Morgenstunde (985. Blog-Notat)

Der Garten vertrocknet in den Hitzetagen dieses Spätsommers. Das Gemüse will darin nicht mehr wachsen, obwohl der Liebste abends ein wenig gießt. Die Beinwellstaude ist versenkt, das alte Knochenkraut könnte ich jetzt gut gebrauchen.. Der Liebste ist gehetzt, zwischen all den Verrichtungen, seinen und meinen. Es bleibt viel liegen, ich auch mit ausgestrecktem Bein auf dem Sofa…
Am 19. September ist die Beerdigung der Mutter. Wir haben den Friedhofsvertrag geschlossen, Redematerial für den Pfarrer mit persönlichen Empfindungen zusammengestellt. Trauerlieder ausgesucht, den Kartentext und ein Motiv dazu gefunden. Alles andere hatte der Vater schon vorbereitet – vor drei Jahren, als die Ärzte ihm dazu rieten. Seither hieß es immer: „Bis Weihnachten wird sie es nicht schaffen…“ Man soll nicht unken, die Lebensgeister ticken mit unbestimmter Energie. Heute habe ich die Übernachtung in einer kleinen Pension in Aue gebucht. Ich werde nicht mitfahren können, komme all die Treppen nicht rauf. Das operierte Bein darf noch nicht belastet werden… Das bekümmert mich, aber es lässt sich nicht ändern. Den Ostseeurlaub Ende September haben wir gecancelt…

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Eine Buchbesprechung

„Spielbeschreibung“ von Klaus Dieter Remus

Da kommt einer 1993 mit labbrigen DDR-Pass aus der Welt zurück nach Deutschland und versucht an das einstige Leben in seiner Freundes-Klicke anzuknüpfen. Er wird scheitern, denn das einstige Lebensgefühl der Freunde ist längst Legende, ihr Alltag existentieller Kampf. Edgar sieht diesen Wandel, er gefällt ihm nicht, und so macht er, was er immer als Lösung ansieht: er formt aus dem Übel ein Spiel.
Zu DDR-Zeiten spielte der Klüngel tagelang „Monte Carlo oder Monte Christo“. Es ging um den perfekten Diebstahl völlig unsinniger Dinge. Sowas wie einen Stadtplan von New York z.B., wohin man damals nie reisen konnte. Kultus, Raffaela, Frank und Edgar, der den souveränen Spielführer gab. Kompliziert wurde es, wenn ein Spiel im Spiel entstand. Beispielsweise mit einer unwiderstehlichen Verkäuferin in der Spieleabteilung eines Kaufhauses, worin Edgar genötigt war, eine Erklärung seines gesuchten Spieles abzugeben:

„… Wissen Sie, es könnte darum gehen, dass sich jeder Spieler zu Beginn Klarheit über sich selbst verschaffen müsste. Charakter und Träume, seine Liebe, seinen Hass. Alles, was so dazugehört. Er müsste ein Bild von sich machen, ein Ornament, verstehen Sie?… Und auf alles, was er trifft, muss er versuchen, sein Ornament anzuwenden. Es wiederzufinden. Und es zu behaupten. Und dann muss er mit allen Mitteln versuchen, die Ornamente der anderen Spieler so zu beeinflussen, dass diese unbrauchbar werden. Dann kann er sie nämlich übernehmen. Ganz oder teilweise. Oder auch nicht. Das steht ihm frei…“

Aber manchmal verzockt man sich. Edgar hatte Versäumnisse. Während er nach der Wende den Weltenbummler gab, zog Antje die gemeinsamen Kinder alleine groß. In seiner Abwesenheit hatte das Leben der Anderen harte Züge bekommen, aber Edgar spielte wie eh und je, und es wird sehr schnell klar, sobald einer dieses Ornamenten-Spiel auf das wahre Leben anwendet, gibt es Kollateralschäden…

Klaus Dieter Remos hatte diesen Stoff 1993 gemeinsam mit dem Regieabsolventen Jörn Zielke in Szene gesetzt. Doch das Szenario kam nie in die Filmproduktion. 30 Jahre später formulierte der Regisseur und Autor Remus den Stoff zur Novelle um, die den schlaksigen Ton des Berliner Prenzlauer Bergs in den frühen 90ern wunderbar trifft. Langsam bekommt die damalige regellose Zeit unterwegs ein neues Verhaltenskorsett, und dieses historische Momentum fängt der Autor präzise ein.

Petra Elsner

„Spielbeschreibung“ von Klaus Dieter Remus, 188 Seiten, Taschenbuch, Hardcover, epubi.com, ISBN: 9783759836137, Preis 23,99 €

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Lyrik-Krümel

Zeitverwehen

Ein Schatten liegt auf
der Erinnerung
nebelweiß
dahinter: erloschene Zeit
wir tragen ihre Narben
die bei Schlechtwetter klagen
in der Luft flirren Spuren
der verwelkten Ferne
die keine Namen tragen.

© Petra Elsner

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Zunehmende Beunruhigung

Eine Buchbesprechung

Über allem schwebt ein Zweifel. „Du wirst nicht viel erfahren“, erklärt der Dichter gleich zu Beginn. Von absurden Begegnungen jedoch schon: Dem wiederkäuenden Alligator, Wolkentieren, einem Raben aus Kunststoff. Den kann man alles fragen (immerhin), ohne Antworten zu erwarten in einer Silvesternacht. Wir befinden uns im neuen Mieder-Buch. „Zunehmende Beunruhigung“ nennt er es. Ein Titel, wie aus der Zeit gepflückt für Gedichte, die eigentlich geistreiche Assoziationen sind zu einem Flohmarktbummel, städtische Miniaturen, durchwebt von Poesie. Ein bisschen abgeklärt, wie es das Älterwerden mit sich trägt. Mit 71 Jahren steht ihm das zu.
Eckard Mieder ist der poetische Meister des Moments. Er sieht eine Szene, und seine Gedanken führen das Bild ins philosophisch Absurde. Ein Gedankenspiel um essenzielle Menschheitsfragen; nach Sinn und Unsinn, Liebe und Tod, Lust und Vergänglichkeit. Oder aber: Fundsachen wie die „Pfotenpiloten“, eine seltsame Werbung zum Reinschnüffeln. Alltagsgeschichten. Das Sokratische über das Wissen und Nichtwissen durchzieht Mieders Abwägungen und Miniaturen, verabschiedet Träume und Verluste: „Mein Kontinent verliert seine Vögel…“; „die Aufrichtigen fehlen in der Zeitung.“ Wir erleben wölfische Gedanken über gefräßige Vorlieben und spüren die Gefahr, gefressen zu werden- ein Fabelbild. Daneben wehende Erinnerungen auf Schlittschuhen, Jahreszeitenbilder wie Flashbacks bevor der Schlaf kommt. Gelebte Poesie, die auch von folgenreichen Irrtümern erzählt:

Lebendige Irrtümer

Denen du über den Weg traust,
überließest du nicht mal dein Portemonnaie;
obwohl es leer von Geld ist und bewohnt
von einem ungültigen Perso, einem
getrockneten Blatt (Rose?) und mit
einem aus der Gosse gehobenen Abriss
aus einer Zeitung, die nur ihr Datum
noch lesen lässt: 4. Oktober 1990.

Aber die du nicht kanntest, obwohl du mit ihnen
trankest und an Ufern in die verschleierten
Himmel schautest – denen überschriebst du
Hab und Gut und wundertest dich, dass dir
niemand von ihnen aufmachte, als du
an die Tür deines einstigen Hauses klopftest
Und von draußen hörtest, wie sie
feierten und lobpreisten sich selber;
nicht mal dein Name fiel.

Ja, man kann noch viel erfahren in Mieders neuem Gedichtband, der melancholisch von beunruhigenden Abschieden spricht.

Petra Elsner

Zunehmende Beunruhigung, Gedichte von Eckhard Mieder, ISBN: 978-3-89793-329-3, Kartoniert, Paperback, verlag am park, Preis: 15 €

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Morgenstunde (984. Blog-Notat)

Als ich Dienstag heimkam, träumte ich von Kraft, die ich nach der OP des Wadenbeinbruchs nicht hatte. Für Krücken viel zu schwach, hoppelte ich gestützt auf einen Rollator ins Haus von Zimmer zu Zimmer, ins Bad und schließlich aufs Sofa. Mein Dauerparkplatz. Im von Benno geborgten Rollstuhl fuhr mich der Liebste in den Garten, wo ich den vordersten Bereich zu gießen versuchte. Ein Witz, denn die Wasserhähne der Schläuche befinden sich in für mich unzugänglichen Ecken… nachmittags tranken wir Kaffee unter dem Glasdach. Schmetterlinge segelten über den Efeublüten. Das Leben atmete in diesem kleinen Moment reine Schönheit. Aber dann kam der Hammer: Füße dick, am gebrochenen Bein und auch an dem verstauchten. Schmerzhafte Stehversuche am Rollator. Das Wadenbein ist vom medizinischen Stützschuh von blauen Flecken übersäht. Dessen Manschette klumpte, weil man im Krankenhaus sie nicht vakuumisierte. „Machen wir hier nicht“, mit dem Ergebnis, das ich schwere Druckstellen bekam. Das Vakuum haben wir Zuhause hinbekommen… Die Druckstellen müssen nun erst abklingen, bevor ich schmerzfrei werden kann. Hätte nicht sein müssen… Also Beine hoch und Ruhe bewahren und aufpassen, dass der Liebste nicht überfordert wird. Meine Kommunikation leidet derweil, kann keine 10 Minuten am Computer hocken… habt ein Nachsehen mit mir 😊

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Morgenstunde (983. Blog-Notat)

Rote Hasel.

Die nachfolgenden Tage zerfließen seltsam zäh. Neue Worte wie „Bestattergespräch“ oder „Trauerportal“ springen in unseren Spätsommer. Gedämpfte Zeit. Der Liebste bringt Mittwochnacht Säcke mit Mutters Kleindung mit aus Aue. Sichten. Entsorgen. Ihr Schrank im Pflegeheim musste geräumt werden. Wenn es sich machen lässt, zieht der Vater in den nächsten Tagen noch einmal um, in ein Einzelzimmer. Er will nicht irgendjemandes Gesellschaft. Verständlich. Das Bürokratische hingegen nimmt sich Zeit. Ohne Sterbeurkunde lässt sich nicht viel machen, die braucht etwa zehn Tage, sagt man uns. Schon mal den Text für die Traueranzeige schreiben. Die Beerdigung auf dem Waldfriedhof Erzgebirge wird erst in 6 bis 8 Wochen sein. Dann ist es schon Herbst…

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Morgenstunde (982 Blog-Notat)

Unsere Mutter (94) ist gestern gestorben. Sie war zuletzt nur noch ein schwaches Seelchen. Kaum 30 Kilo. Es hat uns gejammert, sie so zu sehen. Nun ist sie erlöst und der Vater allein. Wir haben uns zu kümmern, der Blog ruht derweil…

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Morgenstunde (981. Blog-Notat)

Wer mir hier zurzeit zusieht, muss doch denken: Schon wieder Weihnachten? Ein Tick. Na ja, wohl auch, aber in dieser Schwebe mit den Eltern, die gehen wollen, das Essen einstellen, zurückrudern, dann wieder nicht oder nur vergessen… Es besetzt derzeit unsere Köpfe und hält uns emotional auf Trab. Beim Lesen kann ich mich nicht konzentrieren, lange Texte schreiben, geht auch nicht. Nach Bildern fragt in diesem Sommer keine Seele (wie ich erfuhr, auch in anderen Ateliers), da kann man schon mal nützlicher Weise die Weihnachtsproduktion beginnen. Titel 18: „Heimlichkeiten“ ist schon in der Form. Diesmal ging das Layouten pfeilschnell. Kein Wunder, hab ja gerade die Sommerproduktion hinter mir und den Dreh raus. Es half mir stundenweise, mich abzulenken. Bitte diesen 18. Titel nicht ordern, es sind meine Geschenke zum Fest, wie jedes Jahr…

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Lyrik-Krümel

An der Schwelle

Sie brechen auf
zum anderen Ufer
über das Meer
des großen Schweigens

Fast ein Jahrhundert
haben sie gesehen
sind die letzten, die gehen
ihre Kinder längst alt

Ein Jahrzehnt
nahmen sie Abschied
von den Söhnen zuletzt
an der Schwelle zum Frieden.

© Petra Elsner

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Morgenstunde (980. Blog-Notat)

Auf 13 Grad ist die Wassertemperatur über Nacht gestiegen. Das Brunnenwasser (haben uns unsere Nachbarn spendiert 😊! Nochmals DANKE dafür!) misst erdkühle 6 Grad. Bin gespannt, wie lange es zum Erwärmen braucht. Heute kommt das Chlor hinein und die Umwälzpumpe wird angeschlossen. Fertig. Ein bisschen schief ist der Wasserstand doch noch, denn das Gewicht drückt die Unterlagen zusammen. Als wir mit dem Befüllen begannen, sagte die Wasserwaage: Alles gerade… Nun, ich hoffe, es hält und die sommerliche Abkühlung kann kommen. Nächstes Jahr sind wir schlauer. Wie sich doch die Gartennutzung wandelt, wenn darin nicht mehr die Öffentlichkeit spaziert. Lesegarten – alles Geschichte. Aber das passt alles zu meinem körperlichen Zustand. Wurzelwesen werde ich dennoch verstecken… Jede Kohlrabiknolle spendiert herrliche Wuschelwurzelköpfe. Bohrloch rein und aufgespießt und schon wispert da was 😊…

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