Der Weihnachtsapfelbaum

Hinter dieser  Tür wohnt ein Sack voll Märchen… Ich weiß, die Tür müsste mal wieder gestrichen werden, vielleicht schaffe ich das ja 2018 :).

Alle Jahre wieder schreibe ich eine Weihnachtsgeschichte und wünsche damit meinen Liebsten und Freunden eine frohe Weihnacht. So auch dieses Jahr: Ich denke fest an Euch und wünsche Euch allen Gesundheit und Glück, Mut zur Lücke und Freude am Leben, Eure Petra

Scharfer Novemberwind wehte einen Hauch von Schnee in den kahlen Apfelhain. Josefine fröstelte und sorgte sich. Die Obsternte war nach den späten Frösten im Frühjahr komplett ausgefallen. Trotzdem kamen seit Oktober Kunden auf ihren Hof und fragten nach Weihnachtsäpfeln, den Purpurroten Cousinots, der Ingrid-Marie und der Roten Sternrenette. Bedauernd schüttelte Josefine Kannengießer ihren Kopf und wiederholte die Worte „Alles im Frühling erfroren, keine Chance dieses Jahr.“ wie ein Mantra. Die enttäuschten Blicke der Leute nagten an Josefines Ehre. Schließlich versorgten die Kannengießers schon seit  Generationen die Leute in der Gegend mit knackigen Weihnachtsäpfeln. Die Tanne in der Mitte des  Dreiseitenhofes wurde stets zum Weihnachtsfest mit Nüssen, Strohsternen und roten Äpfeln geschmückt. In Ermangelung von echten hatte die junge Landfrau Deko-Äpfel via Internet geordert. Was für eine Schande, dachte sie währenddessen.  Der Urgroßvater würde sich im Grabe umdrehen.

Der Sturm rüttelte arg an dem alten Fachwerkhaus. Die Frau trat ans Fenster und lauschte ihm nach. Es war ihr, als fegte der Wind ihre Gedanken in eine Zeit, als ihre Urgroßeltern lebten. Dunkel erinnerte sie sich, dass ihr Urgroßvater immer im Spätherbst von einem geheimen Ort im Wald tiefrote, spritzig-süße Äpfel holte. Die lagerte der alte Köhler sorgsam ein und polierte am Weihnachtsabend die schönsten für den großen Weihnachtsteller der Familie.  Alle Jahre ging das so, bis der Alte verstarb. Der Weihnachtsapfelbaum im Wald geriet in Vergessenheit. Schließlich wusste ja niemand so genau, wo er stand. Das war auch nicht weiter schlimm, da die Familie inzwischen einen großen Apfelhain geschaffen hatte. Aber keiner dieser Äpfel hatte dieses feine Weihnachtsaroma, wie jene, die der Urgroßvater verschenkte. Was das nur für eine Sorte war? Josefine suchte nach dem alten Familientagebuch ihrer Großmutter und blätterte darin. Ziemlich weit hinten waren zwischen den handgeschriebenen Zeilen kleine quadratische schwarz-weiße Fotos geklebt. Auf einem dieser Bilder entdeckte sie sich selbst als Fünfjährige neben ihrem schon sehr, sehr alten Urgroßvater. Sie standen vor einem mächtigen Apfelbaum. Im Hintergrund rauchte ein Kohlenmeiler. Darunter stand: „Der letzte Brand.“ Das musste doch der Standort des alten Baumes sein und sie war sogar schon einmal dort. Irgendetwas trieb die Frau an, diese Lichtung im Wald zu suchen.

Am nächsten Morgen brach sie auf. Mit dem Kleintransporter fuhr  sie bis zum Wuckerweg tief in der Schorfheide. Eine Kiepe auf dem Rücken stapfte sie los. Auf dem Foto im Familientagebuch war unten links im Grauschleier ein Jagenstein erkennbar, der eine verwitterte Nummer trug. Josefine entzifferte die Zahl als 230. Diese Markierung könnte sie bei ihrer Suche leiten. Bei dem Jagen 228 war sie schon angelangt. Sie pirschte sich weiter Richtung Süden. In der Stille der Waldluft fühlte sich die Frau frei und stark.  Es dämmerte schon als sie bei ein paar alten Fichten, rechts beim Weg einen großen Findling erblickte, auf dem „Märchenwald“ geschrieben stand. Josefine dachte bei sich, dass passt zu diesem verwunschen-schönen Ort und ihrer Absicht. Kaum später gelangte sie auf einen schmalen Wildacker und entdeckte im Waldsaum ein rotes Leuchten. Die Augen der Frau strahlten: Geschützt vor Wind und Wetter stand dort der mächtige Urgroßvaterbaum voll behängt mit prächtigen Winteräpfeln.
Tagelang machte sich nun Josefine zu dem Baum im Wald auf und erntete die wundervollen Früchte. Und weil sie nicht dahinterkam, wie diese alte Apfelsorte hieß, schrieb sie sie einfach auf ihr Angebotsschild am Hofladen: „Köhlers Märchenapfel – perfekt zum Weihnachtsfest“.                                                                                                                                                               Petra Elsner, 2017

Nachtrag
Den Findling mit dem Namen „Märchenwald“ gibt es wirklich in der Schorfheide. Keiner weiß, weshalb der so heißt.  Aber nun gibt es diese Geschichte für ihn… Sie erschien  gestern im Barnim-Echo der Märkischen Oderzeitung.

Der Stein ist u.a. in dem Bändchen „Gedenksteine und Forstorte in der Schorfheide“ von Joachim Bandau vermerkt.
Der gelbe Punkt Nummer 6 markiert seinen Standort. Die Karte stammt aus dem Buch von Joachim Bandau. Um dort hin zu gelangen, benutzt man nicht wie im Märchen den „Wuckerweg“ (ich musste im Text die Frau ja auf einen weiteren Weg schicken…), sondern läuft dort, wo der Wildauerdamm von der L100 abgeht, den Waldweg parallel zu den beiden Radangseen. Dort werdet ihr dem Stein begegnen, dem Apfelbaum sicher nicht. Es ist eben ein Märchen, kein Reiseführer…

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„Gedenksteine und Forstorte in der Schorfheide“

Cover
Cover

Steinzeichen in der Schorfheide – eine Rezension:

Der Herr der Steine, Joachim Bandau, hat sein Buch „Gedenksteine und Forstorte in der Schorfheide“ inzwischen zur dritten, nun erweiterten Auflage gebracht. Der Freundeskreis Schorfheide bewegte den Autor dazu. Die feine Dokumentation ist diesmal mit einem Hardcover und goldenen Titel-Lettern versehen und für 19 Euro zu haben.
Das Buch erzählt von den steinernen Zeitzeugen, eingeordnet in die Lebensgeschichte namhafter Personen, die den Wald bejagten oder hegten und pflegten. Kaisersteine und Förstersteine, Grab- und Gedenksteine, Landschaftssteine und Wegweiser.
Gut zwei Jahre hatte der Autor gesammelt, die Steinzeichen teilweise aber auch restauriert und dokumentiert. Das lehrreiche Bändchen munkelt hier und da Histörchen, wandelt aber vornehmlich auf den exakten Pfaden der Geschichte, und so geht man nach der kurzweiligen Lektüre kundiger durch die einzigartige Landschaft der Schorfheide.
Auch die dritte Auflage erschien im Eigenverlag. Der Autor meint dazu: „Mein Ziel war es, die Buch unter 20 Euro je Stück zu verkaufen. Dies war leider mit mehreren Verlagen nicht zu machen. Daher habe ich mich für Eigenverlag entschieden.“ Und diesmal hat der Freundeskreis Schorfheide das Projekt vorfinanziert. Die Erweiterungen der dritten Auflage beziehen inzwischen neu aufgestellte Steine und jüngere Entdeckungen ein. Darüber hinaus erfassen sie Gedenksteine der Orte Groß Schönebeck, Schluft, Kappe, Groß Dölln, Groß Väter, Friedrichswalde, Joachimsthal und Althüttendorf.
Joachim Bandau ist Jahrgang 1933 und war bis 1998 als Revierförster in der Schorfheide tätig. Fraglos wurzelt in dieser Tätigkeit auch seine Inspiration zu der vorliegenden Dokumentation. Sie ist mit guten Karten- und Fotomaterial ausgestattet, welches dem Wanderer ermöglicht, die Steine in der Landschaft auch zu finden.  (pe)

Das Buch ist unter anderem erhältlich:

  • Groß Schönebeck, Touristinformation in der Remise
    Schloßstraße 6
    16244 Schorfheide OT Groß Schönebeck
    Tel.: (03 33 93) 6 57 77
    Fax: (03 33 93) 66 48 86
  • Joachimsthal, Schorfheide- Information
    Töpferstraße 1
    16247 Joachimsthal
    Tel. (03 33 61) 6 33 80
    Fax (03 33 61) 6 33 83
  • Eichhorst, Touristinformation
    Am Werbellinkanal 13 b
    16244 Schorfheide OT Eichhorst
    Tel. (0 33 35) 33 09 34
    Fax (0 33 35) 33 09 35
  • Klosterladen am Kloster Chorin
    Klosterverwaltung
    Amt Chorin 11
    16230 Chorin
    Telefon (033366-70377
    Fax: (0 333 66) 70378
  • beim Autor: Joachim Bandau
    Email: Jbandau@web.de

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