… auf den Weg …

Zeichnung: Petra Elsner
ATELIER PETRA ELSNER
Eine Weihnachtsgeschichte
Das Schneelicht war zu langsam unterwegs. Es wollte unbedingt zum Weihnachtsfest eintreffen, aber es stand im Stau, denn das klassische Weihnachtstauwetter hatte ihm wieder einmal die himmlische Vorfahrt genommen.
Aber das Schneelicht stand nicht allein im Stau: Unten, auf der A10, ruhte eine kilometerlange Autoschlange schon eine halbe Ewigkeit. Rauhaardackel Amadeus jaulte, denn er musste unbedingt raus an einen Baum. Genervt öffnete ihm die kleine Jola die Wagentür einen Spalt, und Amadeus peste zwischen den Autos hinüber zum Straßenrand.
Es regnete in Strömen, und vielleicht hatte deshalb der kleine Hund einen verwischten Blick, denn er sprang, als sich kaum später die Blechlawine langsam anschob, in den falschen offenen Wagen. Aber das bemerkte Amadeus nicht sogleich. Er schüttelte sich die Tropfen aus dem Fell, ringelte sich auf dem Rücksitz zusammen und schlief ein.
Jola schrie: „Neinnnnnn!“ Auch der Vater hatte gesehen, dass der Dackel in einem anderen Transporter verschwunden war. Nun folgte er diesem Wagen mit aufgeregter Lichthupe. Der Mann am Steuer brummte in seinen Bart: „Wieder so ein Drängler!“ Und als sich die Schlange endlich auflöste, trat er auf das rote Gaspedal. Verschluckt von der Landschaft, entfleuchte das Gefährt durch Raum und Zeit. Jola weinte, und der Vater glaubte seinen Augen nicht.
Im hohen Norden der Welt nahm der Bärtige den Fuß vom roten Gaspedal und landete auf einer glatten Schneepiste, die in einem alten Flugzeughangar mündete. Als der Mann die hintere Wagentür aufschob und den schlafenden Hund entdeckte, hob er seine buschigen Brauen und murmelte: „Immer, wenn man mal die Menschenwege benutzt, gibt es nur Ärger.“ Er nahm das erwachende Tier auf seinen Arm und lief schweren Schritts zum Hangar. Knarrend öffnete er die Hallentür. Ein Sternefunkeln, wie aus der Milchstraße gepflückt, beleuchtete das Geschenkdepot des Weihnachtsmanns. „Was mach ich nur mir Dir?“ Amadeus winselte verstört. Aber als ihm der Bärtige einen schönen Knochen vorsetzte, beruhigte sich der kleine Hund und begleitete fortan den Weihnachtsmann auf seinen schier endlosen Touren. Am Morgen des 24. Dezembers traf der letzte Wunschbrief ein. Der Weihnachtsmann brummte: „Da ist aber einer spät dran.“ Den Absender „Postamt Himmelpfort“ kannte er gut, nämlich als die „Brandenburgische Weihnachtspostfiliale“. Der Alte fuhr mit dem Daumen über den schönen Stempel und lächelte milde. Dann riss er das Kuvert auf und fand darin ein Foto: Mädchen mit Hund. Auf dessen Rückseite stand: „Lieber Weihnachtsmann, ich bin Jola, und dieser kleine Hund heißt Amadeus. Ich habe ihn auf der A10 verloren, kannst Du ihn mir wiederbringen?“ Der Mann nickte wortlos und zeigte dem Hund das Foto. Amadeus bellte aufgeregt. Jola schaute durch das Fensterglas in das graue Nieselwetter. Ob sich ihr sehnlichster Wunsch erfüllen würde? Kurz bevor die Dunkelheit kam, riss die Wolkendecke auf, und das Schneelicht blinzelte unter dem Silbermond das Kind an. Erste Flocken wirbelten mit der Heiligen Nacht herbei. Das Mädchen staunte in diesen wundervollen Wandel, als ein weißer Transporter vor dem Haus scharf bremste. Jolas Herz klopfte. Dieses Auto!? Sie rannte zur Haustür, hinter der ein kleiner Hund sehnsüchtig bellte.
© Petra Elsner
Zu Besuch in der Bilderwelt von Anke am Berg:
Kennen Sie diese tollen Plakatkalender der Anke am Berg? Ein langgestrecktes Wuselwerk (42 x 119 cm) in knallbunten Farben. So viele Jahrestage, so viele Gestalten, schrullige und sehr zauselige. Den Sonntagen ist ein sinnreicher Spruch zum Bedenken geschenkt. Das Kalendarium der besonderen Art gibt eine Ahnung von dem weiten Bilderkosmos der Zeichnerin, zugleich aber ist es auch ein bildschönes Brandenburger Fenster. Denn unter den erfundenen Gestalten sind natürlich echte Brandenburger – die lauten, aber schüchternen und im Grunde ganz herzlichen Landeskinder.
Wenn Anke von ihren Flügelwesen erzählt – dem Grübel-Engel, den rüsselnden Wanderern, den brummige, hexigen, trötenden Wesen in Pink oder Tschitscheringrün; den Flatterpiepern, den königlichen Nixchen und dem Ritter, den satten Stubentigern, Schneemännern, wütenden Kerlen und Schneckendödels, Räubern und verliebte Glühwürmchen … – wird sie hippelig wie diese Wesen selbst. Ist es ein Rüsseltier, von dem sie gestikulierend spricht, wächst ihr förmlich (doch unsichtbar) ein langes Nasenteil, so aufgeweckt und herzfroh erzählt sie. Spritzig und glasklar wie Quellwasser. Sie wäre eine prächtige Lehrerin für Kunst und Mathematik in Bernau geworden, doch dann kam die Wende, und alles ließ sich noch einmal neu denken und wählen. Dabei war die Lust auf kreatives Arbeiten lauter.
Zeitgleich zum Pädagogikstudium hatte Anke schon zu DDR-Zeiten das Fach Illustration in Leipzig belegt, extern. Jetzt konnte sie es wirklich werden: Illustratorin, ihr Traum. Zunächst bei „das blatt“ als Grafikerin, dann als Art-Director bei der Kommunikationsagentur PUBLIC. Doch das war noch nicht das wirklich freie Arbeiten. Sie wollte es unbedingt (ein Glück für uns!) und streifte 2001 alle Sicherheiten ab. Seither schafft als freiberufliche Grafikerin und Illustratorin.
Inzwischen unterhält sie ihr Dachatelier im flachen Panketal. Einen Berg ist dort weit und breit nicht in Sicht. Aber weil es in der Umgebung so viele Menschen mit dem Namen Göritz gab, wie die Frau bürgerlich heißt, wählte sie die Übersetzung aus dem Altslavischen. Darin heißt Göritz = am Berg. So kam die Anke zum Berg. Wie Sisyphus? Ein bisschen bestimmt, denn das Ende einer Arbeit ist auch immer wieder Neuanfang. Lange Zeit ohne Pause. Hunderte gezeichnete Wesen gibt es indes aus ihrer Hand. In Kinderbüchern namhafter Verlage (Aufbau, Cornelsen, Herder, Polygraphic, Schott, Westermann) ebenso wie für ein Weihnachtsbuch, das sie mit ihrer Schwester 2012 herausgab. Sie hat Christian Morgensterns berühmte „Drei Spatzen“ (Eulenspiegel) illustriert, „Die Hexe Annabell“ (ArsEdition) oder „Josephs Weihnachten“ im Kreuz Verlag und vieles anderes mehr. Doch es ist ein stilles, konzentriertes Geschäft, das nach 15 Jahren nach Gesellschaft ruft. Deshalb gibt die Frau jetzt Workshops, Kurse und nimmt seit drei Jahren im Barnim am Tag der offenen Ateliers im November teil. Da kann der Interessent entdecken, das sie zwischendurch auch in freier Malerei Leinwände bearbeitet, mal wild, mal verträumt – der Inspiration, nicht dem Kopf folgend – sehr spannend. Das Zeichenwerk wird weiter wachsen und auch zum nächsten Jahreswechsel dürfen wir uns alle auf einen neuen „Krims & Kram“- Kalender von Anke am Berg freuen.
Und hier ist er:
Erwerben kann man ihn für nur 7 Euro bei Anke am Berg selbst: http://www.ankeamberg.de/
oder in der Galerie Bernau, im Grünbär Bernau, im Fabula Buchladen Zepernick, im Fremdenverkehrsamt Eberswalde und im Buchladen im Helios Klinikum Berlin-Buch.
Eine Adventsgeschichte:
Es regnete das letzte Goldlaub, als Rosalie erwachte. Der Himmel leuchtete endlich winterblau. Zu lange saß schon ein milder Herbst im Jahr. Kein Mensch dachte daran, dass heute die Adventszeit begann. Entschlossen legte die Wolkenfrau ihr lila Dezemberkostüm an und stieg auf zu ihrer Mission. Höher und höher. Schließlich war sie zu einer mächtigen Wolke aufgequollen und begann ihren großen Wintersturm, der die Landschaft kahl fegte und eine Kunde mit sich trug: „Es ist Advent, freut euch und schmückt eure Häuser, es naht das hohe Fest!“
Rosalie sandte schwere Böen, die wie Glocken schepperten. Aber die Menschen hörten ihr festliches Sturmläuten nicht. Sie huschten einfach in ihre Behausungen, drehten die Heizkörper auf und gingen weiter angestrengt ihren Verrichtungen nach. Nur wenige setzten dem Advent schmückende Zeichen. Rosalie schauderte es. Ganz offenbar war den Menschen das schöne Dezembergefühl, das Gespür für die großen und kleinen Geheimnisse, abhandengekommen. Sie musste etwas unternehmen. Abends wetterte die Wolkenfrau an Josefs Fensterladen und bat ihn um Hilfe.
Josef schleppte all die eingefrorenen, geschmolzenen und verlorenen Gedanken. Er hatte sie in einem großen Leinensack verstaut und stapfte damit auf den Marktplatz. Zwischen Weihnachtsbäckerei und Glühweinduft wollte er an diesem Adventssonntag den Stand der guten Gedanken aufmachen. Nur die allerbesten würde Josef dort verschenken, die anderen hatte er auf seinem Speicher dem Vergessen überlassen. Hauchdünne Gespinste türmten sich dort fast unsichtbar, aber der Mann stieß an ihnen und wunderte sich, dass niemand sich ihrer erinnerte.
Josef war ein Gedankensammler. Er nahm alles, was er kriegen konnte: Große und kleine, wirre und kluge, mutige und zaghafte – eben alles, was aus anderer Leute Köpfe fiel. Ja, Josef war kauzig, aber besonders, denn er konnte Gedanken lesen. Immer, wenn jemand seinen Spinnfaden verlor und der dürre Mann in der Nähe war, pflückte er sich diesen von den Schöpfen und versteckte ihn in einem seiner Beutel. In den grünen kamen die Ökoideen, in den gelben die Neidgedanken, in den roten die Liebes- und Festgedanken, in den weißen die Nichtssagenden und in den schwarzen die Volltreffer, eben die ganz großen Ideen. Mit seinen langen, feingliedrigen Fingern, die einem Klavierspieler gehören könnten, zog Josef ein dunkelrotes Samttuch über den leeren Marktstand am Rande des vorweihnachtlichen Treibens. Der alte Schimmelpfennig hatte ihm einen abseitigen Platz zugewiesen, denn der Marktbetreiber wusste nicht so recht, was Josef mit seinem Angebot wollte. „Gedankenspende“ stand auf seiner Anmeldung. Merkwürdig, aber weil Schimmelpfennig noch Stände freihatte, sagte er dem Alten zu, hatte aber ein kritisches Auge auf ihn. Der knüpfte soeben einen nachtblauen Baldachin unter das Standdach, und als er die Lichterkette darin ansteckte, funkelten hunderte von goldenen Sternchen in dem Traumvlies, an dessen Stirnkante in großen Lettern „Gedankenspende“ stand. Dann setzte er seinen Leinensack auf die rote Verkaufsfläche, band ihn auf und wartete mit suchendem Blick.
Wie er da so stand, wurde er beobachtet. „Was verkauft der Alte?“, fragte eine rundliche Dame die Zuckerbäckerin gegenüber. Sie wusste es nicht, sagt nur, „Ab und zu pustet er Flitter in die Luft, seltsam nicht?“ Ein vorbeieilender Mann spöttelte: „Nimmst du auch gebrauchte Gedanken?“ Josef schüttelte den Kopf und ärgerte sich ein bisschen. Der Begriff „Spende“ machte offenbar nicht verständlich, was er meinte. Nicht er wollte etwas gespendet bekommen, sondern er wollte etwas abgeben. Josef kramte in seinen großen Manteltaschen und fand einen handgroßen Stoffstern, den steckte er mit einer Sicherheitsnadel über das kleine „P“, und nun stand dort „Gedankensende“. Josef nickte zufrieden.
„Bist du ein Zauberer?“, fragte ihn ein dünnes Stimmchen. „Und holst du gleich ein weißes Kaninchen aus dem Sack?“ Josef löste seinen Suchblick und sah auf das ratende Kind. Es war kaum höher als seine Tischplatte, nur eine Locke im Wind und zwei wasserblaue Augen schauten darüber. „Ach, nein, es ist ja gleich Weihnachten, da wirst du sicher Geschenke in deinem Sack versteckt haben oder?“
„Vielleicht“, murmelte Josef, „wenn Gedanken ein Geschenk sind.“
Das Kind schaute verdutzt. „Du verschenkst Gedanken? Das ist ja toll. Mein Vater vergisst alles, selbst die Feiertage, da könnte ich ihm ja ein paar Festgedanken zu Weihnachten schenken. Wäre das möglich?“
Josef nickte. „Und wieso kannst du das?“, fragte das Mädchen weiter.
„Weil ich ein Advents-Bote bin“, flüsterte Josef. Er griff in den Sack und gab dem Kind eine Handvoll feierlicher Gedanken. Rosalie hatte während ihres nächtlichen Besuches all die unsichtbaren Gedankengespinste mit Sternenstaub umzogen, so glitzerten nun die Inspirationen ganz wundervoll. „Puste sie nächsten Sonntag deinem Vater entgegen“, sprach Josef. Das Kind schloss fest die Hand und lief aufgeregt nach Haus. Als es am nächsten Sonntag erwachte, hörte es den Vater schon telefonieren: „Na, wenn Sie meinen, dass es heute noch sein muss …“. Das kleine Mädchen tapste schläfrig mit der Handvoll Sternenstaubgedanken hinüber und pustete damit kräftig den Vater an. Einen Moment lang stockte dessen Rede am Telefon, aber dann traute das Kind seinen Ohren kaum: „Wie kommen sie eigentlich dazu, mich am Adventssonntag mit so etwas zu belästigen? Das ganze Jahr über geht das schon so, aber ich habe keinen Lebensvertrag mit ihnen. Wir können am Montag weiter reden!“ Sagte es, legte auf und atmet erleichtert. Dann schaute er lächelnd auf seine kleine Tochter, nahm sie auf seinen Arm und sagte: „Weißt du, heute fahren wir hinaus in den schönen Winterwald und holen uns beim Förster einen Weihnachtsbaum, und du darfst ihn aussuchen.“
Petra Elsner
Wenn es am 24. Dezember endlich dämmerte, zog mein Vater mit seinen zwei kleinen Töchtern um die Höfe und spielte mit uns unterwegs: „Wer entdeckt den ersten Weihnachtsbaum hinter den Fenstern?“ Danach begannen wir Mädchen zu betteln: „Ach, Vati, erzähl uns doch eine Geschichte!“ Und er begann uns jedes Jahr wieder mit dieser Endlosgeschichte zu foppen: „Es war einmal ein Mann, der hatte sieben Söhne. Da sagten die Söhne, Vater erzähl uns eine Geschichte. Da fing der Vater an: Es war einmal ein Mann, der hatte sieben Söhne …“ Ich glaube, er kannte keine andere. Wir Kinder waren immer einigermaßen froh, wenn der Weihnachtsspaziergang gegen 16 Uhr endete und uns ein Glöckchen ins Weihnachtzimmer rief, wo eine prächtige Kiefer, geschmückt mit roten Kugeln, Lametta, weißen Lichtern und funkelnden Wunderkerzen, uns erwartete. Dieses Anstaunen des funkelnden Baumes war für mich der schönste Moment vom ganzen Fest, bei dem die gesamte Familie beieinander war, die Alten und die Jungen. Es gab knusprige Nussplätzchen und selbstgebackenen Stollen. Oma sang mit brüchiger Stimme „Stille Nacht…“ und Mama zupfte dazu die Laute. Es blieb für zwei Generationen genauso.
Als meine Eltern nicht mehr lebten, begann ich Weihnachtsgeschichten zu erfinden. Mein Sohn Jan war längst erwachsen, doch ich hatte plötzlich das Bedürfnis, etwas in diese Zeit zu legen – eine freundliche Zutat für ein festliches Miteinander. Erst für Freunde, dann auch für Zeitungsleser, jedes Jahr eine neue und so kam es, dass ich mit diesen Dezembergeschichten in die Advents- und Weihnachtszeit anderer Familien geriet. Es sind inzwischen fast 30 und sie spielen dort, wo ich lebte und lebe – in der Region Ostbrandenburg, wozu für mich auch Stadt Berlin gehört.
Petra Elsner
Jeder hat sie, die Sehnsuchtsorte, um so älter man wird, desto mehr sind es. Meine Freundin Trilli hat, um dem imaginären Gefühl Gestalt zu geben, die “Sehnsuchtsberatungsstelle” und “Das große Buch der Sehnsucht” geschaffen. Es war ihre Variante das Verlustgefühl zu materialisieren. Bei mir war/ist es ein mir unbekannter Ort: das Walddorf Schluft in der Schorfheide. Dort verlebten meine Eltern in den 70ern einen Sommer und als sie heimkehrten, sah ich zwei glückliche Menschen wie sie nie glücklicher waren – vorher und nachher. Das war es wohl – mein Lockruf in die Heide – eine Schwingung meiner Ahnen vielleicht. Denn immer, wenn wir durch Schluft kommen, spüre ich einen unerklärlichen Hauch von Glück. (pe)
Schneezeit in der Heide
Foto: Lutz Reinhardt
2010. Mitten im Schorfheidewald, am nordwestlichsten Ende des Barnims, liegt das Dörfchen Schluft in der Eiseskälte. Tief verschneit atmet es im Januar die große Stille. Nach dem irren Schnee walzte eine Fuhre Langholz, vom Kurtschlager Damm her kommend, die weißen Massen über dem dörflichen Kopfsteinpflaster platt. Problemlos könnte man jetzt hier Autorennen fahren, doch die meisten Tagesstunden gehört die Piste nur den Katzen.
Wenn es dämmert, brennt in der Hauptstraße 19 verlässlich ein Licht. Dort, im Landgasthof „Zur Linde“ wartet das Wirtspaar Angela (55) und Burghard Repkow (57) auf Gäste. Unterhalb der Woche sind diese jetzt selten. Ein, zwei kommen am Abend. Mal kommt der Förster vom Trämmersee auf ein Bier. Oder die junge Schauspielerin von gegenüber paukt zufällig im Sommerhaus Texte und huscht zu später Stunde auf ein Abendbrot quer über den Damm.
Aber in der gemütlichen Linde geht es seit Jahresbeginn gedämpfter zu. „Die Besucher wirken irgendwie in sich gekehrter“, rätselt Angela. „Ja, im Dezember, da hatten wir noch die großen Treibjagden mit heiterem Jagdhornblasen und die Adventskonzerte am Feuer, dort drüben auf dem festlich erleuchteten Spielplatz“, erzählt sie weiter.
Ihr Mann lächelt dazu von weitem, bleibt lieber in der Deckung des Tresens. Ist eben das Original im Hintergrund. Gewiss, für seinen schelmischen Blick und die leisen, aber geraden Töne, mag man den Mann sogleich. Die zwei sind Wirtsleute in der vierten Generation, da weiß man sich in den dünnen Zeiten zu helfen. „Reich wird man eh’ nicht mit so einer kleinen Wirtschaft. Es gab mal so einen Moment, Anfang der 90er Jahre, da dachten wir, wir müssten alles ändern. Eine größere Speisekarte, vielleicht sogar anbauen. Inzwischen hat uns die Normalität wieder, und wir leben von den Wochenendgästen in der grünen Jahreszeit. Jetzt kommen mal ein paar Leute zum Skilaufen, die sich dann auf einen heißen Tee oder Grog und ein Bauernfrühstück freuen.“
„Vergiss nicht die Wahlen“, wirft Burghard Repkow ein. „Und die kommen am Wochenende wieder“. Er schmunzelt, sie nickt: „Ja, ja, die Stichwahl zum Landrat. Ansonsten richten wir jetzt viele Familienfeste aus, bis zu 20 Personen, auch außer Haus. Erst zum 30. Januar hat sich wieder eine Wandergruppe angesagt, verrät die Wirtin, völlig klaglos. Das ist ebenso.
Vielleicht wird es etwas anders, wenn der Oberförster dieses Jahr einen Wild-Beobachtungs-Schirm auf der Schilfwiese am Kurtschlager Damm errichtet hat, und Kutschfahrten Naturfreude dorthin führen. Vielleicht. Bis dahin ist es im Januar leise in Schluft, dem kleinsten Örtchen der Gemeinde Schorfheide. 120 Menschen siedeln hier, wo andere Ferien machen. Beispielsweise in „Schluftis Waldvilla“ in der Schulstraße. Doch die Bewohner des abgeschiedenen Barnimer Winkels sind und waren nie verwöhnt. Schnee ist hier kein Problem. Man schippt selbst, immer schon. Und die Repkows bauen indes – in aller Ruhe – eine kleine Ferienwohnung für Sommergäste aus.
Bereits in den 20er Jahren kamen vor allem Berliner, „Sommerfrischler“ wie man damals sagte, nach Schluft. Die in den siebziger Jahren erbauten Bungalows unterstreichen, dass bis heute viele den Erholungswert des Minidorfes in der Gemeinde Schorfheide zu schätzen wissen. Ein guter Ort, die Seele baumeln zu lassen.
PS: Diese Gaststätte ist inzwischen geschlossen.