Morgenstunde (265. Blog-Notat)

Ich hadere mal wieder mit dem Alter, vor allem, wenn ich mich aus der Zeitung ansehe und ein zerknautschtes Morgengesicht zurückblickt – 66 Jahre alt und längst vom Kortison gezeichnet. Heilig Abend in der Gransee Zeitung gab es einen Beitrag über meinen Blog schorfheidewald.de, die Frau dahinter und dieses unvorteilhafte Konterfei. Es haben den Artikel nicht viele entdeckt, an so einem Tag … ganz klar, da ist keine Ruhe zum Zeitungslesen und ich denke: Gott sei Dank. Herrje: Atmen oder „schönsein“? Atmen ist alternativlos. Ich bin ungeübt mit dem Altern von Frauen in meiner Nähe. Bin jetzt vier Jahre älter als meine Großmutter Marie es wurde, 13 Jahre älter als meine Mam Rita, 17 Jahre älter als meine einzige Schwester Angelika. Die Schwiegermutter wird alt, aber sie hat andere Gene. In meiner Linie stehe ich ganz vorne und grusele mich durchaus an dieser Front. Ich fürchte nicht den Tod, nur den Verfall. Wann kommt die Gelassenheit? Es ist nicht die Zeit für Gelassenheit. Die Zeit dort draußen tobt zu wild, sie rüttelt an mir, lässt mich nicht wirklich in Ruhe. Vielleicht kommt Gelassenheit irgendwann, wenn der dünne Atem das öffentliche Lesen nicht mehr möglich macht, wenn ich mich zurückziehe und nicht mehr auftreten kann. Noch ist es nicht soweit, aber der Augenblick kommt näher…

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16 Gedanken zu „Morgenstunde (265. Blog-Notat)“

  1. Ich kann deine Sorgen fühlen, Petra. In der Linie ganz vorne zu stehen – das ist nicht sehr angenehm. Doch vielleicht gibt es auch in deiner Linie nicht nur Früh-Verstorbene, sondern auch andere, die alt wurden und an denen du dich orientieren kannst.
    Ich bin inzwischen viel älter als du, aber meine Geschwister leben noch – ich bin die Dritte. Meine Schwiegermutter und meinen viel jüngeren Schwager habe ich längst überlebt. Jetzt kommt die Zeit des Sterbens – der geht, jene geht.
    Aber noch ist es nicht so weit für dich. Erst kommt der Rückzug aus dem öffentlichen Raum. Den habe ich schon hinter mir, und es geht mir gut damit. Liebe Grüße.

  2. Liebe Gerda, Deine Worte tun mir gut und Du hast recht, es gibt da noch meinen Maler-Großvater, der immerhin 84 Jahre alt wurde. Ich habe viel von ihm… Da ist vielleicht eine Chance auf ein paar Jahre. Muss ich Dir erzählen: Der Großvater hatte kein Atelier. Wenn seine Auftraggeber kamen, führte er sie ins Schlafzimmer, wo Bildwerke den Raum und die Decke (!) täfelten. Da legte sich doch glatt mancher Betrachter auf die Federbetten und schaute sich satt. Herrlich anzusehen… andere Zeiten… Wie war es mit Deinem Rückzug ins Private, wie hast Du ihn empfunden? Liebe Grüße zurück.

    1. So eine tolle Erinnerung an den Großvater, danke dafür! Der Rückzug ging peu a peu und ist noch immer nicht vollständig abgeschlossen, da ich bei Anfrage weiterhin für psychologische Beratung (systemische Aufstellungen u.a.) zur Verfügung stehe.

      Als ich 57jährig mit dem eigentlichen Berufsleben Schluss machte, habe ich mich zunächst kopfüber in allerlei teils idiotische Aktivitäten gestürzt. Langsam aber fand ich meinen Rhythmus, wobei mir half, dass weder Kunst noch Beratung meine Hauptberufstätigkeit ausgemacht hatten. Die durften nun einen immer größeren Raum in meinem Leben einnehmen. Während das Malen ja eher eine zurückgezogene Tätigkeit ist, bringt die Beratungstätigkeit Menschen sehr nahe an mich heran. Auch machte ich weitere Ausbildungen in Kunsttherapie, arbeitete mit teilweise großen Gruppen, auch Schulklassen etc. So hatte ich mit diesen Aktivitäten beide Pole besetzt: mein Bedürfnis nach Rückzug einerseits – nach Kommunikation und Erweiterung des Kreises mir nahestehender Menschen andererseits, im Wechsel. Mit zunehmendem Alter wurden dann diese Kreise wieder kleiner, dafür aber auch wärmender. Inzwischen muss ich aufpassen, dass mein Rückzugsbedürfnis nicht überhand nimmt. Das Bloggen als virtueller Kreis ist mir da eine Hilfe.

      1. Liebe Gerda, dieses Rückzugsbedürfnis kenne ich inzwischen auch, aber ich möchte auch nicht, dass es überhand nimmt. Deshalb bin ich ganz froh, wenn die Leute mich von außen “bestürmen”, sich in meinen Garten oder ins Atelier setzten und Plaudern wollen… ansonsten ist bei mir die Arbeitsmenge nicht weniger geworden, eine Folge der langen Selbstständigkeit, das Entschleunigen dauert…. Liebe Grüße

  3. Es ist wohl auch, denke ich gerade, die Qualität der Zeit… der Jahreszeit jetzt, die an das Altern denken lässt. Dass ein neues Jahr gekommen ist und manfrau sich fragt, was damit werden wird und mit einem selbst darin. Es ist diese Wintermischung – so glaube ich zumindest ist es für mich – von Dunkelheit und Ruherückzug, die einerseits Energien aufzehrt, andererseits Zeit für Gedankengänge lässt, die sonst umgangen werden…

    1. Oh, verflixt, Freudsche Fehlleistung, verzeih, liebe Anna, ich hatte die beiden Namen zugleich im Blick auf den Mailbriefkasten. Da danke ich Dir für Deine weiten Gedanken und Arno aus Marburg hat sich ja weiter unten sofort selbst vorgestellt 🙂

      1. Gar kein Problem, liebe Petra, in Gegenteil, schön menschlich ist es, und so bin ich nun auch Arno begegnet. Nochmals ganz herzliche Grüße an dich, die du so wunderschöne Eulen portraitierst!

  4. Das stimmt, lieber Arno – “die Qualität der Zeit…”, die Dunkelzeit, die die Energie frisst und die allgemeine Zeit, die so rau wettert und mit nörgeliger Bösartigkeit aus den Abgründen röhrt. Sowas macht verletzlich und die Älteren erst recht. Liebe Grüße nach Marburg und vielen Dank für Deine Gedanken!

    1. Ich glaube, Deine Antwort war für mich, liebe Petra, die Grüße müssten dann aber tief in den Westen wandern, an die niederländische Grenze… 😉 Aber wer auch immer Arno ist, er sei auch gegrüßt von mir, schöne Grüße sind immer gut. 🙂

      1. Also hier ist Arno, als erster männlicher Nachfahre habe ich mal wieder die 50 überschritten und solange wir einigermaßen gesund sind, ist das Leben schön, liebe Petra. Du hast einen klugen, kreativen Kopf und gute Hände, mehr benötigt es erst einmal nicht …

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