Meander, Kapitel 4

Die Zeit schien gefroren.
Die Zeit schien gefroren.

Kaum hatte Meander Memolos das gedacht, spürte er abermals jene magische Kraft, die ihn tief in sein Inneres zog. Spiralförmig. Irgendwie stand er währenddessen neben sich und sah, wie er an einer flachen, in sich beweglichen Scheibe hilflos hangelnd abwärts rauschte. Das Teil war schillernd Blau, fühlbar instabil, aber auch mit einer gewissen Schwerkraft umgeben. Schwindelerregend sauste der Vogel mit ihm auf einen hellen Punkt zu. Dann bremste es scharf, und trudelte um den Rand eines Gebildes, das an einen Vulkanschlund erinnerte, aus. Atemschwere Stille hing darüber. Die Zeit schien gefroren. Nichts, aber auch gar nichts bewegte sich mehr, außer Meanders baumelnde Gestalt. Er hievte sich jetzt auf das blaue Rund und dachte – einfach dankbar für das Ende des freien Falls:  „Eigentlich ein guter Ort zum Sinnieren: Kann die Zeit stehen bleiben? Offensichtlich, zumindest vor einem Schwarzen Loch oder in meinem Kopfe.“

Aber der Zustand fühlte sich merkwürdig an. Diese absolute Ruhe verströmte merkwürdigerweise Stress – einen, der schlimmer war als jeder Zeitdruck, den Meander je erlebte. Ganz erschöpft davon, wollte er sich gerade ein kleines Schläfchen gönnen, da dröhnte von weit her eine tosende Woge heran.

In der Lärmverschmutzung.
In der Lärmverschmutzung.

Unwillkürlich zog der Eulenvogel seinen Kopf ein, und er tat gut daran, denn flutartig schoss ein monströser Konvoi aus Wanduhren, Weckern, Gongs, Piepsern, Turmglocken, Stoppuhren, Chronometern, Ratschen, Schellen, Handys, Faxmaschinen und Laptops über ihn hinweg. Ohrenbetäubend mit tausenderlei Klingeltönen und Geläut. Die geduckte Gestalt schaute erst wieder auf, als der Spuk vorüber war und nur noch als Echo einer wüsten Lärmverschmutzung nachklang.

Meander, Kapitel 3

Auf Futtersuche.
Meander auf Futtersuche.

Die Nacht hing schon satt über dem Campus, als Meander sich auf Futtersuche begab. „Ha, da ist er ja endlich! Unser Professorchen hat wieder die Zeit verpasst.“ „Nein, verdichtet.“ „Quatsch, vermehrt! “ – spöttelte es aus den Baumkronen. „Seht nur, wie er torkelt. Bestimmt berechnet er gerade die relative Flugbahn einer Feder.“ Meander ertrug den Spott der Nachbareulen einigermaßen gelassen, denn er mochte es, wenn sie ihn „Professorchen“ nannten. Wer sonst nahm schon Notiz von seinen langjährigen Studien über die Phänomene der Zeit. Nur leider schliefen diese schlichten Vögel regelmäßig über seinen weit schweifenden Lektionen ein. Was für ein Jammer, dass niemand im Schwatzbaum der Eulen seine Interpretationen verstand. Aber Meander bewahrte Haltung, solange er nicht über seine eigenen Irritationen stolperte. Das konnte schon sehr albern ausgehen – als beulenträchtige Bruchlandung oder kursverpeilter Zickzackflug. Immer wenn Meander Memolos seine Gedankenwelt im Zeitraffer durchforstete und diesen Schnelldurchlauf für eine betrachtende Momentaufnahme abrupt stoppte, dann geschah so ein Dilemma. Er wusste es vorher, doch er konnte nicht anders, so sehr ihn auch manch Federnlassen verstörte – die großen Rätsel der Zeiterfahrung zogen ihn in einen geheimnisvollen Bann. Der Eulerich hob nachgiebig die Flügel und sagte sich: „Was soll’s, Wahrheitssucher ecken halt öfter mal an.“

Wieder auf Zeitgefühlsuche.
Wieder verstrickt in der Zeit.

Selbstvergessen verdaute Meander sein Nachtmahl in jener täglich wiederkehrenden Stunde, die etwas gedankenlos verstrich. Der Vogel saß im Dachbodenfenster und schaute in die Stille des Moments vor dem Morgengrauen. Etwas fehlte darin. Was war es doch gleich? Ah, die Uhr lief nicht mehr. Meander zog das alte Räderwerk auf und döste noch ein bisschen, doch das Ticken des Zeitmessers erinnerte ihn, nach seiner vermissten Schachtel zu suchen. Steckt sein verlorenes Zeitgefühl wirklich darin? Weshalb hatte er es überhaupt abgelegt? War es ihm taktlos erschienen? Wenn er in der Zeit rückwärts gehen würde, dann müsste er doch finden, wonach er suchte.

Meander, Kapitel 2

Irgendetwas schmatzte darin ungeniert, und Meander fühlte sich, als zupfte wer an seinem Gefieder. Zunehmend aufdringlicher. Erregt fragte er sich: „Was geschieht mit mir?“ Und dumpf dröhnte das Dunkel zurück:  „Du bist im Schwarzen Loch des Vergessens.“

„Wie jetzt, soll das heißen, du frisst meine Erinnerungen“, erschrak sich der Vogel. Doch der Ort antwortete nicht mehr, er schmatzte, und für Meander war klar, er musste entweder diese hinterhältige Attacke abwehren oder umgehend flüchten. Vergesslich war er inzwischen genug, und wer will schon den großen Löschlauf all seiner schlauen Zellen erleben? Um keinen Preis! Doch wie entrinnen? Schließlich verschwindet in einem Schwarzen Loch alles, was ihm zu nah kommt, selbst Licht verschluckt es unwiederbringlich.

Zeichnung: Petra Elsner
Zeichnung: Petra Elsner

Meander schüttelte sich, nein, er hatte sich nicht auf eine Zeitreise durch die Weiten der Galaxien begeben. Eben war er noch auf seinem Dachbalken gewesen. Das hier konnte kein Schwarzes Loch im All sein. Was war es dann? Eine mulmige Ahnung beschlich den Eulerich, könnte es sein, dass er während seiner gedanklichen Suche in seinen eigenen inneren Kosmos gerutscht war, in dem es alles gibt, wie im Äußeren? Du meine Güte. Und hatten sich dabei seine Gedankenströme derart komprimiert, dass sie zu einem Schwarzen Loch kollabierten? Meander Memolos schauderte der Gedanke, doch in die fatale Situation mischte sich ein Lichtblitz: Nach einer physikalischen Theorie würde alles, was so ein schwarzes Fressmonster verschluckt, von einer weißen Gegenwelt wieder ausgespuckt. Unversehrt. Sollte er darauf hoffen und warten, oder besser einen listigen Zeitumkehrtrick versuchen? Indes tickte für Meander die Zeit als Feind. In Windeseile hatte er vergessen, was er eigentlich suchte. In diesem schwarzen Raum fühlte es sich nicht mehr wichtig an. Ihm war, als verdampfe er mit jedem Pulsschlag mehr und mehr zu einem flüchtigen Gas. Panik befiel den Eulenvogel.

Wie lange er in diesem misslichen Zustand hockte, wusste Meander Memolos nicht, er hatte ja dummerweise sein Zeitgefühl verloren. Nur das Knurren seines Magens signalisierte ihm, es ist an der Zeit, Mäuse zu jagen. Indem er das gewahr wurde, verschwand das Dunkel, und der Vogel hockte erlöst auf seinem Dachbalken und wunderte sich:  „Was war das – eine Gedankenfiktion? Ein merkwürdiges Zeitspiel? Ein bedeutsamer Fingerzeig? Eigenartig.“

Von Zeitlöchern – Meander, Kapitel 1

Es hat sich geöffnet – das Sommerloch. Das bedeutet für mich meist, in die Latschen anderer Leute zu springen, heißt Urlaubsvertretungen und Lückenbüßer zu sein, denn auch Künstler müssen irgendwie Rechnungen begleichen und dergleichen….

Also: In Ermangelung von Zeit erzähle ich Euch kapitelweise eine gebrauchte Geschichte aus meiner Hand. Sie stammt aus dem Jahre 2006, und auch darin dreht sich alles um DIE ZEIT, die abhanden gekommene. Die Eulenfiktion für Erwachsene heißt: „Meander Memolos Zeitloch“

Meander
Meander

Meander – Kapitel 1:

Meander Memolos zuckte zusammen. Er hatte etwas Wichtiges verlegt oder gar verloren. Der alte Eulenvogel grummelte: „Wie kann einem nur die Schachtel mit dem Zeitgefühl abhanden kommen? Ohne die ist man doch gänzlich aufgeschmissen, weil all den skrupellosen Zeitschindern und Zeitdieben haltlos ausgeliefert. Nein, aber auch!“ Er musste sie unbedingt wiederfinden, denn Meander Memolos war besonders gefährdet. Zu viele Dinge interessierten ihn gleichermaßen. Wenn er sich beispielsweise in ein Thema vertiefte, lenkte ihn bald irgendeine Quellenangabe im Text auf einen ganz anderen Pfad, und die Quelle der Quelle auf den nächsten. So verirrte er sich leicht, und darüber verging die Zeit. Seine Zeit.

Meander Memolos war das ruhelose Faktotum einer altehrwürdigen Universität. Lange schon. Tagein, tagaus schwebte der Vogel durch deren Wandelgänge, hörte von der Empore aus in die Vorlesungen und die mehr oder weniger tiefsinnigen Fachsimpeleien der Studenten auf dem Campus. Jeder kannte ihn, aber keiner bemerkte ihn noch. Das ärgerte ihn ein bisschen – manchmal.

Meanders Quartier unter dem Dach. Zeichnung: Petra Elsner
Meanders Quartier unter dem Dach.
Zeichnung: Petra Elsner

Jetzt jedoch hockte er anderweitig besorgt auf seinem Balken unter dem Dach über dem Uni-Archiv und grübelte, wo sein Verlust stecken könnte. In irgendeiner Zeitnot muss er ihn verlegt haben. Immer tiefer kramte er in seinem Gedächtnis, bis er ganz unmerklich – erst schlingernd, dann stürzend – in jenen Sog geriet, an dessen Ende ein gefräßiges Zeitloch auf ihn lauerte.

Schwarz war es darin, ruhig und leer – bis Meander dort ankam. Der polterte: „Verflixt, wie bin ich nur in diese Finsternis geraten? Keine Feder habe ich bewegt. Was ist das – eine düstere Auszeit, eine Schwarzpause, eine Zeitfalle?“ …

Visionen

Arbeit an Bilderfahne.
Arbeit an Bilderfahne.

Eine neue Bilderfahne wächst hier.  Reichlich zwei Meter lang, 43 cm schmal Alles auf kleinstem Raum. Das Wegrollen ermöglicht mir das große Format. Heute ist das untere Ende entstanden.  Es geht mir gut damit. Zwei von diesen gestreckten Formaten sollen für meine Ausstellung „GEHEIMNISSE“ im Bernauer Rathaussaal (vom 8. November 2016 bis 13. Januar 2017) entstehen …

Flüchtige Zeit

Islandmohn
Islandmohn

Wolkengrau
webt der Sommer
flüchtige Zeit
und ein schweres Leichentuch,
dass nicht ausreichen will,
für all das Sterben in der Welt.

Ich schenk‘ euch heute diese Blume:
Islandmohn – so zart wie ein Hauch,
sonnengleich leuchtend,
herzerwärmend und tröstlich – vielleicht.

Habt alle miteinander ein friedliches Wochenende!

Klangzeit für den Frieden

Seit 2009 besteht die Kantorei Wandlitz als ein inzwischen 40-köpfiger gemischter a-cappella-Chor. Mit einem zur Hälfte geistlichen, zur Hälfte weltlichen Repertoire veranstaltet die Kantorei jährlich mehrere eigene Konzerte in der Region Wandlitz und Berlin, gestaltet Gottesdienste der evangelischen Kirchengemeinde Wandlitz und gastierte in zahlreichen Kirchen, darunter die St. Thomas-Kirche Berlin-Kreuzberg, die Kirche Alt Pankow, der Berliner Dom und die St. Laurentius-Kirche Rheinsberg. Der Chor tritt bei Festivals (z.B. Scheunenfest Schönwalde, Brassens-Festival Basdorf, Heidefest Zühlsdorf, Lange Nacht der Chöre Reformationskirche Berlin-Moabit) und Feierlichkeiten (Vernissagen, Weihnachtsmärkte, Festgottesdienste) sowie bei Veranstaltungen der Gemeinde Wandlitz (z.B. Bürgermeisterempfang) auf. Die Kantorei singt überwiegend Kompositionen in Originalsprache; die zeitliche und stilistische Bandbreite reicht vom 16. bis zum 21. Jahrhundert, von Renaissance über Gospel bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen und eigenen Arrangements. Gegründet im September 2009 unter der Leitung von Katharina Tarján, ist die Kantorei Wandlitz ein inzwischen 40-köpfiger gemischter a-cappella-Chor. Mit einem zur Hälfte geistlichen, zur Hälfte weltlichen Repertoire veranstaltet die Kantorei jährlich mehrere eigene Konzerte in der Region Wandlitz und Berlin, gestaltet Gottesdienste der evangelischen Kirchengemeinde Wandlitz und gastierte in zahlreichen Kirchen, darunter die St. Thomas-Kirche Berlin-Kreuzberg, die Kirche Alt Pankow, der Berliner Dom und die St. Laurentius-Kirche Rheinsberg. Der Chor tritt bei Festivals (z.B. Scheunenfest Schönwalde, Brassens-Festival Basdorf, Heidefest Zühlsdorf, Lange Nacht der Chöre Reformationskirche Berlin-Moabit) und Feierlichkeiten (Vernissagen, Weihnachtsmärkte, Festgottesdienste) sowie bei Veranstaltungen der Gemeinde Wandlitz (z.B. Bürgermeisterempfang) auf. Die Kantorei singt überwiegend Kompositionen in Originalsprache; die zeitliche und stilistische Bandbreite reicht vom 16. bis zum 21. Jahrhundert, von Renaissance über Gospel bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen und eigenen Arrangements.
Die Kantorei: Seit 2009 besteht die Kantorei Wandlitz als ein inzwischen 40-köpfiger gemischter a-cappella-Chor.  Mit einem geistlichen und weltlichen Repertoire veranstaltet die Kantorei jährlich mehrere eigene Konzerte in der Region Wandlitz und Berlin. Die Kantorei singt überwiegend Kompositionen in Originalsprache; die zeitliche und stilistische Bandbreite reicht vom 16. bis zum 21. Jahrhundert, von Renaissance über Gospel bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen und eigenen Arrangements.

Die Kantorei Wandlitz   ist am 17. Juli 2016 in der Zerpenscheuser Ziegelfachwerkkirche  zu Gast    

Ein Sommerabend am Langen Trödel. Das Wasser wabert friedlich durch die Zeit. Stille liegt über dem staubigen Sommergrün, bis ein blauer Kombi die Straße hinauf kommt und eine zarte Frauengestalt sportlich aussteigt und Kisten in die Zerpenschleuser Ziegelfachwerkkirche schleppt. Kaum später sind alle Parkflächen belegt und 38 Männer und Frauen tragen neben ihren schwarzen Notenmappen Bretter herbei. Vorn im Altarraum werden sie zu sechs Bühnenstufen zusammen gesteckt und in mögliche Anordnungen geschoben: Wie passen sie am besten? Einer rollt Kabel aus, verbunden taucht der Ort in rotes Licht. Die Stimmung wirkt feierlich. Aber noch übt der Organist auf der Empore, während auf dem Kokosläufer im Mittelgang plaudernde Grüppchen auf die Ansage der Chorleiterin warten. Die Chefin der Wandlitzer Kantorei Katharina Tarján agiert flink, leise fordernd: „So, ihr Lieben. Einmal alle nach vorne. Schön, dass ihr alle da seid. Wir singen an und schauen, wie wir stehen werden.“ Am Sonntag, dem 17. Juli, wird die Wandlitzer Kantorei in dieser klangschönen Kirche eines ihrer thematischen Sommerkonzerte geben. In diesen schwierigen Zeiten wählte Katharina Tarján das Thema Frieden. Und weil sie es nicht moderieren wollte, sprechen jetzt literarische Texte aus mehreren Jahrhunderten von dem fordernden Wunsch und Imperativ: Frieden! Das Herz des Sommerkonzertes bildet die „Peace Mass“ für Frauenchor und Orgel des britischen Komponisten Bob Chilcott. In Deutschland eher unbekannt, werden seine Kompositionen weltweit von Chören und aufgeführt. Der Schmelz aus Frauenstimmen und Orgel wird am Sonntag die Konzertbesucher innig berühren und fraglos mitreißen. Dafür werden sie sorgen.

Die Dirigentin: Als Tochter einer Grazer Opernfamilie wurde Katharina Tarján (Jahrgang 72) die Faszination für Musik und Musiktheater in die Wiege gelegt. Sie studierte Musik- und Theaterwissenschaft an der FU Berlin, der Universität der Künste Berlin und wurde in Gesang und Chorleitung ausgebildet. Nach festen Engagements als Dramaturgin am Tiroler Landestheater in Innsbruck und bei den Brandenburger Sinfonikern ist Katharina Tarján seit 2001 in Berlin freiberuflich als Dramaturgin, Chorleiterin und als Musik- und Theaterpädagogin tätig. Von 2004-2012 agierte sie im Leitungsteam der Berliner Kammeroper. Inzwischen lebt sie in Stolzenhagen, ist Leiterin der Kantorei Wandlitz, des Wandlitzer Kinderchors und des Hochschulchors Singin' Alice der Alice-Salomon-Hochschule Berlin-Hellersdorf. Daneben arbeitet sie als Musiklehrerin an einer Montessori-Schule, lehrt als Dozentin an der Landesmusikakademie Berlin und ist am dm-Projekt „Singende Kindergärten“ beteiligt. Seit 2014 gehört Katharina Tarján zum Team des Kinderopernhauses Lichtenberg, wo sich ihre Talente und Ausbildungen ideal begegnen. ' Fotos: Lutz Reinhardt
Die Dirigentin: Als Tochter einer Grazer Opernfamilie wurde Katharina Tarján (Jahrgang 72) die Faszination für Musik und Musiktheater in die Wiege gelegt. Sie studierte Musik- und Theaterwissenschaft an der FU Berlin, der Universität der Künste Berlin und wurde in Gesang und Chorleitung ausgebildet. Nach festen Engagements als Dramaturgin am Tiroler Landestheater in Innsbruck und bei den Brandenburger Sinfonikern ist sie seit 2001 in Berlin freiberuflich als Dramaturgin, Chorleiterin und als Musik- und Theaterpädagogin tätig. Fotos: Lutz Reinhardt

Heute Abend proben sie noch einmal für diesen Anspruch. Atemübungen. Die Verspannungen aus dem Körper fallen lassen, um ihn neu aufzubauen. Wirbel für Wirbel. Die Mitte finden, aus ihr heraus ritualisierte Töne hervorzubringen. Als Lippenstrudel, Summen, verschiedene Vokalklänge, laut-leise. Aus dieser „Gymnastik“ fließen quellhelle Stimmen in einen Kanon, der ganz wundervoll von der Akustik dieser Kirche getragen wird. Jetzt sind die Choristen bereit. Und ihre Leiterin sagt sehr präzise, doch respektvoll, wo winzige Details noch geändert werden müssen. Das klingt dann so: „Es dürfen Bass 1 und 2 und Sopran 2 ein bisschen leiser.“ Sopran 2 schaut überrascht, aber reagiert kommentarlos.

Sie kennen sich seit sieben Jahren. Den Anspruch für diesen eingespielten Laienchor formuliert die Freiberufliche Chorleiterin: „So gut wie möglich!“ Das wird deutlich an diesem Probenabend. Die scheinbare Leichtigkeit fließt aus Fleiß und einer gewissen Strenge. Ja, sie suchen noch männliche Stimmen. Aber nicht um jeden Preis. Es wird ausgewählt, die Stimme muss sich einfügen in den vorhandenen Chor. Die Herren der Kantorei präsentieren übrigens am kommenden Sonntag auch ein männliches Solo: “Am Wandlitzsee muss Liebe blühn“ von Karl Alfred (1877-1935). Das zelebrieren sie leichtfüßig und erinnern dabei an die “Comedian Harmonists“. Mit “Back in the U.S.S.R.“ von den Beatles reißt am Konzertende der gesamte Chor seine Besucher von den Bänken.Sie werden berührt sein.

Chorkonzert in der Zerpenschleuser Ziegelfachwerkkirche
mit der Wandlitzer Kantorei, a cappella und Chor & Orgel u.a. die „Peace Mass“ von Bob Chilcott für Frauenchor und Orgel

Eintritt frei, Spende erbeten!

 

Bruder Albrecht führt in die Welt der Mönche

Chorin. Einen Museumsführer für Kinder im Taschenformat hat das Kloster Chorin kurz vor den Sommerferien herausgegeben. Spielerischer Mittler zwischen den Fakten und Geschichten ist die Handpuppe Bruder Albrecht.

Museumsführer
Im handlichen A6-Format: Der Klosterführer für Kinder ist gerade frisch erschienen.

Bruder Albrecht begrüßt die kindlichen Gäste auf der ersten Seite und beginnt in einfacher Sprache von seinen Klosterbrüdern aus dem Mittelalter zu erzählen. Wer die Zisterzienser waren und wann sie in Chorin und anderswo lebten. Wie ein Schatten huscht die Handpuppe durch das Heft im A6-Format und natürlich auch durch das Kloster.

Theater- und Kulturwissenschaftlerin Katharina Fial hat die Figur des kleinen Mönches für die Museumspädagogik geschaffen. Die wache Gestalt mit den großen, neugierigen Augen bekommt vom Leser oder Hörer bei den Klosterführungen sofort ungezügelte Sympathie. So gelingt ihm die Rolle des spielerischen Mittlers zwischen den kleinen Klostergästen und dem riesig wirkendem Bau des Klosters.

Der Klosterführer „Über Prinzessinnen, Ritter und Mönche“ schafft es, große Themen jeweils auf eine Seite zu bringen. Wer sind die Zisterzienser und wie kleiden sie sich? Zu der Frage: Wie entstand diese mächtige Kirche? Die Kinder erfahren, wie die etwa zwei Millionen Backsteine hergestellt wurden. Vom Ziegelhandstreichen geht es in das Innere – zum Wandelgang und Bergahorn im Innenhof des Klosters. Der Leser wird aufgefordert, eine Runde in Stille zu laufen. Auszuprobieren, wie es sich in Stille gelebt haben muss, ist der Sinn dahinter. Und so pragmatisch geht es weiter: Es werden Symbole in den Formsteinen erklärt und wie die Krabben an den Giebeln den kolossalen Baukörper luftig wirken lassen.

Die folgenden Seiten besprechen die Grabplatten in der Klosterkirche. Wir erfahren die Geschichten hinter der Gedenkfliese. Beispielsweise die Liebesgeschichte von Prinzessin Constantia und Konrad I. von Brandenburg. Eine andere Keramikfliese erinnert an Markgraf Otto IV. und seine Frau Heilwig. Und natürlich fehlt auch nicht die Sage von den Fröschen. In der fühlten sich die singenden und betenden Mönche von dem Gequake der Frösche so gestört, dass sie die Tiere verfluchten, weil sie die göttliche Andacht störten. Da wurde es still am See und das blieb auch so.

Seiten weiter wird es im Klosterführer kulinarisch – mit einem Blick in die Klosterküche und auch auf die Gästeschar des Hauses: Die Ritter auf Reisen. Ob das beigefügte  „Arme -Ritter-Rezept“ wirklich aus jenen Tagen stammt, darf wohl hinterfragt werden, aber es ist leicht anzurichten und insofern auch etwas für Ferienkinder, die sich selbst mittags versorgen müssen. Auch die Erklärung des Mühlespiels anhand einer Ritzung im Stein springt direkt in den heutigen Alltag der kleinen Rezipienten.

Der vorliegende Klosterführer ist kein Kompendium, dass komplett die Wissensschätze des Klosters Chorins darlegt, sondern eine fächerartige Wissensvermittlung, die  über sinnliche Erlebnisse und praktische Tipps den Wissensdurst nährt. Die Autorinnen Mirjam Manigel und Franziska Siedler haben eine einfühlsame Sprache dafür gefunden. Ein feines Heftchen, dass ganz gewiss den Zugang zu den musealen Klosterschätzen erleichtert.
Petra Elsner

Tipps für den Denkmalbesuch

  • Museumspädagogische Führungen mit Bruder Albrecht können im Kloster für Kinder bis zur 4. Klasse gebucht werden.  Grundschulkinder und alle Älteren können sich mit dem Kinderklosterführer und einem Fragebogen zum Heft und zur Führung auf Entdeckungsreise durch das Kloster begeben.
  • Den Kinderklosterführer sendet die Klosterleitung auch Schulklassen vorab zu, wenn sie sich damit auf ihren Ausflug ins Kloster Chorin vorbereiten möchten. Auch Familien mit jüngeren Kindern hilft er, das Kloster mit anderen Augen zu entdecken.
  • Der Klosterführer für Kinder, vermittelt spielerisch das mittelalterliche Leben im ehemaligen Zisterzienserkloster. Das A6 Heftchen kostet zwei Euro.
  • Adresse und Informationen: Kloster Chorin, Amt Chorin 11a, 16230 Chorin, Telefon 033366 70377, Fax 033366 70378,
    E-Mail info@kloster-chorin.org, Internet: www.kloster-chorin.org
  • Öffnungszeiten: Sommerzeit täglich 9 bis 18 Uhr, Winterzeit täglich 10 bis 16 Uhr, Klostercafé 10 bis 18 Uhr
  • Eintritt: Erwachsene 4 Euro pro Person (ermäßigt 2,50 Euro), Kinder ab 7 Jahren 2,50 Euro, mit Führung jeweils 1 Euro mehr, Familienkarte 10 Euro, Jahreskarte 50 Euro, Gruppen ab 12 Personen 3 Euro pro Person (ermäßigt 1,50 Euro)

 

Die Blume Magdalena

Ihre Lieblinge sind die Blumen: Margeriten, Kornblumen, Stockrosen und Klatschmohn – fein gearbeitet. Fotos: Lutz Reinhardt
Ihre Lieblinge sind die Blumen: Margeriten, Kornblumen, Stockrosen und Klatschmohn – fein gearbeitet.
Fotos: Lutz Reinhardt

Wer den Weg in den Hof der Alten Apotheke nimmt, findet hinter den leuchtend gelben Fenstern ein textiles Kunstreich, dass einen sogleich umfängt und umschmeichelt. Hier spinnt, strickt, filzt Magdalena Hohberg. Sie schafft dabei traumschöne Kleidung und Accessoirs. Jedes Teil, ob groß oder winzig, ist einzigartig. Es gibt kein zweites Gleiches in dem orangenen Atelier. Die textile Künstlerin wirkt inmitten ihrer Welt selbst wie eine Blume, die es nach der Kunstschule aus Posen in Polen über Hamburg, Kiel, Berlin, Frankfurt (Oder), nach Groß Schönebeck wehte. 18 Jahre lebt sie hier. Heute wieder alleinstehend, schafft die Mutter dreier Kinder unermüdlich und mit berührender Kunstfertigkeit schöne Dinge, die sie an den Wochenenden auf Märkten und Mittelalterfesten verkauft.
Die 46-Jährige ist nicht eine typische Filzerin. Hauptsächlich spinnt und designt sie ihre Kleidung. Das Filzen ist ein hinzukommendes Moment. Sie experimentiert mit Seide, Alpakawolle, Leinen und verbindet die Materialien. Daraus werden langlebige Lieblingsstücke. Magdalena verrät: „Eine Freundin trug 19 Jahre lang einen Pullover von mir. Weil sie zugenommen hatte, passte er in der Länge nicht mehr. Sie kam zu mir und bat: ‚Mach‘ was, ich liebe das Teil so sehr!‘ Da hab‘ ich etwas gezaubert. Am Ende sah der verlängerte Pullover so aus, als wäre er immer schon so gewesen. Es ist einfach toll, wie gut diese Sachen halten.“

Magdalenas handgefertigte Einzelstücke entstehen aus selbst gemischten Farben. Sie verbindet  die Wolle über eine Kardiermaschine. Die entstehenden Farbmischungen sind durchaus vergleichbar mit Malerei. Täglich neu greift die Frau intuitiv neu zu den Rot- …. oder Blautönen. „Ich würde eine gefundene Mischung nie wiederholen, weil das einfach langweilig wäre.“
Es fällt ihr nicht leicht, die Stücke aus der Hand zu geben, weil sie ihre eigene Energie darin spürt. Manchmal dauert es ein Weilchen, bis ihr es möglich ist loszulassen: „Aber dann kommt irgendwann die richtige Person zu der Kreation und dann ist es plötzlich ganz einfach sie wegzugeben. Für mich ist es ein Zauber, wenn der richtige Mensch zu einem Teil von mir kommt. Mit ihm bleibe ich verbunden.“

Magdalena Hohberg
Magdalena in ihrem künstlerischen Reich. An diesem Tisch versammeln sich gern einige Frauen, um miteinander einen genussreichen Kursabend zu verbringen.

Die Frau hockt an ihrem großen Mitteltisch im Atelier, erzählt von ihrer Textilkunst und bekommt dabei eine frohe Leichtigkeit. Sie hat dabei immer eine qualmende Zigarette in der Hand oder im Mundwinkel, als gäbe es ohne Rauch keinen Zauber. Hinter ihr türmt sich ein Wandregallager gefüllt mit auserwählten Wolleschätzen, mit denen verschmilzt die Künstlerin zu einem großen, lebenden Gemälde. Leidenschaft perlt aus diesem Bild.
Zweimal in der Woche kommen Frauen aus der Umgebung in die zwei Abendkurse hierher und tauchen in die Atmosphäre dieses Ortes ein. „Die können eigentlich schon alles, aber sie kommen, weil es schön ist so beieinander zu sein, natürlich beim Wein“, erzählt die Freiberuflerin und lässt weiter tief in diese entstandene Beziehung blicken: „Als ich wegziehen wollte, sind diese Frauen auf die Barrikaden gegangen – es war nicht erlaubt, da bin ich geblieben.“
Neben diesen zwei Kursen bietet Magdalena vor den großen Festen Ostern und Weihnachten Extrakurse für Einsteiger an. Hier geht es ausschließlich um’s Filzen oder Spinnen. „Die Techniken zu meiner Modegestaltung  bleiben natürlich meine Geheimnisse. Das ist wohl klar“, setzt sie nun streng nach.  Aber sicher muss das so sein, schließlich gingen ihrem profunden Wissen viele experimentelle Jahre voraus.  Diesen Goldstaub versprüht man nicht in einem Feierabendkurs. Er bleibt ihr wohl behüteter Schatz, aus dem sich jetzt nur ihre große Tochter, die Maskenbildnerin lernt, nähren darf. Wer allerdings eine gute Polnisch-Übersetzerin sucht, ist in diesem besonderen Quartier auch richtig. (pe)

Magdalena Hohbergs textiles Atelier  befindet sich in: Erst-Thälmann-Straße 47, 16244 Schorfheide, OT Gro Schönebeck. Tel.: 0177 9656248 oder per Mail: filzblume.magdalena@gmail.com

 

Schönes Wochenende Euch allen!

Einjähriger Feldrittersporn
Einjähriger Feldrittersporn nach dem Gewitter dieses Abends.