Die kleinen Dinge

Blumentopf-Skulptur aus Lindenholz.
Blumentopf-Skulptur aus Lindenholz.

Heute mal wieder zwei Schaustücke zum Thema:
Die kleinen Dinge, die mein Herz erfreuen: Die Blumentopf-„Skulpturen“ – aus der Gattung: meine Spielzeuge, die im Wind wippen…

Blumentopf-Skulptur 2 aus Lindenholz.
Blumentopf-Skulptur 2 aus Lindenholz.

In 18 Tagen: Offenes Atelier

So, heute ist Jäger- und Sammlertag. Rein in das Berliner Gewimmel, dass ich inzwischen so gar nicht mehr vermisse. Aber es sind noch Passepartouts-Kartons aus dem Künstlerbedarf zu beschaffen, die in den nächsten Tagen zugeschnitten werden wollen. Bis zum Tag des offenen Ateliers sind es noch 18 Tage, die beginnt frau innerlich langsam runterzuzählen. Für alle jene, die in der Nähe wohnen und die mein Einladungsmailing nicht erreicht hat, kommt hier meine herzliche Einladung:

Einladungsmotiv - offenes Atelier am Schorfheidewald 2016. Zeichnung: Petra Elsner
Einladungsmotiv
Zeichnung: Petra Elsner

Unter den vielen Künstlern, die während der Brandenburgischen Tage der offenen Ateliers am ersten Maiwochenende dem interessierten Publikum Einblicke gewähren, lädt auch der Künstlerhof an der Schorfheide in Kurtschlag ein. Am Sonntag, dem 8. Mai besteht die Möglichkeit zu einer Werkschau. Seit 22 Jahren bin ich freiberuflich unterwegs, erst in Berlin und seit acht Jahren in Kurtschlag. Neben meinen bereits bekannten Arbeiten in Wort und Bild zeige ich diesmal neue Illustrationen zu alten Sagen, die ich auch textlich bearbeitet habe. Eine Auswahl davon wurde als Hörspiel-CD für den Sterntalerball vom Förderverein des Hospizes in Eberswalde in Zusammenarbeit mit dem ODF produziert. Seit Januar sammelt diese CD Spenden für das Hospiz Drachenkopf. Der Förderverein und das Eberswalder Museum verkaufen sie immer noch für das Stück 5 Euro (bei mir gibt es sie nicht. Gäste des Künstlerhofes bekommen diese Scheibe immer mal wieder im lauschigen Garten zu hören. Ansonsten sind von 11 bis 18 Uhr das kleine Atelier, der Bilderspeicher und bei trockenem Wetter der Bilderhof und Lesegarten zum Schauen, Verweilen und Entspannen empfangsbereit. Den Schaulustigen werden Pfadfindersuppe, Kaffee und Kuchen spendiert.

Kontakt: Atelier an der Schorfheide, Petra Elsner, Malerin & Publizistin, Kurtschlager Dorfstraße 54, 16792 Kurtschlag, Telefon: 039883 48913

Saisonales

Und draußen schiebt die Kletterhortensie die ersten Blätter. Foto: pe
Und draußen schiebt die Kletterhortensie die ersten Blätter. Foto: pe

Der Hausflur hat wieder einen Himmel, denn wir haben heute die Winterabdeckung über der Treppe zum Kaltdach geöffnet und weggeräumt. Nun strömt das Licht wieder von der Empore hinab. In einer Woche wird der Bilderspeicher dort oben eingeräumt, damit es zum Offenen Atelier (am 8. Mai von 11 bis 18 Uhr) auch dort etwas zum Schauen gibt. Doch zuvor müssen erst die klammen Wände trocknen, bevor die großen Bilder aus der Winterverpackung enthüllt und dorthin gestellt werden können. Es ist die Zeit des  Erwachens und des großen Räumens. Von jedem Dachgang kommt ein Möbel mehr vom Boden in den Garten. Fehlt nur noch die Wärme …

Moosgrün

MoosgrünDer Regentag versenkte gerade sein letztes fahles Licht im Unterholz. Moosgrün, der Waldwicht, räkelte sich auf seinem Lager aus welken Blättern, als ein Wassertropfen durch das Laubdach rann und seine Nase  traf. Platsch, nun war er wach. „Verflixter Ökowecker!“ Er rubbelte sich seine zwei Haare trocken und stülpte seine Filzkappe darüber, da wackelte plötzlich die Erde unter seinen Füßen, und es knackte mächtig. Scheinwerfer flammten auf und fluteten das Dunkel.  Panisch raffte der Wicht seine Hosen, Socken und die wunderschöne Frühstückseichel. Dazu schrie er voller Entsetzen: „Holzernter! Holzernter! Um Himmelswillen, sie werden meinen Baum fällen, gleich oder später! Wo ist nur das Zauberwasser?“ Die kleine grüne Gestalt zitterte am ganzen Leib. Eine Motorsäge kreischte auf, und Späne hämmerten zerstörerisch auf Moosgrüns Hüttendach. Der Flakon mit dem Zauberwasser klirrte von den Schlägen der harten Späne, als wollte er sagen: „Hier bin ich!“. Schnell griff der Waldwicht das Fläschchen und rutschte auf seinem Hosenboden abwärts in seinen Wurzelkeller. Da ächzte schon der mächtige Baumriese über ihm und fiel krachend zu Boden. Und nach ihm noch einer, und noch einer, die ganze Nacht lang.

Moosgrün jammerte leise in dem finsteren Loch. Seit einer Ewigkeit hauste er am Fuße dieser alten Eiche mit der Aufgabe, die Bäume zu beschützen und im Frühling mit einem Spritzer Zauberwasser zu erwecken. Doch gegen die gigantischen Holzerntemaschinen war sein kleiner Zauber völlig wirkungslos. Er hatte es versucht, keine Frage. Aber wo kein Glaube, da kein Gehör – seine Bannflüche  erreichten nicht einmal als Wispern die Ohren der Männer auf dem schweren Gefährt.  Der Waldwicht war schließlich nur ein ganz kleiner Frühlingsgeist.

Moosgrün kannte fast alle Eichen des Waldes, so um die 2000 ganz alte Exemplare. Man sah es ihm nicht an, aber er war schon vor gut drei Jahrhunderten dabei, als sie gepflanzt wurden, damals, als der Wald den Namen „Schorfheide“ bekam. Der Waldgeist liebte die mächtigen Eichen und auch jene, die indes als totes Bruchholz aus der Landschaft ragten oder zwischen die Farne gestürzt waren. Mit Moos bewachsen, sahen sie ganz samtig aus, mal wie ein schlafendes Tier, mal wie die Höhle eines Erdwesens. Lange grübelte er, was er tun könnte. Er wollte einfach nicht, dass diese mächtigen Stämme aus dem Wald verschwinden. Die zündende Idee kam ihm, als er an den steinernen Wegweisern vorbeihuschte. Sie trugen Namen und wurden von Jedermann geachtet. Deshalb? Ja, weil man dank ihrer den rechten Weg durch das weitläufige Gebiet finden konnte. Namen sind so etwas wie Merkzeichen, die den Dingen eine Bedeutung geben. Hm, das war es!  Wenn er nun den Waldbäumen einen speziellen Namen verleihen würde, was würde geschehen? Er kratzte sich seinen Kopf unter dem Filzhütchen. Hm, sie wären etwas Besonderes, und man könnte sie so nicht einfach mehr verschwinden lassen! Noch besser, wenn die Namen richtig berühmt wären wie Kunstwerke. Ha! Das ist es: Der Wald als Naturkünstler! Die Menschen würden seine Baum-Skulpturen ganz ehrfurchtsvoll betrachten, und keiner würde es mehr wagen, sie anzutasten.

Seit diesem Gedanken schuftete Moosgrün tagein, tagaus. Immer, wenn die Nacht am dunkelsten war, lief er durch seinen Wald und verteilte Namen, Künstlernamen, denn nachts war er besonders erfinderisch. Tagsüber wälzte er kleine Findlinge zu den Eichenfüßen herbei und schrieb mit Farbe die Namen seiner Waldskulpturen darauf: „Humpelnde Walküre“, „Tanzender Bär“, „Knarrender Lindwurm“, „Melancholischer Riese“, „Fromme Gouvernante“ …, und fortan witterten seine Baumfreunde, viel beachtet und deshalb behördlich geschützt, in der Zeit. Denn mit den Namen kamen die Menschen, um die Naturskulpturen zu bestaunen.

(Aus meinem Buch „Schattengeschichten aus dem Wanderland“ – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel „Die Gabe der Nebelfee“

Spende? Gerne!
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Zeitschauer 1

Zeichtschauer 1, 18x18, Acryl auf Karton, pe
Zeichtschauer 1, 18×18, Acryl auf Karton, pe

Zu den Zeitschatten die Zeitschauer. Hier die erste Assoziation.

Augenblick

Der Große Döllnsee im April 2016. Foto: Petra Elsner
Der Große Döllnsee in der Schorfheide Ende März 2016. Foto: Petra Elsner

Diese Zeit
hat nur kleine Siege,
doch große Niederlagen.
Trotzdem ist
dein Augenblick
ein Moment,
der kein Ende kennt. (pe)

Kleine Spachteleien zur Nacht

Zeitschatten, 17 x 12, Acryl auf Karton, 2016
Zeitschatten, 17 x 12, Acryl auf Karton, 2016

„Zeitschatten“ nenne ich diese Gestalten in der Landschaft… Die Erfindung dieses Titelwortes führte mich zu diesen Bildgestalten – Erst mal im kleineren Format.
Sie gehören zu meinen Arbeitsthema „Funken der Seele“.

Auf der Pirsch die Weltpolitik im Visier

In der Museumsscheune: Es gibt hier keine Zurschaustellung von Relikten. Erklärt werden der Einfluss und die Widersprüchlichkeiten der Jagd auf die Macht. Foto: Lutz Reinhardt
In der Museumsscheune: Es gibt hier keine Zurschaustellung von Relikten. Erklärt werden der Einfluss und die Widersprüchlichkeiten der Jagd auf die Macht.
Foto: Lutz Reinhardt

Die Ausstellung „Jagd und Macht“ in der Groß Schönebecker Museumsscheune:

In der Schorfheide sind Jagd und Macht seit tausend Jahren verwoben. Auch das Jagdschloss des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm zeugt davon. Seit 2009 erklärt im Schloss der erste Teil der Ausstellung die Ära Preußischer Könige und Deutscher Kaiser. Nebenan in der Museumscheune finden sich Zeugnisse, die bis in die jüngste Vergangenheit führen.

Sie ist deutschlandweit einmalig, die Ausstellung „Jagd und Macht“ in der Museumsscheune von Groß Schönebeck. Thematisch berührt sie die Umbruchzeit von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur bis in die jüngere Wendezeit unter dem Aspekt „Jagd und Macht in der Schorfheide“. Das von den Berliner Ausstellungsarchitekten Frey-Aichele-Team entworfene Konzept setzt auf Schautafeln und Videoprojektionen. Es wirft einen konzentrierten Blick auf die Zeiten, in denen in der Schorfheide Preußische Könige und Deutsche Kaiser, Nazigrößen und SED-Funktionäre ihrer Jagdleidenschaft frönten. Das spannende an dieser Präsentation ist der gewählte Grundton, der sensible Umgang mit dem Material, das in das Geheimnis der Schorfheide einweiht. Und wenn der Leiter des Schorfheidemuseums Helmut Suter dazu erzählt, schlägt sich vor dem geistigen Auge der Zuhörer ein verständliches Bilderbuch auf:

 Helmut Suter Leiter des Schorfheidemuseums: „Das ist das eigentliche Geheimnis der Schorfheide - wenn Jäger auf Pirsch sind, finden sie immer eine Basis miteinander zu sprechen. Foto: pe

Helmut Suter Leiter des Schorfheidemuseums: „Das ist das eigentliche Geheimnis der Schorfheide – wenn Jäger auf Pirsch sind, finden sie immer eine Basis miteinander zu sprechen.
Foto: Lutz Reinhardt

„In der großen Heide wird deutlich, dass sich hier über 500 Jahre nicht nur Jagdgeschichte abgespielt hat, sondern auch politische Geschichte. In der jüngeren Zeit hat in ihr Kaiser Wilhelm I. gejagt. Auf Hubertusstock logierte Friedrich Wilhelm IV.. Der war noch Romantiker mit Freude an der Natur. Es gibt da diese schöne Geschichte: ‚Der Kutscher fuhr vor, Majestät stieg ein. Der Kutscher bemerkte, Majestät ist eingeschlafen. Da fuhr der Kutsche noch eine Runden und noch eine. Am Ende des Tages schrieb Friedrich Wilhelm IV. an seine Frau: Es ist ein wunderschöner Tag gewesen. Waren draußen zur Jagd. Viel gesehen, nichts geschossen, aber gut geschlafen‘. Er war die Ausnahme. Bei Wilhelm I. ging es wirklich um die Jagd, um Eingrenzung der Schorfheide und um erlegte Stückzahlen. Otto Braun, preußischer Ministerpräsident, passionierter Jäger suchte die Ruhe in der Schorfheide. Aber er nutzte auch die Gespräche auf kurzem Wege. Hindenburg, Reichspräsident, musste sich immer beim Ministerpräsidenten anmelden, wenn er im Land Preußen zur Jagd gehen wollte. Die Schorfheide war nicht Reichbesitz, sondern Preußischer Staatsforstbesitz. Braun gab Hindenburg zwei Reviere frei, so brauchte er nicht mehr vorsprechen. Damit setzte sich fort, was der Kaiser begann: Wenn politische Gespräche schwierig waren, lud man erst einmal zur Jagd ein und später beim Schüsseltreiben sprach man über Politik. Ab 1933 entartete das alles mit dem Auftauchen von Göring als Preußischer Ministerpräsident. Ein fanatischer Jäger, der mit seinem Carinhall versuchte, auch Politik zu machen.“
In dem Ausstellungsbereich zu Carinhall erkennt man die gewaltige Dimension des Baues. Helmut Suter verweist weiter: „Das eigentliche ursprüngliche Carinhall war ein Blockhaus. Für einen Preußischen Ministerpräsidenten – warum nicht, angemessen. Aber hier sehen wir den Ausbauzustand aus dem Jahre 1942. Göring ließ sich 1000 Hektar vom Preußischen Staat auf Lebenszeit schenken. Machtmissbrauch im höchsten Grade. Die Pläne zum weiteren Ausbau bis 1953 sind ihm am 12. Januar 1945 übergeben worden. Daran erkennt man den Größenwahn im Waldesrausch: Wir schaffen alles. Das überstehen wir! Was ist schon der Krieg? Zur gleichen Zeit liefen die Konzentrationslager auf vollen Touren, an den Fronten wurde verloren und gestorben, in den deutschen Städten starben Zehntausende. Göring hat immer aus dem Vollem geschöpft und so entstand der Mythos Carinhall. Sehen Sie diese Marmorsäule? Das lässt erkennen, der Ort hatte schlossähnlichen Charakter. Erbaut als Hamburg und Berlin schon in Schutt und Asche lagen. Diese Widersprüchlichkeit zieht sich durch die ganze Herrschaftsgeschichte. Vom Kaiser bis zu Honecker, sie erkannten nicht, wenn etwas verloren war. Honecker ging noch vom 4. Oktober bis 8. November 1989 zur Jagd. Neun Tage, an denen er 36 Stücken Wild schoss! Man muss sich überlegen, was damals war: Die Unruhen im Sommer, die Botschaft in Prag füllte sich. Alles drängte nach Veränderung und Honecker geht zur Jagd und wollte die Realität nicht mehr sehen. Ein Fall für die Psychologen.“
Mit dem Niedergang der DDR wurde zugleich auch das Ende der großen Staatsjagten eingeleitet und damit endet die Schau in der Museumsscheune. Man könnte dem Leiter des Schorfheidemuseums stundenlang so weiter zuhören, denn er schafft episodenreich Zugänge zu hochbrisanten Themen. Damit der Einstieg in diese moderne Ausstellung zukünftig den Besuchern etwas leichter gemacht wird, wird es in Bälde in der benachbarten Remise auf drei Leinwänden drei erhellende Filmszenen zu sehen geben, die in das Thema Jagd und Macht und in auch die Landschaft der Schorfheide einführen.
Petra Elsner

Jagdschloss nebst Remise. Foto: Lutz Reinhardt
Jagdschloss nebst Remise.
Foto: Lutz Reinhardt

Jagdschloss Groß Schönbeck
Schloßstraße 6
16244 Schorfheide
Tel.: 033393 65272
jagdschloss@gemeinde-schorfheide.de

Offene Ateliers 2016

Eben fertig geworden: Das Motiv für meine virtuellen Einladungen zu den Tagen der offenen Ateliers 2o16. Der programmatische Text kommt dazu, wenn die Zeit ran ist, also etwa in drei Wochen …

Einladungsmotiv - offenes Atelier am Schorfheidewald 2016. Zeichnung: Petra Elsner
Einladungsmotiv – offenes Atelier am Schorfheidewald 2016.
Zeichnung: Petra Elsner

Dellwog und der Flößer

Flussgott Dellwog Zeichnung: Petra Elsner
Flussgott Dellwog
Zeichnung: Petra Elsner

Es war spät. Für einen Moment schien der Regen nachzulassen, blaue Schatten legten sich über Wald und See.  Dort schwammen Heinrichs Stämme. Morgen würden sie als Trift auf Flussfahrt gehen. Im Reisestall für Pferde und Kutschen schliefen schon die Knechte, und auch der Flößer Heinrich wollte hier ein Strohlager finden. Aber jetzt brauchte er zunächst etwas Warmes. In der kleinen Gaststube brodelte noch Kaffeewasser, und die Viehhändler und Holzaufkäufer würfelten um die besten Schlafplätze. Heinrich ging zur Feuerstelle und rieb sich die klammen Hände. Aus der Ecke neben dem Tresen lugte eine seltsame Gestalt ins Kerzenlicht. Die Wirtin reichte Heinrich wortlos einen dampfenden Becher, deutete zu dem Schattenriss in dem Winkel und flüsterte dem Flößer zu „ein Kaffeeriecher, ein Schnüffler des Fürsten.“

Heinrich wandte sich ungerührt den Spielenden zu und schlürfte den geschmuggelten Kaffee. „Will er morgen flößen?“, fragte ihn einer der Viehhändler. Heinrich nickte.

„Das wird wohl nichts werden“, raunte die Runde. „Wieso nicht?“, stutzte der Fröstelnde.

„Weil das Schleusenschütz klemmt“, murrte die Wirtin. „Wir werden hier noch alle absaufen, wenn die Pegel weiter im Regen steigen.“

„Es klemmt nicht, ein mächtiges Ungetüm hängt dran!“ knurrte einer der Viehhändler. „Wie eine quallige Saugglocke belagert es das Schütz und spritzt grüne Säure, wenn man nach ihm sticht.“

Heinrich wurde unruhig: „Seit wann hockt es da? Und gibt es gar keinen Weg, es zu vertreiben?“

Die Männer zuckten mit den Schultern, nur die Gestalt im Treseneck murmelte aus dem Dunkel: „Seit Urzeiten wandelt zwischen den Seen und den sumpfigen Niederungen der Schorfheide ein kleiner, launischer Flussgott umher. Er entsprang eben diesem See als Döllnfließ, dem, wenn man es befahren wollte, eine Locke zu opfern war. Dieser längst vergessene Wasserfürst heißt Dellwog. Wenn er wütend ist, verwandelt er sich in eine glibberige Riesenqualle, die alles aufsaugt, was sich ihr in den Weg stellt, aber ansonsten schwimmt er als bunt geschuppte Gestalt friedfertig mit den Wellen. Doch man hat dem Dellwog die Flanken beschnitten, seine Windungen begradigt, damit die Flößer das Holz schadlos aus dem Wald hinaus bringen können. Und nun stöhnt und wütet er vor Schmerz.“

Oh je, dachte Heinrich. Gewiss, das Döllnfließ war keine leicht zu beflößende Gasse, aber dass ein Flussgott dieses grün-blaue Band durch das Land zieht, wusste er nicht. Wie sollten nun seine Stämme rechtzeitig zu dem Hamburger Schiffbauer gelangen, wenn Dellwog sich nicht besänftigen ließe? Noch als alle Gäste des Krugs fest schliefen, starrte Heinrich ins Kaminfeuer und dachte nach.

Im Morgengrauen regnete es wieder Blasen und Heinrichs Stämme drohten über die Schleuse zu stürzen. Der Flößer sah, wie der strömende Regen alles an Land mit sich spülte und dabei kam er auf eine Idee: Der Mann schöpfte sich eine Handvoll Regenwasser aus einer Pfütze, sprang damit in den See und tauchte zur Quelle des Fließes. Dort unten öffnete er seine Hand und der weiche Regen floss, schob, spülte und löste schließlich den Schmerz des Flussgottes auf und schwemmte ihn davon. Heinrich stieg aus dem Wasser, schnitt sich eine Haarsträne ab und warf sie mit den Worten: „Dellwog, sei friedlich, ich achte dich!“ in die schäumenden Wellen. Dann zog er das Schleusenschütz, und seine Stämme begaben sich auf die lange Fahrt flussabwärts, hinaus aus dem Wanderland in die Welt.

(Aus meinem Buch „Schattengeschichten aus dem Wanderland“ – Schorfheidemärchen, erschienen 2010 im Schibri-Verlag ).

Neu erschienen: 2018 bei der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk in Schwedt an der Oder als Märchensammlung (30 Texte) unter dem Titel „Die Gabe der Nebelfee“

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