Morgenstunde (18)

Linde am Blumenmond im Herbst.

Es ist noch zeitig. Im Ofen backt schon ein Kuchen, während ich verschlafen meine sieben Sinne suche. Zu 10.30 Uhr hat sich der letzte Septemberbesuch im Atelier angekündigt. Es ist eine Gruppe aus dem ehemaligen Zehdenicker Kulturbund, die sich auf eine zweite Stippvisite zu mir aufmachen wird.
Vor sechs Jahren waren sie das erste Mal hier im Quartier. Kurz vor Ostern 2011. Ich weiß noch, dass es lause kalt war, so dass sich die Besucher blitzschnell aus dem Lesegarten in meine Wohnküche verzogen hatten, um eng beieinander heißen Kaffee zu schlürfen. Die Wohnküche misst knapp 24 Quadratmeter … Wie sie dort dicht beieinander hockten, hab ich ihnen einen kleinen Märchenvortrag im Stehen gehalten. Die 20 Leutchen fanden es kuschlig und ich wunderte mich still, dass das Häuschen keine Ausbeulungen bekam…
Mal sehen wie der neuerliche Besuch läuft. Diesmal kann ich draußen im herbstlichen Blumenmond eine Geschichte vorlesen, denn das Wetter soll ja wieder einmal ein Geschenk für uns alle bereit halten, noch nieselt es…

Wie gemalt: Im Herbst verwandelt sich der Garten  in ein Märchen-Szenario. 
Im Lesegarten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Amselfrau am Teich

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Morgenstunde (16)

Foto: Petra Elsner

So, nun Schluss mit der Orakelei. Ich werde morgen natürlich wählen gehen und mich humanistisch entscheiden. Der Bürger muss sich auch als Einzelwesen einmischen.
Mir scheint, die letzten lauten Wochen waren nur ein Vorgeplänkel für eine Zeit, in der auch Westeuropa in gravierende Veränderungen geraten wird.
Gerade deshalb muss man/frau  an der Wahlurne mitmischen …
Habt – wie auch immer – ein schönes Wochenende

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Morgenstunde (15)

Treibgut. Foto: pe

Noch eine Woche bis zur Wahl und zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich nicht, wem ich meine Stimme geben soll. Ich bin in den medialen Arenen der alten Eliten keinem begegnet, der auch nur annähernd Antworten auf die Herausforderungen unserer unruhigen Welt hervorgebracht hätte. Stattdessen haben wir  hemmungslose und gefährliche Umarmungen im traditionellen Parteiensystem erlebt. Ein gegenseitiges Festhalten in Zeiten der Eruption der welkenden Machtgebilde. Keiner hat wirklich etwas vorgelegt, das sich den Problemen Deutschlands und Welt kreativ stellt. Der einzige, der mich gestern wirklich erstaunte, war Lindner mit seiner freien Rede ohne Pult und Block. Bemerkenswert, aber auch er hatte keine tiefgründige Zukunftsvision, die in den Technikschüben und geopolitischen Konflikten bestehen könnte.
Wir leben in einer Zeit der Mogelpackungen. Wie bei Volkswagen wird eher ein Schleichpfand mit Nebenwirkungen gegangen, als die Probleme der Erneuerung und des Wandels anzupacken. Viele Menschen sind längst mit ihren empirischen Erfahrungen den Politikern voraus und gerade deshalb so unduldsam gegen Phrasendrescherei  geworden. Ich gehe einstweilen in die innere Klausur, um meine Wahrnehmungen zu schärfen – in freier Selbstbestimmung.

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Morgenstunde (14)

Es herbstelt.

Die Woche war wie flüchtiges Gas. Der Marktrückbau im Atelier und unzählige Verrichtungen und Kleinigkeiten fraßen die Stunden. Wenn ich mich umschaue, weiß ich kaum noch, was vorgestern war. Heute kam Doro mit ihrem Mann, um das Bild, was sie in meiner Sommerausstellung schon gekauft hatte, endlich abzuholen – nach all den Sommerreisen.

Petra Elsner: Geheimnis 67, 80 x 100, Mischtechnik auf Leinwand

Es wird nach Jena ziehen – das Geheimnis 67. Dieses steht für: UNENDLICH und alles, was sich dahinter verbirgt. Die Spirale als magisches Zeichen für Lebendigkeit, Anschub, Göttlichkeit ….

Irgendwo in diesem universellen Spiralnebel hab ich diese Woche zugebracht. Zwischen herbstlichen Verrichtungen und Mohnblüten.
Im Ofen duftete eben noch ein Blech voll Sauerkirschen-Quark-Kuchen und auf dem Herd köchelt die erste fette Hühnersuppe des  Winterhalbjahres. Der September beginnt sich leise zu färben. Man müsste die Zeit dehnen können…

Weinbergschnecke zu Gast.

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Morgenstunde (13)

Zeichnung: Petra Elsner

Florale Motive haben mich lange nicht mehr interessiert. Sie gehörten nicht zu jener  Bilderwelt, aus der sich meine Erfindungen speisen. Aber seit ich in diesem verpeilten Sommer das Märchen „Die Mohnfee und die verschwundene Zeit“ geschrieben und illustriert habe, ist das irgendwie anders. Immer wieder fragen mich Ateliergäste, ob ich nicht diese wundervollen Mohnblüten aus besagter Geschichte ohne Märchen aufs Blatt bringen könnte. Auf dem Berliner Kunstmarkt am vergangenen Wochenende war das auch allenthalben so. Hm, wollte ich eigentlich nicht. Aber nun, da es draußen  regendunkel ist und der Sommer sich wieder aus dem Staub gemacht hat, war mir nach leichter Kost gegen den Trübsinn. Und da sind sie nun, die ersten zwei Mohnblütenblätter. Nein, ich werde das Florale nicht ewiglich betreiben, aber als stimmungsaufhellende Fingerübung sind die Zarten wirklich geeignet. Offenbar helfen Mohnblütenblätter gegen Herbstblues… 🙂

Zeichnung: Petra Elsner

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Morgenstunde (12)

September im Lesegarten. Es ist früh am Morgen. Die Lesebanner sind schon aufgehängt und die ersten Möbel aufgestellt. Es fehlt noch das Kaffeegeschirr und die Sitzmöglichkeiten im Blumenmond. Noch liegen die langen Schatten auf der Wiese, aber heute Nachmittag wird hier mildes Sonnenlicht wohnen.

Das Wetter scheint mitzuspielen. Das ist ein Glück, denn heute Nachmittag kommt der Frauentreff aus dem Örtchen Hammer, um das Atelier und den Lesegarten zu besichtigen. Für mich ist das immer total aufregend. Denn man/frau kennt nicht die Erwartungshaltung der Ateliergucker und macht so viel  mehr als vielleicht notwendig. Zum Beispiel ist der Garten frisch frisiert. Klar, dass hätte ich im September eh vorgehabt, aber so auf den Punkt – nicht. Da wir einen Altweibersommertag bekommen haben, können wir die ganze Pracht wenigstens gut genießen. Ich werde 15 Minuten lang im Blumenmond eine Geschichte als Kostprobe vorlesen und Kaffee ausgeben. Danach hoffe ich auf wirklich interessierte Besucher, die sich gut umschauen und all die schönen Dinge mit den Augen berühren. Vor einigen Monaten hatte ich in Hammer eine Autorenlesung gegeben. Die Ausflugsidee der Landfrauen entstand in diesem Kontext. Ich bin gespannt wie das ausgeht.

(pe, 5. September 2017)

Gartenschmöker.

Stunden später:

War schön gewesen. Die Frauengruppe hat sich zwei Bleche voll Kuchen mitgebracht und zur Kaffeezeit meiner Mohnfeegeschichte gelauscht. Mit dem Ergebnis, dass doch ein großer Teil der Besucherinnen Bücher für sich entdeckten. Was will frau mehr! Dazu bekamen wir alle diesen wunderbaren Spätsommertag geschenkt- einfach klasse. Inzwischen ist das ganze Szenario im Garten zurückgebaut, wir sind gut geschafft. Zu morgen hat sich eben der nächste Atelierbesuch angesagt. Eine Kleingruppe, die ein Sommer- und ein Winterbuch von mir haben will – kann sie :).

Pausieren: Besucherinnen vom Frauentreff Hammer bei ihrer Kaffeezeit in der Nachmittagssonne.
Lesung im Sonnenlicht.

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Morgenstunde (11)

In den Zeitenwind gesprochen.
Foto: Petra Elsner

Vor nicht allzu langer Zeit wurden die jungen Schreiber von erfahrenen Redakteuren unter die Flügel genommen. Denn so lernt man am besten fliegen (nicht wahr Gitta?). Gemeint ist eine fachlich, stilistisch und journalistisch solide Arbeit. Dabei ging es nicht nur um kompetente Recherche, sondern auch und vor allem um Augenmaß und Verantwortung. Ein Gespür für die Folgen einer Headline zu entwickeln. Das alles gibt es heute kaum noch. Denn die alten Redakteure hocken auf ihrem Erfahrungsberg wie auf einem Goldschatz und hüten ihn verschlossen. Doch das ist keine Rückversicherung für das Verbleiben in den Redaktionsstuben. Längst gehen Sensation und Originalität vor Qualität und Mitmenschlichkeit. Berufsethos – was ist das heute noch?
Mein „Meister“ war einst der Redakteur Eckard Sommer. Er war kaum älter als ich, aber schon lange bei der Presse, während ich als 33-jährige Quereinsteigerin erst nebenberuflich studierte. Er übernahm für mich die sogenannte Zweitlese und trieb mir die schlimmsten ledernen Wortverbindungen aus. Danke Ecki! Ich spreche das ins virtuelle Nirwana, weil ich den Herrn Sommer kurz nach der Wende aus den Augen verloren habe. Sehr schade.
Schüler-Meister, dass ist, wie ich finde, auch heute noch ein wichtiges gesellschaftliches Verhältnis. Ein starkes Bindemittel. Die Jungen denken vielleicht, es gibt Google, was soll ich da noch irgendjemanden fragen. Aber Gespür und Instinkt bekommt man nicht über eine Suchmaschine serviert. Es gab schon einmal solch einen gesellschaftlichen Einbruch, nach dem die Jungen glaubten, die Alten nicht mehr zu brauchen. Es war die Erfindung der Schrift… (pe, 2. September 2017)

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Morgenstunde (10)

Blick aus dem Atelierfenster.

Es ist wohl das schwerste überhaupt,
für sich das richtige Arbeitsmaß zu finden.
Da starte ich einen Morgentest
und bringe damit meinen ganzen Tag damit durcheinander.
Zuerst legt sich ein Druck in die Zeit
und bindet die Gedanken an das Unterfangen,
statt frei zu sein für die künstlerischen Projekte.
Die „Morgenstunde“ als Plauderei wird es fortan immer mal wieder geben,
sporadisch ohne feste Verpflichtung.
Denn da draußen lockt das pralle Leben…

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Morgenstunde (9)

Gartenschmöker.

Eigentlich wollte ich nie wieder über das Arbeiten für Zeitungen schreiben. Eines Tages saß ich in einem Wartezimmer beim Arzt, lange und als ich nach zweieinhalb Stunden endlich dran war und mein Blutdruck 110 zu 180 anzeigte, wurde ich gefragt, ob ich mich aufgeregt oder Angst hätte. Ich schüttelte ahnungslos meinen Kopf. Erst auf dem Nachhauseweg wurde mir klar, was diesen Tumult ausgelöst hatte – das Büchlein „Der letzte Zeitungsleser“ von Michael Angeles, was ich im Wartezimmer las. Die Fiktion erzählt von einer Zeit, in der es kaum noch Zeitungen geben wird und der Hatz nach jener Rarität. Alles was darin berichtet wird, ist wie aus der Jetztzeit gepflückt, einer Zeit, in der die Blätter zu Filterpapier verkommen und verelenden. Beim Lesen raste mein Puls los, denn mein Innerstes schrie als wären die Zeilen in eine offene Wunde gefallen. Und das waren sie auch. An diesem Tag habe ich mir gesagt, es ist die Sache nicht wert, sich soooo aufzuregen. Aber das ist nicht wahr. Der Autor und Blogger Arno von Rosen hat mir heute mit seinem Beitrag über NACHRICHTEN dieses Stöckchen hingehalten. Er verwies darin auf einen guten Artikel von Sanra Matteotti, die den Verfall der Schweizer Zeitungslandschaft kommentiert und die Folgen für die Demokratie aufzeigt. Diesen Prozess haben wir im Osten Deutschlands schon lange durch. Seit mehr als zehn Jahren verkam das Zeitungsmachen zum FÜLLEN von Papier. Immer weniger Menschen müssen immer mehr Seiten schruppen. Das hat haarige Auswirkungen auf die Qualität von Recherche und Text. Und weil die Artikel im Mengen „ausgeworfen“ werden, als würden sie Maschinen produzieren, ist auch der verlegerische Umgang mit den Journalisten respektlos geworden. Von den freien Mitarbeitern will ich gar nicht erst reden. Die kommen noch hinter den Paketsklaven der Post. Was waren wir früher stolz über jede Edelfeder, die für unser Blättchen schrieb! Die Redaktion hat diesem Talent den Rücken frei geschaufelt und es gehütet und gepflegt. Heute sind alle Schreiber nur noch Kostenfaktoren. Und jeder, der noch draufsitzt auf dem alten Zeitungsdampfer hofft, der Pott möge ihn noch über die letzten Lebenswellen bis zur Rente tragen. Aber das ist ungewiss, wie die Frage, was kommt danach.

(pe, 29. August 2017)

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Morgenstunde (8)

Erntezeit.

Es duftet nach trocknenden Pilzen im ganzen Häuschen. Wohltuend: Der Spätsommer verschenkt gerade Gaumenfreuden und ein bisschen Jagdfieber. Milde hängt im Gartengrün, in das sich schon viel Braun mischt. Wir hoffen auf eine gute Pilzsaison und beschauliche Waldspaziergänge. Man/frau sollte in jederart Herbst zur Ernte kommen, aber das ist nicht so. Doch heute Morgen klemm‘ ich mir mal die große Nachdenklichkeit.
In einer Stunde wird es klingeln und eine taffe Lehrerin wird auf dem Hof spazieren, um mit mir unser Apfelprojekt für die Kleine Grundschule in Groß Schönebeck zu besprechen.

Der kleine Apfekönig. Zeichnung: Petra Elsner

Meine Geschichte „Der kleine Apfelkönig“ wird von den Kindern in ein Stück zum Erntedankfest verwandelt. Die Lehrerin will mir zeigen, wie sie meinen Text für die kindlichen Spieler umgeschrieben hat. Dabei kann ich über das Runterbrechen etwas lernen. Das ist spannend für mich und lässt zugleich verschmerzen, dass der Aufwand für solche Projekte unverhältnismäßig hoch ist. Zur Vorarbeit gehörte neben der Geschichte: fünf Malblätter zu entwerfen, ein Bühnenbild auf Stoff aufzureißen und natürlich ein Konzept zu schreiben. Die Malblätter werden von den Kids farbig ausgelegt und dienen danach als Spielhilfe, denn die Blätter zeigen immer einen Szeneninhalt. So können sie leichter mit eigenen Worten die gehörte Geschichte nacherzählen. Darum geht es. Und auf der Seite der Macher verschmelzen im Vorspiel (also in einer Stunde) die Talente. Ein feiner Morgen!

(pe, 28. August 2017)

 

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