Dorfgeflüster: Waldtheater

Haben Sie schon einmal eine Nacht im Wald verbracht? Abenteuerlich. Schon in der Dämmerung werden die Geräusche lauter. Das Raunen unter mächtigen Baumwipfeln. Der Schuss eines Jägers auf der Pirsch schickt Echowellen durchs Revier. Nebel geistert über dem Luch, und ein Käuzchen ruft. Aber wenn gegen Mitternacht der Sternenhimmel über unserer kleinen Waldwiese in voller Pracht erstrahlt, hat sich der Wind gelegt, und wir lauschen mit Riesenohren in die große, laute Stille. Hier ein Rascheln, dort ein Knacken. Ist es ein Fuchs, ein Reh, ein Marderhund, gar ein Wildschwein? Der Atem stockt, die Hand greift nach dem Strahler. Spot an: Nein, es ist nur wieder die ruhlose Amsel im Unterholz, oder eine Haselmaus hangelt in der Eiche.
Vier Amselpaare leben in diesem Jahr auf dem Hof am Schorfheidewald und liefern uns tagtäglich ein regelrechtes Waldtheater. Ein Männchen gibt immer den Ulkigen, hockt wie ein Kaspar unweit auf dem Zaun im aufgeplusterten Schwarzrock und beobachtet mit schrägem Kopf das Treiben. Ein anderes jagt pfeilschnell durch das sonnenhutbegrenzte Terrassengeviert, als wollte es kurz mal schauen, was hier aufgetafelt steht. Während eine Amseldame beim Sonnenbade im Sand sich einfach mal Tod stellt und mir mit dieser Schau einen gewaltigen Mitleidsschrecken einjagt. „Unsere“ Amseln verhalten sich langsam wie zutrauliche Haustiere. Sie begrüßen uns am Morgen mit einem trillernden „Srieh“, warnen einander mit dem Ruf „Tack-tack-tack“, manchmal auch „Tix-tix-tix“, „Tink-tink-tink“. Wird ein fliegender Angreifer in der Luft entdeckt, beispielsweise ein Sperber oder Milan, kreischt dieser Vogel einen langen, schrillen „Sieh“-Ruf und benachrichtigt damit auch andere gefiederte Freunde.
Die Amsel ist Deutschlands häufigster Vogel. Noch vor 100 Jahren war sie ein scheuer Waldvogel, heute sind ihre melodiösen Gesänge fast in jedem Garten oder städtischem Hinterhof vernehmbar.
Übrigens, wenn ein Braunfederweibchen ihren Liebsten theatralisch anzetert, hört man die Gute ein genervtes „Djück“ mosern, aber stößt sie ein „Dack-gigigi“n aus, ja, dann ist sie wirklich sauer, und der schwarze Flattermann nimmt nun Übungsstunden im Charakterfach Balzen oder antwortet ungerührt mit stolzem Imponiergehabe: mit weit aufgerissenem Schnabel und hochgerecktem Schwanz – Waldtheater eben. Und nachts spielt er täuschend echt: märkisches Großwild

© Petra Elsner

Amsel, Zeichnung von  Petra Elsner
Amsel,
Zeichnung von Petra Elsner

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Reportagen aus dem Schorfheidewald: Die Mitmenschliche

Annette Flade, 1950 als Kind einer Bäckerfamilie in Wittenberge geboren, studierte an der Humboldt Universität zu Berlin. 1973 heiratet sie Stephan Flade und absolvierte 1976 ihr 2. Theologisches Examen. Zwei Töchter hat das Paar herangezogen und einen Sohn adoptiert. Foto: Petra Elsner
Annette Flade, 1950 als Kind einer Bäckerfamilie in Wittenberge geboren, studierte an der Humboldt Universität zu Berlin. 1973 heiratet sie Stephan Flade und absolvierte 1976 ihr 2. Theologisches Examen. Zwei Töchter hat das Paar herangezogen und einen Sohn adoptiert.
Foto: Petra Elsner

Als vor drei Jahren Stephan Flade als Pfarrer in den Pfarrsprengel Groß Schönebeck eingeführt wurde, bemerkte das Dorf sehr schnell: Hier kommen eigentlich zwei. Denn Annette Flade war ebenfalls Pastorin, nur ohne Anstellung. Doch es war ganz klar, das die ehemalige Ausländerseelsorgerin (neun Jahre in Potsdam) und Entwicklungsarbeiterin (drei Jahre in Indonesien) nicht einfach die Hausdame in der Schlossstraße 9 geben würde. Dazu war in ihrem eigenen Leben zu viel geschehen. Eine, die Folteropfer betreute und für ein globales Miteinander auf Augenhöhe unterwegs ist, würde die Gedanken und Füße nicht stillhalten können. Denn diese Erfahrungen und Einsichten vertreiben die Behaglichkeit aus jedem Seelenwinkel. Es sind die großen Lebensunterschiede nebenan und in der Welt, die Annette Flade ruhelos machen. Und natürlich die Frage: Wie geht man mit ihnen um? 2006 hat sie in dem Buch „Geht dem Flüchtling mit Brot entgegen“ die Essenz ihrer Wahrnehmungen zusammengefasst. Keine leichte Kost.
Jetzt in der Schorfheide scheint alles kleiner gegriffen und hat doch einen großen Atem. Sie hat gemeinsam mit anderen Frauen das Lädchen „Solidario“, einen Eine-Welt-Laden eröffnet und meint dazu: „Viele Dörfer haben heute schon keinen Laden oder keine Gastwirtschaft als Kommunikationsmittelpunkt mehr. Aber so ein  Kirchenlädchen ‚Solidario’, mit kleinen, feinen Geschenkartikeln, Kaffee, Tee und Schokolade zu fair gehandelten Preisen, könnte theoretisch problemlos in jedem zweitem Dorf entstehen. Man hätte stundenweise einen Ort, um miteinander über das alltägliche Leben, Gott und die Welt im Gespräch zu sein.“
In Groß Schönebeck ist das indes so. Immer freitags von 16 – 19 Uhr schließt eine der Solidario-Frauen den Laden im Gemeindehaus auf und ist dort nicht lange allein. Man kommt um guten Kaffee zu kaufen oder ein schönes Tuch für die Freundin, ein kleines Spielzeug für ein Kind. Dabei kann man nicht nur ein paar Euro loswerden, sondern manche stille Sorge oder eine Verabredung treffen. Das Lädchen belebt das Dorf ebenso wie die „Offene Kirche“ im Sommerhalbjahr.
Seit dem Frühjahr 2010 hat sich um Annette Flade eine Gruppe von etwa zehn Gemeindemitgliedern gesammelt, die vom Mai bis September die schöne Immanuelkirche des Ortes für Besucher offen hält. Garantiert interessant für Jagdschloss- und Museumsgäste, die nun nicht mehr nur den imposanten Putzbau mit quadratischem Feldsteinturm, Fachwerkaufsatz und Schweifhaube von außen bestaunen müssen, sondern auch einen Blick auf den hölzernen Kanzelaltar, ionische Säulen, umlaufende Empore … werfen und dabei Preußische Geschichte erleben können. Draußen vor der Tür wartet dazu samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr ein Kaffee- (fair gehandelt) und Kuchentisch auf  Touristen und Dorfbewohner. Die Gemeindefrauen backen und laden zur Geselligkeit vor der Kirchenpforte. Kuchen gibt es gegen Spenden und für ärmere Dorfbewohner gänzlich kostenfrei. Offenen Herzens, nicht als Almosen.
Die Schönebecker hatten wohl ein gutes Gespür, welch menschliches Geschenk die beiden Flades für sie seien werden, als sie sie begrüßten. Obgleich – man wundert sich immer noch, wo die beiden Pastoren überall auftauchen ohne zu missionieren. Zu Geburtstagen, Jagdhornblasen, Festen …  Denn natürlich geht es zuerst einmal um das alltägliche Leben im Dorf. Um das Brückenbauen über historische Brüche und ein waches Gespür für den Wandel der Zeit, auch um den demografischen.
Annette Flade scheut sich nicht, heikle oder gar pure Angstthemen anzutasten. Krankheit und Sterben. „Man braucht ja nur vor die Tür zu treten, da sieht man die Probleme der Überalterung im ländlichen Raum.“ Es hilft gar nichts wegzusehen, und weil das Sprechen darüber vielen erst einmal schwer fällt, hat die Pastorin ein Denkangebot über bewegte Bilder angeschoben. Der interne, aber kirchenoffene Kinoabend „KINTOPP“ lebt aus-schließlich von Lebensthemen und ist dennoch gut besucht! Im Winterhalbjahr jeden ersten Donnerstag im Monat, 19 Uhr.
Kaum zu glauben, was das Paar alles in seiner kurzen Lebenszeit in der Schorfheide alles angeregt und inszeniert hat: Sommerausstellungen in der Winterkirche und die Konzerte „Schorheideklänge“, den Kintopp und das Solidario-Lädchen, das Gedenken, der von den Nazis ermordeten Pfarrersfamilie Wagner …  und Annette Flade wirkt nicht, als wollte sie leiser treten. Zu munter und herzbewegt ist sie unterwegs.

Kontakt: Jeden Freitag von 16.00 bis 19.00 Uhr im Gemeindehaus, Liebenwalder Str.54 (gegenüber der Kirche) im Obergeschoss. Andere Absprachen sind möglich unter 033393/341 oder 559.

Ein halbes Jahr waren die Flades nach ihrer Rückkehr aus Indonesien gewissermaßen arbeitslos und wohnten bei Freunden im Prenzlauer Berg, bevor sie seit dem 3. Februar 2010 das Licht im Pfarrhaus Groß Schönebeck anknipsten. Hier im Bild packen Sie ein Geschenk aus. Annette sagt über die zurückliegende Zeit: „Wir wussten, dass das Weggehen einfacher ist, als das Zurückkehren. Das hört man, stellt es sich aber nicht so dramatisch vor. Die Anstrengungen wirken bis heute nach.“ Foto: Petra Elsner
Ein halbes Jahr waren die Flades nach ihrer Rückkehr aus Indonesien gewissermaßen arbeitslos und wohnten bei Freunden im Prenzlauer Berg, bevor sie seit dem 3. Februar 2010 das Licht im Pfarrhaus Groß Schönebeck anknipsten. Hier im Bild packen Sie ein Geschenk aus. Annette sagt über die zurückliegende Zeit: „Wir wussten, dass das Weggehen einfacher ist, als das Zurückkehren. Das hört man, stellt es sich aber nicht so dramatisch vor. Die Anstrengungen wirken bis heute nach.“
Foto: Petra Elsner

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Dorfgeflüster: Der Traurige ist verlustig

Der Traurige am Wegesrand ist verlustig. Schon ein Weilchen. Nein, nein, er ist nicht flüchtig, jemand hat ihn still und heimlich geklaut. Jetzt klafft dort nur noch eine Lücke und dem Zauber fehlt ein magisches Glanzlicht. Einigermaßen zerknirscht stand der Traurige zwei Jahre lang im Kunstwald zwischen Kurtschlag und Klein Dölln und beklagte mahnend den Zustand des Deutschen Waldes. Das war seine Mission. Der Zehdenicker Bildhauer Uwe Thamm hat den Traurigen aus einem Kiefernstamm geschaffen. Nun ist er selber traurig. Klar, der Mann hatte es schon vermutet, dass irgendwann jemand seine Skulptur einfach einsacken würde. Aber gehofft hat er etwas anderes. „Zauberwald“ nennen einige mit leuchtenden Augen den Ort, an dem vier Künstler uneigennützig für die Allgemeinheit wirken – als ein Geschenk für die Region, um sie mit guter Energie aufzuladen, Freude zu verbreiten, zu überraschen. Es ist sehr schade, dass immer mal wieder einer glaubt, dass er nur glücklich wird, wenn er etwas mit langen Fingern an sich raffen kann. Darüber kann der Traurige nun auch noch jammern, vielleicht hört ihn ja wer. Noch besser wäre es allerdings, der verlorene Geselle fände sich endlich wieder ein – im Kunstwald. Der Einstieg erfolgt hinter der Bushaltestelle von Klein Dölln, weiter über die Bücke vom Döllnfließ, dann rechts am Fließ entlang, dort am Waldpfad war sein Steckplatz in einem alten Todholzloch.

© Petra Elsner

Der Traurige, Foto Petra Elsner
Der Traurige,
Foto: Petra Elsner

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Märchen im Grün

Es herbstelt im Lesegarten im Atelier an der Schorfheide, Foto: Petra Elsner
Es herbstelt im Lesegarten im Atelier an der Schorfheide,
Foto: Petra Elsner

Im Warten auf ein noch nicht gedrucktes Buch entstand 2009 meine Idee eines Lesegartens. Dort sind sonntags bei schönem Wetter im Sommerhalbjahr drei Schorfheidemärchenstelen, ein Lesepult mit Märchenblock, Gartenkieker und Sprüchevögeln als Bedenkangebote zu sehen, um zum Lesen im Grünen einzuladen. Es ist ein temporäres outdoor-Angebot für Atelierbesucher, die eigentlich zum Bildergucken gekommen sind. Jeden schönen Sommersonntag steige ich auf die Leiter und hänge die Textbanner in die Stelenrahmen. Bei trüben, stürmischen oder nassen Wetter fällt dieses Angebot aus. Wer will schon im nassen Gras sitzen und lesen?

Am kommenden Sonntag, dem 15. September, gibt es nachmittags keine Besuchsmöglichkeit. Ihr /Sie finden mich an diesem Tage auf dem Kunstmarkt beim Fest an der Panke in Berlin-Pankow.

Leseput
Leseput

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Schorfheider Winterkarten

Vor vier Jahren habe ich mir gesagt, eigentlich könnest du ja zu Weihnachtszeit immer mal eine regionale Postkarte zeichnen. Märchenhaft. So kam es zu meinen “Schorfheider Winterkarten”: 2010 – der Askanierturm in Eichhorst (wo es zu Neujahr an diesem Turm das Neujahrsanblasen gibt), 2011 – war es die Immanuelkirche zu Groß Schönebeck mit dem verwunschenen weißen Hirsch (dem Göttlichen) und 2012 wurde der Kaiserbahnhof von Joachimsthal mit mystischer Eule Thema meiner Kartenzeichnung. Die winterlichen Motive sind augenblicklich nur in der Touristinformation in Groß Schönebeck , ebenda im Solidario-Lädchen, in Eichhorst/Wildau bei Kunst & Rad und in meinem Atelier in Kurtschlag (Stück ein Euro) zu erhalten. Die Gemeinde Schorfheide bewirbt diese Karten freundlicherweise unter „Schorfheide zum Mitnehmen“. Die Winter(weihnachts)karte für 2013 kommt im Oktober aus der Druckerei in meinen Postkartenständer.
© Petra Elsner

Askanierturm Eichhorst am Werbellinsee,  gezeichnet von Petra Elsner
Askanierturm Eichhorst am Werbellinsee,
gezeichnet von Petra Elsner
Immanuelkriche zu Groß Schönebeck, gezeichnet von Petra Elsner
Immanuelkriche zu Groß Schönebeck,
gezeichnet von Petra Elsner
Kaiserbahnhof Joachimsthal, gezeichnet von Petra Elsner
Kaiserbahnhof Joachimsthal,
gezeichnet von Petra Elsner

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Reportagen aus dem Schorfheidewald: Der Steinmystiker

Vom Rhein nach Friedrichswalde und den Wölfen nah:

Bildhauer Lutz Kittler aus Friedrichswalde, Foto: Lutz Reinhardt
Bildhauer Lutz Kittler aus Friedrichswalde,
Foto: Lutz Reinhardt


Es hätte auch Frankreich werden können, wenn nicht Sigrid über die Broschüre „Wölfe in Brandenburg“ gestolpert wäre. Und so frohlockte sie, wedelnd mit dem Heft in der Hand: „ Lutz, wir müssen nicht nach Frankreich, wir ziehen in den Osten Brandenburgs.“ Und das taten sie 2003 auch, denn das Paar wollte ihr neues Leben in einem Landstrich beginnen, indem der Wolf noch oder wieder Zuhause ist. Es suchte eine spezielle Qualität von Natur, mit der sie eins sein wollten bis ans Ende ihrer Tage. Die fand sich in Friedrichswalde in der Schorfheide.
Lutz Kittler (65) hat es schon immer mit den Steinen und den Tieren des Waldes. Seit Kindesbeinen. Einen Hirsch vom Hochsitz aus bestaunen. Ergriffen von der Erhabenheit der Natur, wollte er ein künstlerisches Abbild dieser andächtigen Emotionen schaffen. 1947, als Kind einer ostpreußischen Flüchtlingsfamilie, wurde Lutz Kittler in Bad-Sachsa im Südharz geboren. In ärmste Verhältnisse. Es wundert nicht, dass er herangewachsen nicht sogleich seinen künstlerischen Ambitionen beruflich folgt, sondern Tiermedizin studiert und promoviert. Als Tierarzt wird er 25 Jahre lang eine selbstständige Praxis in Siegburg bei Bonn führen. Nebenher schafft er seine Skulpturen aus Basaltlava. Grenzsteine zwischen Alltag und Kunst. Vornehmlich tempel- oder altarähnliche Formen. Aber irgendwann war es genug. Denn dort, wo die Kittlers mit ihren zwei Söhnen lebten, acht Kilometer vom Rhein entfernt, waren sie umzingelt von verkehrstechnischem Lärm und Smog. Dort wollten sie einfach nur noch weg. Und der Tierarzt zog unter seinem alten Berufsleben einen Schlussstrich.
Wenn man heute die Friedrichswalder Dorfstraße passiert, winkte noch vor zwei Jahren eine lebensgroße Holzskulptur in Kittlers Skulpturenhof. Die wegweisende Holzgestalt ahmte die Chefin des Anwesens nach: Sigird Ryll-Kittler (61). Die studierte Kunstmanagerin kümmert sich um die Inszenierung des Hofes und anderer Kunstorte der Gemeinde. Die hölzerne Skulptur war ein „Einzelstück“ (inzwischen wurde sie leider geklaut), denn stilistisch geht der Bildhauer andere Wege: Klarer, reduzierter, archaisch-spirituell. Ganzjährig stehen seine Werke im Wind und Wetter der Schorfheide, setzen Moos an und werden wieder eins mit dem Landschaftsbild, dem sie handverwandelt entsprangen: Ein Kranichpaar, ein Hirschgötzen, verschiedenstes Blattwerk, Vogelstelen … und Motive aus dem Schmelz von Tier und Mensch zu einem Wesen. Chimären. Die erzählen allesamt die Geschichte vom Einssein mit der Natur. Geschaffen aus (fasst) ewigem Granit schärfen sie den Blick des Betrachters auf die Friedrichswalde umgebende Biosphäre. Und es scheint, dass der Ruf der UNESCO-geschützten Wildnis wieder einmal Menschen ins Land zog, die hierher passen, als wären sie schon immer da gewesen: Bodenständig und voller Liebe.
Neun Jahre siedeln die Kittlers jetzt schon im Brandenburgischen. Haben aus dem maroden Gehöft eine kleine Perle geschaffen. Zwischen all der Steinkunst schnattern Gänse, schnurren die Katzen und hinter Kunstscheue und Werkplatz blöken die Schafe, bewacht vom Hund namens Löffel. Der Skulpturengarten ist indes zum künstlerischen Erlebnisort für Einheimische und Touristen gewachsen. Dort veranstalten sie mit anderen Bildhauern Freilandausstellungen, die die interessierte Szene aus dem weiten Rund anlockt.
Es war anfänglich nicht klar, ob die Kunst das Paar wirtschaftlich auch tragen würde. Notfalls hätte der Doktor wieder lebende Tiere verarztet, aber dessen sinntiefe Arbeiten passen gut unter den Brandenburger Himmel und finden nicht nur Anklang, sondern auch Käufer.

Lutz Kittler hinter seinen  Arbeiten aus Granit, Foto: Lutz Reinhardt
Lutz Kittler hinter seinen Arbeiten aus Granit,
Foto: Lutz Reinhardt

Kontakt: SKULPTURENHOF, Dorfstraße 113, 16247 Friedrichswalde, Telefon: 033367/54773, E-Mail: info@skulpturenhof.de

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Der Grufti

Der Grufti unter den Immergrünen ist der Efeu. Manch’ überwuchertes Haus im brandenburger Wind scheint nur noch von jenem Klettergrün zusammengehalten. Verwunschen schön, verlassen traurig, verfallen morbide. Viele mögen sie nicht, diese Grabpflanze, und auch ich habe mir den Efeu erst im Älterwerden schön geguckt. Vielleicht, weil man sich mit dem Jahren eben dem Friedhof nähert, wo der sich Licht fliehend über die Schlafstätten unserer Ahnen windet. Aber Efeu kann mehr als malerische Fassaden und blickdichte Zäune zaubern. Obgleich er seit der Romantik als Sinnbild des ewigen Lebens gilt, sogt er in der Pflanzenheilkunde eher für das Gegenteil, denn in starker Dosierung bläst Efeu schlichtweg den Menschen den Gar aus. Also besser: Finger weg von innerlichen Selbstversuchen, die mit der wieder erwachten Kräuter-Neugier oft einhergehen. Äußerliche Behandlungen hingegen sind unbedenklich. Zum Beispiel macht diese alte Rezeptur meiner Großmutter aus einem von Hühneraugen geplagten Bewegungsmuffel einen tapferen Waldläufer:
Anwendung:
Efeublätter (unter die Wandersohlen).
Man nehme ein frisches Efeublatt, falte es zweimal und fixiere das Blatt mit einem Pflaster direkt über der schmerzenden Druckstelle. Drei Tage lang sollte der Efeu auf die Stelle wirken (täglich mit einem neuen Blatt), dann müsste sich das Hühnerauge abheben lassen.
© Petra Elsner

Efeublätter, gezeichnet  von Petra Elsner
Efeublätter, gezeichnet
von Petra Elsner

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Neue Paradiesvögel: Rocklegende 5

… und zum schönen Wochenende kommt hier wieder ein Cartoon. Einen tollen Spätsommertag wünsche ich Euch …

Rochlegende 5 - nach Keith Richards und Mick Jagger, gezeichnet von Petra Elsner
Rochlegende 5 – nach Keith Richards und Mick Jagger, gezeichnet von Petra Elsner

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Dorfgeflüster: Der Pilzfinder

Schräge Vögel auf Brandenburgtour - die Pilzfinder, gezeichnet von Petra Elsner
Schräge Vögel auf Brandenburgtour – die Pilzfinder,
gezeichnet von Petra Elsner

Wir wollten gerade vom Hof düsen, da rasselte die Hausklingel ihren scheppernden Ton, bei dem ich immer wie vom Blitz getroffen zusammenzucke. Auf ihrem verzinkten Klangkörper steht unabwaschbar was sie einst wert war: 5 Mark. Sieht nach „Konsumgüterproduktion“ aus und ist noch vom Vorbewohner. Hinter dem Schreck-Ton lugte die Mütze vom Übernachbar über das Hoftor. Der Mann dazu lächelte zurückhaltend mit einer Zeitung in der Hand, als ihm geöffnet wurde. Er tippte auf eine Bildnachricht über eine Krause Glucke spektakulären Ausmaßes und meinte nur: „Meine ist größer.“ Aber in die Zeitung wolle er nicht. Kurtschläger Bescheidenheit oder schlechte Erfahrung, dieser Mann macht jedenfalls nicht viel Worte: „Fotografiert sie und sagt, es sei eure.“ Na, dass ging natürlich auch nicht, weil wir eine ehrliche Haut zu Markte tragen, mein Liebster und ich. So wurde die stattliche Krause von reichlich zwei Kilo für die Nachwelt ausgeleuchtet und abgelichtet, bevor sie im Kochtopf verschwand. Ich denke ja bei diesem Pilz immer an knirschende Märkische Heide zwischen den Zähnen, und hab ihn seit einer ersten Erfahrung gemieden. Wusste einfach nicht, dass man das Teil auseinander pflücken muss, dann waschen, putzen und schließlich 20 Minuten in Salzwasser kochen soll, damit sich Schmutz und alle Tierchen darin restlos verabschieden. Erst dann, nach dem Ablaufen, kann man die Krause Glucke panieren oder was auch immer. Die Frau des Pilzfinders schneidet sie in Scheiben und brät sie am liebsten mit Speck, Petersilie, Pfeffer und Salz – mal mit, mal ohne Ei. Vielleicht sollten wir es ja doch noch einmal mit dem Pilz, der anmutet, wie ein fleischfarbener Blumenkohl versuchen, denn er soll ausgesprochen köstlich sein.
© Petra Elsner

Krause Glucke, Foto: Lutz Reinhardt
Krause Glucke,
Foto: Lutz Reinhardt

PS: Erwin, der Pilzfinder ist leider im Dezember 2016 verstorben.

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Nix-Kunstpostkarten

Der Herr der Tautropfen aus "Schattengeschichten aus dem Wanderland", gezeichnet von Petra Elsner
Der Herr der Tautropfen aus “Schattengeschichten aus dem Wanderland”,
gezeichnet von Petra Elsner

Ich hatte gerade den Herrn der Tautropfen für meine Schorfheidemärchen erfunden, da rief mich meine Freundin Trilli aus dem Alten Schulhaus in Diensdorf-Radlow am Scharmützelsee ab, ob ich nicht an einer Nix-Ausstellung im Sommer 2009 teinehmen möchte. Da ich gerade für meinen Tautropfennix in alten Sagen gekramt hatte, kam mir das gerade recht, und so zeichnete ich zwei Nixe und erzählte dazu eine alte sorbische Sage neu und bildreicher. Aus den Zeichnungen wurden zwei Postkarten. So kam es, dass sich in meinem Postkartenständer auch Karten befinden, die nichts mit der Schorfheide zu schaffen haben.

Nix als Nachtfürst, gezeichnet von Petra Elsner
Nix als Nachtfürst,
gezeichnet von Petra Elsner
Nix am Scharmützelsee, gezeichnet von Petra Elsner
Nix am Scharmützelsee,
gezeichnet von Petra Elsner

Und hier die Geschichte:

Der Wasserfürst vom Scharmützelsee
In einer Mittsommernacht ritt der alte Nix auf seinem Wellenross über

den Scharmützelsee. Er grummelte so dumpf wie die Gewitterfront in
seinem Nacken. Seine schönen Töchter waren vom Mittsommernachtsball noch
nicht zurückgekehrt, und der Wasserfürst fürchtete das Schlimmste.
Würden sie sich in einen Menschenmann verlieben, verlören sie ihre
Unsterblichkeit.
Der alte Nix hasste jene helle Nacht, in der sich  seine Töchter ihrer Flossen entledigten, um in Mädchengestalt zu tanzen.  Wütend peitschte er das Wasser, das sich dabei zu einer mächtigen Welle auftürmte, die zwei entsetzte Fischer mit ihren kleinen Booten ins  Schilf schickte. Kopfschüttelnd sahen sie dem alten Zausel nach, der mit wehendem Leinenjäckchen und rotem Krönchen seinem väterlichen Zorn frönte.
Zwischen Diensdorf und Radlow tanzten die Nixen mit dem Wind
über die sumpfigen Wiesen, die so zart gesprenkelt blühten, als hätte
ein Maler Hand angelegt. Ihre weißen Gewänder flatterten wie Segel.
Längst klebten ihre Tanzpartner Halt suchend an knorrigen Weiden, als
der Nix vor sie hin schwappte und sehr bös dröhnte: „Es mag ja sein,
dass der Sonnengott in dieser Nacht seine höchste Macht erreicht hat,
aber alles, was aufstrebt, wird auch wieder sinken, und ihr, meine
Töchter, seid Kinder des Wasserfürsten und habt nur ihm zu gehorchen.“
Die jungen Nixen aber waren so verzückt von der Fülle der Zeit und den
schönen Jünglingen, dass sie nicht gewillt waren, ihrem Vater sogleich
zu gehorchen. Nein, einmal nur, wollten sie ein loderndes
Sonnenwendfeuer erleben und schweigend sieben Sorten wilder Blumen von
sieben verschiedenen Wiesen pflücken, um zu erfahren, wen sie freien
werden. Sie kicherten und entschwanden in den Holunderbüschen.
Da schickte ihnen der Nix einen mächtigen Schwall. Das Feuer zischte und
das Wasser flutete die Wiesen, in denen nicht nur seine Töchter Blumen
suchen. Es sah so aus, als würde der See das Land nehmen wollen. Blitze
zuckten, und Wind peitschte die Wellen. Von den Fluten eingeholt,
wuchsen den Nixtöchtern augenblicklich wieder Flossen.
Fortan hatten  die Nixen ländliches Tanzverbot, und damit sie sich daran auch halten, streift der alte Nix seither von Sommerfest zu Sommerfest. Gut
verkleidet, allein am feuchten Saume seiner Jacke kann man ihn erkennen.

© Petra Elsner

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