… Einmal in der Woche schlich sich Linda Mondschein maskiert in den nächsten Supermarkt. Nur für das Notdürftigste, dabei sah sie diese Merkwürdigkeiten auf wankenden Planken. Es schien ihr, als hätten all diese Einkaufswagen schiebenden Leute ihre Mitte verloren. Manche taumelten sogar in ihrer Atemnot. Ja, natürlich waren da auch noch die Coolen, die ihre Masken lässig unter dem Kinn, wie ein hippes Modeteil trugen. Oder die Lauten, deren Grimmblick allein wie eine Körperverletzung anmutete. Das ganze Leben maskierte sich, entgleiste und die Gewissheiten zerbröselten. Zu Ferienbeginn entfaltete sich eine launische Scheinwelt, die sich öffnete und hier und da schnell wieder schloss. Die verwaisten Orte der Kultur trugen nachts leuchtendes Rotlicht, eine magische Illusion aufblitzender Schreie, die die bange Frage schrill riefen: Was wird aus uns? Niemand konnte das beantworten. Nur draußen, auf den Bühnen unter freiem Himmel, gab es vorsichtige Spielstätten, freies Theater, Konzerte mit Abstandsgeboten, Maskenpflicht und Desinfektionen. Nichts für Linda Mondschein, diese Konstellation weckte keine Muße in ihr, die sie früher von einer schillernden Premiere zur nächsten umtrieb. Wenn sie jetzt gegen Mitternacht ihre Übersetzungen von Beipackzetteln und Bauanleitungen ihrem Fachverlag mailte, blieb sie ganz bei sich, schaute via Internet den verzweifelten Musikern bei ihren Küchen- oder Wohnzimmerkonzerten zu oder las sich durch die literarischen Texte der Bloggerwelt. Manche Empfehlung, die sie dabei fand, brachte sie dazu, sich Bücher online zu bestellen. Jedes Buch war für sie fortan wie eine Fernreise, ein Fest, eine neue Bekanntschaft, eine Begegnung, die zu ihrem klösterlichen Leben passte…
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