Morgenstunde (435. Blog-Notat)

Mitten in den gestrigen Freitag schlug die telefonische die Nachricht: Die Schwiegermutter käme nachmittags aus dem Krankenhaus. Das verschlug uns die Sprache, denn noch vor zwei Tagen meinte eine behandelnde Ärztin, sie wüssten gar nicht, weshalb die Frau überhaupt noch lebe, denn die Nieren funktionierten nicht mehr, ein Herzinfarkt war zu der schweren Corona-Lungenentzündung hinzugekommen usw. Was ist geschehen – ein Wunder? Nein, offenbar eine Form von Triage. Nicht ein Beatmungsgerät wurde abgestellt – man brauchte schlicht das Bett. Und so kam gestern das Schwiegermütterchen komplett instabil zum Vater zurück, für ein paar wenige atemraubende und desillusionierende Stunden, bevor abermals die Rettung geholt werden musste, weil das Atmen nur noch Röcheln war. Wie kann man nur eine totkranke Frau einfach nur nach Hause schicken? Der Vater hatte mit der Entlassungs-Ansage schon die aufgeregte Freude, sie wäre plötzlich genesen. Was für eine Achterbahn der Gefühle! Triage – längst Gegenwart. Die Auer Klinik ist seit Tagen am Limit, das wissen wir aus den Nachrichten. Ich verstehe, dass Ärzte dramatische Entscheidungen in diesen Tagen treffen müssen. Die medizinischen Ressourcen reichen nicht, da gilt nicht mehr: Jeder Notfall wird behandelt. Sondern nur noch nach dem Prinzip gehandelt: Wer hat eine Überlebenschance? Im schlimmsten Auswahlfall werden nach dem Triage-Prinzip Schwerstkranke zum Sterben auf die Palliativstation verlegt. Aber einfach krank nach Hause in Coronazeiten? Drei Wochen durfte niemand aus der Familie zu ihr ans Krankenhausbett. Was für verwirrende Zeiten! Der Liebste wird am Montag zum völlig zermürbten Vater fahren, am Wochenende kümmert sich der Bruder und alle hoffen natürlich, dass sie das Virus aus dem dunkelroten Gebiet nicht nach Hause tragen…

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Morgenstunde (434. Blog-Notat)

Drei Nebelkrähen wachen über die winterbrachen Gärten vor dem Schorfheidewald. Seit Jahren leben sie hier zu dritt. Der Umstand könnte eine Geschichte ergeben – irgendwann einmal. Jedenfalls klauen die Drei erfolgreich beim Überüberüber-Nachbarn Federviehfutter und weichen das harte Brot in unserer Bienentränke ein. Das macht gerade gar nichts, denn die Bienen fliegen unter 10 Grad nicht mehr. Aber ich mag es, wenn die Krähen einschweben und unser Tun aus den Baumwipfeln beobachten.
Vorsichtige Hoftorgeschäfte mehren sich in diesen Tagen. Honigfans und Bücherfreunde kommen zu uns, um fürs Fest einzukaufen. Das freut uns sehr. Natürlich wäre es schöner, sie zum Stöbern ins Atelier zu lassen, aber das verkneifen wir uns dieses Jahr, auch das besucherfreundliche Heißgetränk. Und so tragen wir, je nach Begehren, meine Bücher … und/oder die Honigverkostegläser in den Hof zum Freisitz… alles ganz regelkonform und mit Abstand. Schlottern ist dabei leider angesagt, der vor Wochen georderte Terrassenofen lässt immer noch auf sich warten. 
Alle anderen Aktivitäten sind nun endgültig bis Jahresende abgesagt. Bis gestern habe ich noch für einen Videodreh im Eberswalder Museum geübt. Sie hatten für den Advent eine Ausstellung mit meinen Sagenzeichnungen vorbereitet. Zur Eröffnung sollte ich dazu am Nikolaustag eine Lesung geben. Tja, mit dem erneuten Lockdown wurde daraus nichts, aber man wollte stattdessen eine virtuelle Ausstellung über die Museumswebseite geben, und ich sollte dafür einige Sagen einlesen. Doch gestern wurde auch das gecancelt, zu arbeitsaufwendig in der Kürze der Zeit. Nun denn…

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Morgenstunde (433. Blog-Notat)

Wer war gestern der Plätzchen-Wichtel an unserem Briefkasten? Bitte verrate es mir, damit ich getrost daran knappern und mich bedanken kann. Echt, so etwas ist so herzensgut, da klagt eine vor sich hin und schon kommt, was sie nicht hat. Dazu habe ich gestern das einzige Mal gelächelt. DANKE liebe Plätzchen-Wichtelin! Die Überraschung ist gelungen.

Während ich das schrieb, gongte das Maipostfach und ich las:

…ich fand es heute ziemlich traurig, als Du geschrieben hast, dass Du in diesem Jahr noch keine der ge- und beliebten Weihnachtsplätzchen, gebacken hast… Und Du warst damals so lieb und hast mir Euer Familienrezept verraten. Seit dieser Zeit gehören sie auch bei uns zum Plätzchensortiment.
Schau mal in Deinen Briefkasten…lasst sie Euch schmecken…lgma

Das nenne ich Telepathie 😊. Ich hab sie gekostet und ja, liebe Marlis, sie schmecken exakt wie die meiner Böhmischen Großmutter Marie. Ich bin gerührt und beglückt ineinem. Dankeschön dafür!
Diese Aktion erinnerte mich auch an die einstige Wichtelei im Verlag in der Berliner Mauerstraße. In unserer Redaktion war es üblich, dass jeder Ende November per Los seinen Wichtelempfänger zog. Danach hatte man drei- bis fünfmal zu Wichteln, heimlich und unerkannt. Nichts Teures, pfiffig und treffsicher sollte es sein. Zur Weihnachtsfeier, wozu der Wichtel sein echtes Geschenk anonym in den Geschenkesack einbrachte, ging es darum, dass die Beschenkten ihren Wichtel erraten. Es war eine erweiterte Form des Julklapps und ein Mordsgaudi. Die Pförtnerloge glich in dieser Zeit eher einer Weihnachtspostzentrale… Naja, lang, lang ist’s her. Aber Dorfwichteln ist auch sehr schön 😊.

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Morgenstunde (432. Blog-Notat)

Adé November. Am letzten Tag – ein Hauch von Schnee, der setzt dem Nebelgrau weiße Lichter auf. Nicht genug, um Schneemänner bauen zu können, aber immerhin, ein bisschen vorweihnachtliche Stimmung kommt auf. Die ist dieses Jahr situationsbedingt nicht so doll, ich habe nicht einmal die klassischen Familienplätzchen gebacken. Das gab es noch nie. Vielleicht trifft ja heute noch die Stolle aus Luckau ein, von einem echten Weihnachtsbäcker, keine Industrieware… Ich wollte heute noch einmal Schräge-Vögel-Kalender nachordern, denn mein Atelier-Bestand ist auf zwei zusammengeschmolzen, aber der Verlag sagt: Ausverkauft. Gut, es war ja nur eine Kleinauflage, so bekommen die Teile Seltenheitswert. Ich packe heute Honigpäckchen, die gehen nach Hamburg, Zeuthen und Schwedt.
Adé November – eine Handvoll Herbstgartenbilder hab ich da noch…

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Morgenstunde (431. Blog-Notat)

Wenn nahe Menschen auf die Zielgerade des Lebens gehen, rückt normalerweise die Familie zusammen. Man begleitet den Sterbenden und zugleich beginnt hier schon die Trauerarbeit, das Abschiednehmen der Zurückbleibenden. In der Corona-Zeit wird das den Betroffenen verwehrt. Man darf nicht ans Krankenhausbett, das sich irgendwann in ein Sterbebett verwandelt. Keine Hand halten, keinen Trost spenden, keinen Beistand leisten. Das ist schwer und lässt die Menschen ratlos zurück. Die Stimme am Telefon gaukelt, weckt Hoffnungen, denn sie klang gar nicht so zerbrechlich. Wer nicht ans Krankenbett kann, erlebt nicht die Täuschungen, das kurze Aufblühen vor dem Ende. Wir sind ganz benommen und geplagt von dem schlechten Gewissen, das Schwiegermütterchen so allein lassen zu müssen. Sie liegt in dem Auer Krankenhaus, das gestern durch die Nachrichten ging: voll belegt mit ausschließlich Corona-Patienten. Das Weihnachtsland ist dunkelrot und mich graust, die Umstände zu Ende zu denken. Noch kämpft sie und wir warten, hoffen, wünschen… es soll ja Wunder geben.

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Morgenstunde (430. Blog-Notat)

Der Hochnebel scheint sich nicht zu bewegen, alles ist gedämpfter, das Radio schweigt noch, es kann seine schlechten Inputs für sich behalten. Gestern am späten Nachmittag kam wieder ein großer Brief aus Griechenland, das Bruderbuch zu „Athen“ steckte drin, ich werde es Euch in den nächsten Tagen vorstellen und es damit vielleicht ein bisschen befördern.

Die Vorweihnachtszeit beginnt und ich habe eine große Bitte an ALLE, die das hier lesen: Bitte helft Euren Freunden und Mitmenschen, die tief im Lockdown stecken. All jenen, die Wohnzimmerkonzerte geben oder längst schon schweigen, weil sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Bestellt bei ihnen ein Lied, eine Zeichnung, ein Gedicht, einen Workshop, Gesangs- oder Klavierunterricht, Ballettstunden … Kauft Ihnen auf privatem Wege ihre CD‘s ab, ordert die Bücher Eurer Lieblingsliteraten. Schaut genau hin, wo die Not wohnt und fördert mit Euren großen oder kleinen Geschenkeinkäufen das Überleben der freien Künstlerschaft. Die Regierung schafft (oder versteht) es nicht, die vogelfreien Künstler wirklich zu unterstützen. Sie brauchen Euch! Bitte nicht missverstehen, es geht hier nicht um mich, ich bin mit meiner Rente halbwegs versorgt, es geht um die, die augenblicklich unverschuldet durchs Rost fallen. „Man sieht nur mit dem Herzen gut…“ DANKE. Habt alle miteinander einen schönen 1. Advent, Eure Petra

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Morgenstunde (429. Blog-Notat)

Gestern noch war dieses Leuchten im Garten, heute bedeckt sich der November mit Nebel. In der Milchsuppe herrscht reger Flugbetrieb im Hof. Kleiber, Spatzen, Meisen… Eine Haubenmeise ist besonders neugierig und schaut auch schon mal ins Küchenfenster.
NABU meint, es sei selten, dass Haubenmeisen an Futterhäuschen kommen, aber diese hat mir mit ihrem Fensterblick wohl signalisiert wollen: „Hey, wir brauchen Nachschub!“ Ich stehe wie ein Stein während wir uns anblicken, aber eine Kamera lässt der possierliche Vogel nicht zu. O.K., dann zeichne ich halt einen, so vergeht die Zeit in Erwartung neuer Ansagen aus dem Kanzleramt. Aber auch eine andere Schwebe hat uns ereilt, das Schwiegermütterchen (90) liegt mit Corona im Krankenhaus – ach…

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Morgenstunde (428. Blog-Notat)

Das Novemberlicht schmeichelt heute noch einmal und vertreibt die Sonntagsschatten. Nachbars Kater schleicht durch den Herbstgarten als wäre er der Chef im Revier. Den Grauen schmückt ein dichtes Winterfell. Könnte ich auch gebrauchen, was haben wir gestern geschlottert bei 3 Grad am Morgen. An die Kälte muss frau sich erst wieder gewöhnen. Die Draußenzeiten werden kürzer und die Zeit am Zeichenplatz länger. Ich habe gestern ein vages Thema auf den Tisch bekommen und könnte mit dem Vordenken beginnen, doch noch sind die letzten Entscheidungen nicht getroffen, denn die allgemeine Lage schwebt über jedem Kreativprojekt… Machen oder nicht? Wie hoch ist das wirtschaftliche Risiko für alle Beteiligten? Wir wissen es nicht.  Die Fenster sind jedenfalls geputzt und weihnachtlich geschmückt, das Jahr taucht ein in die Lichterzeit, ganz gleich was sonst geschieht. Gut, dass es noch unverrückbare Gewissheiten gibt.

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Morgenstunde (427. Blog-Notat)

Es war ein stiller Sonntag. Hab meinen verstorbenen Seelen ein Licht unter dem Wunschbaum angezündet, bei dem mitgebrachten Grabstein, der lange schon nur Gedenkstein ist. Ein stiller Ort in der Heide, wo ich ihnen nachspüren kann. Der Wind singt in der Birke, sein Hauch weht eiskalt. Ach, sie fehlen mir – immer und immer noch. Ohne sie bin ich die Unbeschützte – lange schon. Gedicht zum Tage

Nur er nicht:

Sie fegte den Hauch mit der Hand von der Schulter und dachte dazu: Geh‘, verdrück‘ dich aus meinem Leben! Aber er war immer noch da, dieser miesepetrige Herr, der ihr ständig ins Ohr raunte: „Tu‘ dies oder jenes nicht!“ Als er das letzte Mal über ihre Bettzipfel sprach: „Schlaf nicht so lange, nur der frühe Vogel fängt den Wurm!“, stellte sie einfach den Wecker ab und drehte sich noch einmal um. Es war der trotzige Beginn, sich gehen den Nörgler aufzulehnen. Seither versuchte sie ihn loszuwerden, diesen Schatten aus der Vergangenheit. 20 Jahre war er schon tot. Sie hatte längst vergessen, starb er 1996 oder 97? Er hatte sich schon lange zuvor weit von ihr entfernt und steckte in einem anderen, neuen Leben. Sie konnte kaum glauben, wie liebevoll und großzügig dieser harte Kerl in dieser Familie sein konnte. Der Vater – ein Gestaltwandler. Als er ging, schien er sich ihrer zu erinnern, denn seither war sie da, die strenge Stimme auf ihrer Schulter…

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Morgenstunde (426. Blog-Notat)

Das letzte Lindenblatt im Baum lächelt vor winterblauem Himmel. Es könnte so schön sein, ABER: 23.648 Neuinfizierte. Nach der morgendlichen Arbeit am Zeichenplatz stapfe ich angepiekt mit dem Rasenmäher über die Streuobstwiese. Das war es wohl für meine Dezember-Lesetermine. Kann frau sich jedenfalls denken, der Teil-Lockdown wird ganz sicher nicht mehr in 2020 aufgehoben, womit sich das nächste Monatsheu sich in Staub auflöst. Das alte Auto steckt wieder einmal in der Werkstatt. Die Injektionsteile sind vollkommen verölt. Wird teuer werden. Der Liebste löste  mich eben am Rasenmäher ab, nun vertritt er sich sein Unbehagen. Wenn ich Euch Weihnachtsgeschichten vorlese, soll das nicht heißen – alles wäre gut. Aber die Weihnachtsfrau kann nicht anders, das Geschichten vorlesen gehört in diese Jahreszeit, also will ich für Momente an Eurer Stimmungsschraube drehen. Jede Woche einmal bis Weihnachten… Habt erst einmal ein friedliches Wochenende!

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