Ein Sonntagsmärchen

Eri, die Heideelfe

Wenn im August die Heideelfen erwachen, leuchten die Sander der Schorfheide samtig violett, und der Sommer neigt sich. Unter einem der blühenden Zwergsträucher saß die etwas mollige Elfe Eri und sah den Spinnen beim weben ihrer Netze zu. Dabei naschte sie gemeinsam mit den Bienen den süßen Nektar der Besenheide. Sie liebte es in den Tag hineinzudösen und sammelte gleichmütig lila Blüten für einen heilsamen Wintertee. Nur für den Eigenbedarf, denn seine Wirkung hatten die Menschen längst vergessen. Die anderen Heideelfen verlegten sich deshalb auf das Zaubern von Illusionen und verspotteten Eri ob ihrer altmodischen Sammelleidenschaft und ihrer Fülle. Eri jedoch war nicht altmodisch, sie folgte einfach ihrem Daseinsgrund und bewahrte das Wissen der Heide – dort am Saum des großen Waldes. Sie wusste, wenn das Heidekraut bis in die Spitzen blüht, gibt es einen strengen Winter. Dann pflückte und trocknete sie vorsorglich mehr von den Blüten, die das Blut reinigen und Entzündungen lindern.
An einem sonnigen Nachmittag war ein Waldspazierer unterwegs. Er lauschte genüsslich dem Vogelkonzert und bückte sich immer wieder, um Blaubeeren zu pflücken. Plötzlich schnellte aus den Blaubeerbüschen eine Schlange, die ihn biss. Eri hörte seinen Schrei und ahnte, was geschehen war. Schnell riss sie etwas Laub und Blüten vom nächsten Heidestrauch und eilte dem Schrei nach. Der Mann hatte sich niedergelassen, atmete hastig und versuchte mit seinem Sonntagsschlips die Hand abzubinden, damit das Gift nicht in den Arm aufsteigen konnte. Ihm war schwummrig, als Eri vor ihm stand und auf den Schlangenbiss Laub und Heideblüten legte. Was dann geschah, konnte er nicht sagen. Am nächsten Morgen erwachte der Waldspazierer aus einem schweren Fiebertraum. Er lag im tiefen Moos, noch schwach, aber am Leben. Seine Hand war dick mit Heidekraut umwunden. Hatte er wirklich eine Gestalt ganz in Fliederrosa gesehen? Und gibt es denn das: Eine Elfe von so praller Schönheit? Der Waldspazierer verehrte mollige Frauen. Vorsichtig sammelte er sich, als Eri lautlos mit einer dampfenden Schale erschien. Der Waldspazierer schaute sie mit erstaunten Augen an, während sie den Umschlag löste und den Biss mit Heidetee auswusch. „Nun kannst du gehen, aber achte zukünftig besser darauf, wohin du greifst.“ Sie nickte ihm zu, dann lief sie zurück in die Heide, wo sie schon sehr bald mit der Farbe Lila verschmolzen war.



© Petra Elsner

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