Von den Scherben, die eine Welt bedeuten

Das Unternehmerpaar Christel und Wolfgang Titze-Manigk eröffnen ihren Besuchern die weite Welt der Keramik. Foto: Lutz Reinhardt
Das Unternehmerpaar Christel und Wolfgang Titze eröffnen ihren Besuchern die weite Welt der Keramik. Foto: Lutz Reinhardt

Sie sind beide Profi bis in die letzten Haarspitzen,  auch im Älterwerden. Unterwegs gereift, ist es profundes Wissen und die Routine, die immer wieder neu den Drang nach Perfektion aufruft. Christel und Wolfgang Titze waren als junge Menschen Vollblutjournalisten, später Chefredakteure. Nach der Wende gründeten die Zwei eine Agentur und entwickelten aus ihren Erfahrungen heraus Werbekonzepte für Unternehmen. Unter anderem für den Traditionsbetrieb Carstens-Keramik in Rheinsberg. Das sind die mit der bauchigen Kanne, die wohl auf jedem DDR-Abendbrottisch stand. Braun, marmoriert, gelber Musterkranz. Gewiss, ihre Agentur „futur press“ entwickelte sich gut, aber der atemlose Überlebenskampf forderte irgendwann Tribut. Die Gesundheit streikte. Damit schwand die Lust am Konzepten für andere.
Wolfgang Titze hatte in der 90er Jahren nebenberuflich Töpfern gelernt. Seither wuchs in ihm ein großes Faible für dieses Metier und eine Sammelleidenschaft. Als zweites Standbein betrieben die Zwei schon seit den 90ern eine Keramikscheune in Buckow in der Märkischen Schweiz. Als ihnen schließlich 2008 das Keramikhaus in Rheinsberg angeboten wurde, zögerten sie nicht lange. Es reizte, das einst entworfene Werbekonzept selbst umzusetzen. Sie verkauften ihre Agentur und stiegen in ihr nächstes Abenteuer ein.
Eigentlich wollten sie nun ein anderes Tempo leben, doch gemächlich – geht nicht. Christel und Wolfgang sind jetzt 64 Jahre alt, und sprühen immer noch diese Art von Leidenschaft aus, die mitreißt und Qualitätsmaßstäbe setzt. So wundert es kaum, dass sie inzwischen das Keramikhaus in der Rhinstraße 1 zur feinen Perle poliert haben. Hinter der Ladentür eröffnet sich einem die weite Welt der Keramik. Gekonnt inszeniert findet der Besucher ganz unterschiedliche Handschriften vor. Neben dem Fabrikverkauf von Carstens-Keramik präsentieren die Geschäftsführer ihre Entdeckungen: Oxidische und nichtoxidische Keramik, Feinkeramik, Grobkeramik, Aufbau-, Dreh- und Gießkeramiken. Vieles noch handbemalt. Alle dargebotenen Objekte sind gekauft und nicht nur in Kommission genommen. „Es ist unsere Art, fair mit den Handwerkern und Künstlern umzugehen“, erklärt es Christel Titze wie in einem Nebensatz. Im Vordergrund steht natürlich die Rheinsberger Manufaktur Carstens, deren Geschichte bis ins Jahr 1901 zurückreicht. Formen und Dekore, die damals für das Feinsteinzeug entstanden, bestimmen noch heute die Produktion. Seit 1762 wird übrigens in Rheinberg ohne Unterbrechung Keramik hergestellt.
Zwischen all den Scherben, den klitzekleinen Gussstücken und riesigen handgedrehten Gefäßen von der Scheibe bekommt man eine Ahnung vom ältesten Handwerk der Welt. Man sieht unterschiedliche Stile der Glasuren – welche mit Ascheanflug oder Salzbeigaben. Und durch die Herrlichkeit dieser Schau führt die Chefin souverän, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. „Porzellan ist nur eine Fassette. Es gibt Keramiker, die mit Porzellan ganz anders umgehen. Die glasieren es nicht, es kann rohe und matte Oberflächen haben …“ Ein paar Nischen weiter erzählt sie: „Das hier ist unsere ‚Galerie der Unikate’ mit künstlerischer Keramik. Seit 2009 sponsern wir einen Wettbewerb der Töpfer, die an Rheinsbergs Töpfermarkt teilnehmen. Für den Wettbewerb geben wir ein breit interpretierbares Thema vor. Zum Beispiel „Deckel drauf“ oder ein Zitat des Kronprinzen. Dieses Jahr heißt es ‚Auf drei bis sechs Füßen’. Das Interesse der Kundschaft an diesen Unikaten wächst inzwischen spürbar.“
Gewissermaßen im Hinterzimmer wächst indes still ein musealer Bereich. Es ist nicht zu übersehen, dass sich hier auch Wolfgangs Sammelleidenschaft auslebt. In dem kleinen Raum wurden erstmals zum 100. Jahrestag von Carstens Keramik die wichtigsten Stücke aus der Produktion von 1900 bis 2000 zusammengetragen. Gefunden auch in Tauschbörsen. Eine ständige Ausstellung über die Historie der Töpferei wird in den nächsten Monaten hier entstehen. Titzes sind längst europaweit unterwegs – auf Messen, Märkten, in Keramikateliers und haben etliche Töpferfilme aufgestöbert. Die werden bald in ihrem kleinen Museum Schleife laufen.
Aus der Überlegung heraus: „Wie nimmt man den Menschen die Berührungsängste gegenüber der Scheibentöpferei?“, entstand die Idee, besondere Tassen zu präsentieren. In einem Setzkasten für Hundert Stück. „Der ist zu unserem Türöffner zur Scheibenkeramik geworden. Denn Tassen sind so etwas Alltägliches – danach greift man unwillkürlich“, erklärt Christel Titze den Hintersinn. Neben gelegentlichen Personalausstellungen sind jetzt in dieser Schaustelle „Hundert schönste Tassen“ von unterschiedlichen Töpfern zu entdecken – als aufschlussreiches Detail im Gesamtbild.
Das Geheimnis, ein Thema durch gekonnte Akzentsetzung immer wieder neu und spannend aufzumachen, zieht sich magisch durch diesen schönen Ort. Gelebte Erfahrungswelt. Und dann ist da noch die Sache mit dem Becher, ihrem Rheinsbergbecher, ein limitiertes Sammelstück. Christel Titze erzählt:

Keramikkünstler Karl Fulle entwickelte den Jahresbecher Rheinsberg 2011 – eine limitierte Sammleredition. Foto: Lutz Reinhardt
Keramikkünstler Karl Fulle entwickelte den Jahresbecher Rheinsberg 2011 – eine limitierte Sammleredition.
Foto: Lutz Reinhardt

„Wir wünschten uns ein eigenes Rheinsberg-Souvenir. Der ortsansässige Keramikkünstler Karl Fulle drehte schon immer Becher. Aber nun entwickelte er für uns den sogenannten Rheinsberg-Becher, oder genauer gesagt: einen Jahresbecher. Mit ihm wollen wir zeigen, dass die Geschichte der Stadt Rheinsberg eng mit der Herstellung von Keramik verbunden ist.“ Angesehene Künstler wurden in den Folgejahren gebeten, einen Jahres-Rheinsberg-Becher zu kreieren. Doch Vorsicht! Diese besondere Edition zielt darauf „die Leute mit unserer Leidenschaft für Keramik zu infizieren“, verrät die Unternehmerin. Sie lächelt dazu vielsagend, denn sie weiß, dem kann man sich nicht wirklich entziehen.

Kontakt: Keramikhaus, Rhinstraße 1, 16831 Rheinsberg
Tel.: 03 39 31 341 56
info@keramik-haus-rheinsberg.de

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Johann im Eichenbaum

„Aus der Pfalz in die Schorfheide“  – Ronald Gerhardts literarische Chronik über Friedrichwalde

Wer nach Friedrichswalde kommt, den grüßt am Ortseingang ein lebensgroßer Holzschuhmacher aus seiner Werkstatt und lädt den Passanten zum Rasten ein. Seit dem 26. November 2005 ist dieser Holzmann das neue Wahrzeichen des Ortes, der unter Friedrich II von Pfälzer Kolonisten besiedelt wurde. Im Gepäck hatten jene ein Handwerk, das im heutigen Friedrichswalde eine Renaissance erlebt – als touristische Attraktion und als historische Wurzel. Ronald Gerhardt hat die Geschichte Friedrichswalder Siedler als literarische Chronik aufgeschrieben, die bei Books on Demand für 7.90 Euro erschienen ist. Auf 140 Seiten erzählt der Autor faktengespickt, in klaren Sprachbildern. Als Klammer vom Damals zum Heute hat eine selbst ersonnene Legende als Brücke über die Zeit gespannt – die Legende von Johann im Eichenbaum. Verbannt wegen eines Waldfrevels, grüßt er heute befreit und kündet von einer langen Geschichte. Die hat Ronald Gerhardt in seinem Taschenbuch „Aus der Pfalz in die Schorfheide“ unterhaltsam notiert.
Petra Elsner

Cover
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„Aus der Pfalz in die Schorfheide“,  Ronald Gerhardt, ISBN 978-3-8391-5020-7

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Werknotiz: Traumzeit

Der Narr ist Anfang und Ende. Nicht von jeher. Vor Zeiten, als Mann und Frau noch ein All-Eines waren, fürchtete es nichts und niemanden. Denn es braucht ein Zweites, um sich zu fürchten.
Unverletzlich schwebte das All-Eine durch Raum und Zeit. Die Götter beneideten diesen perfekten Kosmos, weil er sich selbst genug war. Und so schickten sie ihm einen Traum. Den vom Zweisein. Fortan begann das Fürchten und Sehnen nach dem ehernen Band der allumfassende Liebe. Darüber ist der Welt ihr Ur-Grund abhandengekommen.
Aus dem Mangel wuchs der Narr als lachender Dritter.
Nur im Schlaf ruhen die Wesen noch in sich selbst, schauen in ihr inneres All und sehen die unglaublich kraftvolle Fülle darin.

Männer und Frauen 2 von anno knips, Zeichnung: Petra Elsner
Männer und Frauen 2 von anno knips, Zeichnung: Petra Elsner

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Herren auf Tour

Anmerkung: Die Linde ist seit dem 1. August 2017 geschlossen.

Auch wenn es zum Vatertag nur unterkühlte 10 Grad und Nieselregen gab, die schnieke Herrenriege vom Döllnfließ ließ es sich nicht nehmen, im gebügelten Frack aufzubrechen, um einen froh-gelaunten Tag am nordwestlichen Rand der Schorfheide zu verbringen. Die Männer aus Kappe und Kurtschlag wählten ihren ersten Boxenstopp in Schluft.
In dem kleinsten Örtchen der Gemeinde Schorfheide siedeln 114 Menschen und etwa ebenso viele kamen am Vatertag per Rad oder originellem Gefährt. Gastgeber war, wie jedes Jahr, das Wirtspärchen Angela und Burghart Repkow, das in seinem urigen Landgasthof „Zur Linde“ wegen der kühlen Temperaturen vornehmlich Kaffee ausschenkte. Für die kulinarische Versorgung hatten die Zwei sich Verstärkung aus Zehdenick geholt: Der Imbiss Winkelmann sorgte auf der Festwiese für die mannhafte Stärkung der wackeren Pedalritter und Kremserkutscher, die nett verkleidet, den Himmelfahrtstag huldigten. Die Schlufter Nachbarschaft saß indes in Vordachlauben oder an blank geputzten Fenstern und schaute höchst amüsiert dem bunten Treiben zu. Stunde um Stunde tourten neue Gäste ins Quartier, bis schließlich im 18 Uhr der Letzte aufbrach und zugleich der Himmel endlich Sonnenstrahlen freigab. Ein bisschen spät für diesen herrlichen Tag.

Vatertag am Döllnfließ Foto: Petra Elsner
Vatertag am Döllnfließ
Foto: Petra Elsner

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Im Lesegarten wird es frühsommerlich

… der Klatschmohn blüht so unglaublich und lächelt die Sonntagsgäste an …
im Lesegarten wird es gerade wieder bildschön …

Klatschmohn Foto: pe
Klatschmohn
Foto: lr

… man kann verweilen, zwischen den Zeilen,
die Landschaft entdecken und den Liebsten necken:
Immer sontags von 15 bis 18 Uhr.

Lesestele am Teich Foto: pe
Lesestele am Teich
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Akelei sprenkelt sich durchs Quartier. Foto_ pe
Akelei sprenkelt sich durchs Quartier.
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... und Fingerhüte im Halbschatten ... Foto: pe
… und Fingerhüte blinzeln im Halbschatten … Foto: pe

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