Der Spuk in der Tanne – der 3. Akt

Fridolins Herz raste,  und die ganze kleine haarige Gestalt zitterte.  Noch immer saß ihm der Schock in den Knochen, selbst als der Baum zur Ruhe kam. Was war geschehen? Das kleine Eichhörnchen schlief fest in seiner Höhle, als die Holzfäller nächtens Flutlicht auf die Tanne richteten. Alles ging blitzschnell: Eine Motorsäge jaulte auf,  sie schnitt einen Keil in den Fuß des Baumes, dann legte sich Fridolins allerschönste Tanne krachend um. Im Fallen dachte der Eichkater noch, sein letztes Stündlein habe geschlagen, doch er konnte sich vor Schreck nicht rühren. Und so kam es, dass er mitsamt der Tanne auf dem Tieflader an diesen fremden Ort geriet.

Fridolin. Zeichnung: Petra Elsner

Jetzt sortierte und putzte Fridolin sein Fell über den unzähligen blauen Flecken. Seine Schlafstatt hatte sich komplett aufgelöst und hing nun wie Spagetti an der rauen Höhlenwand. Fridolin sammelte von ihr die Heu-, Stroh- und Moosteile ab und baute sich daraus ein neues Lager. Darauf sank er erschöpft nieder und grübelte: Da hat es Opa Willi doch wahrgemacht. Schon seit Wochen sprach er zu Oma Frieda, die Tanne müsse weg, sie überschatte ihr kleines Häuschen am Waldesrand. Oma Frieda schimpfte: „Das kannst du doch nicht machen,  Willi! Die Tiere im Baum haben hier ihr Winterquartier, sie werden ohne Obdach umkommen!“ Doch der alte Mann meinte nur, wenn kein Licht ins Haus fiele, koste es zu viel Strom. Er werde die Tanne einfach der Stadt als Weihnachtsbaum spendieren, dann habe man auch mit dem Fällen keine Mühe. Zwar hörte Fridolin das Gespräch der beiden Alten, doch er konnte sich nicht  recht  vorstellen, was das bedeuten würde.

„Nun, ich hab es ja überstanden“, murmelte er sich Mut zu. Doch  erst  als der kleine Nager wieder Hunger verspürte, wurde ihm klar, dass ihm seine Wintervorräte abhandengekommen waren. Der unfreiwillige Umzug hatte gefährliche Folgen. Schließlich trug das flinke Tier den ganzen Herbst über sein Futter zusammen. Fridolin rieb sich die Wintermüdigkeit aus den Augen. Er musste neue Nahrung heranschaffen  –  rasch! So lockerte er das Aststück vor seiner Höhle und lugte vorsichtig hinaus. Hui, was war das für ein Lichtermeer, es schien ihm weiter, als das der himmlischen Milchstraße, und wie bunt sein Baum aussah. Beinahe verzückt lauschte er der Marktmusik und dem herzhaften Kinderlachen. Fridolin wunderte sich über all das muntere Treiben. Das letzte Lachen hatte  er in der Pilzzeit gehört, als Ferienkinder den Wald durchstreiften. Und wie er hinter dem Stern in der Tannenspitze in seine neue Welt linste, gefiel ihm, was er sah.

Als die Nacht kam und kein Mensch mehr unterwegs war, kletterte Fridolin durch die Tanne. Oh, hier fand er viele Leckereien, doch er brauchte etwas Handfestes, um der Kälte gut trotzen zu können. So griff er sich eine der Solar-Laternen und balancierte tänzelnd erst über die Hüttendächer der Händler, über die Stromleitungen, Verkehrsschilder und Litfaßsäulen, bis er sein neues Revier erkundet hatte. Er schien in ein kleines Paradies geraten zu sein. Überall duftete es lecker und nahrhaft. Bald schon hatte er einen Futterberg zusammengetragen. Nur wo sollte er seine neuen Vorräte verstecken? Der Boden war hier überall mit Steinen belegt, nur in den großen Blumenkübeln konnte er etwas einlagern. Als der Morgen graute und erste Autos Ware auf de m  Markt anlieferten, huschte Fridolin wieder in seine Höhle zurück…

Der Spuk in der Tanne – der 2. Akt

Beim Vergolden. Zeichnung: Petra Elsner

Leon hockte an Rudi Sonnes blank gescheuertem Küchentisch und tupfte mit ihm vorsichtig Blattgold auf die frischen Walnüsse. Der Maler konnte die Traurigkeit des Jungen einfach nicht mit ansehen und  hatte das Kind noch am gleichen Abend zu sich   eingeladen. Dort saßen sie nun. Das Küchenfenster gab den Blick zum Markt frei, wo die Weihnachtstanne ihr glanzvolles Licht über den inzwischen leisen Ort warf. Rudi zeigte dem Jungen  noch einmal, wie man mit dem Pinsel eine hauchdünne Blattgoldlage zu fassen bekam. Nämlich,  indem er zuvor leicht mit dem Pinselhaar über seine Wange strich und es so mit Hautfett haftfähig machte. „Es sind die kleinen Tricks, die ein gutes Handwerk zu  Stande bringen“, kommentierte der Mann sein Tun. Dann goss er Tee in zwei Becher und schob den Teller mit Schmalzstullen wortlos in die Mitte des Tisches. Er wusste, Leons Mutter hat Nachtschicht, ein gemeinsames Abendbrot konnte dem Kind nur willkommen sein. Der Junge balancierte noch ein Goldblatt auf seine Nuss. „Jetzt nur nicht niesen“, warnte Rudi mit einem Augenzwinkern. Leon musste sich schwer ein prustendes Lachen verkneifen. Dann aßen sie erst einmal in aller Ruhe. Sechs Nüsse hatten sie inzwischen bezogen,  und  sie wussten, sie würden Morgen auch noch Zeit damit zubringen.

Leon schärfte seinen Blick auf die Tanne. „Schau’ mal,  Rudi, irgendetwas bewegt sich in dem Baum. Sieh’ nur, jetzt hüpft ein kleines Licht über die Marktstände. Und nun tänzelte  es dort oben auf der Stromleitung entlang. Was ist das nur?“ Der  Mann stutzte ebenso und wusste keine Antwort. Die  Zwei schauten dem seltsamen Wanderlicht nach, bis es entschwand. Ratlos zuckten die Beobachter mit ihren Schultern und wandten sich wieder dem Vergolden zu.

Am nächsten Morgen hing ein Geschrei und Gezeter über dem Marktplatz. „Bei mir hat einer den Sack mit Sonnenblumenkernen aufgerissen“, brüllte verärgert der Mann vom  Bio-Stand. „ Bei mir fehlen zwei Duftkissen“, rief die Blumenfrau. „In meiner Hütte hat auch jemand stibitzt“, raunte der Mandelbäcker. Und die üppige Frau vom Gemüsestand entdeckte: „Von meiner Auslage hat jemand Aprikosen und Trockenpflaumen geklaut!“ An anderer Stelle waren Esskastanien und ein Lebkuchenherz angeknabbert. Es war nicht wirklich viel, was jedem fehlte, aber die Händler fühlten sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass nächtens jemand frech durch ihre Hütten spazierte und sich heimlich bediente.

Bürgermeister Conrad Lob hatte die ärgerlichen Rufe durch das offene Fenster seiner Amtsstube vernommen. Jetzt trat er in die aufgebrachte Runde und versicherte, nein, Ratten gäbe es in seiner sauberen Stadt wirklich nicht. Doch was oder wer könnte dann der nächtliche Besucher sein? Auf jeden Fall forderte Herr Lob sicherheitshalber einen Wachschutz an, damit der schöne Adventsmarkt seiner Stadt nicht in Verruf geriet.

Als abends Rudi Sonne und der kleine Leon mit ihren Goldnüssen vor die Tanne traten, war der Ärger unter den Marktleuten längst verraucht. Keiner sprach mehr von den nächtlichen Vorkommnissen. Gern wäre Leon jetzt auf die Feuerwehrleiter gestiegen, um rund um die große Weihnachtstanne seine schönen Schmuckstücke zu platzieren. Doch die rückte wegen solcher Kleinigkeiten nicht extra an. Auch nicht für Mitglieder der Kinderfeuerwehr. So hängten die Zwei ungesehen ihre Goldnüsse nur ins  Erdgeschoss des Baumes. In der Tüte der Gemüsefrau war nur noch eine einzige unverzierte Walnuss verblieben. Der Maler zog seine buschigen Augenbrauen hoch und drückte  die Nuss dem Jungen mit den Worten in die Hand: „Es ist eine Zaubernuss! Öffne sie nur, wenn dir gar nichts  Anderes mehr einfällt.“ Dann zog der Mann seinen schwarzen Schlapphut und ging. Leon schaute hinauf in den prachtvollen Weihnachtsbaum. Aber seltsam, irgendetwas schien ihn von dort oben aus zu fixieren…

Der Spuk in der Tanne (1)

Die letzten Tage vor Weihnachten will ich Euch mit einer Weihnachtsgeschichte in sechs Akten beleben. Sie steckt in meinem Weihnachtsbuch „Von der Stille des Winters“…

Auf dem Marktplatz…

Das erste fahle Licht dieses Morgens stieg gerade über die verschneiten Dachfirste, als ein schwer tuckerndes Motorengeräusch die Stille zerriss. Ein Rabe kreischte auf der Laterne unheilvoll auf,  und der letzte Langschläfer huschte an die Gardine, um zu sehen, was dort draußen so einen Krach verursachte. Otto, dem Truckerfahrer standen Schweißperlen auf der Stirn, während er sich mit seinem Tieflader durch diese enge Gasse quetschte. Kaum drei Meter standen sich die geduckten Feldstein- und Fachwerkhäuschen gegenüber. Zentimeterweise manövrierte der Mann am Lenkrad die gewaltige Fuhre. In jeder Kurve war Präzision gefragt. Er wagte sich kaum zu atmen, als würde er so ein, zwei Zentimeter dünner werden. Nicht, dass er auf den letzten Metern noch die Tannenspitze lädierte. Doch schließlich öffnete sich die Pflasterenge zum Marktplatz, wo schon eine Menge Menschen wartete.

Ortsbrandmeister Lemke schnupperte gerade am Holunderpunsch, als der kleine Leon über ein Kabel stolperte und ihm dabei die hundert vergoldeten Walnüsse aus der Schale sprangen, welche er eben noch stolz vor sich trug. Wie Murmeln rollten sie auf den Steinen auseinander. Leon galt als der größte Tollpatsch der Kinderfeuerwehr, und nun lachten ihn schon wieder alle aus. Er verschluckte entsetzt seinen Aufschrei, während  der große Truck die handvergoldeten Nüsse  platt rollte. Leon stiegen Tränen in die  Augen. Tagelang hatte die Kindergruppe diese Nüsse mit kostbarem Blattgold belegt. Rudi Sonne, der Kunstmaler, zeigte ihnen, wie man den güldenen Hauch mit einem Pinsel auf Nüsse oder Äpfel  aufbrachte. Dazu erzählte der Wirt vom „Weißen Hirsch“, dass dieses Blattgold sogar essbar auf Schokolade oder einem Pfefferkuchen sei.

Die Ankunft der Tanne auf dem Markt vor dem Rathaus war immer ein großes Ereignis im Städtchen. Festlich geschmückt, beleuchtete der Baum die dunkle Jahreszeit und den Monat der Vorfreude auf die schönsten Feiertage des Jahres. Und was das Beste an diesem Ankunftstage war, dass jeder mitschmücken und etwas dazu beisteuern konnte. Doch Leon hatte wieder einmal alles vermasselt. Es interessierte den Jungen  nicht mehr, dass jetzt gerade ein Kran die mächtige Tanne vom Tieflader hievte und die Feuerwehrmänner den Baum zum Stehen brachten. Der Achtjährige  wollte sich einfach nur noch durch die Reihen der Wochenmarkthändler davonschleichen.  Da legte sich plötzlich eine schwere Hand auf seine Schulter. Als er sich umdrehte, lächelte ihn die rotbäckige Gemüsefrau an und drückte ihm eine große Tüte voll Walnüsse in die Hand: „Hier, mein Jung’, nun musst du sie nur noch schön goldig machen.“ Dankbar stand das Kind noch bei der Marktfrau, da wogte ein „Oh“ und ein „Ah“ durch die Menge auf dem Platze. Der erste Stern auf der Tannenspitze erstrahlte,  und Lemke platzierte von der großen Feuerwehrleiter aus auf dem Baum, was man ihm zureichte.

Immer mehr Menschen kamen zum Schmücken herbei. Die einen brachten selbstgebackene Weihnachtsplätzchen mit, die anderen Glaskugeln und Lichterketten, klitzekleine Päckchen mit roten und blauen Schleifen, kandierte Früchte, Schokoladenherzen, kleine, solarbetriebene Laternen  und echte Tannenzapfen. Auf dem Markt duftete es plötzlich nach Zuckerwatte, Zimt, Nelken und gerösteten Mandeln. Es schneite wieder, und das frische Weiß dämpfte alle Töne. Frau Ortsbrandmeister  Lemke schenkte gegen die fröstelnde Kälte dampfenden Holunderpunsch aus, und Adventsstimmung schlüpfte in alle Herzen….

Teil 2 hier
Teil3 hier:
Teil 4 hier:
Teil 5 hier:
Teil 6 hier:

Leckereien im Advent

Weil man vorzeiten den Weihnachtsstollen erst zu den Weihnachtsfeiertagen anschneiden durfte, gab es beim Stollenbacken ein leckeres Nebenprodukt, das schon in der Adventszeit warm auf die Kuchenteller kam: Der Stollenkuchen gebacken auf einem Blech.

Zutaten

700 gMehl
250 mlMilch
2 Würfelfrische Hefe – gesamt 80 g
180 gZucker
250 gButter
1 TLSalz
100 gOrangeat
100 gZitronat
250 ggekochte, geriebene Kartoffeln
Zitronenabrieb von einer
ganzen Zitrone
200 gRosinen – 4 Tage in Rum
eingelegt
200 gfrisch gehackte Mandeln
10 Tropfen
Bittermandel-Aroma
Butter zum Bestreichen und
Zucker

Die Zubereitung

Die Milch leicht erwärmen und die Hefe hineinbröckeln, etwas Zucker zugeben und die Hefe auflösen.

Das Mehl in eine große Schüssel geben und eine große Mulde hineindrücken, den restlichen Zucker und die Hefemilch hineingießen, mit etwas Mehl breiig verrühren und diesen Vorteig etwa 15 min gehen lassen.

Nun das gesamte Mehl, Zucker, Vanillezucker, abgeriebene Zitronenschale, Salz, das weiche (nicht zerlassenen) Butterschmalz oder Butter und so viel lauwarmer Milch verkneten. dass ein geschmeidiger, nicht klebender Teig entsteht. Den Teig solange kneten, bis er sich vom Schüsselrand löst.

Dann erst Mandeln. Zitronat usw. sowie die gekochten und geriebenen Kartoffeln unter den Teig kneten bis alle Zutaten gleichmäßig verteilt sind.

Den Teig etwa 2 Stunden gehen lassen.

Nochmals durchkneten, auf knapp einen Zentimeter dicke ausrollen und auf ein Kuchenblech legen. Den Teil diagonal mit einem Teigroller einritzen, vor dem Backen mit zerlassener Butter bestreichen und zuckern. Dann bei  180 g backen (Ofen nicht vorheizen) ca. 20 Minuten backen.

Die Masse ergibt entweder zwei runde Kuchen oder anderthalb Bleche. Kartoffelkuchen lauwarm servieren. In einer Blechdose hält er sich etwa eine Woche. Was nicht gebraucht wird, lagenweise einfrieren und vor dem Servieren wieder erwärmen.

Kartoffel-oder Stollenkuchen

Morgenstunde (40)

Annenwalder Advent: Morgen, am 10. Dezember geht es mittags nach Annenwalde bei Templin. Im Hofladen von Kitty Weitkamp werde ich ein Plätzchen bekommen, um von 14 bis 18 meine Bücher, Eulenkalender und diverse Drucke und Kartensets anbieten zu können. Beim Annenwalder Advent geht es dieses Jahr etwas kleiner zu, trotzdem lohnt sich gewiss ein Ausflug dorthin. Im Hofladen wird Glühwein und Kunsthandwerk geboten. Die Gaststätte „Kleine Schorfheide“ gegenüber serviert ein Adventsmenü. Auf dem Pferdehof kann der Gast auf Ponys und Pferden reiten. Christian Wendt kutschiert die Kremserfahrten und in der Glashütte um die Ecke kann man Weihnachtsglas gestalten. Die Landfrauen Densow sind mit Kaffee und Kuchen dabei und am Abend gibt der Lychener Kirchenchor „Europäische Weihnachtslieder ab 18 Uhr in der Dorfkirche. Es ist also nett was angerichtet. Ich hoffe auf Euch als freundliche Besucher … 🙂

Schutzengel
Zeichnung: Petra Elsner

Sonnenregen im Dezember

Winterlicher Regengesang.

Sonnenregen im Dezember.
Da lächelt kurz die Zeit,
und lüftet mit einem Windstoß
ihr dickes Wolkenkleid.

Sonnenregen im Dezember.
Kein Schnee weit und breit
und trotzdem singt und klingt
die leise Weihnachtszeit.

© Petra Elsner

Blog-Pause

Brezelzwerg. Zeichnung: Petra Elsner

Die Weihnachtsfrau ist im Arbeitsmodus
und kann kaum über den Auftragsberg schauen…
Also legt sie besser eine Blogpause ein.

Habt einstweilen eine gute Adventszeit, bis die Tage…

Morgenstunde (39)

Böhmische Nussplätzchen.

Wenn Ihr wüsstet, wie es in meiner Küche duftet, Ihr würdet alle kommen – garantiert. Es ist für mich DER vorweihnachtliche Duft schlechthin. Meine super-moderne Mama war in der Adventszeit immer besonders arg beschäftigt und lag zu den Adventssonntagen lange fix und fertig in den Federn, denn sie saß nachts auf dem Radiosender und lieferte mit anderen zusammen die damals allseits beliebten Solidaritätskonzerte des Rundfunks der DDR. Wenn sie am 1. Advent irgendwann nachmittags erwachte, ging es zügig los, damit wir wenigstens zum Abendbrot etwas naschen konnten. Drei Mehlweibchen luden dann mit breitem Grinsen den verzückten Vater zur Verkostung. Dabei ging es nie um Schönheit, sondern ausschließlich um die Verführung der Zunge. Das ist immer noch so, nur bin ich bei der Verwandlung zum Mehlweibchen fast immer allein. Wen das Rezept interessiert Ihr findet es hier: Denn wem soll ich es sonst weitergeben? Mein Sohn ist nicht so der Bäcker geworden und eine Liebe pflegt er gerade nicht.
Es ist wie mit vielen Dingen, die im Augenblick für die Nachgeborenen nicht mehr wichtig scheinen: Bücher, Bilder, Klassische Musik, Schauspiel sind außen vor, es dominiert das Spiel mit dem Smartphone … Der berühmte Dirigent Kent Nagano spricht von „einer Krise der humanistischen Werte“. Es gilt Berührungen zu schaffen… Habt einen schönen 1. Advent!

 

Morgenstunde (38)

November. Foto: Petra Elsner

Seit Tagen suchen wir das Zeug für die Steuer zusammen. Das sind schaurige Wurseltage, weil irgendetwas immer schier unauffindbar scheint und sich das Teil nach nervenzerfetzenden gegenseitigen Beschuldigungen („Du hast das…!“) schlussendlich im Folgejahr abgelegt wiederfindet. Was haben wir uns schon vorgenommen, aber schaffen es doch stets erst auf den letzten Punkt. Heute Mittag fahren wir zu unserem Berliner Steuerbüro und geben alles ab, erst danach wird sich die gereizte Grundstimmung legen und wieder Friede und Weitsicht im Künstlerhäuschen eintreten. Die Haut wird eben mit den Jahren eher dünner, als dass sie sich durch Ignoranz eine Immunschicht zaubern könnte. Ist nicht und wird nicht mehr, ist auch nicht schlimm.
Mich begleitet in diesen Tagen ein Gedanke von Roger Willemsen: „Nur Zeiten, die vieles zu wünschen übriglassen, sind auch stark im Visionieren…“. Der macht mich hoffnungsvoll für das Land und für mich selbst.

Morgenstunde (37)

Mein Initial für den Advent
Zeichnung Petra Elsner

Die Zeit hat es wieder eilig. Obgleich ich versuche gegenzusteuern, nimmt sie sich einfach die Tage, Wochen, Monate und verschluckt am Ende das Jahr. Gierig wie ein Kater im Winterfuttermodus. Indem werden die Wahrnehmungen flüchtig und das Jetzt verliert seine klare Gestalt. Aber eine gute Sehschärfte ist genau das, was wir alle brauchen, um die Globusprobleme anzupacken. Klarsicht eben und kein verklärter Rosarot-Brillen-Blick und auch kein nur dunkel-schwarzer… Ich wünschte mir, dass in Deutschland wieder mutig und mit Augenmaß regiert und gelebt wird und hoffe, das ist kein frommer Wunsch.
Aber heute, heute knipse ich erst einmal meine ganz individuelle Adventszeit an und Euch allen wünsche ich: Sinnreiche Wahrnehmungen!