Am Morgen zeichnen in Schwarz-Weiß, die Fingerübung heißt „Tango“. Nachmittags Stauden schneiden, jeden Tag ein bisschen, irgendwann werde ich am Waldrand angekommen sein. In den kleinen Verschnaufpausen, die Blätter vom Stuhl schieben, ist nicht mehr viel auf der Linde. Dann wird gefegt. Überall gibt es derzeit noch etwas zu entdecken und seien es nur die kleinen Pilzlichtpunkte im Moos. Zauberhaft zart. Seit gestern habe ich leider einen neuen Defekt zu beklagen: Das linke Auge hat „fliegende Mücken“ und einen schwimmenden (nicht sichtbaren) Film über der Hornhaut. Die Ärztin meinte, dass bliebe so, schöne Schei… Es ist anstrengend so zu zeichnen und zu lesen. Altwerden ist Mist. Werde ich lernen müssen, die Tatsache zu ignorieren…
Was war das gestern für ein herrlicher Sonntag! Golden-mild und herzwarm. Mein Sohn war mit seiner Liebsten zum Essen gekommen, wonach wir anderthalb Stunden durch den Wald stiefelten, um zu Pilze suchten und auch gut fanden. So lange war ich schon ewig nicht mehr gelaufen und der Atem hielt dabei einigermaßen stand. Heut ist die Luft wieder, als müsste ich Wasser schlürfen, da ziehe ich mich lieber einigermaßen mickrig in Atelier zurück. Am Wochenende kam ein kleiner Auftrag rein, eine Zeichenarbeit, die so ganz nach meinem derzeitigen Sinn ist, wollte eh schon mal wieder in Schwarz-Weiß arbeiten. Jetzt, wo das letzte Gold von der Linde fällt und die Konturen der Landschaft wieder weit und klar werden (so nicht der Nebel dicht darin hängt), ist es ein gutes Farbmaterial zum Assoziieren. Außerdem habe ich vor kurzem einen „alten“ Kollegen wiederentdeckt, der mir zum Wochenende aus Frankfurt/Main zwei gute Bücher sandte. Lesefutter, wie schön! Da kann ich mich abends in eine Sprache versenken, die mich auch berührt, weil sie einem vertrauten Nährboden entsprang. Ich bin gespannt.
Zwischen all den Gedanken um die entstehende Geschichte ist es in diesen Tagen einfach traumschön der Vergänglichkeit zuzusehen. Die Natur welkt so verzaubernd, dass man kaum glauben mag, dass sie sich in ihren langen Winterschlaf zurückzieht. Manchmal ist es auch bei sterbenden Menschen so. Als meine Mutter im Januar 1984 an einem furchtbaren Krebs zu Grunde ging, war sie in der Stunde ihres Todes so schön, dass wir immer wieder zu ihr sehen mussten. Sie lag im Wohnzimmer auf dem Sofa, ganz entspannt, wie eine Frau am Strand in der Sonne. Die frisch lackierten Fingernägel leuchteten makellos vom Weiß des Bettzeuges. Der abgemagerte Körper füllte sich plötzlich wieder mit – ich weiß nicht mit was und sie schien ein wenig zu lächeln. Jedenfalls waren mein Vater und ich sehr tröstlich über diesen Anblick. Wir setzten uns zu ihr und tranken Schnaps bis zum Morgengrauen. Sie hatte es geschafft, alles Leid zurückgelassen. Es hockte fortan in unseren Seelen. Auf Lebenszeit. Wenn ich dieses Farbrauschen da draußen ansehe ist es mir, als wollten die leuchtenden Blätter und das goldene Licht in mir noch einmal Leichtigkeit verströmen, bevor das große Dunkel kommt.
Öffentliches Arbeiten an einer Kurzgeschichte: 4. Absatz:
… „Sie können mir vertrauen“, rief sie in den Wind. Er stutzte: „Wieso sollte ich?“ „Weil ich nicht hierhin und nicht dorthin gehöre.“ „Das sagt nur – gnadenlos mittig, mehr nicht. Außerdem gibt es auch noch die Doppelzügigen und die Doppelbödigen. Ich vertraue keinem mehr.“ „Was suchen Sie am anderen Ufer, ein neues Schicksal? Sie besitzen dort das Gleiche, sie haben es nur vergraben und vergessen.“ Die Fährfrau seufzte und dachte bei sich: und verwechseln Freiheit mit Freibeuterei an Land. Sie hatte sie alle gefahren, die das Land verhökerten und die, die es kauften. Der Trotzige dort im Wind sieht genauso heimatlos aus, wie all die anderen, die sie an das westliche Ufer brachte. Menschen, die ihren Platz verloren haben. Manch‘ Jubel war nur Euphorie des Aufbruchs, um bald schon zur versteinerten Insel zu wachsen. Dieser dort trägt schon jetzt die Härte eines Brillanten in sich. Sie schnupperte in die Böe – es roch plötzlich winterlich….
In meinem nächtlichen Traum wollte ich umziehen und meinen verstorbenen Vater mitnehmen. Ich grub ihn aus und lagerte ihn auf einem alten Sofa, während ich weiter meine Sachen packte. Plötzlich röchelte er, schnaufte, räkelte sich, stand auf, ging zum Kühlschrank und holte sich eine Flaschen Schnaps und mein Alptraum begann. Ich zog mit dem trunkenen Untoten um, versteckte ihn vor der Welt und der Vermieterin, fuhr mit ihm per Zug in die Schweiz zu einem neuen Verleger. Unterwegs wurde mir erst mein Laptop samt Rucksack geklaut, dann auch der Vater. Ich stand ohne ihn in Bern, der grauen Stadt und wusste nicht wohin, denn Namen sind für mich Schall und Rauch und mein Gedächtnis – das Laptop – war ja verschwunden. Ein Mann öffnete mir eine Tür, nachdem mich zwei Porschefahrer fast gestreift hätten, es war auch ein Verleger, der Interesse zeigte, das irritierte mich dann irgendwie doch. Ich wachte auf, kochte mir einen Tee. Was sollte das mit dem Vater, was spukt er nur durch meine Nachtgedanken? Ich ging wieder schlafen, der Traum hatte sich verdrückt… -puh. Aber wer war dieser Verleger? Ach herrje, was für Träume! Völlig gerädert bin ich heute spät erwacht und gehe jetzt lieber gleich zu meiner neuen Baustelle im Garten: Nächstes Jahr soll ein kleiner, solarbetriebener Wasserlauf gutes Klima auf meiner Kräuterspirale schaffen und vielleicht auch beim Anblick mediterrane Ruhe verströmen. Jedenfalls habe ich das Gefälle gestern schon einmal unterlegt. Jetzt gehen die Erdarbeiten weiter, dann kommt der Beton und die flachen Kiesel drauf… Habt einen munteren Tag alle miteinander!
Der Liebste war in den Pilzen und brachte einen Korb mit dunklen Maronen und knackigen Steinpilzen mit. Sie füllten vier Trockensiebe mit „Winterfutter“ und nun duftet es im ganzen Häuschen nach Pilzen. Einmal pro Woche gibt es bei uns Spaghetti mit Waldpilzen in Sahnesoße. Dieses Jahr bangten wir schon, dass vielleicht daraus nichts werden würde. Aber nun doch, die paar essbaren Pilze aus dem Garten hätten das längst nicht gebracht. Nach langer Zeit haben wir an diesem Wochenende endlich mal wieder richtige Draußentage mit Gartenarbeit, Waldläufen und Bienenfütterung. Allerdings werden wir das übliche herbstliche Arbeitsprogramm nicht schaffen, zu oft sind wir derzeit unterwegs. Im Grunde ist das auch nicht so dramatisch, denn ein unaufgeräumter Garten ist gut für die Vögel und Igel. Mein Lieblingsplatz schmückt sich derzeit mit einem wunderschönen Fliegenpilz, einer von vielen – zurzeit sprenkelt sich ein rotes Leuchten durch das Gartenquartier. Kommende Woche plane ich Schreib- und Konzeptionszeit, mal sehen, was wird. Auch ein paar Besucher haben sich angekündigt, es wird also gesellig und informativ werden. Sehr schön. Einen entspannten Sonntag wünscht Euch Petra
Gleich nach dem dörflichen Herbstfeuer am Sonnabend haben wir unsere sieben Sachen gepackt und sind voller Sorge zu den Eltern ins Erzgebirge aufgebrochen. Fünfeinhalb Stunden stockender Sonntagsverkehr. Nun pendeln wir zwischen Krankenhaus und Pflegeheim. Deshalb herrscht im Blog Schorfheidewald einige Tage Stille. Das Leben diktiert einstweilen die nächsten Schritte. Den Zeichenblock habe ich dabei, vielleicht komme ich in den Abendstunden zu den noch ausstehenden Illustrationen. Habt alle miteinander eine gute Zeit, Eure Petra
Ja, war irgendwie Feiertag, aber eine Handvoll Zeichnungen drängeln, denn mein Hausverlag möchte das Silvestermärchen „Der wilde Ritt“ und zwei Weihnachtsgeschichten als drei Mini-Lektüren (wie Der kleine Apfelkönig) zum Advent auf den Markt bringen, was Kleines eben. Aber diese Teile hatten bisher nur eine Vignette und nun braucht jeder Text zwei weitere, größere Illustrationen. Ja. So entstand heute u.a. mein Schimmelreiter aus der wilden Jagd. Für heute ist`s genug.
Es war eine gute Lesung gestern im KOMM-Schwedt. Tolle Zuhörerinnen, die ihren Genuss auch im Anschluss artikulierten, was ich nicht so oft erlebe. „Ich könnte Ihnen stundenlang zuhören.“, meinte eine Frau und eine andere ergriff meine Hände und brachte sichtlich gerührt hervor: „Sie können so gut mit den Worten umgehen. Ich wollte das immer, musste mir aber eingestehen, dass es mir nicht gegeben ist.“ Dazu lächelte sie verschmitzt. All diese Frauen hatten/haben Brustkrebs und organisierten sich in dieser Selbsthilfegruppe, um einander beizustehen. Aber immer wieder schaffen es Frauen nicht, diesen Kampf zu überleben, und so leuchteten gestern drei Lichter zu Beginn der Veranstaltung – im September waren drei von ihnen gestorben. Ich hatte einen mächtigen Klops im Hals nach der erwünschten Gedenkminute. Die Anspannung war absolut im Keller, als ich nach all den trostsuchenden Worten der Versammelten, die Lesung eine halbe Stunde später begann. Eine Amazone ohne urbane Möglichkeiten muss sich immer allein aufrichten, vielleicht würde es mir schon deshalb gelingen, die Stimmung der Zuhörerinnen aufzuhellen. Ich war mir nicht sicher, aber ja, das Ansinnen ging doch auf. Das sind meine Glücksmomente.
Baumschnitt-Tage. Am Stehtisch bei der Weide wird dieses Jahr wohl keiner mehr verweilen. Saisonschluss eben. Gestern hatte der Baum noch einen Schopf, jetzt ist er Baumskulptur bis zum Mai. Die Kunst ruht an diesem Wochenende, denn der Wein ist zu ernten. Im neuen Dampfentsafter wurde daraus heute schöner Traubensaft. Der Liebste beschneidet derweil die nächsten Kopfweiden am Ende des Lesegartens. In ein paar Tagen ist im Dorf „Einheitsfeuer“, dorthin bringt er die Weidenruten. Es sind leider sogenannte Brechweiden, sonst könnte ich daraus Körbe oder Zäune flechten. Während des Bündelns des Baumschnitts habe ich die nächsten zwei Birkenpilze am Teich entdeckt. Einfach herrlich. Für die nächste Pilztestpirsch im Wald ist es heute einfach zu nass. Aber diese Woche wird das schon noch. Im Ofen schmort ein Braten, der Liebste hat beim Skatturnier einen nahrhaften Preis gewonnen – das Leben kann doch so entspannt sein… Jedenfalls in diesem Moment.
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