Werknotiz: Nächtliche Maskerade oder der Schlüssel zum Mut

Mein Bild „Nächtliche Maskerade“ ist meine Phantasie auf die Schau „Alegria“ des CIRQUE DU SOLEIL. Die Karten zu dieser Europatour waren erheblich, und ich konnte sie mir damals einfach nicht leisten. Ein Freund meiner Bilder kam eines Tages zu mir und suchte sich im Atelier ein Bild für seine Liebste aus. Ein kleines, und weil er schon etliche Arbeiten bei mir erworben hatte und selbst gerade von der Steuer geschröpft war, habe ich ihm das Objekt seiner Begierde geschenkt. Wir sprachen dabei beiläufig über „Alegria” und meine Neugier darauf. Irgendwie konnte er mein Geschenk dann doch nicht so recht annehmen. Anderentags steckten zwei Karten in meinem Briefkasten, und ich war voller Freude. Ich habe niemals zuvor so eine hinreißende Mischung aus Artistik, Tanz, Theater und Show gesehen. Und die nie abtretenden Narren waren das Allerbeste dabei. Sie spielten das Spiel: Wenn ich ein König wäre, bräuchte ich einen Narren. Natürlich wäre dann der Narr des Narrenkönigs Inbegriff des Narrseins. Und beider Narrheit mündete in Weisheit … Diese Phantasie habe ich versucht in meinem Bild, das ich nach diesem Erlebnis unbedingt entwickeln und malen musste, einzufangen und auch das Motto des Stücks: „Wenn du keine Stimme hast, schrei, wenn du keine Beine hast, lauf, wenn du keine Hoffnung hast, träum.“

Es war die Zeit (1998) tiefster Rezession in Berlin, und den Künstlern ging es seinerzeit eben nicht gut. Dieses Bild war für mich gewissermaßen der Schlüssel zum Mut. Sich in dürren Zeiten nicht unterkriegen zu lassen.

Nächtliche Maserade Öl auf Leinwand von Petra Elsner
Nächtliche Maskerade
Öl auf Leinwand von
Petra Elsner

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Die Gingofrau

Aus gegebenem Anlass, weil meine Freundin Trilli schon wieder einmal das Quartier wechselt (17489 Greifswald, Domstraße 13) und man/frau sie darüber nicht vergisst (inzwischen ist sie in Erfurt…),
stelle ich hier mal ein Porträt von Ihr vor, dass aus unserer Berliner Zeit stammt:

Gabriele Trillhaase Foto: Petra Elsner
Gabriele Trillhaase
Foto: Petra Elsner

Die Ginkgofrau weht ein rauer Wind ins Café. Sie raucht einen dieser krummen Zigarillos, die an Wurzelwerk erinnern. Nach dem animalischen Arbeiten an einer Lederhaut, muss sie erst einmal abschlaffen. Den Rausch verschnaufen. Die Spiegelbilder von Gabriele Trillhaase sind Abbilder ihres Seins: naiv-sinnlich-erotisch. Die blinken und funkeln aus dem samtigen Grün-Braun-Blutrot, als sängen sie mal laut, mal ganz leise: „Sieh in Dein Selbst.“ Ja, auf die stimmigen Kompositionen ist die Trillhaase mit Recht stolz. Aber zu ihren Kritzeleien meint sie ganz ungeniert: „Ah, was sie bedeuten? Lauter kleine Pimmelmännchen.“ Sie bestellt einen Schoppen Weißen und erklärt dann doch näher: „Die geritzten Zeichnungen sind gewollte leichte Natürlichkeit. Ein Abarbeiten, um zu verstehen. Ich bin zwar ein friedlicher Mensch, aber ich werde dennoch konfrontiert mit: Einsamkeit, Alkoholismus, Gewalt, Neid, Missgunst oder mit meiner eigenen Geilheit. Ich will wissen, wie kommt das. Wenn ich’s verstehe, bin ich ruhiger und kann damit umgehen.“
Die Frau nippt am Wein und fragt mich: „Kennst Du schon meinen Ginkgo-Engel? Nein? Musst Du Dir ansehen. Gestern hab’ ich ihn abends auf der Husemannstraße postiert. Darüber einen Scheinwerfer. Ich wollte sehen was passiert. Aber es war nicht viel. Ich saß in dem Flutlicht wie unter einer Glocke und die Vorbeigehenden dachten: Dort dreht man wieder einen Film. Und wollten nicht stören. Dumm gelaufen.“ Die begehrte Sonnabendnacht auf der ächzenden Touri-Meile des Berliner Prenzlauer Berges ist vorbei und damit ein mögliches Geschäft. Sie schmaucht gelassen an ihrem Zigarillo, wirkt dabei wie die Dietrich, so herb-verführerisch-schön. Trilli weiß um ihre Wirkung. Und wenn jemand bei einem Fest darum bittet: „Ach sing uns doch ein paar Lieder von der Liebe“, dann holt sie spontan eine weiße Boa und den Kassettenrecorder herbei und verbreitet ein Glücksgefühl. Die Träumerin wandelt sich indem zum verführerischen Vamp. Süße Spätlese von Ende 40. Ihr Hunger auf Leute und kreative Suche halten sie jung und in Atem.
Anderntags. In der Husemannstraße 7 im Hof unterhält die Ginkgo-Frau ihr Atelier. Es riecht süßlich nach Leder und Salmiakbeize. Ernste Musik erfüllt kathedralenhaft die anderthalb Räume. Sinne fluten gehört zum Wachsein der Frau. Das war keineswegs immer so. Vorzeiten, in Erfurt, führte sie noch ein zufriedenes, bequemes Leben ohne Eigenart. Elektroingenieurin war sie, während ihr Mann mit der Folkgruppe „Brummtopf“ aufspielte. Sein Freitod riss sie 1983 aus ihrem Frieden. Diese bunkernde Lebenswunde trieb die Schöne mit zwei kleinen Töchtern in ein nachdenkliches Alleinsein, aus deren Schmerz mit der Zeit Schmuckstücke wuchsen: Ketten, Broschen, Reifen. Das erste Eigene. Gleich nach der Wende schon wieder passé und, inzwischen in Berlin, schon wieder die Frage. Wovon nun leben? Sie stieß auf das Ginkgomotiv und eine neue Idee: Spiegel und Leder. Ein Kontrastprogramm aus hart und weich, keimte in winzigen Augenspiegeln. Jedes Detail ein aufwendiges Einzelstück. Aber Erwerbszwänge und die bittere Erkenntnis: Du musst billiger werden nötigten sie sehr bald zur Serienfertigung mit drei Stanzeisen. Finanziell ging es nun besser. Doch: jemand hinterfragte den Stolz der Kleinproduzentin: „Und was bitte, ist mit deiner Kreativität?“ Das gab tief innen einen Stich.
Seit 1991 sprudeln nun auch großformatige Arbeiten aus Trillis Phantasie. Sie schaut auf ihren Ginkgo-Engel. Mannsgroß ist das bizarre Sinnbild karibischer Lust. Ginkgoblätter symbolisieren für die Kunsthandwerkerin: „Liebe und Zweisamkeit. Man weiß eben nicht, ob es Eins ist, das sich in zwei teilt, oder zwei, die sich in eins verbinden…“ Mit diesen fächerartigen Blättern der japanischen Silberaprikose hat sie es andauernd. Und Leute, die ihre Ledervarianten mögen, sterben nicht aus. Seit einem Jahr fertigt eine geschützte Werkstatt den zeitlosen Trillhaase-Schmuck. Auch eine Marktfrau wird indes davon satt. Trilli organisiert den Vertrieb, entwickelt neue Stücke und nimmt sich wieder Zeit für große Spiegel-Bilder. Farbenreiche, überschäumende Lebensschreie oder samtige Ruhebilder.
Sie erzählt von ihrem Schaffensgenuss: „Da liegt so eine Kuh, eine große wertvolle Haut vor mir und ich muss mich entscheiden. Wie ein Bildhauer seinen Stein beschlägt. Sobald ich die Aale draufsetze, ist die Linie vorgegeben, unveränderlich. Das ist eine schöne Herausforderung.“
Vom Schneidplatz wechseln wir hinüber in die alte Küche, die heute als Färberei dient. Zwischen gestapelten Töpfen erklärt sie weiter: „Sind die Linien geschnitten, werden die Ornamente, Figuren oder Linien mit Tuschen nachgezeichnet oder gefüllt. Zuletzt kommt ganz normale Holzbeize drauf. Die vermischt sich, die verschwimmt wie ein Aquarell. Oft mache ich Sachen unbewusst und begreife erst hinterher, was da passiert ist. Bei der jüngsten Ausstellung in Templin beispielsweise erfuhr ich, warum ich dunkle Spiegel-Bilder mache: Es war natürlich eins mit Ginkgomotiv. Das dunkle Leder hat etwas Sanftes. Eine Frau tritt davor und sagt: ‘Zum ersten Mal schaue ich beruhigt in einen Spiegel.’ In diesem Werk ist meine Sehnsucht nach Harmonie aufgegangen. Und das ist für mich Erfolg: Anzukommen.“
Sie hält es mit dem Spruch von Böll „Mit Ungeduld auf Geduld setzen.“ Seit die Ginkgo-Frau lernte, den Dingen (nicht untätig) Zeit zu lassen, wuchsen aus ihr unverwechselbare Schmuck- und Beziehungsstücke. Winzige „Selbstbewusstseinsspiegel“ beispielsweise mit liebevollen Texten. „Die großen Spiegel und Spiegel-Bilder“, verrät sie zuletzt, „ergaben sich mit der Zeit aus den kleinen“.

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Winter-Melancholie

360., 361. … Tag des Jahres. Von Laternenlicht zu Laternenlicht huscht eine Mädchengestalt über den Straßenasphalt. Sie singt hemmungslos traurig eine portugiesische Weise, die dreht sich und kreiselt wie ein welkes Herbstblatt, kommt mal laut, mal leise – gleich einem Echo – zurück. Da ist sie plötzlich, diese immer wiederkehrende November-Dezember-Melancholie, die die meisten irgendwann in dieser Zeit befällt. Ja, vor das schönste Fest im Lande hat das Jahr Nebelvorhänge gewebt. Die müssen durchschritten werden, so oder so. Und wenn das milde Wetter in den Dezember zieht, tanzt die Nebelfee selbst zum Weihnachtsfest ein Düsterlied. Wer sich dann dem Anflug von Winterdepression nicht ergeben möchte, steuert jetzt gegen: Die einen haben (vielleicht deswegen) seit dem 11. 11. rote Pappnasen auf, andere rennen ins Sonnenstudio, doch manche hat schon die erste Erkältung niedergestreckt. Mit der gefühlten Nasenlänge eines Ameisenbärs wird die Laune auf der Liege auch nicht besser. Zeit für ein echtes Aufbauprogramm: Johanneskraut, Zimt, Lichttherapiegerät, Vitamine … es gibt unendlich viele Variationen.
Mein Gute-Laune-Programm kostet nichts. Es schlummert in einem Schuhkarton. Darin lagern wüst: Briefe, ausgedruckte Mails, Rezepte, Ideenskelette, Kneipen-Mitteilungen, abgerissene Eintrittskarten, Skizzen – gewissermaßen die Freizeit und die Kontakte des Jahres, und eben alles, was menschlich wichtig ist und Bedenkzeit fordert. Immer an einem Schlecht-Drauf-November-Dezember-Abend krame ich mir diese Sammel-Box des Jahres hervor, schmökere und staune, sortiere und hefte schließlich das Ganze zu einem Band mit dem diesmaligen Namen „2013“. Beim nachblättern bemerke ich schlussendlich – kein so schlechtes Jahr (unterwegs, gehetzt vom Tag, war mir das gar nicht aufgefallen) und: ich lächele …

Stimmung Zeichnung : Petra Elsner
Stimmung
Zeichnung : Petra Elsner

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Unter dem Silbermond

Eine Weihnachtsgeschichte

Das Schneelicht war zu langsam unterwegs. Es wollte unbedingt zum Weihnachtsfest eintreffen, aber es stand im Stau, denn das klassische Weihnachtstauwetter hatte ihm wieder einmal die himmlische Vorfahrt genommen.
Aber das Schneelicht stand nicht allein im Stau: Unten, auf der A10, ruhte eine kilometerlange Autoschlange schon eine halbe Ewigkeit. Rauhaardackel Amadeus jaulte, denn er musste unbedingt raus an einen Baum. Genervt öffnete ihm die kleine Jola die Wagentür einen Spalt, und Amadeus peste zwischen den Autos hinüber zum Straßenrand.
Es regnete in Strömen, und vielleicht hatte deshalb der kleine Hund einen verwischten Blick, denn er sprang, als sich kaum später die Blechlawine langsam anschob, in den falschen offenen Wagen. Aber das bemerkte Amadeus nicht sogleich. Er schüttelte sich die Tropfen aus dem Fell, ringelte sich auf dem Rücksitz zusammen und schlief ein.
Jola schrie: „Neinnnnnn!“ Auch der Vater hatte gesehen, dass der Dackel in einem anderen Transporter verschwunden war. Nun folgte er diesem Wagen mit aufgeregter Lichthupe. Der Mann am Steuer brummte in seinen Bart: „Wieder so ein Drängler!“ Und als sich die Schlange endlich auflöste, trat er auf das rote Gaspedal. Verschluckt von der Landschaft, entfleuchte das Gefährt durch Raum und Zeit. Jola weinte, und der Vater glaubte seinen Augen nicht.
Im hohen Norden der Welt nahm der Bärtige den Fuß vom roten Gaspedal und landete auf einer glatten Schneepiste, die in einem alten Flugzeughangar mündete. Als der Mann die hintere Wagentür aufschob und den schlafenden Hund entdeckte, hob er seine buschigen Brauen und murmelte: „Immer, wenn man mal die Menschenwege benutzt, gibt es nur Ärger.“ Er nahm das erwachende Tier auf seinen Arm und lief schweren Schritts zum Hangar. Knarrend öffnete er die Hallentür. Ein Sternefunkeln, wie aus der Milchstraße gepflückt, beleuchtete das Geschenkdepot des Weihnachtsmanns. „Was mach ich nur mir Dir?“ Amadeus winselte verstört. Aber als ihm der Bärtige einen schönen Knochen vorsetzte, beruhigte sich der kleine Hund und begleitete fortan den Weihnachtsmann auf seinen schier endlosen Touren. Am Morgen des 24. Dezembers traf der letzte Wunschbrief ein. Der Weihnachtsmann brummte: „Da ist aber einer spät dran.“ Den Absender „Postamt Himmelpfort“ kannte er gut, nämlich als die „Brandenburgische Weihnachtspostfiliale“. Der Alte fuhr mit dem Daumen über den schönen Stempel und lächelte milde. Dann riss er das Kuvert auf und fand darin ein Foto: Mädchen mit Hund. Auf dessen Rückseite stand: „Lieber Weihnachtsmann, ich bin Jola, und dieser kleine Hund heißt Amadeus. Ich habe ihn auf der A10 verloren, kannst Du ihn mir wiederbringen?“ Der Mann nickte wortlos und zeigte dem Hund das Foto. Amadeus bellte aufgeregt. Jola schaute durch das Fensterglas in das graue Nieselwetter. Ob sich ihr sehnlichster Wunsch erfüllen würde? Kurz bevor die Dunkelheit kam, riss die Wolkendecke auf, und das Schneelicht blinzelte unter dem Silbermond das Kind an. Erste Flocken wirbelten mit der Heiligen Nacht herbei. Das Mädchen staunte in diesen wundervollen Wandel, als ein weißer Transporter vor dem Haus scharf bremste. Jolas Herz klopfte. Dieses Auto!? Sie rannte zur Haustür, hinter der ein kleiner Hund sehnsüchtig bellte.                                           

© Petra Elsner

Der Dackel Amadeus Zeichnung: Petra Elsner
Der Dackel Amadeus
Zeichnung: Petra Elsner

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Schräge Vögel auf Landpartie: Schlittenfahrt

… na, wenn kein Schnee, dann müsst Ihr es Euch eben selbst schön machen … zum Beispiel mit den winterlichen Schrägen Vögeln von mir:

Schräge Vögel auf Landpartie Zeichnung: Petra Elsner
Schräge Vögel auf Landpartie
Zeichnung: Petra Elsner

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Von Zauselwesen und Wuselwerk

Zu Besuch in der Bilderwelt von Anke am Berg:

Kennen Sie diese tollen Plakatkalender der Anke am Berg? Ein langgestrecktes Wuselwerk (42 x 119 cm) in knallbunten Farben. So viele Jahrestage, so viele Gestalten, schrullige und sehr zauselige. Den Sonntagen  ist ein sinnreicher Spruch zum Bedenken geschenkt. Das Kalendarium der besonderen Art gibt eine Ahnung von dem weiten Bilderkosmos der Zeichnerin, zugleich aber ist es auch ein bildschönes Brandenburger Fenster. Denn unter den erfundenen Gestalten sind natürlich echte Brandenburger – die lauten, aber schüchternen und im Grunde ganz herzlichen Landeskinder.

Anke am Berg Foto: Lutz Reinhardt
Anke am Berg
Foto: Lutz Reinhardt

Wenn Anke von ihren Flügelwesen erzählt – dem Grübel-Engel, den rüsselnden Wanderern, den brummige, hexigen, trötenden Wesen in Pink oder Tschitscheringrün; den Flatterpiepern, den königlichen Nixchen und dem Ritter, den satten Stubentigern, Schneemännern, wütenden Kerlen und Schneckendödels, Räubern und verliebte Glühwürmchen …  – wird sie hippelig wie diese Wesen selbst. Ist es ein Rüsseltier, von dem sie gestikulierend spricht, wächst ihr förmlich (doch unsichtbar) ein langes Nasenteil, so aufgeweckt und herzfroh erzählt sie. Spritzig und glasklar wie Quellwasser. Sie wäre eine prächtige Lehrerin für Kunst und Mathematik in Bernau geworden, doch dann kam die Wende, und alles ließ sich noch einmal neu denken und wählen. Dabei war die Lust auf kreatives Arbeiten lauter.
Zeitgleich zum Pädagogikstudium hatte Anke schon zu DDR-Zeiten das Fach Illustration in Leipzig belegt, extern. Jetzt konnte sie es wirklich werden: Illustratorin, ihr Traum.  Zunächst bei „das blatt“ als Grafikerin, dann als Art-Director bei der Kommunikationsagentur PUBLIC. Doch das war noch nicht das wirklich freie Arbeiten. Sie wollte es unbedingt (ein Glück für uns!) und streifte 2001 alle Sicherheiten ab. Seither schafft als freiberufliche Grafikerin und Illustratorin.
Inzwischen unterhält sie ihr Dachatelier im flachen Panketal. Einen Berg ist dort weit und breit nicht in Sicht.  Aber weil es in der Umgebung so viele Menschen mit dem Namen Göritz gab, wie die Frau bürgerlich heißt, wählte sie die Übersetzung aus dem Altslavischen. Darin heißt Göritz = am Berg. So kam die Anke zum Berg. Wie Sisyphus? Ein bisschen bestimmt, denn das Ende einer Arbeit ist auch immer wieder Neuanfang. Lange Zeit ohne Pause. Hunderte gezeichnete Wesen gibt es indes aus ihrer Hand. In Kinderbüchern namhafter Verlage (Aufbau, Cornelsen, Herder, Polygraphic, Schott, Westermann) ebenso wie für ein Weihnachtsbuch, das sie mit ihrer Schwester 2012 herausgab. Sie hat Christian Morgensterns berühmte „Drei Spatzen“ (Eulenspiegel)  illustriert, „Die Hexe Annabell“ (ArsEdition)  oder „Josephs Weihnachten“  im Kreuz Verlag und vieles anderes mehr. Doch es ist ein stilles, konzentriertes Geschäft, das nach 15 Jahren nach Gesellschaft ruft. Deshalb gibt die Frau jetzt Workshops, Kurse und nimmt seit drei Jahren im Barnim am Tag der offenen Ateliers im November teil. Da kann der Interessent entdecken, das sie zwischendurch auch in freier Malerei Leinwände bearbeitet, mal wild, mal verträumt – der Inspiration, nicht dem Kopf folgend – sehr spannend. Das Zeichenwerk wird weiter wachsen und auch zum nächsten Jahreswechsel dürfen wir uns alle auf einen neuen „Krims & Kram“- Kalender von Anke am Berg freuen.

Und hier ist er:

Kalender 2014 von Anke am Berg
Kalender 2014 von
Anke am Berg

Erwerben kann man ihn für nur 7 Euro bei Anke am Berg selbst: http://www.ankeamberg.de/

oder in der Galerie Bernau, im Grünbär Bernau, im Fabula Buchladen Zepernick, im Fremdenverkehrsamt Eberswalde und im Buchladen im Helios Klinikum Berlin-Buch.

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Schräge Vögel auf Landpartie: Schneevergnügen

Dieses Graugedödel der Nieselwolken kann einem ganz schön auf den Geist gehen. Als Stimmungsaufheller stecke ich Euch heute einfach mal meine schrägen Vögel im Schnee in den Tag. (pe)

Schräge Vögel im Schnee Cartoon von Petra Elsner
Schräge Vögel im Schnee
Cartoon von Petra Elsner

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Rosalie und der Gedankensammler

Eine Adventsgeschichte:

Es regnete das letzte Goldlaub, als Rosalie erwachte. Der Himmel leuchtete endlich winterblau. Zu lange saß schon ein milder Herbst im Jahr. Kein Mensch dachte daran, dass heute die Adventszeit begann. Entschlossen legte die Wolkenfrau ihr lila Dezemberkostüm an und stieg auf zu ihrer Mission. Höher und höher. Schließlich war sie zu einer mächtigen Wolke aufgequollen und begann ihren großen Wintersturm, der die Landschaft kahl fegte und eine Kunde mit sich trug: „Es ist Advent, freut euch und schmückt eure Häuser, es naht das hohe Fest!“
Rosalie sandte schwere Böen, die wie Glocken schepperten. Aber die Menschen hörten ihr festliches Sturmläuten nicht. Sie huschten einfach in ihre Behausungen, drehten die Heizkörper auf und gingen weiter angestrengt ihren Verrichtungen nach. Nur wenige setzten dem Advent schmückende Zeichen. Rosalie schauderte es. Ganz offenbar war den Menschen das schöne Dezembergefühl, das Gespür für die großen und kleinen Geheimnisse, abhandengekommen. Sie musste etwas unternehmen. Abends wetterte die Wolkenfrau an Josefs Fensterladen und bat ihn um Hilfe.

Josef schleppte all die eingefrorenen, geschmolzenen und verlorenen Gedanken. Er hatte sie in einem großen Leinensack verstaut und stapfte damit auf den Marktplatz. Zwischen Weihnachtsbäckerei und Glühweinduft wollte er an diesem Adventssonntag den Stand der guten Gedanken aufmachen. Nur die allerbesten würde Josef dort verschenken, die anderen hatte er auf seinem Speicher dem Vergessen überlassen. Hauchdünne Gespinste türmten sich dort fast unsichtbar, aber der Mann stieß an ihnen und wunderte sich, dass niemand sich ihrer erinnerte.
Josef war ein Gedankensammler. Er nahm alles, was er kriegen konnte: Große und kleine, wirre und kluge, mutige und zaghafte – eben alles, was aus anderer Leute Köpfe fiel. Ja, Josef war kauzig, aber besonders, denn er konnte Gedanken lesen. Immer, wenn jemand seinen Spinnfaden verlor und der dürre Mann in der Nähe war, pflückte er sich diesen von den Schöpfen und versteckte ihn in einem seiner Beutel. In den grünen kamen die Ökoideen, in den gelben die Neidgedanken, in den roten die Liebes- und Festgedanken, in den weißen die Nichtssagenden und in den schwarzen die Volltreffer, eben die ganz großen Ideen. Mit seinen langen, feingliedrigen Fingern, die einem Klavierspieler gehören könnten, zog Josef ein dunkelrotes Samttuch über den leeren Marktstand am Rande des vorweihnachtlichen Treibens. Der alte Schimmelpfennig hatte ihm einen abseitigen Platz zugewiesen, denn der Marktbetreiber wusste nicht so recht, was Josef mit seinem Angebot wollte. „Gedankenspende“ stand auf seiner Anmeldung. Merkwürdig, aber weil Schimmelpfennig noch Stände freihatte, sagte er dem Alten zu, hatte aber ein kritisches Auge auf ihn. Der knüpfte soeben einen nachtblauen Baldachin unter das Standdach, und als er die Lichterkette darin ansteckte, funkelten hunderte von goldenen Sternchen in dem Traumvlies, an dessen Stirnkante in großen Lettern „Gedankenspende“ stand. Dann setzte er seinen Leinensack auf die rote Verkaufsfläche, band ihn auf und wartete mit suchendem Blick.
Wie er da so stand, wurde er beobachtet. „Was verkauft der Alte?“, fragte eine rundliche Dame die Zuckerbäckerin gegenüber. Sie wusste es nicht, sagt nur, „Ab und zu pustet er Flitter in die Luft, seltsam nicht?“ Ein vorbeieilender Mann spöttelte: „Nimmst du auch gebrauchte Gedanken?“ Josef schüttelte den Kopf und ärgerte sich ein bisschen. Der Begriff „Spende“ machte offenbar nicht verständlich, was er meinte. Nicht er wollte etwas gespendet bekommen, sondern er wollte etwas abgeben. Josef kramte in seinen großen Manteltaschen und fand einen handgroßen Stoffstern, den steckte er mit einer Sicherheitsnadel über das kleine „P“, und nun stand dort „Gedankensende“. Josef nickte zufrieden.
„Bist du ein Zauberer?“, fragte ihn ein dünnes Stimmchen. „Und holst du gleich ein weißes Kaninchen aus dem Sack?“ Josef löste seinen Suchblick und sah auf das ratende Kind. Es war kaum höher als seine Tischplatte, nur eine Locke im Wind und zwei wasserblaue Augen schauten darüber. „Ach, nein, es ist ja gleich Weihnachten, da wirst du sicher Geschenke in deinem Sack versteckt haben oder?“
„Vielleicht“, murmelte Josef, „wenn Gedanken ein Geschenk sind.“
Das Kind schaute verdutzt. „Du verschenkst Gedanken? Das ist ja toll. Mein Vater vergisst alles, selbst die Feiertage, da könnte ich ihm ja ein paar Festgedanken zu Weihnachten schenken. Wäre das möglich?“
Josef nickte. „Und wieso kannst du das?“, fragte das Mädchen weiter.
„Weil ich ein Advents-Bote bin“, flüsterte Josef. Er griff in den Sack und gab dem Kind eine Handvoll feierlicher Gedanken. Rosalie hatte während ihres nächtlichen Besuches all die unsichtbaren Gedankengespinste mit Sternenstaub umzogen, so glitzerten nun die Inspirationen ganz wundervoll. „Puste sie nächsten Sonntag deinem Vater entgegen“, sprach Josef. Das Kind schloss fest die Hand und lief aufgeregt nach Haus. Als es am nächsten Sonntag erwachte, hörte es den Vater schon telefonieren: „Na, wenn Sie meinen, dass es heute noch sein muss …“. Das kleine Mädchen tapste schläfrig mit der Handvoll Sternenstaubgedanken hinüber und pustete damit kräftig den Vater an. Einen Moment lang stockte dessen Rede am Telefon, aber dann traute das Kind seinen Ohren kaum: „Wie kommen sie eigentlich dazu, mich am Adventssonntag mit so etwas zu belästigen? Das ganze Jahr über geht das schon so, aber ich habe keinen Lebensvertrag mit ihnen. Wir können am Montag weiter reden!“ Sagte es, legte auf und atmet erleichtert. Dann schaute er lächelnd auf seine kleine Tochter, nahm sie auf seinen Arm und sagte: „Weißt du, heute fahren wir hinaus in den schönen Winterwald und holen uns beim Förster einen Weihnachtsbaum, und du darfst ihn aussuchen.“
Petra Elsner

 

 

 

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Wie es zu meinen Weihnachtsgeschichten kam …

Initial für den Advent Zeichnung Petra Elsner
Advent: Zeichnung Petra Elsner

Wenn es am 24. Dezember endlich dämmerte, zog mein Vater mit seinen zwei kleinen Töchtern um die Höfe und spielte mit uns unterwegs: „Wer entdeckt den ersten Weihnachtsbaum hinter den Fenstern?“ Danach begannen wir Mädchen zu betteln: „Ach, Vati, erzähl uns doch eine Geschichte!“ Und er begann uns jedes Jahr wieder mit dieser Endlosgeschichte zu foppen:  „Es war einmal ein Mann, der hatte sieben Söhne. Da sagten die Söhne, Vater erzähl uns eine Geschichte. Da fing der Vater an: Es war einmal ein Mann, der hatte sieben Söhne …“   Ich glaube, er kannte keine andere. Wir Kinder waren immer einigermaßen froh, wenn der Weihnachtsspaziergang gegen 16 Uhr endete und uns ein Glöckchen ins Weihnachtzimmer rief, wo eine prächtige Kiefer, geschmückt mit roten Kugeln, Lametta, weißen Lichtern und funkelnden Wunderkerzen, uns erwartete. Dieses Anstaunen des funkelnden Baumes war für mich der schönste Moment vom ganzen Fest, bei dem die gesamte Familie beieinander war, die Alten und die Jungen. Es gab knusprige Nussplätzchen und selbstgebackenen Stollen. Oma sang mit brüchiger Stimme „Stille Nacht…“ und Mama zupfte dazu die Laute. Es blieb für zwei Generationen genauso.
Als meine Eltern nicht mehr lebten, begann ich Weihnachtsgeschichten zu erfinden. Mein Sohn Jan war längst erwachsen, doch ich hatte plötzlich das Bedürfnis, etwas in diese Zeit zu legen – eine freundliche Zutat für ein festliches Miteinander. Erst für Freunde, dann auch für Zeitungsleser, jedes Jahr eine neue und so kam es, dass ich mit diesen Dezembergeschichten in die Advents- und Weihnachtszeit anderer Familien geriet. Es sind inzwischen fast 30 und sie spielen dort, wo ich lebte und lebe – in der Region Ostbrandenburg, wozu für mich auch Stadt Berlin gehört.
Petra Elsner

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