Morgenstunde (476. Blog-Notat)

Regnerischer Sonntag – das Wetter half, die Zeichenarbeit abzuschließen und die Schrift einzupflegen, nun ist das Logo für die Waldläufer fertig, mal sehen, wie es angenommen wird.

Jetzt kurz Verschnaufen. Hab dem Sänger WENZEL zugehört, seinem Lied von den „Verlorenen Gelegenheiten“, eine subtile Parodie auf die Zeit. Gelegenheiten haben die Politmacher viele verloren seit November und umso länger die Pandemie läuft, desto kopfloser wirken die Akteure. Wenigstens der K-Hahnenkampf schweigt heute, aus Pietät vor dem Gedenken der Corona-Toten. Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzt ein Achtungszeichen und das ist bitter nötig. In meinem Atelierfenster leuchtet seit Freitagnacht auch ein Gedenklicht. Wir brauchen diese Rituale für ein WIR in der Krise, eben weil sie uns noch fest im Griff hat und das geistige Chaos immer größer zu werden scheint.

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Morgenstunde (475. Blog-Notat)

Hab die Nase in den kalten Morgen gesteckt und fand, zu kalt zum Atmen. Das wird kein Gartentag. Ging nur nachsehen, war ein Dachs da? Heute Nacht nicht, die schweren Steine in seiner Grabung unter dem Zaun haben ihm den Weg verstellt, aber er wird sich garantiert einen neuen Zugang schaffen.
Auf dem Zeichenplatz wächst ein lange bestellter Lauffrosch. Das neue Design-Papier ist so glatt, dass es drei Aufträge braucht, bis die Farbe deckt und so zieht sich die Kleinigkeit in den zweiten Tag. Der Frosch wird den Wandlitzer Waldflitzern gehören. Laufen geht ja immer, ganz gleich in welcher Zeit.
Übers Wochenende wird er zu ihnen wandern.

Der Lauf-Frosch in Arbeit. Hose und Stiefel werden noch Sonnengelb. Das rchtes Motiv war das alte Lauflogo (nicht von mir) der Waldflitzer.

Ansonsten ist es ringsherum wieder merklich stiller geworden, es ist, als ob alle WARTEN. Auf die neuen Ver- und Gebote, auf die Tendenz der Zahlen, auf mehr Wärme für den Norden… Die Kontakte schweigen. Warum? Ratlosigkeit oder Resignation? Wer weiß das schon. Ich versuche jeden Tag irgendetwas Gutes gegen die schlechte Stimmung zu setzten. Eine kleine Verrichtung, die einen Moment Freude verbreitet. Beispielsweise eine wilde Ecke aufzuräumen, an die sich der Imkergatte schon lange nicht mehr rantraut. Einen Brief zu schreiben oder etwas Neues zu pflanzen. Gestern hab ich beispielsweise eine uckermärkische Küchenrose gepflanzt. Vielleicht hat nur die Nachwelt etwas davon, auch gut, aber es ist einfach ein herrliches Gefühl, einem Rosestrauch einen Platz zu schenken.  Schönes Wochenende Euch allen, wo auch immer Ihr seid!

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Morgenstunde (474. Blog-Notat)

Sie waren gestern wieder da, Dachs & Co. Der Dachs kam zum x. Mal unter den Zäunen durch und grub in der Wiese nach Engerlingen. Seine Spur war satte 120 Meter lang und in seinem Gefolge hatte er wohl die Waschbären. Einer von denen hat sich angewöhnt, den Deckel der Futtersäule vom Vogelhäuschen zu lüften, um reinzulangen. Dazu legt er immer artig den Deckel auf dem Dach ab. Das ist irgendwie zum Kichern. Ein ordentlicher Waschbär. Die Maisen-Knödel haben die Kleinbären für sich diesem Frühling entdeckt und komplett gefressen. Na, gut, aber mal ehrlich, dieser Dachs ist ein Vandale der Wiesen und Zäune.
Heute mussten wir nach Berlin zum Facharzt und in den Künstlerbedarf, das bedeutete – einmal quer durch die Stadt, von Pankow bis Steglitz, das ist inzwischen nur noch stressig für uns. Wir sind Landstraßenkutscher geworden, ist viel entspannter…

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Morgenstunde (473. Blog-Notat)

Ich komme zurück aus meiner Märchenzeit und stelle fest, es hat sich in der Realität nicht viel verändert. Ein nebulöses Trauerspiel: „Rin mit de Stühle, raus mit de Stühle – und wat nu?“ Wenn ich ehrlich bin, ich erwarte keinen großen Wurf mehr aus dem derzeitigen Kanzleramt. Sie würden mich überraschen, so viele Monaten herrschte ein schläfriges Bürokratiemonster und bewegte sich nur mit kopflosem Aktionismus. Es gab halbherzige Lockdowns und zu oft „noch eine letzte große Anstrengung“ – was soll da noch Gescheites kommen? Im Wahlkampf wird die Sanierung der Verhältnisse nicht gut gelingen. Aber für die Entfesselung aus der Bürokratie braucht es sehr rasch einen großen Reißwolf, dem die Überregulierung überlassen wird. Deutschland ist in wirklich allem zu langsam geworden und nicht nur in der Bewältigung der Pandemie. Aber bleiben wir hoffnungsvoll, denn: „…jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“ (Hermann Hesse, „Stufen“), also: Neustart bitte!

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Morgenstunde (471. Morgenstunde)

Wieder eine Woche mit Drohgebärden rund um die Impfstoffproduktion, es steckt das Potenzial für internationale Zerwürfnisse darin. Der Schacher hat naturgemäß auch kriminelle Energie, aber wer hätte schon gedacht, dass das Marktgesetz „Fressen und gefressen werden“ in einer Pandemie ausgesetzt wird? Marktvertrauen – ich hatte es nie und solche Tendenzen, dass beispielsweise die Antibiotika-Forschung für den Markt „uninteressant“ geworden ist, haben diesen Zweifel eher genährt. Ich denke an resistente Krankenhauskeime und es schaudert mich. Der Markt ist nicht menschlich, wäre er es, hätten wir eine gerechtere Welt.
Wir richten uns auf österliche Stille ein. Der Büchertisch ist abgedeckt, der Postkartenständer geräumt, damit die Schätzchen nicht einstauben. Kommt eh keiner ins Atelier und da wächst die Frage, was soll das noch? Ich denke an letztes Jahr Ostern: Der Papst mutterseelenallein bei seiner Osterbotschaft, das Bild wird in meinem Gedankenspeicher verharren, ebenso wie die LKW-Kolonnen mit den Toten von Bergamo. Die Zeiten geraten zum Wellenschlag. Jede Mutation kommt mit härterer Brandung, so scheint es jedenfalls. Habt trotzdem ein gutes Wochenende alle miteinander!

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Morgenstunde (470. Blog-Notat)

Gegen 11 Uhr hab ich meine heutige Gartenschicht unterbrochen, denn ein “Verzeihung” der Kanzlerin gibt es nicht alle Tage. Dafür hat sie meinen vollen Respekt, denn ein Fehlereingeständnis gehört zur Zivilcourage nach nächtlichen Irrwegen. Nun gibt es diese Korrektur und ich wünschte mir, die kommunale Ebene wird zukünftig flinker und erfinderischer. Denn was in Tübingen geht, kann auch in Brandenburger Städten möglich sein, es braucht beherzte Akteure, wie die Ärztin Lisa Federle mit ihrem Arztmobil. Man kennt sie inzwischen deutschlandweit, aber gibt es Nachahmer? Na, wie auch immer, kommunal geht was, wie auch Rostock zeigt. Kurzweiliges Verschnaufen in der Pandemie mit beispielsweise einem Kulturfest unter freiem Himmel, mit Schnelltest am Eingang. Die Leute brauchen etwas, was die Stimmung hebt und das allgemeine Durchhaltevermögen…

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Morgenstunde (469. Blog-Notat)

Bei solchen Nachrichten mag man gar nicht mehr aufstehen, es kräuselt sich einem das Hirn. Politikversagen sperrt den Bürger ein. Ich will nicht wiederkäuen, was uns tagtäglich an Meinungen und Verordnungen um die Ohren fliegt, aber eines wird für mich immer klarer – sie sind unwählbar geworden. Einer abtretenden Kanzlerin mag das nichts ausmachen, aber ein ganzes Land kommt ins Wanken, Kraft und Kreativität bluten aus. Es ist wohl so, dass alte Gesellschaften nicht mehr den Erneuerungsfunken in sich zünden können, sondern nur noch den Status quo verwalten und dabei Staub ansetzen. Wie kommen wir da bloß wieder raus? Oster-Lockdown – Gott sei Dank, haben wir einen Garten und könnten uns dort austoben, aber LEBEN geht anders…

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Morgenstunde (468. Blog-Notat)

Uiiii, ist das eisig im Wind. Graupelböen begleiteten heute unsere Fahrt nach Neuruppin. Die Tumornachsorge ging gut aus. Ich bin dankbar, vier Jahre ist dieser Kampf nun schon her. Den Termin umschlingt immer das Gespür dafür, wie endlich wir sind. Hab als Ablenkungsmanöver das zerzauste Kleid der Wiesenhex im Obstgarten ausgestopft, soll sie kraftvoll walten… Und dann sind da noch zwei Wurzelwesen, denen ich erst einmal die morsche Rinde abgehoben hab, mal sehen, wie sie weiterwachsen. Mir juckt es frühlingswild im grünen Daumen, aber, aber, zu kalt, noch nicht einmal das Scharbockskraut blüht und außerdem sollte ich in meiner Geschichte stecken, aber heute nicht, es war ein Tag mit großen Emotionen…

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Morgenstunde (467. Blog-Notat)

Als ich die Augen heute aufschlug, klatschen Riesenschneeflocken aus den Wolken. Sie tauten schon zerrissen, indem sie fielen. Dazu fiel mir, nur halbwach, ein nächstes Szenenbild für den Klausurtext ein. Ganz andere Farbe, völlig andere Konsistenz – Assoziation eben, die riss mich aus den Federn, um schnell das Erdachte aufzuschreiben. Manchmal sind solche Bilder flüchtig wie ein Traum, wenn man eben noch halb schläft.
Erst nach dem kleinen Schreibanfall habe ich mir die RKI-Zahlen vom Tage auf den Bildschirm geholt. Da rollt sie also, die Dritte Welle, die Zahlen steigen sprunghaft, es war anzunehmen, sie beunruhigen trotzdem. Es war ja ein großes Lebensgeschenk für zwei, drei Generationen in Deutschland gewesen, nicht mehr mit Seuchen leben zu müssen, aber das hat naturgemäß auch einiges im kollektiven Bewusstsein vergessen gemacht. Als mein Großvater Arthur 1949 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, litt er an Tuberkulose. Mit anderen kranken Männern haben sie ihn in einen Dorfkaten am Rande von Oberreichenbach o/l verstaut und gewissermaßen weggeschlossen – bis zum Tod. Es hieß das Siechenhaus. Die Frauen durften den Kranken Essen bringen und vor die Tür stellen. Zeiten, herrje. Ich habe als Grundschülerin Anfang der 60er Jahre einmal 14 Tage auf einer Seuchenstation wegen Ruhrverdacht zugebracht. Auch da blickten meine Eltern mitten im Winter nur die zwei Stockwerke zu mir herauf – Kontaktverbot war das gängige Prozedere in solchen Fällen. Es blieb beim Verdacht. Die Westdeutschen kennen noch die Ausbrüche von Kinderlähmung in den 60er Jahren. Wir sollten uns in unseren Familien mehr erinnern, um die Gegenwart besser zu ertragen…

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Morgenstunde (466. Blog-Notat)

Der Gartenriese hält noch Winterschlaf oder schaut deprimiert nach innen, wie wir alle in dieser Zeit. Wohin wird sie uns hinführen? Ich fürchte, wir schliddern auf eine große gesellschaftliche Depression zu.  „Das Virus der Armut“ nennt ein Oxfam-Bericht die messbaren Folgen der Corona-Krise. Es könnte auch „Virus der großen Traurigkeit“ heißen, denn in allen Mitteilungen, die ich derzeit aufnehme (per Mail oder Telefon) schwappt sie schon durch, die gedrückte Stimmung, die Vereinsamung, die Beschränkungen, die Sehnsucht nach Freude. Ich hoffe, ich irre mich.

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