Morgenstunde (149. Blog-Notat)

Foto: Petra Elsner

Verhuschte Tage waren das oder ein Wochenwirken von Murphys Gesetz – alles, was schiefgehen kann, ging schief: Mit dem Auto in Berlin liegengeblieben, erst nach vier Stunden einen Mietwagen bekommen. Die Reparatur sündhaft teuer für das bisschen Seilzug der Schaltung, beim Apotheker das falsche (weil preiswertere) Mittel bekommen, weil da ein Kreuz im Rezept fehlte, vertrage ich nicht, also lasse ich es weg, … x neue Kleinbaustellen im Haus. Die Tage verlieren in dieser Märzwoche ihre Struktur und es wird nichts so recht fertig. Für eine, die sich jahreslang selbst optimierte – als Selbständige – ist das nervig. 25 Jahre freiberufliches Arbeiten machen halt streng, mit sich und bestimmt auch mit anderen. Eigentlich bin ich ja seit anderthalb Jahren dabei, leiser zu treten, aber wie macht man das? Es gelingt mir im Grunde nur da, wo einfach nix mehr geht, weil etwas streikt. Aber selbst dann schleiche ich an den Computer und höre weg … Heute aber will ich noch etwas Schönes schaffen: Ein Layout für die Bademantelgeschichte. Es wird dann die 6. Kurtschlager Edition – handgefertigte Mini-Ausgabe. Wenn das gelingt, bin ich selbst mit dieser fahrigen Woche wieder zufrieden…
Habt ein schönes Wochenende!

Memory 10: Im Winterhaus

Zuerst hing die Ausstellung „Winter im Narrenhaus“ 1996 im Beriner Galerie-Café „Scheinberg“, Immanuelkirchstraße 31, Prenzlauer Berg . Rechts sieht man das Bild „Bruderspiegel“.

Irgendwie muss ich schon vor gut 20 Jahren geahnt haben, dass ich einmal einen guten Lungenarzt brauchen werde. Im Rahmen einer Kunstförderung bot man mir 1998 eine große Ausstellungsfläche im Vivantes Klinikum im Friedrichshain an. Ich durfte mir eine Ebene wählen und endschied mich für die Station 37, den schnee-weißen Flur der Lungenklinik. Es war noch ganz am Anfang meiner künstlerischen Laufbahn, damals spachtelte ich vieldeutige, farbschreiende Figuren und nannte die Reihe „Winter im Narrenhaus“. Es war Sommer, als wir die Bilder aufhängten. Am 2. Juli sollte die Vernissage stattfinden, doch kurz vor Beginn wurde es totenstill. Ein Patient war gestorben. Wir hätten das Ganze am liebsten abgebrochen, aber die Schwestern und Ärzte baten uns zu warten. Zwei Stunden später spielte Margarete Frank auf ihrem Saxsophon leichte Variationen auf die Bilderschau. Es wurde heiter. Bademantelträger linsten aus den Krankenzimmern, schlurfen in Pantoffeln von Bild zu Bild und: LÄCHELTEN. Ein älterer Herr kam auf mich zu, ergriff meine Hand und flüsterte: „Ich habe schon lange nicht mehr so herzhaft gelacht. Vielen Dank.“ So hatte ich es mir vorgestellt, jenen, denen die Panik der Atemnot im Genick sitzt, Freude und Ablenkung zu schenken. Alles gut.

Im Scheinberg 1996 – Petra noch dunkel. Fotos: Lutz Reinhardt

Im Herbst endete die Ausstellung, doch unser Leben war plötzlich haargenau in dieses Mal-Thema geglitten. Es war winterlich und wir waren gerade die Gefoppten, die Narren ohne Glück. Damals schrieb ich als freie Autorin für ein kleines Berliner Baumagazin und mein Liebster (auch selbstständig) machte die Reportage-Fotos dazu. Der Verlag war mit der damaligen Baukrise in die roten Zahlen gerutscht und zahlte schlagartig keine Honorare mehr. Aber er schob ständig neue Aufträge nach und wir waren noch  unerfahrene Freiberufler. Wir hofften und irrten. Monatelang ging es uns echt schlecht. Ein Freund kutschierte uns schließlich die Ausstellungbilder kostenfrei mit seinem Auto nach Hause. Aber zwei passten einfach nicht mehr rein: der große Bruder-Spiegel und der Sterntaler.  Ich hab‘ sie einfach hängen gelassen, gewissermaßen als ständige Leihgabe. Längst wurde das Haus umgebaut und gewiss dümpeln die Teile inzwischen in irgendeinem Abstellraum und warten auf Erlösung. Aber vielleicht auch nicht, vielleicht erfreut sich ja einer still und heimlich an ihnen… Es wär mir recht.

Morgenstunde (148. Blog-Notat)

Zeichnung: Petra Elsner

Manchmal wünsche ich mir weniger Geschwindigkeit. Ich mag es, wenn die Dinge nicht so an einem vorbeihuschen, langsam klare Kontur bekommen. Pferdewagentempo wäre meins. Und immer schon habe ich Probleme mit neuer Technik, der ersten Inbetriebnahme. Kaum zu glauben, wie schüchtern ich vor solchen Neuerungen hocke. Es ist, als blockiere der Verstand und meine Seele jault: Nicht schon wieder… Bei neuen Projekten aus meinem Kopf ist das komplett anders, da kann es nicht schnell genug vorwärtsgehen und es kann auch immer viel davon sein.

Nur einer hat mir diesen Zugang zu Neuem federleicht gemacht: Gerdchen, der ständig angetrunkene Mathematiker aus dem vormaligen Institut für Hochenergiephysik in Zeuthen bei Berlin, wo ich bis 1992 lebte. Während des berühmten Institutsfaschings hat er mir das nächtliche Rechenzentrum gezeigt. Der russische Großrechner BESM blinzelte mir aus dem Dunkel der Halle ganz romantisch zu, seine Dimension blieb dabei rätselhaft und das zusammen hat mir doch gut gefallen. Gerd wollte nicht anbändeln, er wusste von meiner Schwester, das Mathe und Technik so gar nicht meins waren. Aber genau so eine suchte er als Testperson und ich sagte ihm dafür in dieser feuchtfröhlichen Nacht zu. Eine Woche später hockte ich vor seinem selbstgebauten PC, der für heutige Verhältnisse auch schrankgigantische Ausmaße hatte. Er gab mir drei Blätter in die Hand, die den Zugang zu diesem „Kleinrechner“ erklärten. Ich sollte einfach nur seine Gebrauchsanweisung lesen und losmachen. Starten, Funktion der Programme erkennen und einen Satz schreiben. Er verließ den Raum und ich kam doch wirklich ohne jede weitere Hilfe voran. Wir schreiben das Jahr 1979, ich saß zuvor noch nie an einem PC! Eine tolle Erfahrung für mich. Was will ich damit sagen? Es kommt darauf an, es logisch (Logik ist die Wissenschaft über die Eigenschaften der Sprache!!!) und verständlich zu erklären. Der Schreiber eines Gebrauchszettels sollte sich immer fragen: Was muss ich einem sagen, der ohne Vorkenntnisse dieses Gerät bedienen will oder muss… dann geht es auch stressfrei.

Gestern Abend also hockte ich vor der Schachtel mit dem Inhalator und fragte mich entsetzt – welcher von den zwei Mundstückaufbauten – wofür? Genau das wird nicht näher erklärt – herrje, vor der zweiwöchigen Beatmungskur stehen abermals die Schrecken des Nichtverstehens. Der Imkergatte muss es richten, weiß er schon. Nun denn, nach der Kur, soll mein Lungenvolumen wieder besser sein, das ist ein wahrer Anreiz. In der Charité hat man mir am Montag wirklich gute Hoffnungen gemacht. Aber keine Sorge, ihr lieben Leute auf der Alm oder auf Wolkenstein – auf Berge komme ich nicht mehr. Das ist zwar sehr schade, aber Flachlandlatschen ist doch auch schön…

Morgenstunde: Frühlingsboten (147. Blog-Notat)

 
 
Die ganze Woche habe ich versucht, mich mit dem Schreiben und Zeichnen zu der Kurzgeschichte „Vaters Bademantel“ von meinem Zustand abzulenken. Aber der Infekt sitzt immer noch fett unter den Rippen, zähe Sache also… Dafür hatten wir heute Morgen endlich wieder sonniges Wetter, eine gute Gelegenheit, nach den Frühlingsboten zu schauen. Etwas gerupft von zwei Sturmtagen und einer schweren Regennacht sind sie schon, aber dieses zarte Leuchten versetzt mich bei jedem Hinschauen in Hochstimmung. Hab gleich mal die Moosbetten auf den schwebenden Wilddrahtzaunkörbchen erneuert, sie werden eine gute Eiablage zum Osterfest sein.
Eigentlich wollte ich nach dem Abschluss der Kriminalgeschichte „Milchmond“ mich auf größeren Leinwänden austoben, aber, aber, dazu ist einfach keine Kraft im Speicher. Also Schreiben, Schreiben, kleinteilig Zeichnen, was solls, es lümmeln vielleicht auch genug Gemälde im Fundus rum….
Habt einen entspannten Sonntag alles miteinander,

Eure Petra

Morgenstunde (146. Blog-Notat)

Heute geht gar nichts mehr, ich schniefe nur noch vor mich hin, die Bettzipfel winken sehr, das Hirn ist matschig… Aber eine Maus für die Bademantelgeschichte ist gestern Abend noch gewachsen… Text folgt, wenn der Kopf wieder klar ist und der Atem nicht so rostig klingt…

Machts gut derweil!

Zeichnung: Petra Elsner

Zeitschatten 5

Petra Elsner: Zeitschatten 5, 2019

Kleine Spachtelei, Acryl auf Karton, 14 x 24

Morgenstunde: Dorfpremiere (145. Blog-Notat)

Kurz vor 19 Uhr im „Mittelpunkt der Erde“. Unmittelbar vor Lesebeginn mussten noch etliche Stühle herbeigeschafft werden. Etwa 40 Gäste waren bei der Manuskriptlesung dabei. Foto: Petra Elsner

Als mein Liebster mir nach dem Korrekturlesen sagte, er sei viel zu dicht dran, als dass er was zu dem Text sagen könnte, war ich verunsichert – wie meinte er das nur? Einen Tag später konnte er es formulieren, worüber ich noch nachdenken sollte. Zwei Kleinigkeiten, die ich dankbar annahm, aber die Verunsicherung blieb in mir hocken bis in die Abendstunde, als die Lesung begann. Es kamen mehr Menschen als ich erhoffte in unser kleines Dorf und ehrlich, es war ein gelungener Abend… Es war 55 Minuten lang so still, dass ich fast meinen Atem hörte. Mit dem letzten Satz: „Nebelschleier flossen um die erdigen Füße der Moosgestalten, die verschwanden als aus dem Dorfkrug ein Paar in die Nacht trat.“ – öffnete sich die Kneipentür und ein Paar trat verspätet um eine satte Stunde ein und alles lachte schallend. Ich weiß nicht, ob die Beiden jemand aufklärte, weshalb das Gelächter losbrach, sie waren schnell wieder verschwunden, aber das wird sich finden.
Man selbst ist ja nicht wirklich realistisch in den Bewertungen eigener Auftritte, aber es kam von allen Seiten Lob und Anerkennung, dass ich denke, es ging wohl in Ordnung. Besonders dankbar bin ich unserem Kurtschlag-Redakteur Manfred Lentz, der noch heute Nacht eine tolle Besprechung hinlegte, die über den Abend gut Auskunft gibt, hier geht es zu dem Link

Bildschirmfoto von der Startseite. Auf kurtschlag.de bitte ein bisschen weiter runter skrollen, dort findet Ihr den Text.

Morgenstunde (144. Blog-Notat)

Heut: Leseübungen

Für den Krimi-Abend am Mittwoch in Kurtschlag sind heute für mich Leseübungen angesagt, denn eine Stunde laut Vorlesen, wird nie zur Gewohnheit, wenn es nicht alle Wochen geschieht. Also ran an den 25-Seiten-Block und nicht heiser werden! Diese Lesung wird nicht vom Anfang her vorgetragen. Ich beginne sozusagen Mittendrin, überspringe zwischen den Kapiteln Seiten und hoffe so einen schlüssigen Teil der Geschichte in der Lesung vorzustellen. Naturgemäß wird auch nicht das spannende Ende verraten, denn wer würde sonst den Krimi noch lesen, später, wenn das Buch erscheinen wird – irgendwann in diesem Jahr.

Worum geht es in der frei erfundenen Geschichte? Nach einem Schwesternstreit kommt Laura Acker nicht in das Dorf Sandberg zurück. Julie Acker wartet am nächsten Tag vergeblich auf ihre Ablösung bei der Betreuung der dementen Mutter. Laura scheint abgetaucht. Doch in jener Streitnacht geschah noch etwas anderes: Rosa Nagels Wald wurde geklaut, ein ganzer Hektar – einfach so. Die Polizei sieht kaum Chancen für eine Aufklärung des Diebstahls, deshalb statten die Waldbesitzer sich mit Wildkameras aus. Doch statt einem Langfinger läuft ihnen ein großer, weißer Wolf vor die Linse. Die fast vergessene Legende vom Milchmond bekommt wieder Zunder und unter dem Schnee liegt eine Tote im Flüsterlaub…
Das Dorf in der Schorfheide ist fiktiv, aber es borgt sich Gepflogenheiten und Typen aus der echten regionalen Nachbarschaft. Das Sittenporträt zeichnet durchaus reale Lebensumstände auf dem flachen Lande nach, in denen manchmal auch eine untergeht, wenn sie den Schutz der Gemeinschaft verliert.

Ort der Lesung: 27. Februar 2019 aus dem Manuskript „Milchmond“. Veranstalter ist der örtliche Kulturverein, die Lesung beginnt um 19 Uhr in der Gaststätte “Mittelpunkt der Erde” und ist offen für alle Interessierten, der Eintritt ist frei.

 

 

Morgenstunde: Klausur-Ende (143. Blog-Notat)

Atelierkarte in Arbeit…

Die Klausur ist abgeschlossen. Am 18. Februar hatte ich meinen Schorfheide-Krimi „Milchmond“ runtergeschrieben, Dienstag habe ich den Auszug für die Lesung am 27. Februar zusammengestellt und gestern standen so Sachen wie Klappen- und Rücktiteltext an. Heute beginnt mein Liebster mit dem Korrekturlesen, ihm bleibt auch wirklich nichts erspart: Erst taucht sie wochenlang täglich auf Stunden im Atelier ab und dann muss er die Ergüsse auch noch lesen – in Ermanglung eines echten Korrektors. Den einen, den ich gut kannte, der auch auf Bitten meine ersten Bücher gegenlas, ist gestern gestorben. Herzinfarkt mit 65 Jahren. Hartmut Schönfuß lebte mit seiner jungen Familie sehr zurückgezogen im lauten Berlin und so lange ich denken kann, kämpfte er ums Überleben. Er las große Literatur für kleines Geld Korrektur, vor allem aber Gebrauchsanleitungen auf Cent-Basis, die aus dem Freiberufler einen Lese-Sklaven machte, sittenwidrig und doch längst gelebte Normalität, wie in so vielen anderen freien Berufen. Sein Berufsstand gehörte zu den ersten, den die Digitalisierung schon vor 20 Jahren killte – es gibt ja Rechtschreibprogramme…, dann die Berufe der Fotografen, dann die freien Schreiber… Ihre machtlosen Schreie hörte niemand, sie waren/sind ja die vielen Vereinzelten und so lautlos. Ich bin gerade dabei meine Einladungskarte für den nächsten Tag des OFFENEN ATELIERS zu zeichnen, die thematisiert, dass ich in meinem 25. Freiberuflerjahr bin, ich würde es nicht noch einmal wagen, wüsste ich, was da auf einen zukommt…

Atelierkarte 2019 Zeichnung: P. Elsner

Flüsterlaub

Foto: Petra Elsner

Knisterlaub
flüstert laut
steigt auf mit dem Wind
Wisperlaub
weht hinauf
spielt mit dem Wolkenkind
Winterlaub
schon ganz taub
wird im März zu Staub

  1. Februar 2019

 

© Petra Elsner
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