Eine weitere Szene aus den Baumriesen …

Als Anregung für alle, die noch planlos sind: Heute, 14 Uhr, Buchlesung beim Maulbeerfest in Zernikow in der Kleinen Schmiede.

Zweite Kostprobe aus meinem „Der Schatz der Baumriesen“:

Kein Morgen- oder Abendrot – ein Immerrot. Carbos Vulkan.
Zeichnungen: Petra Elsner

Aron folgte seinem Instinkt und ritt nach Süden. Aber Melchor wollte es genauer wissen: „Wo sollen wir nur suchen?“
„Bei diesem Rätsel musst du wie Gora denken, um es zu lösen“, schnaufte der Hirsch. „Also Feuer zu Feuer und Wasser zu Wasser“, erklärte er weiter. Melchor schwieg in die Stille der Schneewelt. Erst nach Stunden sprach er wieder. „Du meinst, wenn wir die Feuerkugel suchen, sollten wir zu dem größten Feuerloch der Welt ziehen? Nicht irgendeinem kleinen, sondern dem mächtigsten Vulkan überhaupt, aus dem die Erde heiß brodelt und stöhnt?“
Aron nickte: „Vielleicht ist es so.“ Sicher war das allerdings nicht, sie konnten sich auch irren.
Sie waren schon Tage unterwegs. In der Nähe des großen Meeres verschwanden die Schneefelder. Es schien, als wollte es Frühling werden, aber es war nur ein breiter Geröllstreifen, der das vorgaukelte. Denn in Wirklichkeit durchschritten sie das immer warme Feuerfeld eines fauchenden Vulkans. Weithin sichtbar warf der Feuerberg einen rot brennenden Schein an den Himmel. Kein Morgen- oder Abendrot – ein Immerrot.
Der Legende nach, lebte an diesem Vulkan ein Steinriese, der vollkommen aus schwarzer Lava bestand. Tagein, tagaus rührte der Riese in dem mächtigen Trichter. Er panschte Eruptionen und trieb die Ausbrüche des Magmas voran. Carbo war ein launischer und sehr unberechenbarer Steinriese. Aber er war auch ein Künstler, der mit heißer Lava Bergwände besprühte. Und wenn er so richtig in Fahrt und Rage geriet, vergaß er alles um sich. Das würde die Gelegenheit sein, um dicht an ihm vorbei zum Feuerschlund zu gelangen.
Aber noch waren Hirsch und Mann dort nicht angekommen. Der Boden dampfte. Feuersalamander huschten über den Geröllteppich, und hier und da zischten gelbe, stinkende Geysire. Das Land dampfte schwer.
Der Hirsch scheute: „Melchor, ich bin ein Geschöpf des Winters! Ich kann nicht über so heiße Böden galoppieren. Du musst diesen Weg alleine bestehen.“ Der Läufer hatte schon längst auf diese Ansage seines Begleiters gewartet, war aber froh über jedes weitere gemeinsame Wegstück. „Ich weiß, du hättest schon vor Stunden aufgeben sollen. Wir werden uns dort, wo die Schneefelder beginnen, nach drei Monden wiedersehen.“

Melchor hatte es geschafft. Er war wirklich bis dicht unter den Vulkan gelangt. Der schwarze Riese besprühte gerade mit völliger Hingabe die Nordwand. So wagte der Jüngling den Aufstieg von Osten her.
Der Kraterrand war schon ganz nah, als der Berg schaurig grollte und sich in dicke Wolken hüllte. Melchor sah die Hand vor Augen nicht, wenn der jetzt Lava spritzte, wäre es um ihn geschehen. Sein Magen knurrte. Er fühlte sich matt und seine Füße schmerzten. Hinter einem gewaltigen Gesteinsbrocken versank der Läufer in einen seltsamen Dämmerzustand. Feuerrösser durchgeisterten darin die gelben Nebel. Gora sprang böse lachend auf den Rücken des ersten Hengstes und zügelte ihn. Er wieherte schmerzgetroffen, zischte und dampfte und zerrann in Tausende Wassertropfen, die als Schnee zu Boden rieselten. Die Hexe aber sprang auf das nächste Ross und das übernächste, während der Vulkan im Schnee erlosch.
Es roch nach Schwefel, denn der Berg spuckt nicht Feuerfunken, sondern Asche und Gas. Als Melchor wieder zu sich kam, regnete es und ein starker Wind blies. Der war wohl seine Rettung, denn er vertrieb die giftigen Wolken und die Fiktionen.
Der Läufer kletterte das letzte Stück hinauf zum Berggrat. Als er in den Schlund des Vulkans schaute, war er ergriffen von der Schönheit seiner flammenden Flanken. Purpurfarbig. Und in der Mitte, tief unten im Lavasee, schwebte eine schwarz-blaue Wolke, in der, wie auf Samt gebettet, die Feuerkugel ruhte.
Wie nur sollte er dort hingelangen? Seine Hände waren übersät von Schnitten und Brandblasen vom heißen Gestein. Es war vollkommen unmöglich, sich dem brodelnden Innenleben weiter zu nähern. Er würde verdampfen.
Etwas kreischte und Melchors Blick suchte den roten Wolkenhimmel ab. Hoch über dem Vulkan schwebte ein kaminroter Adler. Dieses Rot-in-Rot machte ihn beinahe unsichtbar. Der Adler rief zweifellos den Riesen herbei, denn schwere Schritte rumsten Richtung Osten.
Melchor schmiegte sich flach an den Kraterrand und vergrub sein Gesicht in den kaputten Händen. Das Donnern der Schritte zeigte Wirkung. Gesteinsbrocken lösten sich aus der Wand, dann rutschten Geröllmassen ab und mit ihnen stürzte auch der Läufer abwärts. Aber er fing sich unbeschadet am Hang, und plötzlich tippte ihn ganz sacht etwas an seine Schulter:

Custo, der Steinriese.

 


„Hallo du, kleiner Wanderer, was suchst du denn hier“, bröselten die Worte aus dem Steinriesen.
Melchor schaute vorsichtig auf: „Ähm, ich wollte nicht stören, mir nur mal deinen Vulkan anschauen.“ „Das ist nicht mein Vulkan. Ich wohne nur hier“, bollerte es aus Carbo, „und spiele mit dem Feuer. Ha, eine glutheiße Sache ist das, sag ich dir. Hast du schon meine neueste Arbeit an der Nordwand gesehen?“
Melchor schüttelte verblüfft den Kopf.
„Nein?“ Der Riese legte seine Hand neben den verschreckten Menschen und lachte: „Komm, steig auf, ich zeige sie dir.“
Wenige Augenblicke später sah Melchor rot glühende Tropfenornamente, die wie Sonnen von der Wand strahlten.
„Schöööön, oh, wie wunderschön. Wie machst du sie?“, fragte er.
„Ha, ganz einfach!“ Der Riese lehnte sich über den Kraterrand, hangelte mit seiner schweren Steinpranke in den Lavasee und schöpfte sich heißes Magma daraus. Nahm dann einen kräftigen Schluck in seine Mundhöhle und pustete sie gleich einem Feuerschlucker an die Bergwand.
„Beim Teufel, sieht das gut aus!“, fand Melchor, und der schwarze Riese lächelte sehr stolz.
„Aber nun mal ehrlich, kleiner Mann, was suchst du hier in dieser flammenden Einöde, doch gewiss nicht meine Sonnenkunst?“
„Die Feuerkugel, dort unten in der brodelnden Magmasuppe. Die Winterhexe Gora hat sie gestohlen und damit das Gleichgewicht der Welt aus den Angeln gehoben. Im Land der Baumriesen brechen und erfrieren die uralten Baumgiganten. Ich bin ihr erwählter Läufer.“ Er verbeugte sich vor Carbo: „Verzeih mir, wenn ich nicht ganz ehrlich war. Ich musste doch erst herausbekommen, ob du nicht ein Mann der Winterhexe bist.“
„Ho, ho, ho, hooo, ich und der Winter – das geht doch gar nicht. Aber diese kalte Schöne war wirklich vor einiger Zeit hier. Sie kam mit einem Sturm, der faustgroße Graupelkörner trieb. Der Berg fauchte und zischte, und sie kreiste wie ein Wolkenwirbel über dem Schlund. Doch ich konnte nicht sehen, was sie dort tat. Der Sturm aus Eiskörnern drückte mir die Lieder nieder und versperrte mir die Sicht. In diesem Augenblick muss die gewiefte Gora die Kugel in den Feuersee geworfen haben. Denn anschließend war sie einfach da unten, auf der schwarzen Wolke. Der Spuk kam auf und ging wie ein kurzer Schauer.“
Carbo lehnte sich nun wieder über den Kraterrand und brachte mit seiner schwarzen Pranke die Feuerkugel aus dem Vulkan. Er drehte und wendete sie: „Schönes Teil! Nicht heiß und doch hält sie die Wärme der Welt, was für ein Wunder. Hier.“ Er legte die Kugel in die Hände des staunenden Läufers. „Ich brauche sie nicht. Ich bin Künstler und schaffe selbst Schätze, da ist man nicht auf das Zauberwerk anderer angewiesen. Trag sie sicher zu den hölzernen Giganten, sie sind fast so alt wie ich. Doch sei auf der Hut vor dieser Gora, die schöne Kalte hat kein Herz.“ …

Bestellbar hier

Fantasy beim Maulbeerfest auf Gut Zernikow

Cover zum Buch, das 2014 in der Verlagsbuchhandlung Ehm Welk, Angermünde, erschien.

Am Samstag, 5. August, 14 Uhr, lese ich eine Schulstunde lang in der Kleinen Schmiede beim Maulbeerfest auf Gut Zernikow aus meiner Fantasy-Geschichte „Der Schatz der Baumriesen“.
Worum es dabei geht:
Seit Urzeiten bewahren die grünen Giganten den Schatz der Elemente. Doch in einem eisigen Sturm raubt die Winterhexe Gora machtbesessen die vier wertvollen Kugeln. Die Natur gerät aus den Fugen. Da betritt der Schatzsucher Melchor das erstarrte Land der Baumriesen und zieht für sie in den Kampf gegen Gora und ihre verschlagenen Wintergespinste.

Diese abenteuerliche Fantasy-Geschichte erzählt von der Kraft des Einzelnen, für die Welt einzustehen. Sie macht Mut, wo Angst herrscht und öffnet die Sinne für globale Wahrnehmungen. „Der Schatz der Baumriesen“ entführt in eine romantische Weltfantasie für die ganze Familie.

Eine Leseprobe findet Ihr hier: Der Schatz der Baumriesen.
Bestellbar hier

Zeichnung: Petra Elsner

 

Zwölf Monate: Blick auf die Bleiche am Döllnfließ (6)

Zwölfmal im Jahr schießt meine Kamera von der „Bleiche am Döllnfließ in Kurtschlag“ einen Schnappschuss und friert das Motiv so für die Ewigkeit ein. Herr Zeilenende hat das Projekt „12 Monate“ als Blogger-Aktion im  Februar 2017 angeregt …

Hier kommt mein Fotoblick für den Monat Juli :

Die frisch gemähte Bleiche am Kurtschlager Döllnfließ – Mitte Juli 2017.

Mitte Juli feierte das Schorfheidedorf Kurtschlag sein alljährliches Sommerfest. Nein, nicht auf der Bleiche, die ist hierfür zu klein. Dafür zieht die Dorfgemeinschaft mit ihren Gästen (die sogar aus Freiamt kamen) auf den alten Sportplatz mit seiner Kulturbaracke an der Rübengasse.
Aber: Die Bleiche war  dafür – wie man sieht – frisch frisiert. Und weil die Feuerwehr ein rundes Jubiläum zeitgleich feierte, hatten die Blaulichter einige „Kameraden“ aufgestellt.

Der Schmuckkumpel am Fließ insperierte mich zu dieser Geschichte

Der Flusswächter vom Döllnfließ? Nein, ein Feuerwehrkamerad auf der Leiter…

Der Flusswächter vom Döllnfließ

Die Nebelgestalt des Flusswächters.
Zeichnung: Petra Elsner

Vor Zeiten wohnte in den Wiesen am Döllnfließ ein Flusswächter. Der schritt täglich die Ufer ab, um die Dämme für die Flößerei zu kontrollieren. Eines frühen Morgens entdeckte er am Kolken hinter der Schleuse bei Klein Dölln frische Stiefelabdrücke im Sand: Krebsdiebe, dachte sich der strenge Mann und begann sogleich den Spuren nachzustellen.

Niemand sah, wie und wann er dazu aufbrach. Doch bald schon murrten die Leute, wo denn der Flusswächter stecke. Hier sei ein Leck im Damm und beim Moor zwischen Kurtschlag und Kappe trieben Weidenkörbe mit Flusskrebsen im Wasser.

Man wollte mit dem nachlässigen Wächter ein ernstes Wort reden. Doch sein Katen war verlassen. Der Flusswächter blieb seit jener Zeit verschollen und bald darauf starben alle  Krebse im Fließ.

Flusskrebs. Zeichnung: Petra Elsner

Über die Zeit webten die Herbstnebel die Legende vom ruhelosen Flusswächter, der noch immer als Nebelgestalt aus dem Wasser aufsteigt und seine Runde dreht.

© Petra Elsner
Juli 2017

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Weitere Augenblicke für die Ewigkeit findet ihr bei:

Agnes dokumentiert die Baustelle der Groth-Gruppe am Berliner Mauerpark

Amerdale zeigt das Wohnzimmer

Arno von Rosen zeigt die Eiche in Nachbars Garten

Chris zeigt den Baum vor seinem Fenster

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Wili lässt uns auf und in ihren schmucken neuen Topf gucken

wortgeflumselkritzelkram ist im Vorgarten

Regenproduktion für ein Sommermärchen

Handgefertigte Künstlerbändchen. Ein Bändchen kostet 7 Euro, zzgl. Versand.

Die ersten 30 handgefertigten Bändchen von „Die Mohnfee und die verschwundenen Zeit “ sind fertig. Das reicht erst einmal. Nun könnte es endlich richtig Sommer werden, denn meine Stimmung sinkt derweil gegen Null. Ich wollte diese Tage eigentlich einfach im Garten faulenzen und nicht schon wieder arbeiten. Aber es wird mir nicht gegönnt. Ja, ich weiß, Euch auch nicht… Kommt gut durch die Zeit oder auch in Kurtschlag vorbei, eine heiße Tasse Tee oder Kaffee gibts hier immer… 🙂

 

 

Und hier noch einmal die ganze Geschichte:

Gute Märchen machen stark, weil sie uns das Leben lehren.

 

Die Mohnfee und die verschwundene Zeit

 

Die Mohnfee von Petra Elsner

Die Mohnfee Flabell erwachte geschüttelt von einem Windzug. Ihre Schlafblüte wankte  noch, als sich die Zarte die Augen rieb. Dann sah sie in den Morgen und erschrak: Alle Mohnblühten waren verschwunden. Tausende, einfach weg. Das Rot war komplett vom Feld gefegt, bis auf ihre Schlafblüte.

Flabell sprang auf den Boden und fragte sehr aufgeregt den dort sandbadenden Junikäfer: „Weißt du wohin all die schönen Mohnblüten sind? Hat sie jemand gepflückt oder wurden sie verweht?“ Der Junikäfer wusste es nicht. Da brach Flabell weiter in den Tag auf. Der kleinen Fee war es bange so allein. Ohne die anderen Blütenschwestern fühlte sie sich wie ein kraftloses Rot, das nun dem Sommer fehlte.

Die Mohnfee musste sich auf die Suche begeben und stieg zuerst auf eine Anhöhe, um in die Ferne schauen zu können. Aber soweit sie auch in die Landschaft blickte, das Mohnblütenrot war nirgends zu entdecken. Wohin könnte es nur entschwunden sein und wen könnte sie danach fragen? Unten im Tal badete das weitsichtige Himmelblau im See. Vielleicht wusste es, was geschehen war. Flabell lief zum Seeufer und rief so laut sie konnte: „Himmelblau! Hast du das Mohnblütenrot gesehen?“

Das Blaumännchen, Zeichnung: Petra Elsner

Die Wellen kräuselten sich und ein Blaumännchen tauchte auf. Langsam kam es aus dem Wasser und murmelte dabei bedächtig: „Ich hab‘ es nicht fortgehen sehen. Eben war es noch da. Stark und schön im Morgenlicht. Plötzlich war es weg. Herrje!  Wie aus der Zeit gelöscht. Seltsam, nicht?“ Das tropfende Blaumännchen stieg an Land und  setzte sich verwundert zu der Suchenden: „Mit rechten Dingen ging es dabei wohl nicht zu.“
Die Mohnfee war ratlos. „Wie aus der Zeit gelöscht, sagst du? Kann denn Zeit gelöscht werden?“ Das Blaumännchen überlegte ein Weilchen und sprach schließlich: „Weiß nicht, wer die Zeit anhalten oder gar verschwinden lassen kann. Aber vielleicht musst du den Kobold, der die graue Vorzeit bewacht, danach befragen.“

„Und wo wohnt dieser Wächter?“, wollte Flabell wissen.
„In den Katakomben des Staubes. Hoch oben im nördlichen Bergland führen steinerne Höhlengänge zu den ewigen Ruhstätten der  Zeit. Wenn du wirklich hinab zu diesen Grabstätten kletterst, dann darfst du auf gar keinen Fall niesen!“ Mit dieser Warnung verschwand das Blaumännchen wieder im Wasser des himmelblauen Sees.

Flug der Mohnfee.

Flabell wartete ein Weilchen bis der Wind nach Norden drehte. Auf diesen Luftzug sprang  sie auf. Entschlossen und doch ängstlich segelte die Federleichte in die Ungewissheit. Was würde ihr der Wächter der grauen Vorzeit sagen können? Würde er ihr helfen oder schaden? Sie musste diese Begegnung wagen, um das herauszufinden. Die kleine Mohnfee fühlte sich unbeschützt auf dieser weiten Reise. Bisher hatte sie immer die Blütenschwestern an ihrer Seite. Diesen Beistand vermisste sie. Am Abend erreichte sie den hohen Norden. An einer schroffen Bergwand ragte ein flacher Felsvorsprung wie ein Dach aus dem Massiv. Darunter schlief Flabell ein. Aber sie hatte eine unruhige Nacht. Immerzu huschten flackernde Lichter um sie herum. Kleine, kichernde. Aber das Flügelmädchen war zu erschöpft, den seltsamen Gespinsten nachzuspüren.

Im Erwachen entdeckte die Mohnfee eine schmale Spalte unter dem Felsendach und eine schwache Zeichnung. Ein Schattenfall darüber ließ eine alte Sonnenuhr erkennen. Ob sie hier richtig war? Flabell fingerte sich vorsichtig in das Dunkel. Der schmale Einlass öffnete sich zum steinbehauenen Gang, in den ein fahles Licht fiel. Dieses Schimmern des Gesteins verströmte eine heilige Ruhe, die der Mohnfee jegliche Furcht nahm. So lief sie immer weiter in den Berg hinein.

In die Seitenwände waren kleine Grabkammern gehauen. Darin ruhten die verwelkten Jahre unter zentimeterdickem Staub. Flabell suchte nach der Kammer für das Jahr 2017, denn vielleicht konnte sie in ihr die Zeit des Verschwindens der Mohnblüten auffinden. Bei der Kammer 2016 war sie gerade gewesen, aber die nächste hielt ihre Jahreszahl verborgen. So pustete Flabell vorsichtig in die Gruft, woraufhin eine Staubwolke aufstieg und das Flügelmädchen zum Niesen brachte. Durch die Gänge hallte ihr lautes Hatschiiii und sauste als Echo durch den Berg. Als der Staub sich legte, tauchte in einem gleißenden Licht ein großer, grauer Kobold auf, der Flabell den Weg verstellte: „Ah, ein zerbrechliches Rot!“ murrte er. „Und ich dachte schon, ein Beben bedroht die Höhlen. Reiß dich zusammen kleine Fee, du darfst hier nicht niesen, sonst bringst du die ganze graue Vorzeit durcheinander.“

Peiko.
Zeichnung: Petra Elsner

„So einfach kann man die Zeit verwirren“, staunte die Mohnfee.
„Ja, natürlich, ein Durcheinander ist immer leicht hergestellt. Durch Beschleunigung gerät man mit der Zeit ganz schnell ins Nirgendwo“, erklärte der Kobold gelehrig.

„Und du passt auf, dass das nicht geschieht?“
„Nein, ich bin der Steinmetz Peiko, Sohn des großen Zeitwächters vom kleinen Volk der Bergkobolde. Ich achte nur mit darauf, dass in den Katakomben des Staubes keiner die Zeiten vernebelt.“

„Aber dann weißt du gewiss auch, wo all die Dinge hingehören und kannst mir verraten, wohin das Mohnblütenrot verschwunden ist“, fragte Flabell ganz aufgeregt.

Peiko gab sich bedeckt, aber die Zarte ließ nicht locker. Und so erzählte er schließlich von seinen kleinen Brüdern, den Lichtkobolden. Die Verwandtschaft zu den frechen Unholden schien ihm peinlich zu sein: „Sie knipsen sich gerne die Farben aus der Zeit und verstecken sie in einem geheimen Zwischenreich. Auf diese Weise beginnt manchmal eine schwarze Zeit, ein grauer Sommer oder auch nur die Blaue Stunde des späten Tages.“
„Kennst du dieses Zwischenreich?“ Der Berg grummelte bedrohlich nach dieser Frage.
„Ich sagte ja schon, es ist geheim“, sprach leise der Steinmetz.
„Weiß es dein Vater?“, forschte Flabell weiter.
„Der weiß alles, aber verrät es keinem“, erwiderte Peiko. „Du kannst dich bei deiner Suche nur auf deine innere Stimme verlassen. Wenn du ihr vertraust, wird sie dir den richtigen Weg weisen.“ Der Kobold kramte ein Weilchen in seinen Hosentaschen und zog schließlich ein winziges Licht hervor, dass er wärmend in seinen Händen hielt: „Hier, du zerbrechliches Rot, nimm dieses Licht und beschütze es gut. Es ist der Abglanz deiner inneren Kraft. Höre genau hin, sie spricht mit dir. Jeden Tag und jede Stunde – einfach immerzu. Sie wird dich geleiten, wenn du dieses Geheimnis des Lebens beachtest.“

Die Mohnfee übernahm ganz vorsichtig die kleine Flamme aus Peikos Händen. Der, während sie noch das Licht besah, im Dunkel der Katakomben verschwand. Flabell versuchte ihm zu folgen, aber das Licht in ihren Händen begann zu flackern und etwas flüsterte ihr kaum hörbar zu: „Geh‘ langsam. Nimm‘ deinen, nicht seinen Weg.“
An der nächsten Weggabelung hielt sie die Flamme erst in den einen Gang, dann in den anderen. Sie nahm jenen, in den das Licht ihr ruhig leuchtete.

Rastlos durchstöberte die Mohnfee den Berg. Und obgleich sie dabei vollkommen allein war, fühlte sie den weisen Ton ihrer inneren Stimme. Die gab ihr Mut für den nächsten Schritt. Doch irgendwann trat sie vor einen tiefen Abgrund. Links und rechts führte kein Weg vorbei. Flabell hockte sich an den Rand des Schlundes und starrte ängstlich in das finstere Bodenlose. Dort unten kicherte etwas. Umso länger sie hinab sah, desto lauter wurde es und schwoll zu einem schrillen Gelächter an. Höhnisch und voller Verachtung. Die Fee fröstelte. Dieses böse Lachen nagte an ihr. Will mir denn keiner helfen, dachte sie bei sich und seufzte.

Die Mohnfee und der große Zeitwächter. Zeichnung: Petra Elsner

Urplötzlich hockte ein alter, weißhaariger Bergkobold neben ihr. Der starrte ebenfalls eine Zeitlang in die Tiefe, dann brummte er: „Fürchte dich nicht. Du brauchst diesem Schlund nicht auf den Grund gehen. Du musst in der Zeit zurück wandern, um den Unfug der Lichtkobolde aufzuheben. Steck die Begebenheit in diesen Sack, binde ihn fest zu und werfe ihn in diesen Abgrund. Dann ist alles, wie es war.“
Der Alte lächelte väterlich und Flabell wagte sich zu fragen, ob er der Wächter der grauen Vorzeit sei. Er nickte, schwieg dann zeitvergessen, bis er sich zu einer grauen Wolke verflüchtigte.
Konnte sie dem alten Zeitwächter trauen? Peiko hatte ihr gesagt, sein Vater verrate keine Geheimnisse. Wieso nun doch? Aber weshalb sollte sie der alte Zeitwächter in die Irre schicken? Ihre innere Stimme vertraute dem Alten, also lief die kleine Mohnfee zurück zu jener Stelle, bei der sie das große Niesen erwischt hatte. Ganz vorsichtig schob sie den dicken Staub beiseite, bis die Zahl 2017 in den Stein gemeißelt erschien. In ihrem Rücken tuschelte es: „Sie wird es nicht wagen!“ „Doch sieh nur, sie kehrt in der Zeit zurück. „Wir müssen sie aufhalten, nur wie?“

Flabell hörte die Lichtkobolde ganz deutlich, ließ sich aber nicht von ihrem Spuk ablenken. Sie wischte vorsichtig weiter die Jahreszahl frei. Einige wenige Staubteilchen wirbelten dabei sacht auf. Sie begannen zu leuchten, dann zu flimmern, schließlich blitzten Bilder auf – die Szenen aus der Vergangenheit. Es dauerte, bis Flabell die Staubbilder entdeckte, die jenen Morgen zeigten, an dem das schöne Mohnblütenrot verschwand. Und jetzt sah sie auch, wie das geschehen war. Ein fetter Lichtkobold saugte sie einfach mit einem großen Blütensauger aus der Landschaft und lachte dabei höllisch. Das Flügelmädchen fing sich diese Zeitfetzen, Teil um Teil und steckte sie eilig in den Sack des großen Zeitwächters. Sie fand den gesamten Fluss der Zeit und das Tuscheln in ihrem Rücken verstummte. Kaum später warf Flabell den Sack, der den Farbenklau gefangen hielt, in die Tiefe des Schlunds.

Die Mohnfee und ihre Schwestern.
Zeichnung: Petra Elsner

Als der aufschlug, schwieg das Kichern der Kobolde und die kleine Mohnfee fand sich augenblicklich auf ihrem Feld wieder. Es war eben die Stunde ihres Erwachens und das Mohnblütenrot leuchtete ganz wunderbar in den Sommermorgen.

 

© Petra Elsner
Juli 2017

 

 

 

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Ein neues Künstlerbändchen ist entstanden …

Die ersten handgebauten Bändchen entstehen…

Der Regentag kam mir irgendwie zu pass. Sonst hätte ich die Pfriemele zu diesem  Kleinformat – 10 x 10,5 cm – garantiert nicht ausgehalten. Ich gestalte das alles in Word, weil ich für diese Minis kein Buch-Layout-Programm habe. Also russische Schnitztechnik sozusagen. Die nervt.
Aber jetzt ist auch die Mohnfee ins Format gebracht. Die ersten Teile sind fertig gefaltet, geschnitten und geheftet. Morgen regnet es wieder, da wächst wieder was …
Ein nummeriertes Bändchen kostet wieder humane 7 Euro, zzg. Versand.

Die ersten Exemplare sind eingetütet.

Privatlesung

Empfangsbereit. So sieht das Quartier allerdings nur auf Bestellung aus….

Begrüßung der Lehrerinnen und ihrer Exchefin Carola Präkels.

Für einen kleinen Kreis gab es heute bei uns auf dem Hof eine Privatlesung im Garten, anlässtlich der Verabschiedung der Zehdenicker Schuldirektorin der Linden-Grundschule in den Ruhestand.

Es war ein ganz entspannter Nachmittag, der große Herzwärme verströmte. Wer solche Kollegen hat, kann froh durchs Leben wandeln…

 

 

27 Grad im Schatten, da bot das Zelt guten Sonnenschutz.

Petra liest, heute mit belegter Stimme, aber die die 45 Leseminuten hab ich gerade so noch durchgehalten …

Abreise…

 

 

 

 

 

 

Das 2. Zeichenblatt zu der Geschichte „Die Mohnfee…“

Das Blaumännchen, Zeichnung: Petra Elsner

… das 2. Zeichenblatt ist entstanden. Es zeigt das Blaumännchen im himmelblauen See. Die kleine Mohnfee fragt es, ob es das Verschwinden des Mohnblütenrots gesehen hat…

Lesen in Linde

Lesefrosch von Petra Elsner

Noch einmal: Die heutige Lesung (Samstag, 8. Juli) in der Kulturkirche in Linde (Löwenberger Land) – Aus der Landschaft gepflückt– beginnt bereits eine Stunde früher als urspünglich geplant. NEUER LESEBEGINN: 14 Uhr.

 

 

 

Stunden später: Es war toll in Linde. Die Kulturkirche als Ort und das gute, herzliche Publikum. Es ging mir gut hier an diesem Ort und die Lesestunde verflog wie der Wind.

Petra liest.

Lauschig war es anschließend im Kirchgarten beim Kaffeetrinken. Die Landfrauen hatten grandios gebacken. Ich bin schon lange nicht mehr so entspannt aus einer Lesung herausgegangen.

32 Besucher fanden sich in schwüler Sommerhitze in der Kulturkirche ein.

Begrüßung durch den Vereinschef Siegfried Becker. Fotos: Lutz Reinhardt

Kaffee im Kirchgarten.

 

 

 

 

 

 

Drei Tage später:

 

Fortsetzung 2: Die Mohnfee….

… Die Mohnfee musste sich auf die Suche begeben und stieg zuerst auf eine Anhöhe, um in die Ferne schauen zu können. Aber soweit sie auch in die Landschaft blickte, das Mohnblütenrot war nirgends zu entdecken. Wohin könnte es nur entschwunden sein und wen könnte sie danach fragen? Unten im Tal badete das weitsichtige Himmelblau im See. Vielleicht wusste es, was geschehen war. Flabell lief zum Seeufer und rief so laut sie konnte: „Himmelblau! Hast du das Mohnblütenrot gesehen?“
Die Wellen kräuselten sich und ein Blaumännchen tauchte auf. Langsam kam es aus dem Wasser und murmelte dabei bedächtig: „Ich hab‘ es nicht fortgehen sehen. Eben war es noch da. Stark und schön im Morgenlicht. Plötzlich war es weg. Herrje!  Wie aus der Zeit gelöscht. Seltsam, nicht?“ Das tropfende Blaumännchen stieg an Land und  setzte sich verwundert zu der Suchenden: „Mit rechten Dingen ging es dabei wohl nicht zu.“
Die Mohnfee war ratlos. „Wie aus der Zeit gelöscht, sagst du? Kann denn Zeit gelöscht werden?“
Das Blaumännchen überlegte ein Weilchen und sprach schließlich: „Weiß nicht, wer die Zeit anhalten oder gar verschwinden lassen kann. Aber vielleicht musst du den Kobold, der die graue Vorzeit bewacht, danach befragen.“
„Und wo wohnt dieser Wächter?“, wollte Flabell wissen.
„In den Katakomben des Staubes.“ …

Die Mohnfee … (1)

Die Mohnfee Flabell erwachte geschüttelt von einem Windzug. Ihre Schlafblüte wankte noch, als sich die Zarte die Augen rieb. Dann sah sie in den Morgen und erschrak: Alle Mohnblühten waren verschwunden. Tausende, einfach weg. Das Rot war komplett vom Feld gefegt, bis auf ihre Schlafblüte.

Flabell sprang auf den Boden und fragte sehr aufgeregt den dort sandbadenden Junikäfer: „Weißt du wohin all die schönen Mohnblüten sind? Hat sie jemand gepflückt oder wurden sie verweht?“ Der Junikäfer wusste es nicht und so brach Flabell weiter in den Tag auf. Der kleinen Fee war es bange so allein. Ohne die anderen Blütenschwestern fühlte sie sich wie ein kraftloses Rot, das nun dem Sommer fehlte…