Morgenstunde (31)

Frostblätter

Die erste Frostnacht liegt hinter uns. Eigentlich sollten aus ihrem Zauber in mir eine  neue Geschichte oder wenigstens ein paar Zeilen dafür wachsen. Aber wir sind immer noch fertig mit dem Winterfestmachen des Häuschens. Die Aktionen scheinen in diesem Herbst irgendwie uferlos. Das Ausmisten fraß die meiste Zeit. Währenddessen wurde überdeutlich klar, ich brauche ein neues Lagerregal für meine Bücherschätze, die ich aus dem Atelier heraus verkaufe. Holz haben wir gestern schon mal erstanden, mein Liebster versprach mir es zu bauen. Doch heute schließt er erst einmal die Treppe zum Dachboden.
Die Bilderspeicherempore habe ich indes leer geräumt, so kann jetzt die Tür zum Kaltdach geöffnet bleiben und den Raum durchlüften, damit hier nichts stockt. Die Bilder verteilen sich indes überall, wo Platz scheint: Im Heizhäuschen, im Schlafzimmer… oder eingepackt auf dem Dachboden. Im Winterhäuschen ist es so recht eng geworden, aber nichts ist unmöglich … Für meine Lust auf größere Formate, habe ich zum Beispiel die „wegrollbaren“ Fahnenbilder erfunden… siehe hier:

Einige Fahnenbilder fertig zum Wegrollen.
Auf die Bilder lege ich eine schützemde  Leinenbahn, bevor ich sie aufrolle. So sind die Teile handlich verpackt. Fotos: Petra Elsner
Winterquartier für einen Teil der Bilder im Heizhäuschen.
Halb abgedichtete Treppe zum Bilderspeicher. Der wird über den Winter dem Himmel überlassen…

Morgenstunde (30)

Altes Berlin, 1992. Foto: Petra Elsner

Eigentlich wollte ich nur ein bisschen Platz schaffen im Atelier. Jetzt bin ich schon den dritten Tag beim „ausmisten“. Alte Zeitungsbelege, Papierfotos von Baureportagen – braucht heute niemand mehr. Einmal begonnen, fühle ich mich inzwischen wie ein Staubwedel. Die Heizung war Mittwochabend ausgefallen und jene Bilder, die ich im Heizungsraum schon für den Winter „eingemottet“ hatte, mussten den Handwerkeraktionen wieder weichen. Nun verstellen sie mir das kleine Zeichenatelier. Auf der Suche nach Platz ist eine große Räumwut entsprungen.  Da aber die Heizung immer noch nicht richtig funktioniert, entsteht keine Harmonie… Ohne die, wachsen bei mir keine Zeilen für die nächste künstlerische Erfindung.
Also: Baustelle erweitern. Hier ein Korb voll Bücher aussortieren, dort einen ganzen Ordnerschrank auflösen. Wohin nur damit? Die Papiertonne ist schon voll vom Lebensüberhang. Die halbwichtigen Mappen habe ich in einer Plastikbox auf dem Boden versteckt: Die Briefwechsel aus dem ummauerten Leben, die Wendemagazine und die Konzepte dazu… man sortiert den Lebensverlauf und gerät in einen Emotionsstrudel. Der rechtsfreie Raum des Jahres 1990 lächelt dabei noch einmal: Es war meine beste Lebenszeit, nie wieder war ich so mutig. „Gelohnt“ hat es schlussendlich nur als Selbsterfahrung. Ihr habt ja in der Tagesschau dieser Woche vernehmen dürfen: Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, hat die Westdominanz in den Eliten kritisiert: „Auch wenn es auf den ersten Blick mit Angela Merkel als Kanzlerin und dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck anders aussieht: In der Fläche wird die Dominanz der Westdeutschen in den Eliten immer noch als kultureller Kolonialismus erlebt“, erklärte er der „Berliner Zeitung“. Dies sei „ein Problem“. Denn „der Anteil der Ostdeutschen und ihre Identität werden dabei häufig überlagert.“ Stimmt.

Morgenstunde (29)

Blätter im Frost.

Dunkeltage, sie ziehen mich in eine seltsame Stimmung. Eine Mischung aus Melancholie und Aktionismus. Vielleicht sollte ich wirklich endlich den nächsten Krimi schreiben, das Wetterszenario der letzten Tage weht Inspirationen mit sich:

Der Milchmond sah unscharf auf einen Mord in der Heide. Atemschwere Stille schwamm durch den tödlichen Moment. Dann knackten Äste unter der Flucht einer dunklen Gestalt. Das diffuse Mondlicht würde kaum ein guter Zeuge sein, aber zwei Augen blickten starr vor Schreck durch dicke Brillengläser. Es begann zu regnen und der Blick des Beobachters zerrann im Dunkel.
Es klingelte energisch. Mehrfach. Dörte Sandig schlief noch, aber irgendjemand hatte etwas dagegen. Sie rollte sich von ihrem Boxspringbett und lief im Schlafanzug zur Hoftür. Durch den geöffneten Spalt schob sich erst Rosalies Krückstock und dann sie selbst. Die 80jährige Nachbarin kümmerte es nicht, dass sie unpassend kam, sie hatte ein dringliches Anliegen …

Wer weiß wohin mich das führt, was meint Ihr, weiterschreiben?

 

 

Morgenstunde (28)

Blätter im Wind.

Wir fühlten uns gestern Nachmittag wie Blätter im Wind. Unterwegs vom Erzgebirge waren uns plötzlich Richtung Norden alle guten Wege verstellt. Vor Dresden – Megastau, wegen drei verunfallten LKW’s.  Die Ausweichmöglichkeiten verstopften noch vor unserer Abfahrt von Aue aus. So wählten wir die gefürchtete A9, die kilometerlange Baustellen aneinander reiht – aber wir rollten wenigstens, wenn auch sehr langsam. Nach reichlich sechs Stunden kamen wir mit den Ausläufern von Herwert zu Hause an. Der Hof sah aus wie vom Winde verweht. Vor der Abfahrt hatte ich endlich die letzten Blätter von unserem Straßenlindenbaum beieinander. Der „Holländische“ hatte mich den ganzen Oktober beschäftigt… jetzt kreiselte viel versammeltes Laub aus der Nachbarschaft bei mir. Ich liebe es :)! Der dritte große Herbststurm 2017 fiel diesmal in der Schorfheide nicht ganz so schlimm aus, zerzauste nur die Landschaft. Das war auch gut so, denn wir sind noch nicht so richtig auf stromlose Notfälle eingerichtet. Selbst unsere örtliche Feuerwehr konnte sich während Sturm XAVIER nicht einmal über die Sirene zusammenrufen, auch nicht anpiepen. Was soll einem da noch einfallen? Ja, wir arbeiten daran, haben die Batterie- und Kerzenvorräte aufgefüllt und über die Anschaffung eines Camping-Gaskochers nachgedacht, aber eben noch nicht realisiert… Möge also das Sturmtief Herwert heute Nachmittag friedlich einschlafen….

Start zur abenteuerlichen Rückfahrt aus dem Erzgebirge Richtung Schorfheide.

Morgenstunde (27)

Hochnebel über der Schorfheide.

Der Tag hängt tropfnass in einer Michsuppe. Schwer im Dämmerlicht aus den Federn zu kommen, zumal der gestrige Lesenachmittag mir noch in den Kochen steckt. Schreiber, Maler, Zeichner sind Einzeltäter. Und wenn sie dann mal in die Öffentlichkeit treten (müssen), jammert meist ihr Naturell noch tagelang im Nachklang. Aber das ist nicht vermeidbar. Seit Jahren arbeite ich an meinen Auftritten, habe sogar mein extremes Lampenfieber aufstellen lassen, seither ist es besser. Die Angst ist geringer geworden, und viel Übung hat die Lesequalität und das Rollenspiel dabei angehoben.  Inzwischen freue ich mich sogar auf die allermeisten Lesungen, aber das elende Kraft verheizen dabei ist leider geblieben. Gestern hatte mich eine fitte Senioren-Runde nach Wandlitz gebeten, die es mir leicht machte, und ich hatte auch für sie auch die richtigen Texte zusammengestellt. Zum Beispiel meine  Kurzgeschichte „Gerdas Hofgesellschaft“, die sich dem Thema Älterwerden kreativ stellt. Der haben sie amüsiert gelauscht. Wer mag findet diese Geschichte unter diesem Link: hier.

Morgenstunde (26)

Vom Läuten im Walde…

Manchmal geistern sie durch meine Träume, die vernachlässigten Helden aus meinen Büchern. Da mault nachts die Baumseele Wallo mit mir, weil ich schon sooo lange nicht mehr, seine Geschichte bei einer Lesung erzählt habe. Ich habe keine Entschuldigung dafür, nur das Problem, dass ich bei elf Büchern, niemals alle gleichmäßig bedienen kann. Wie machen das nur andere Autoren?
Seit wir vor zehn Jahren in die Schorfheide gezogen sind, haben naturgemäß die regionalen Stoffe Vorrang. Meist werden die aber nur lokal verbreitet, insofern bekomme ich Leseanfragen ausschließlich aus dem Land Brandenburg. Das Großstadtmärchen „Wallos seltsame Reise“ und auch der Meander Memolos schlafen derweil auf unbestimmte in einem schwarzen Zeitloch. Sage keiner, dass wäre Luxus. Es ist eher traurig. Für die Herausgeber scheint mit der Veröffentlichung, jeweils in  Kleinauflage, alles getan. Am Ende sind die Bücher nur dort, wo ich auch bin, es bleibt ein Gehen im Kreis.

Morgenstunde (25)

Wurzeline im herbstlichen Lesegarten m Schorfheidewald.

Es ist zwar noch nicht die „Stille Zeit“, trotzdem haben die „Kleinen Dinge“ wieder einmal Zuwachs bekommen: ein fröhliches Wurzelweibchen – ein Energiebündel. Etwas spielen in der Herbstsonne, das streichelt die Seele und kitzelt die den Erinnerungen: Die Distel, die jetzt Hütchen wurde, zum Beispiel. Die Schöne hab ich mir in den späten 80er Jahren von einer Griechenlandreise mitgebracht. Der Zoll hätte sie mir beinahe abgenommen, aber bei diesen seltenen Jugendtouristreisen ins „Kapitalistische Ausland“ waren sie dann doch irgendwie „gnädig“. Nach einer Predigt über Einfuhrbestimmungen, durfte ich die paar trockenen Pflanzen  mit ins Land bringen. Damals wusste keiner von uns, ob wir jemals wieder ans Mittelmeer kommen werden. Die Disteln hatten so auch manche unsichtbare Stacheln mit der Zeit.

Morgenstunde (24)

Purpurroter Cousinot

Wir sind wieder zurück von Wind, Wellen, schleifendem Sand und dem schönen Möwengezeter. Eine gewisse Schwere hab ich mir mitgebracht, von der Strandtour von Bansin nach Swinemünde (12,5 Kilometer) und zurück bis Ahlbeck (weitere 6,5 Kilometer). Dort musste ich ein Taxi besteigen. Hab wohl irgendwie von Kraft geträumt …
Zuhause erwartetet im Briefkasten ein Paketzettel: Purpurroter Cousinot. Bei meiner Recherche zu den beliebtesten Weihnachtsäpfeln Norddeutschlands bin ich letzte Woche über ihn gestolpert und konnte nicht umhin, einen bei der Baumschule Horstmann zu bestellen. Die hat mich bei Pflanzen noch nie enttäuscht und ihr Verpackungsmaterial – Stroh im Karton – kommt im Frühling noch um rund um die Erdbeeren zum Einsatz. Auch wenn ich diese Paradiesfrucht nicht mit ins Jenseits nehmen kann, irgendwann wird dieser Baum zur Weihnachtszeit ein Kinderherz erfreuen. Leider vergeht bis Apfelbäume gut tragen viel Zeit, die ich gewiss nicht mehr habe. Trotzdem, einen Baum für die Kinder und Kindeskinder zu pflanzen ist eine feine, stille Freude. Ich hab ihn gut versorgt, den Weihnachtlichen. Der Zehdenicker Apfelmann gab mir einst den Tipp, in die Windrichtungen Osten und Westen dem Jungbaum anständig Mist ins Pflanzloch zu stopfen, damit der Baum dorthin stärkere Wurzeln ausbildet und dank ihrer, den starken Herbst- und Frühjahrsstürmen widersteht. Ich hab den guten Rat befolgt, danke lieber Apfelmann…:)

Morgenstunde (23)

Bereit zum Herbstliedersingen. Fazit: Es könnte hierzu  ein bisschen mehr geübt werden :).

Die Lieder sind gesungen, die Kürbisfratzen geschnitzt und der Kurtschlager Kürbiskönig gekrönt. Es ist Kalle, einer unserer Dorfspatzensänger, der schon vergangenes Jahr die Krone trug. Das dörfliche Herbstfest zog vor allem die Älteren und die wenigen ganz, ganz Jungen an.
Abends zum Einheitfestfeuer kamen auch die Mittelalterlichen und erzählten sich von ihren abenteuerlichen Heimfahrten am stürmischen Donnerstag.

Baumstürze auf der Waldstraße Richtung Kurtschlag. An die 25 bis 30 Stück brachen im Wind.

Kaichens Frau war zwischen zwei Baumstürzen, vor und hinter ihrem Auto gefangen. Auf der dünnen Waldstraße von Wesendorf nach Kurtschlag – im tiefen im Funkloch… Man ist beeindruckt von den Meldungen, den Rettungen und den sorglosen Schleichwegen, die mancher kühn (oder leichtsinnig) durch den versperrten Schorfheidewald nahm.
Nun denn, wir werden uns an solche stürmischen Ausnahmezustände „gewöhnen“ müssen. Denn sie werden mit dem Klimawandel kommen.
In der nächsten Woche herrscht hier  im „Schorfheidewald“ Blogpause, wir nehmen einfach Mal ein paar Tage frei.

Morgenstunde (22)

Ohne Strom.

Ohne Strom. Gestern gegen 17 Uhr wurden wir auf ungewisse Zeit in Urgroßvaters Zeiten zurückkatapultiert: Kein Licht, kein Wasser, keine Heizung, kein Herd… Bei Kerzenlicht haben wir den Abend verbracht. Ein kleines batteriebetriebenes Radio half uns dabei. Dazu haben wir stundenlang Backgammon gespielt. 1.27 Uhr war das Licht zurück. Der Sturm XAVIER hat uns nicht weiter beschädigt – ein Glück. Aber ohne Strom, da wird einem wieder einmal klar, wie leicht verwundbar wir mit unserer modernen Technik sind. Mit dem schnellen Internet ist zugleich das Festnetztelefon an die Internet-Telefonie angeschlossen – heißt, auch das ging natürlich nicht. Unser Schorfheidedorf liegt im Funkloch … Alternativen via Handy gibt es also nicht. Da sollte wirklich keiner in Not geraten. Ich habe am frühen Abend noch versucht ein Weilchen bei Kerzenlicht etwas zu arbeiten, aber auch das war sehr eingeschränkt. Ein paar Sprüchevögel sind es nur geworden. Produktivität ohne Elektrizität ist eben nicht… Dafür gab es lange, gute Gespräche.