Morgenstunde (363. Blog-Notat)

Der Liebste ist schon wieder auf der Autobahn, aufgebrochen zur Elternzeit. Zwei Tage hatten wir zu zweit, besser gesagt: einen. Denn gestern hat er bis in die späten Abendstunden geschafft. Nicht umsonst verreist ein Imker nicht im Sommer. Er hat rundum zu tun. Alle neun Tage sämtliche Völker durchsehen. Das Schwärme fangen ist, Gott sei Dank, immer nach dem 24. Juni vorbei. In der Jetztzeit geht es darum den Honig zu ernten, ihn zu schleudern, abzuschäumen, zu rühren. Wenn er perlmuttfarbig und somit cremig ist, wird er in Gläser gefüllt. Und immer wieder Gefäße, Siebe, Entdeckelungsgeschirr und Schleuder… säubern. Daneben sind die ausgeschleuderten, honignassen Waben wieder in die Beuten einzubringen. Schauen, ob die Bienchen genug Platz haben oder einen weiteren Honigraum benötigen. Das Bild vom behäbigen, dickbäuchigen Imker mit schauchender Pfeife stimmt schon lange nicht mehr. Hat viel mit der Milbe zu schaffen, die Mitte der 80er Jahre aus Asien nach Deutschland fand und der fortan notwendigen Hygiene. Jede Zarge muss vor dem Einsatz rückstandslos mit einem Spachtel ausgekratzt und ausgebrannt werden, gewissermaßen steril sein. Und insofern sind die Sommertage zu zweit auf dem Hof am Schorfheidewald, doch eher jeder-für sich-Tage mit unterschiedlichen Tempi.
Heute las ich vom großen Hummelsterben bei Andre Jahn auf FB, und dass sie schlicht verhungern. Bei uns ist das nichts so, ich mähe im Sommer nur Wege durch den großen Garten oder nur kleine Flächen, die verblüht sind, wie gestern die abgeblühten Margeriten-Horsten. Die Wiesenblumen und der Klee bieten noch gute Futterquellen, so dass die Dicken auch weiter brummen können. Der Träumer-Vogel ist indes saniert, steht für den Restsommer im Vorgarten und lädt Besucher ein. Mal sehen, wer das Zeichen versteht. Habt derweil ein frohes Wochenende alle miteinander!

Morgenstunde (362. Blog-Notat)

Ich pflege mein zerzaustes Haus. Der rechte Arm ist übersät mit blauen Flecken von den Blutzapfversuchen der Sanitäter. Nicht, dass sie es nicht gekonnt hätten, nein, wegen des hohen Blutdrucks platzen die Äderchen weg. Jetzt haben ich mein Hausmittel dafür angesetzt: zweit Tropfen IMMORTELLE (Ätherisches Öl) in 100 mml Johanniskrautöl. Aufgetupft zieht es die Blutergüsse auseinander, sie heilen schneller ab. Man kann es auch pur auftragen, was nicht jede Haut mitmacht, ich verdünne das teure Öl lieber…
Das äußere Haus war auch ganz schön von Wind zerrupft. Überall Efeublätter wie im Herbst, eine Spatzenkolonie tobt drin rum und lässt es täglich rieseln. Hab den Wein beschnitten, Vorgärtchen gemäht, das reichte für den 1. Tag danach. Halt, Texte hab ich auch noch zusammengestellt, DENN: Nach dem Einfall von Corona, wurde die erste Veranstaltung für mich angesagt, für den 19. Juli in der Dorfkirche von Zernikow (16 Uhr) eine Musikalisch-Literarische Lesung. Sie war lange vakant, nun traut sich die Kirchgemeinde mit Abstandsregeln, ich darf drei Kurzgeschichten beisteuern. Also auch hier beginnt das öffentliche Leben langsam. Gestern joggte eine junge Frauengruppe die Dorfstraße herunter, keine Ahnung woher die Sportlichen kamen, aber eine blieb stehen und besah sich interessiert mein Atelierfenster. Ich werde heute meinen wettergeplagten Vorgartenvogel Otto restaurieren und zum Wochenende wieder rausstellen. Er ist das Sichtzeichen, dass es hier etwas zum Schauen gibt. Ferien in Deutschland, mal sehen, ob einer klingelt, ich werde einen Desinfektionsmittelspender besorgen, damit die Einkehr für Besucher auch in Ordnung geht.

Morgenstunde (361. Blog-Notat)

Mir fehlen drei Tage Zeit. Sie dämmerte nur auf dem weißen Krankenhauslaken. Keine Nachrichten (ich habe das neue/alte iPhone noch nicht erkundet…), der Spiegel schrieb auch nur, was ich schon wusste (außer im Kulturteil). Ein Kilo leichter und schwächer bin ich gestern Zuhause angekommen und merkte, viel habe ich nicht verpasst. Außer, dass Finanzminister Olaf Scholz beeindruckt von den Ostdeutschen sei. „Mein Respekt gegenüber der Leistung der Ostdeutschen ist riesengroß, denn sie mussten sich damals innerhalb kürzester Zeit an völlig neue Gegebenheiten anpassen“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Einen derart massiven Umbruch zu bewältigen, ist eine enorme Lebensleistung, die noch zu oft nicht ausreichend gewürdigt wird.“ Da hat er wohl recht. Und weiter: Das Ausmaß, mit dem seinerzeit Arbeitsplätze verloren gegangen seien, könne man sich heute kaum noch vorstellen. „Und die Tatsache, dass 30 Jahre danach Löhne und Einkommen im Osten nach wie vor niedriger sind als im Westen, zeigt ja, dass der Aufholprozess der ostdeutschen Wirtschaft noch immer nicht beendet ist.“ Wissen wir auch und auch um die Ursachen, wird aber wirklich nicht so oft betont, um es ins Allgemeinwissen aller Deutschen zu pflanzen, deshalb ist die Ministeraussage wichtig. Danke, Herr Scholz! Aber Corona ist immer noch lauter und Lautsein ein Grundton an vielen Tischen. Wann begann das nur, dass die jüngeren Generationen plötzlich nicht mehr etwas besprechen, miteinander diskutieren, debattieren konnten? Heute reden sich viele einfach nur in Rage und taumeln im Brüllton von Mamas Mittagstisch an die Decke als säße nicht Mama oder Oma gegenüber, sondern der Feind. Wohlbemerkt, ich meine nicht den Familienzwist, sondern den Meinungsaustausch über das aktuelle Geschehen. Wo begann das, es war schon vor den Hygienedemos in der Zeit. Ehrlich, mit solch lauten Saven kann ich einfach nichts anfangen, sie schlagen mir nur auf den Magen und ich mag dann nicht ruhig das Thema nachdenklich in der Runde sezieren. Manchmal frage ich mich, ob es nicht auch daran liegt, dass die ostdeutschen Eltern der heute Erwachsenen nach der Wende so abgebürstet und stimmlos wurden, dass die Jungen sich heute anderweitig Gehör verschaffen, aber vielleicht ist das ja ein deutschlandweites Phänomen (?)…

Morgenstunde (360. Blog-Notat)

Die letzten Tage musste ich ins Krankenhaus einrücken. Blutdruck über 200, da war was fällig. Das kleine Krankenhaus in Gransee hat mich mit seinem guten medizinischen Personal, den zügigen und den echt fahndenden Untersuchungen, überrascht. Freundliche und respektvolle Ansprache von allen Seiten, gleich ob Küchenfee, Schwestern, Pfleger oder die Ärzte der Inneren. Gute Begegnungen auch im Krankenzimmer. Seit heute Mittag, dem 1. Juli, bin ich wieder frei und froh…
In der Rückschau sah der Juni im Garten gut aus, wie die Fotos zeigen, mir war er ein bisschen zu warm. Aber noch wächst alles prall und üppig, erträgt die Sonnenstrahlen, selbst der erfrorene junge Walnussbaum treibt neu.
Der erste Honig kam Samstag ins Glas: Frühsommerblütenhonig. Das ist vernehmlich Raps, aber auch die Obstblüte und Kornblumen sind darin. Die erste Ladung hab ich bereits etikettiert, man kann also jetzt frischen Honig bei uns bekommen. Das 500 Grammglas kostet 5 €.

Morgenstunde (359. Blog-Notat)

Zu heiß fürs Schreiben. Der Imkergatte schleudert dieses Wochenende Honig, diesmal das erste Kurtschlager Gold 2020. Die vorhergehenden Schleudern kamen vom Standort Altlüdersdorf (bei Gransee) und brachten vornehmlich Rapshonig. Mal sehen, wie  der Kurtschager seinen Farbton beim cremig Rühren verändert. Er schmeckt jedenfalls lieblich-mild. Ich hab mir derweil eine kurzweilige Fingerübung für die Kauz-Kopf-Serie vorgenommen, die konnte frau jederzeit unterbrechen, wenn der Liebste Hilfe brauchte. Die 17. Zeichnung zeigt die Sperbereule (Surnia ulula). Weil sie dem Sperber ähnelt, heißt sie halt auch nach ihm. Zuhause ist sie Skandinavien, Kamtschatka, Alaska, Estland und Kanada. Sie ist ein Ansitzjäger und bevorzugt deshalb halboffene Landschaften. Als Teilzieher kommt es vor, dass man sie auch in Deutschland sehen kann, immer, wenn das Futter am eigentlichen Standort knapp wird. Das Nachtblau im Haupt ist wahrscheinlich aus der Blauen Stunde gefallen, in Wirklichkeit ist es Schwarzbraun mit weißen Flecken…. 😊 Schönen Sonntag Euch allen!

Die Nacht, ein Ort (der Schluss)

… Man wird sie für eine Illusionistin halten, aber egal, es dämmerte ja inzwischen vielen, die Zeit würde nicht umkehren, der Wandel war schon unterwegs. Was wird sich ändern? Dass wusste naturgemäß auch Linda Mondschein nicht. Ihr Blick wanderte hinaus durch das Fenster zu dem einzigen Licht gegenüber in der nachtversunkenen Häuser-Silhouette. Sie hatte diesen kleinen Lichtfleck schon viele Nächte beobachtet. Eine Insel des Wachseins, dachte sie und spürte plötzlich eine vage Lust hinauszugehen. 17 Grad, Vollmondlicht. Ach, sie wünschte sich, endlich diese Corona-Angst abzulegen, sie wegzuwerfen in den finstersten Dunkelbusch, um sich wieder wirklich lebendig zu fühlen. Was machte der Neandertaler, wenn er Angst hatte? Er schrie und rannte so schnell er konnte davon. Linda Mondschein würde nicht schnell laufen können, sie war herzkrank. Aber vielleicht ein bisschen, bis zu dem schlaflosen Licht dort drüben. Sie schnürte sich die Laufschuhe zu, atmete tief durch und sprang schließlich mitsamt ihren Träumen vor die Tür in die andere Nacht.

Petra Elsner

 

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Die Nacht, ein Ort (5)

… Das Ungewisse bekam Kontur im riskanten Nachtraum. Riskant, weil der dunkle Ort verzaubern konnte, verwandeln, in ihm pendelt der Geist  zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen heller Erkenntnis und schwerster Traurigkeit. Wer ihn betritt, ist durchaus gefährdet. Aber diese Angst fürchtete Linda Mondschein nicht. Sie liebte es, das Gedankenkarussell zu drehen. Sich den Kopf zu zerbrechen und die braunen Haare zu raufen. Ungezügelt umkreiste sie die Wunde der abgerissenen Zeit. Die Quelle war leicht auszumachen: Das Elend in der Welt. Und die Schuld für diese Zustände trug ganz offenkundig die unsoziale Gier. Die Tönniese dieser Welt. Aber die Maßlosen sind es nicht allein, Armut zulassen, dafür braucht es auch immer die Akzeptanz der vielen Zusehenden. Der Bessergestellten, die sich allein durch das vorhanden sein der Schlechtgestellten wertvoller fühlen. Kann die Virus-Krise diesen ehernen Verbund aufbrechen? Die Nachtfrau wünschte sich einen Wandel und träumte von einer Welt der Achtsamen, in der nachhaltig für Mensch und Natur gewirtschaftet wird. Für sie wäre das wünschenswert.  Doch noch herrschten ein anderer Gemeinsinn und das Virus …

Die Nacht, ein Ort (4)

… Die Zeit war gerissen und flackerte nun nur noch als Fieberkurve weiter. Die Zeitnormalos flackerten über Tag mit, mal hektisch, dann wieder apathisch, denn das echte Leben war verschwunden. Alle ersehnten es, doch es war unwiederbringlich.  Das Alltagsgeschehen, die Politik und die Wirtschaft – nichts würde mehr so sein, wie vor der Pandemie. Frauen haben atmosphärisch ein besseres Gespür, als die zielfixierten Männer. Aber Single-Frauen spürten diesen Zeitabriss noch deutlicher. Schließlich verbannte die Kontaktsperre nach dem 23. März Singles vollkommen in die Einsamkeit. Niemand bemerkte Mitte Juni, dass Linda Mondschein kaum noch in den Tag fand und ihre soziale Selbstisolation auch nach den Lockerungen anhielt. Aber die Nacht war nicht nur ihr Schutzraum, die Nacht schärfte auch all ihre Sinne und spitze ihre Fantasie an. Auf sich selbst zurückgeworfen, konnte sie mit ihren Nachtgedanken ihre Corona-Angst dämpfen und sich der Macht der Nacht bedienen, denn die Nacht blendete das Herzrasen der Fieberzeit aus und öffnet den Vorhang für Visionen. Diese Krise könnte Kriege auslösen, Demokratien stürzen, aber vielleicht auch zu einer menschlicheren Gesellschaft führen. Linda Mondschein nährte nach und nach ihr Kopfkino …

Morgenstunde (358. Blog-Notat)

Nicht, dass da Missverständnisse aufkommen, die nachtwandelnde Eremitin Linda Mondschein ist eine literarische Figur, die ich jetzt in diese Corona-Zeit hineinlege, weil so viel geschieht und sich so viel verändert. Ich bin es nicht, auch wenn das mancher vermutet. 😊 Hier der lebendige Beweis: Wir waren heute in Stendal, um Honig zu liefern und anschließend ging es weiter nach Havelberg, dieser schönen Stadt, in der die Havel in die Elbe fließt…

Die Nacht, ein Ort (3)

… Einmal in der Woche schlich sich Linda Mondschein maskiert in den nächsten Supermarkt. Nur für das Notdürftigste, dabei sah sie diese Merkwürdigkeiten auf wankenden Planken. Es schien ihr, als hätten all diese Einkaufswagen schiebenden Leute ihre Mitte verloren. Manche taumelten sogar in ihrer Atemnot. Ja, natürlich waren da auch noch die Coolen, die ihre Masken lässig unter dem Kinn, wie ein hippes Modeteil trugen. Oder die Lauten, deren Grimmblick allein wie eine Körperverletzung anmutete. Das ganze Leben maskierte sich, entgleiste und die Gewissheiten zerbröselten. Zu Ferienbeginn entfaltete sich eine launische Scheinwelt, die sich öffnete und hier und da schnell wieder schloss. Die verwaisten Orte der Kultur trugen nachts leuchtendes Rotlicht, eine magische Illusion aufblitzender Schreie, die die bange Frage schrill riefen: Was wird aus uns? Niemand konnte das beantworten. Nur draußen, auf den Bühnen unter freiem Himmel, gab es vorsichtige Spielstätten, freies Theater, Konzerte mit Abstandsgeboten, Maskenpflicht und Desinfektionen. Nichts für Linda Mondschein, diese Konstellation weckte keine Muße in ihr, die sie früher von einer schillernden Premiere zur nächsten umtrieb. Wenn sie jetzt gegen Mitternacht ihre Übersetzungen von Beipackzetteln und Bauanleitungen ihrem Fachverlag mailte, blieb sie ganz bei sich, schaute via Internet den verzweifelten Musikern bei ihren Küchen- oder Wohnzimmerkonzerten zu oder las sich durch die literarischen Texte der Bloggerwelt. Manche Empfehlung, die sie dabei fand, brachte sie dazu, sich Bücher online zu bestellen. Jedes Buch war für sie fortan wie eine Fernreise, ein Fest, eine neue Bekanntschaft, eine Begegnung, die zu ihrem klösterlichen Leben passte…