Dezemberlesebuch

Cover
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Auf den Gabentisch 2013:

Nun halte ich es in der Hand und könnte andauernd „juhu“ rufen und wie ein Wichtel hüpfen, denn das „Dezemberlesebuch“ ist wirklich schön geworden. Der Druck ist statt, die Farben leuchten so, wie Weihnachten leuchtet. Alle haben all ihre Liebe in dieses Buch gesteckt. Glaubt es mir, es ist mir eine große Freude, dieses Bändchen auf den Gabentisch des Landes für das Weihnachtsfest 2013 legen zu dürfen. Es ist kein Schleimen, wenn ich konstatieren darf: Es ist das Beste, was mir in 20 Schreiberjahren mit einem Verlag geschehen ist. Kommunikation auf Augenhöhe, anspruchsvolles Lektorat, fantasievolle grafische Bearbeitung, inspirierende Gespräche – all das ist selten geworden, und dass es nun wahr wurde, lässt mich sehr dankbar sein.

Ab November deutschlandweit im Buchhandel, bitte schaut mal rein …

ISBN 978-3-943487-41-1

Der Schuhputzer im Dezemberlesebuch, gezeichnet von Petra Elsner
Der Schuhputzer im Dezemberlesebuch, gezeichnet von Petra Elsner

Winterquartier im Kunstkaten

Gestern kam Manuela Röhken zu mir, um sich Bilder für ihre Kunstkate bei mir auszusuchen. Nach drei Stunden schauen, packen, reden, düste sie mit 11 guten Stücken davon. Die haben jetzt bis März Quartier in Kraatz (OHV). Sie werden einige der Winterveranstaltungen der Kunstmanagerin schmücken. Wie sie dazu kam, erzählt dieser Reportagenausschnitt:

Die grünen Salons der Land-Art-Frau

Manuela Röken. Foto: Petra Elsner
Manuela Röhken.
Foto: Petra Elsner

Sie ist die Frau mit dem grünen Daumen und dem Talent für besondere Landart-Inszenierungen, die sie „NaturKunstWerk“ nennt. Nach allen Seiten offen ist Manuela Röhkens (49) Sammelgewächs. Behutsam  zieht sie es heran. Zwei Thementage im Grünen spendiert sie jährlich den nahen und fernen ländlichen Nachbarn. Auf den Einladungskarten stehen immer so wundervolle Konstrukte wie: „Kräuterrätsel auf A6 & Gartenskulpturen – den Herbst schmecken mit Borschtsch und Mangoldtarte“. Es gab schon Erlebnisse rund um altes Handwerk, beispielsweise ums  „Buttern“ oder „Wolliges“ …. Dazu sucht sich die Hausherrin kenntnisreiche Partner, die mit ihr diesen Tag zelebrieren. Manchmal sagt sie auch einfach an: „Bringt eure Stricknadeln mit“. Allenthalben ist ein Poet am Rezitieren auf der Wiese, biegen sich die Tische unter den kulinarischen Köstlichkeiten.  Und immer werden Pflanzen und herbstwärts Marmeladen getauscht oder verkauft.
Wo nichts los ist, muss man selbst etwas machen
Es gehört inzwischen zu Brandenburgs schönem Sommerdasein, dass Höfe, Kulturmacher und Gartenbesitzer zur „Landpartie“, zur „Offenen Gartenpforte“ oder den „Offenen Ateliers“ einladen. Diesem Auftrieb, gar gegen Eintrittspreis, wollten sich die Röhkens nicht anschließen. Sie geben – vielleicht angelehnt an die Tradition der „Berliner Salons“ – „Grüne Salons“, klein-fein-edel.
Die gelernte Gärtnerin hatte 1997 gerade ihre Fortbildung „Management für Information und Kommunikation“ in Berlin abgeschlossen und hochschwanger noch gerade so die Fahrerlaubnis bestanden, als Elina geboren wurde. 1998 zog das Paar: Axel & Manuela aufs Land. „Dann war erst mal Schluss mit Beruf und Kultur“, erzählt die Frau. Ein Jahr später kam Nastasia zur Welt. Erst als die Mädchen in die Kita nach Mildenberg kamen, ergaben sich neue menschliche Bindungen. Manuela begann sich gesellschaftlich einzumischen,  gründete 2006 mit der Bibliothekarin Irina Schulz die „Granseer Puppenkiste“, aber  “NaturKunstWerk“ ist etwas ganz anders: Die eigene Kreation – die Inszenierung Handverlesener auf der grünen Wiese. „Wer in stille Dörfer zieht, muss selbst für kleinteilige Dorferlebnisse sorgen“, verrät sie wissend. Heute ist Manuela Röhken gewissermaßen die „Kulturministerin von Kraatz“. Sie schiebt an, bündelt Ideen, bringt Menschen zueinander, privat wie öffentlich, und hat auch eine andere Saite in ihrem Mann wieder kräftig zum Klingen gebracht – sein Gitarrenspiel.  Der IT-Mann Axel gibt inzwischen literarisch-musikalische Programme. Bei ihren Grünen Salons kümmert er sich um das Catering und hält seiner Frau den Rücken frei.
Mit der Zeit werden es immer mehr Veranstaltungen, auch winterwärts öffnen die Zwei ihre Kunstkate für Gäste. In loser Folge gibt es hier Lesungen, Theater, Vorträge und Konzerte…
© Petra Elsner

Aktuelles immer unter: Kunstkate Kraatz:

Kontakt zu NaturKunstWerk: Lindenstraße 28, Kraatz 16775 Gransee, Info-Telefon: 03306 213 650

Der Narr in meinen Bildern

Elsner am weißen Clown, Foto: Lutz Reinhardt
Elsner am weißen Clown,
Foto: Lutz Reinhardt

Als die Clowns, Narren und Pierrots in meiner Malerei eine ganze Schelmenschar ergaben, wunderte ich mich. Drehe ich mich im Kreis? Im Tarot gilt der Narr als Anfang und Ende zugleich. Anfang und Ende von was? Einem alten Leben? Als Abschied und Neubeginn? Ich kam schließlich nicht umhin das Jahr 2000 für mich zum Jahr des Narren zu erklären. Sondersam, nach jedem neuen Narrenbild spürte ich mich stärker, als spendete es mir Kraft. Aber was nur hatte ich – als unkomisches Wesen – mit dieser Gestalt gemein? Das Urvertrauen. Endlich, nach der Wendezeit und dem existentiellen Neubeginn, hatte ich es wiedergefunden. Ganz wie ein närrischer Hans-Guck-in-die-Luft, scherte ich mich fortan nicht mehr darum, wie dicht ich am Abgrund tanzte. Und der Narr wurde nach meinen erfundenen Schwebewesen und Wurzellosen zu einer meiner Symbolfiguren.

Immer schon galt der kosmische Gaukler zugleich auch als ein Magier. Einer, der die Fähigkeit besitzt, die Grenzen der Zeit zu überschreiten. Er ist ein Seher, ein Zeitreisender, ein Bote.

Nach selbst erfahrenem Werteverlust brauchte ich einen solchen Begleiter, einen, der sich mit mir über die Gegebenheiten und die Tragik des Seins hinwegsetzt. Dieser ebenmäßige Begleiter hat jegliche Angst überwunden. Auch Krankheit und Isolation. Weil mein Narr sich auf seine innere Kanzel konzentriert. Dieser Narr ist kein lauter, listiger Schelm, kein derber Tor, wie ihn einst das Mittelalter hervorbrachte. Der Gaukler oder Clown ist eine uralte Kultfigur, die kaum einer Religion und Epoche fehlt. Der Narr, der in Deutschland zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert zum Typus gerät, ist eine verwachsene Kreatur, die Gott nicht nach seinem Ebenbild schuf – wie es schon in der Bibel heißt. Dieser unheilvolle, selbstverliebte Kerl kannte keine Nächstenliebe. Und doch galt der natürliche Hofnarr schon seit dem 13. Jahrhundert als Mahner und Erinnerer an die Vergänglichkeit.

Am französischen Hofe zählt der Narr in jener Zeit zur königlichen Menagerie. Er wird Beamter mit dem Privileg der Narrenfreiheit als Gegenpart und Reibemittel zu Ordnung und Heiligkeit. Daneben spielten in Frankreich freie und unabhängige Clowns auf Märkten und zu dörflichen Kirchtagen. Und man feierte am 28. Dezember, dem Tage der unschuldigen Kinder, ein Narren – oder auch Eselsfest. Für einen Tag wurde die kirchliche Hierarchie außer Kraft gesetzt und der Narr schwang das Zepter, wie er es noch heute in Fastnachtsbräuchen tut.

Zum Ausklang des Mittelalters verliert der natürliche Hofnarr seine Funktion als Kontrastmittel. Künstliche Narren gewinnen die Oberhand und sorgen von nun an für pure Unterhaltung. Nur einmal noch gewinnt die Schelmenfigur zwischen dem 15. Und 16. Jahrhundert an Dominanz. Mit dem Till Eulenspiegel. Es ist die Zeit, in der das Handelsbürgertum nach einer Identitätsfigur sucht. Die literarischen Selbstreflexionen des Adels, in der ein ritterlicher Held fiktive Gestalten besiegt, passten nicht zum Wertewandel. Schon damals empfanden die Menschen den Verlust an gewohnten Verbindlichkeiten als bedrohlich, als Krise. Es galt nicht mehr Minnedienste zu leisten, sondern strebsam zu arbeiten. Und statt Tapferkeit brauchten die aufsteigenden Bürger List und Verstand. Der Narr entzog sich schon immer traditionellen Normen und so kam es, dass man mit dem Schelmenbild ein erstes akzeptables Gegenbild zum Ritterideal entwarf. Doch in das vernunftgeprägte Weltbild der Aufklärung ließ sich der schelmische Narr dann doch nicht integrieren und verkam bekanntlich zum Hanswurst.

Es ist fraglos die sich wandelnde Zeit, die nach einer Zukunftskontur schreit, die mir den Narren wieder und wieder auf den Malgrund treibt. Wie einst bei den indianischen Clowns, ist dieser Narr für mich einer, der vor der Erstarrung der Gegebenheiten warnt. Ein Träger von Farbe und Licht und Möglichkeiten. Nur ist diesem Narren die Magie des Lachens abhanden gekommen. Er ist ein Melancholiker, der in sich gekehrt nach Visionen schaut. Nach außen wirkt er, wie ein entrücktes Fragezeichen, dass die Gegenwart nicht akzeptiert. Aber er hat noch keine wirkliche Idee, nur eine Botschaft: Der Welt ist ihr Urgrund abhanden gekommen, die seelische Basis wankt – lange schon.

Der Gedanke, dass alle Menschen miteinander verwandt sind, ist mit den Ismen und zuletzt mit dem Individualismus, begraben worden. Das Motiv, füreinander zu leben, verirrte sich so im Nebel allgemeiner Vorteilssuche. Aber das Erkennen dieses ehernen Bandes ermöglicht erst allumfassende Liebe, die Vertrauen spendet. Ist diese menschliche Ur-Kraft verschüttet, verliert sich der Mensch im Beliebigen. Ganz gewiss ist mein Narr kein schriller Tor, er ist ein unverstellt Liebender, der wie ein Wanderprediger versucht Zutrauen zu stiften.

© Petra Elsner

Meine Winsstraße – eine Buchpremiere

Die Berliner Nacht hängt mir noch in den Haarspitzen, denn es zeigte sich, das Pflaster dort, auf  der alten Winsstraße, ist immer noch heiß, zumal wir beinahe eine Italienische Nacht erleben konnten. Im T-Shirt um 2 Uhr morgens heizten uns noch die Stadtsteine immer noch ein. Die Freisitze der Szenelokale waren bevölkert wie im Sommer.  Wir übernachteten in dem Haus Ecke Wins-/Chodowiekistraße, in dem wir sieben sehr lebendige  Jahre lebten  (bis 2008). Das Haus hat schönerweise eine Pension im Erdgeschoss  …

Knut Elerstermann liest im Kino Babylon, Foto: P. Elsner
Knut Elstermann liest im Kino Babylon,
Foto: P. Elsner

Wir hatten am Abend eine wunderbare Buchpremiere mit Knut Elstermann erlebt. Der uns wie eine Plaudertasche leichtfüßig und zugleich mit Hintersinn in die Straße seiner Kindheit entführte. Mit Witz und großer Routine moderierte er sich selbst. Zwischen den gelesenen Geschichten aus „Meine Winsstraße“, kommentierte Elstermann alte Fotos. Die Standbilder verweilten jeweils 60 Sekunden auf der Bühne des alten Babylons, und der Meister spürte plötzlich, so eine Minute ist lang. Also schwieg er zu jedem Bild gut mal 20 Sekunden, schmunzelnd über die Bild-Regie.

In den nächsten Tagen werde ich das Bändchen lesen und hier besprechen, aber man kann aus dem Gehörten schon erkennen, es lohnt sich das Bändchen des charmanten Geschichtenerzählers sich zu gönnen. Erschienen ist „Meine Winsstraße“ im be.bra verlag und für schlappe 9.95 Euro zu haben.

Und wir sind wieder zurück im Schorfeidewald.

Herbstleuchten

Saisonschluss:
Am 15. Oktober war Saisonschluss in meinem Atelier. Heißt, es gibt bis 15. April 2014 keine Sonntagsöffnungszeiten mehr. Der Lesegarten schläft und der Bilderspeicher im Kaltdach wird winterfest gemacht. Nur wer sich telefonisch anmeldet, kann ab jetzt Einblicke ins Zeichenkabinett bekommen. Ich habe nun dafür Gelegenheit für Sonntagsausflüge in den Herbst und so schöne Entdeckungen:

Vogelhaus am Eiszeitgletscher  in Glambeck   Foto: Petra Elsner
Vogelhaus am Eiszeitgletscher in Glambeck
Foto: Lutz Reinhardt

Die Märchenbäume in der Schorfheide: Die Moosgrünen

Bemooste Eiche, Foto: Lutz Reinhardt
Bemooste Eiche,
Foto: Lutz Reinhardt

Inspirationen:

… Moosgrün kannte fast alle Eichen des Waldes, so um die 2000 ganz alte Exemplare. Man sah es ihm nicht an, aber er war schon vor gut drei Jahrhunderten dabei, als sie gepflanzt wurden, damals, als der Wald den Namen „Schorfheide“ bekam. Der Waldgeist liebte die mächtigen Eichen und auch jene, die indes als totes Bruchholz aus der Landschaft ragten oder zwischen die Farne gestürzt waren. Mit Moos bewachsen, sahen sie ganz samtig aus, mal wie ein schlafendes Tier, mal wie die Höhle eines Erdwesens. Lange grübelte er, was er tun könnte. Er wollte einfach nicht, dass diese mächtigen Stämme aus dem Wald verschwinden…

weiterlesen bitte im Buch …
„Schattengeschichten aus dem Wanderland – Schorfheidemärchen“, 2. Auflage 2010, geschrieben und illustriert von Petra Elsner, 4-farbig, Schibri-Verlag, ISBN: 78-3-8686-040-4, 6 Euro

Gewissheit

Wenn die Tage keinen Glanz mehr spenden
und das Glück anderswo logiert,
setzt sich die Gewissheit: Das Einzige was
wirklich zählt, ist dein Lachen auf meiner Haut.
© Petra Elsner

Die Märchenbäume der Schorfheide: Tote Eichen

Dieses Totholz steht zwischen Schluft und Kurtschlag am Kurtschlager Damm. Viele skurrile Baumgestalten finden sich hier. Diese alte Eiche könnte „die Riesennase“ sein, die in meinem „Schorfheidekurzkrimi“  mitspielt … hier eine Leseprobe:

Tote Eiche am Kurtschlager Damm, Foto: Lutz Reinhardt
Tote Eiche am Kurtschlager Damm,
Foto: Lutz Reinhardt

Die Geister-Eichen

In einer Vollmondnacht erwachten plötzlich die Blitzgetroffenen zu neuem Leben. Sie scharrten mit ihren losen Wurzeln und schauten einander staunend an: der brüchige Galgen, der schwere Mooshammer und die bucklige Riesennase. Dort, wo die Drei standen, an einem Kreuzpunkt über Wasseradern, wuchsen sie seit über 600 Jahren zu mächtigen Bäumen heran, die allerdings wie Blitzableiter wirkten. Unzählige Male durchzuckten ihre Stämme feurige Schläge, bis sie, gespalten und geköpft, leblos in den Himmel stachen. Ihr morsches Holz zog mit der Zeit ein Moosgewand an, und aus ihren Aststümpfen grinsten Geisterfratzen.
In jener Oktobernacht betrat ein Einhorn schnaufend die Lichtung. Sein Atem dampfte, und es tänzelte nervös auf der Stelle. Seit sieben Jahren kam der weiße Hengst stets in der ersten kalten Herbstnacht an diesen Ort, um nach einer Stute zu rufen, doch nie wurde er bisher erhört. Statt einer schönen Gefährtin holte sein sehnsüchtiger Schrei immer etwas Seltsames ins wirkliche Leben zurück: eine vergessene Blume, einen weisen Druiden, ein Elfenkäuzchen. Dieses Mal weckte er die toten Eichen…

weiterlesen bitte im Buch …
„Schattengeschichten aus dem Wanderland – Schorfheidemärchen“, 2. Auflage 2010, geschrieben und illustriert von Petra Elsner, 4-farbig, Schibri-Verlag, ISBN: 78-3-8686-040-4, 6 Euro

Die Märchenbäume in der Schorfheide: Die Silkebuche

Es gibt uralte Gesellen in der Baumlandschaft der Schorfheide. Knorriges Holz, dass die Fantasie beflügelt. Die berühmte Silkebuche inspirierte mich beispielsweise zu einem meiner Schorfheidemärchen. Hier ein Auszug:

Die Silkebuche Foto: Lutz Reinhardt
Die Silkebuche
Foto: Lutz Reinhardt

Die Wunderbuche

… Croll wohnte in der mächtigsten Buche im Wanderland. Wo sie stand, entfalteten sich im April Blütenteppiche aus unzähligen Buschwindröschen. Aber mit dem frischen Austrieb des Blätterdachs begann die Dämmerzeit unter den Buchen. In diesem Schattenlicht wuchsen die Träume und segelten die Fledermäuse.
Crolls Buche war älter als die üblichen Hundertjährigen. Sie thronte schon gut 300 Jahre auf einer Düne östlich des kleinen Pinnowsees. Ihr Stamm sah aus, als wäre er aus einem verschlungenen Baumbündel gen Himmel gewachsen. Über 30 Meter hoch wand sich ihr silbriges Rindenkleid, umweht vom glasigen Blattschleier. Dort oben, in den Wipfeln, erntete Croll immer im Mai rehbraune Knospen. Wozu er sie benutzte, blieb sein Geheimnis …

weiterlesen bitte im Buch …
„Schattengeschichten aus dem Wanderland – Schorfheidemärchen“, 2. Auflage 2010, geschrieben und illustriert von Petra Elsner, 4-farbig, Schibri-Verlag, ISBN: 78-3-8686-040-4, 6 Euro

Reportagen aus dem Schorfheidewald: Der Stein-Scout

Naturbeobachter Klaus-Herrmann Mewes Foto: Lutz Reinhardt
Naturbeobachter Klaus-Herrmann Mewes
Foto: Lutz Reinhardt

Wenn diese Steine reden könnten, dann würden sie gewiss von Wilddieben und gemeuchelten Förstern munkeln, vom seltsamen Jagdglück von Wilhelm II. oder anderer Größen plaudern und vielleicht auch von einem, der erst als Rentner in die Heide kam, um endlich seinen Traum zu leben: Naturbobachtungen in der Schorfheide. Das Klaus-Hermann Mewes dabei auf die Spur der Steine kam, war dann eigentlich nur eine Frage der Zeit. Denn schon immer hat sich der hellwache Mann für alles was da kreucht und fleucht interessiert.

An diesem Morgen kam der Witwer Klaus-Herman Mewes gerade vom Ufer des Grimnitzsees. Bevor wir miteinander reden können, notiert er erst einmal akribisch in seinen kleinkarierten Block: Datum, Zeit Ort und das Entdeckte: Kriekenten, Kormorane, Höcker- und Singschwäne, ein weißer Bussard. Was er sieht, meldet er den Ornithologenverbänden via Internet. Beobachten und dokumentieren, das ist seine Passion, der er seit dem Jahr 2000 als ehrenamtlicher Horstbetreuer für See- und Fischadler nachgeht. Seine Entdeckungen anderen mitteilen, anschaulich und lehrreich, das ist eine weitere Lust des Naturbeobachters. Und so wundert es kaum, dass Mewes bereits 2003 mit der Herausgabe von Bildbroschüren über das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin begann, und auf Wunsch auch Lichtbildervorträge über seine Landschaftssteine hält. In „Eine Dokumentation über einige von der Eiszeit zu uns überkommenen Findlinge und Geröllsteine, die im Laufe der Jahre von den hier in der Heide ansässigen Menschen zu den unterschiedlichsten Zwecken verarbeitet und genutzt wurden“ beschreibt er über Hundert Hinweis- und Gedenksteine in ihrer landschaftlichen Umgebung. Garantiert hat er noch nicht alle gefunden, weil sich im Schutzgebiet manches gut verborgen hält.

Geduld und Naturtreue sind ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Die Eltern siedelten in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts im Wald von Lindenberg bei Wittenberge. Endlos war dort die Stille. Mit einem ebenso leisen Freund, zog der junge Mewes durch die Baumlandschaften. Sie suchten Vogelnester, registrierten die Brutstätten und malten sich kleine Karten dazu. Ein guter Biologielehrer förderte die Anlagen des Jungen und ernannte ihn zum Helfer des Biologiekabinetts der Oberschule in Wittenberge. Das interessierte ihn: Präparate-Sammlung, Anschauungstafeln, das klapprige Skelett namens Adam. Bald konnte der Schüler Schmalfilme vorführen, darunter war ein Film über Fischadler von einem Doktor Horst Siewert aus Joachimsthal, den sich der Knabe zum Vorbild nahm. Seither überlegte Mewes: Wie kommst du nur in die Schorfheide?

Das sollte dauern. Natürlich hätte der begabte Schüler später Biologie studieren können, aber in seiner Familie gab es eben Mehrfachbegabungen. So wie der Heranwachsende alle Vögel kannte, wusste er auch jeden Flugzeugtyp zu klassifizieren, war er wie sein Vater und Großvater schon ein Techniknarr. Da wurde aus dem Naturfreund Mewes junior erst einmal ein Arbeitsleben lang der Diplom-Ingenieur im Flugzeugbau und Fachbuchautor für Luftfahrtgeschichte. Doch im Ruhestand zog Mewes nun wirklich nach Joachimsthal.

Herr der Steine war dort natürlich schon ein anderer, nämlich Joachim Bandau, der unter historischen Aspekten zu den Steinen forschte. Mit ihm tausche sich der Zuzügler aus. Doch schon bald wurde Mewes selbst fündig, stöberte unbekannte oder vergessene Steine auf, die er minutiös in einer Karte eintrug, inzwischen sind es über Hundert. Der Stein-Scout Mewes ist nun Spezialist für Landschaftssteine. Gemeint sind Exemplare wie „Adderloch“, der eine Schlangengrube benennt. Oder Steine mit Berge-, Seen- und Ortsbezeichnungen wie „Bullenwinkel“, der markiert beispielsweise einen Ort auf der Halbinsel im Großen Glasowsee, wo die Bauern im 30-jährigen Krieg ihr Vieh vor den Schweden versteckten. „Die Molle“ ist schlicht eine Talsenke. „Mönchebude“ beschreibt eine Raststelle der Mönche, die zwischen dem Zisterzienserkloster Chorin und Zehdenick pendelten. „Zollpfahl“ lässt ahnen, man bat an dieser Fürstengrenze zur Kasse. Neben den Landschaftssteinen berichtet Mewes Dokumentation aber auch über Inschriftensteine zu Forstkulturen, und solche mit jagdgeschichtlichen Hinweisen, mit Vermerken zu alten Forsteinrichtungen, Erinnerungs- und Gedenksteine an besondere Personen und Ereignisse und natürlich erzählt er auch über Wegweiser, alte Richtungs- und Meilensteine.

All jene Steintypen hat der Stein-Scout erfasst, fotografiert, die Abbilder mit Erklärungen versehen, so dass wer durch die Heide wandert oder radelt, sich hiernach Routen zu den alten Steinzeichen zusammenstellen kann. Im zweitgrößten Wald- und Naturschutzgebiet Deutschlands sicher ein neues spannendes touristisches Thema. Und wer weiß, vielleicht begegnen Sie ja bei Ihrer individuellen Pirsch durch die Schorfheide jenem kleinen Mann mit dem großen, wachen Blick für alles was da kreucht und fleucht.

PS: Klaus Mewes verstarb am 4. Januar 2016 in Joachimsthal. Seine Kinder Karsten und Ellen haben ihn bis zuletzt zu Hause gepflegt und waren bei ihm, als er ging.