Der siebente Fisch (2)

Öffentliches Schreiben: Hier entsteht eine Gartengeschichte für Familien. Ihr könnt abschnittweise mitlesen und mir so beim Arbeiten ein bisschen zusehen:
Zum 1. Abschnitt:

… Vorsichtig schlich der Großvater zum Teich, aber schwuppdiwupp war das hüpfende Büschel unter den Farnwedeln verschwunden. Leo Krause wartete ein Weilchen und fixierte dabei das Staudenbeet jenseits des Wassers, aber dort schnuffelte nur der Igel nach Käfern und Regenwürmern auf seiner Abendrunde. Langsam versank der Garten in der Dämmerung, heute würde Krause das Rätsel nicht mehr lösen können.
Schon mit den ersten Vogelstimmen stieg der Mann wieder aus seinem Bett, um nur gar keinen Teichbesucher zu verpassen. Mit einem Pott Kaffee platzierte er sich abermals auf der Bank hinter der Tarnplane und beobachtete das Gartenstück. Ein Waschbär durchstöberte das Revier und fraß das Fallobst von der Wiese. Dann ging er, wie er gekommen war, hinaus in den nahen Wald. Inzwischen fielen die Sonnenstrahlen auf die Solarzelle im Gras und setzten den leisen Bachlauf in Gang, was die Spatzen, Meisen und die Grasmücken bemerkten und sich dort nacheinander zum Morgenbad einfanden. Das heitere Gezwitscher weckte auch das rote Grasbüschel, das sich langsam aus seinem Steinversteck schob. Es hatte Arme und Beine und eine grüne Hose an. Der Großvater rieb sich die Augen und wunderte sich still. Das kleine Wesen legte sich auf seinen Bauch, tauchte sein Gesicht vollkommen in den Wasserspiegel und sah nach den Fischen: „Oh, wie schön bist du denn?“, wisperte der Rotschopf dem neuen Siebenten zu. „So, herrlich, so vollkommen anzusehen, komm näher, komm!“
Der Siebente fühlte sich geschmeichelt und schwamm auf das Wesen mit den schönen Worten zu. Das war der Moment, in dem Leo Krause seine Kescher über das Rot schnellen ließ und seinen Fang geschickt hochzog. In dem sackartigen Netz zappelte nun laut klagend ein Troll …

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Der siebente Fisch (1)

Öffentliches Schreiben: Hier entsteht eine Gartengeschichte für Familien. Ihr könnt absatzweise mitlesen und mir so beim Arbeiten zusehen:

„Ach, nö“, nörgelte der Großvater vor sich hin: „Schon wieder einer weg!“ Er schob sich die Brille fest auf die Nase und zählte noch einmal: „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs – äh, wo ist der Siebente?“ Er suchte mit seinen trüben Augen den Goldfischteich ab, aber der Siebente fehlte. Wo war er hin? Nachbars Kater schlich unschuldig auf seinen Samtpfoten durch das hohe Gras am Zaun und mauzte leise: „Ich war es nicht.“ Der Großvater sah ihm ungläubig hinterher, aber er würde schon dahinterkommen, wer den Siebenten geraubt hatte. Den letzten Siebenten hat ein Silberreiher geholt und den hatte Leo Krause jetzt auch wieder in Verdacht. Er musste sich einen neuen Siebenten besorgen. Sieben war eine magische Zahl: Sieben Tage hat die Woche. Sieben Weltwunder gibts, sieben Tore zählt die Unterwelt und im siebenten Himmel wohnt die Liebe. Märchen verehren die magische Sieben in „Die sieben Raben“ oder „Schneewittchen und die sieben Zwerge“. Die Sieben war Leo Krauses auserkorene Glückszahl, die er für sein Wohlbefinden brauchte. Ein zerbrochener Spiegel bringt sieben Jahre Pech und so ein Wasserspiegel aus dem jemand einen Fisch stielt, ist gewissermaßen auch kurzweilig zerbrochen. Also fuhr Leo Krause, das Unglück verhütend, in seine Lieblingszoohandlung und kaufte sich einen neuen siebenten Goldfisch. Das hat er schon öfter machen müssen, deshalb grinste der Verkäufer den alten Mann an: „Schon wieder einen Siebenten?“ Leo Krause nickte wortlos und guckte sich einen neuen Fisch aus. Diesmal solle es ein ganz besonderer Goldfisch sein, einer mit Schleierschwanzflossen, damit er ganz sicher sein könnte, er ist der echte Siebente. Zuhause angelangt, goss der Großvater das Glas mit dem Fisch vorsichtig in seinen Teich und begab sich auf die Lauer. Denn schließlich konnte er ja nicht alle Gartenbewohner unter Verdacht stellen. Üble Nachrede, das ging für Leo Krause so gar nicht. Er wollte Klarheit. Hinter einer Tarnplane mit Guckloch saß der Mann auf seiner Bank und wartete, was am Teich zur Abendstunde geschah. Die Schnecken krochen aus dem Moos am Wasserrand und schlichen hinüber zum Salatbeet. Zwei Ringeltauben kamen, um zu baden.  Die Fische interessierten sie dabei nicht. Sonst geschah lange Zeit nichts. Leo Krause wäre beinahe eingenickt, als er ein Knirschen vernahm. Woher kam es? Eine Steinplatte am Ufer bewegte sich und etwas Rotes kam zum Vorschein. Von weitem sah es so aus, als wäre es ein roter Grasbatzen, der sich sehr geschwind bewegte…

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