem Morgen kam der Witwer Klaus-Herman Mewes gerade vom Ufer des Grimnitzsees. Bevor wir miteinander reden können, notiert er erst einmal akribisch in seinen kleinkarierten Block: Datum, Zeit Ort und das Entdeckte: Kriekenten, Kormorane, Höcker- und Singschwäne, ein weißer Bussard. Was er sieht, meldet er den Ornithologenverbänden via Internet. Beobachten und dokumentieren, das ist seine Passion, der er seit dem Jahr 2000 als ehrenamtlicher Horstbetreuer für See- und Fischadler nachgeht. Seine Entdeckungen anderen mitteilen, anschaulich und lehrreich, das ist eine weitere Lust des Naturbeobachters. Und so wundert es kaum, dass Mewes bereits 2003 mit der Herausgabe von Bildbroschüren über das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin begann, und auf Wunsch auch Lichtbildervorträge über seine Landschaftssteine hält. In „Eine Dokumentation über einige von der Eiszeit zu uns überkommenen Findlinge und Geröllsteine, die im Laufe der Jahre von den hier in der Heide ansässigen Menschen zu den unterschiedlichsten Zwecken verarbeitet und genutzt wurden“ beschreibt er über Hundert Hinweis- und Gedenksteine in ihrer landschaftlichen Umgebung. Garantiert hat er noch nicht alle gefunden, weil sich im Schutzgebiet manches gut verborgen hält.

Geduld und Naturtreue sind ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Die Eltern siedelten in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts im Wald von Lindenberg bei Wittenberge. Endlos war dort die Stille. Mit einem ebenso leisen Freund, zog der junge Mewes durch die Baumlandschaften. Sie suchten Vogelnester, registrierten die Brutstätten und malten sich kleine Karten dazu. Ein guter Biologielehrer förderte die Anlagen des Jungen und ernannte ihn zum Helfer des Biologiekabinetts der Oberschule in Wittenberge. Das interessierte ihn: Präparate-Sammlung, Anschauungstafeln, das klapprige Skelett namens Adam. Bald konnte der Schüler Schmalfilme vorführen, darunter war ein Film über Fischadler von einem Doktor Horst Siewert aus Joachimsthal, den sich der Knabe zum Vorbild nahm. Seither überlegte Mewes: Wie kommst du nur in die Schorfheide?

Das sollte dauern. Natürlich hätte der begabte Schüler später Biologie studieren können, aber in seiner Familie gab es eben Mehrfachbegabungen. So wie der Heranwachsende alle Vögel kannte, wusste er auch jeden Flugzeugtyp zu klassifizieren, war er wie sein Vater und Großvater schon ein Techniknarr. Da wurde aus dem Naturfreund Mewes junior erst einmal ein Arbeitsleben lang der Diplom-Ingenieur im Flugzeugbau und Fachbuchautor für Luftfahrtgeschichte. Doch im Ruhestand zog Mewes nun wirklich nach Joachimsthal.

Herr der Steine war dort natürlich schon ein anderer, nämlich Joachim Bandau, der unter historischen Aspekten zu den Steinen forschte. Mit ihm tausche sich der Zuzügler aus. Doch schon bald wurde Mewes selbst fündig, stöberte unbekannte oder vergessene Steine auf, die er minutiös in einer Karte eintrug, inzwischen sind es über Hundert. Der Stein-Scout Mewes ist nun Spezialist für Landschaftssteine. Gemeint sind Exemplare wie „Adderloch“, der eine Schlangengrube benennt. Oder Steine mit Berge-, Seen- und Ortsbezeichnungen wie „Bullenwinkel“, der markiert beispielsweise einen Ort auf der Halbinsel im Großen Glasowsee, wo die Bauern im 30-jährigen Krieg ihr Vieh vor den Schweden versteckten. „Die Molle“ ist schlicht eine Talsenke. „Mönchebude“ beschreibt eine Raststelle der Mönche, die zwischen dem Zisterzienserkloster Chorin und Zehdenick pendelten. „Zollpfahl“ lässt ahnen, man bat an dieser Fürstengrenze zur Kasse. Neben den Landschaftssteinen berichtet Mewes Dokumentation aber auch über Inschriftensteine zu Forstkulturen, und solche mit jagdgeschichtlichen Hinweisen, mit Vermerken zu alten Forsteinrichtungen, Erinnerungs- und Gedenksteine an besondere Personen und Ereignisse und natürlich erzählt er auch über Wegweiser, alte Richtungs- und Meilensteine.

All jene Steintypen hat der Stein-Scout erfasst, fotografiert, die Abbilder mit Erklärungen versehen, so dass wer durch die Heide wandert oder radelt, sich hiernach Routen zu den alten Steinzeichen zusammenstellen kann. Im zweitgrößten Wald- und Naturschutzgebiet Deutschlands sicher ein neues spannendes touristisches Thema. Und wer weiß, vielleicht begegnen Sie ja bei Ihrer individuellen Pirsch durch die Schorfheide jenem kleinen Mann mit dem großen, wachen Blick für alles was da kreucht und fleucht.

PS: Klaus Mewes verstarb am 4. Januar 2016 in Joachimsthal. Seine Kinder Karsten und Ellen haben ihn bis zuletzt zu Hause gepflegt und waren bei ihm, als er ging.

Views: 753

Die kleine Schorfheide: Frau Holle – oder: Wo die Märchen am Wegesrand erwachen

Neben der großen Schorfheide, die drei Landkreise im Norden Brandenburgs berührt, gibt es auch noch die sogenannte „Kleine Schorfheide“. Es handelt sich um einen ehemaligen Truppenübungsplatz der Russen. Das Naturschutzgebiet Kleine Schorfheide liegt in den Gemarkungen Annenwalde, Beutel, Hammelspring, Lychen, Röddelin und Tangersdorf im Landkreis Uckermark sowie Barsdorf, Blumenow, Bredereiche, Burgwall, Himmelpfort, Marienthal, Tornow und Vogelsang im Landkreis Oberhavel. In den Orten an ihren Rändern des 7000 Hektar umfassenden Gebietes wohnen natürlich auch spannende Menschen.

Zum Beispiel:

Frau Holle

Tief im uckermärkischen Walde erwachen mit der Osterzeit die Märchen, die aus den Grimmschen Werken und auch neuzeitliche. Öffentlich verlesen oder heiter gespielt von großen und von kleinen Waldgästen, und das kam so:
1982 erbten Klaus-Dieter und Sigrid Hollendorf das abgelegene Grundstück bei Metzelthin von den Großeltern. Gut ein Hektar Land, darauf ein schöner Garten und knusper-kleine, Ried gedeckte Blockhäuschen – romantischer geht es kaum noch. Doch das Leben der Beiden war damals so gar nicht so traumhaft, zwischen ABM, Arbeitslosigkeit und Schlechtwettergeld pendelte lieblos die Zeit. Irgendwann fragten Templiner Kulturbündler die Sigrid, ob sie nicht dort draußen, auf ihrem Grundstück, etwas für Kinder inszenieren könnten. Und wer Hollendorf heißt, kann, denn Namen tragen immer auch sinnstiftende Bedeutung in sich, und so entstand das Projekt Märchenland „Frau Holle“ des Kulturbundes e. V. – das war anno 1996.
Jahre später sind Hollendorfs Sohn und Tochter erwachsen und aus dem Haus. Da leben die Eltern im Winter allein im Wald, mit Flöckchen, dem Hund und den sieben Katzen. Für Sigrid, die 60-Jährige, ist es die Jahreszeit, Spiele zu erfinden, Requisiten zu bauen, ein neues Stück für die große Puppenbühne zu schreiben, eben die Flügel der Fantasie weiten, damit die Gäste in der warmen Jahreszeit auch immer etwas neues im Märchenland vorfinden. Klaus-Dieter (56), der Maurer, repariert in der arbeitslosen Schlecht-Wetter-Zeit was Schaden nahm, wenn es wärmer wird, hat er mit dem Märchenland nichts zu tun, sagt er. Aber schaut man sich genauer um, so hat er die Puppenbühne aufgestellt, Backofen und Brunnen gebaut, das Baumhaus und die Sportanlagen, still im Hintergrund, während seine Liebste die Dinge mit Leben erfüllt.
Ihr Spitzname war schon immer „Frau Holle“, vom Familiennamen her, aber daraus ein Arbeitsleben zu gestalten, der Gedanke wurde erst mit der Nachfrage reif. Sigrid gefiel diese Idee: „Die Frau Holle kann uralt im Job werden und muss nicht wie beispielsweise eine Goldmarie irgendwann aus Altersgründen abdanken.“ Eine Sorge weniger, aber ein Sprung in die Selbständigkeit blieb ausgeschlossen, zu gering sind die Einnahmen an diesem Standort. Wovon sollte man da im Winter existieren? Also lebt das Märchenland von Fördermitteln und Projekten.
Längst aber finden neben Schulen und Kitas auch Radtouristen und Urlauber, aber auch Familien aus dem Umland den Weg hierher. Letzteren geht es darum, den schönen Garten mit all seinen Stationen anzusehen und zu nutzen, und sich etwas aus dem Märchenland erzählen zu lassen. Die Kinder können Märchen in dieser natürlichen Umgebung mit Hexenhaus und Märchenbrunnen selbst spielen. Dazu gibt es einen Kostümfundus, zum Beispiel Sieben-Zwergen-Mützen oder Kappen und Umhänge für die Sieben Geißlein.
Inzwischen lädt man Sigrid Hollendorf auch schon mal als Symbolfigur „Frau Holle“ zum Märchenfestival nach Schwerin. Im Winter gibt sie Märchenstunden in Schulen oder auch Hotels. Auf Adventsmärkten verkauft sie selbst gebautes Spielzeug, um von dem Erlös das Märchenland über die nicht geförderten Zeiten zu bringen. Nicht einfach und keine Frage, das Unterfangen könnte feste Sponsoren gebrauchen, damit Frau Holle und ihre ehrenamtliche Hexe noch lange im Walde kindliche Fantasien erwecken.

Frau Holle, Foto: Petra Elsner
Frau Holle,
Foto: Petra Elsner

Kontakt: Märchenland „Frau Holle“ des Kulturbundes e. V.
Metzelthin 1, 17268 Metzelthin, Telefon: 039885 2164, Mobil: 0174 6087218. Geöffnet von Ostern bis Ende Oktober: Mittwoch 9 bis 13 Uhr, Samstag: 9 bis 17 Uhr, Sonntag 9 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung.

Views: 753

Reportagen aus dem Schorfheidewald: Der Glücksschmied

Waldgnome von Uwe Thamm Foto: Lutz Reinhardt
Waldgnome von Uwe Thamm
Foto: Lutz Reinhardt

Im Kunstwald von Klein Dölln hat sich einer mit Waldgnomen verewigt – solange das Holz hält. Gemeinsam mit Siegfried Haase hat Uwe Thamm vor drei Jahren begonnen, den Zauberwald auszustatten. Mit skurrilen und heiteren Gebilden. Immer wenn dem Mann danach ist, kommt er von Zehdenick gefahren und schenkt Haases Wald Ideen und Zeit. Sein eigentliches Reich aber liegt an der Havel, 12 Kilometer westlich.
Wenn man durch den verwunschen-schönen Garten von Edeltraut und Uwe Thamm spaziert, sieht man es: Hier wirkt der Schmied des Glücks. Er hat Mobile in den Wind gestellt, die ihm ein Lied ablauschen oder Töne schöpfen. Dort zeigt eine Sonnenuhr die schönsten Stunden des Jahres an, allenthalben skurrile Tiergestalten. Das Grün auf Mutter Erde windet sich schöpferisch bis hinunter zur Havel und formt sich zu immer neuen Gartenzimmern – Separees für Klangkörper und Skulpturen aus blankem wie rostigem Metall, lackiert oder geölt. Auf der Terrasse thront ein Prachtstück von einem Eisenstuhl, gemacht für einen lächelnden Träumer, der nun ins Land schaut und genießt. Das kann er jetzt auch mit 70 Jahren, doch von der Leichtigkeit des Seins, künden nicht alle seine Tage.

Uwe Thamm Foto: Lutz Reinhardt
Uwe Thamm
Foto: Lutz Reinhardt

Uwe Thamm lernte einst Werkzeugmacher, das sagt schon alles: Er ist ein ganz Genauer. Und wer einer Familie mit fünf Kindern entstammt, die zu Kriegsende heimatlos in Berlin strandete, erlebte es hautnah – ohne kämpfen wird nichts. Vielleicht kommt daher sein Motto: Sei deines Glückes Schmied. Also studierte er Umformtechnik. Aber neben der späteren Arbeit als Konstrukteur, war es immer schon die Bildende Kunst, die ihn leidenschaftlich zum Tanz forderte. Als Maler, als Bildhauer in Speckstein und Holz, als Metallgestalter. Eine unstillbare Lust am Verwandeln herrscht in dem schalkhaften Manne. Aus D-Markmünzen und Uhrenrädchen gestaltet er unzählige feinste Schmuckdosen. Oder eben aus Gerätschaften aller nur denkbaren Art Kunstwesen. Beispielsweise den sagenhaften Müllkrauthai oder Eisenhummer und so manch’ anderen fiktiven Havelbewohner.
Seit 2001 leben die Thamms an diesem inspirierenden Fluss. Hausbau und Umzug nach Zehdenick wurde nötig, weil dem einstigen Pankower die Neusiedelei derart auf die Pelle rückte, dass er seine geräuschvolle Schmiede nicht mehr problemlos anfachen konnte.  So bekam Brandenburg den selbständigen Kunstschmied geschenkt. Inzwischen ist er im Ruhestand, will sich aber „jedes Jahr noch eine kleine Ausstellung“ vornehmen. Das ist wohl das Geheimnis seiner Vitalität – jeden Tag aufbrechen, etwas Neues kreieren, erfinden, schaffen, gleich welches Alters. So wächst Glück. Aber nicht nur im Stillen. Der Schmied hat sich schon immer auch gerne eingemischt, mit hintersinnigen Bildwerken oder in und für künstlerische Gemeinschaften. 1980 bis 1990 leitete Uwe Thamm die Kunstschmiede in der Präzisionsschmiede Berlin. Mit den Künstlerkollegen Gerrit Funk und Rogger Linke schuf er über hundert Objekte für den öffentlichen Raum. Zeitgleich gab er sein Wissen in einem Laien-Zirkel für künstlerische Metallgestaltung weiter. In Zehdenick war das nicht anders. Mit Workshops zu Specksteinarbeiten und Gasbeton, und den Schaffenszeiten im Kunstwald von Klein Dölln setzte er neue Positionslichter – brandenburgische  Lebenszeichen, die vom Angekommen sein künden.

Views: 1408