Morgenstunde (148. Blog-Notat)

Zeichnung: Petra Elsner

Manchmal wünsche ich mir weniger Geschwindigkeit. Ich mag es, wenn die Dinge nicht so an einem vorbeihuschen, langsam klare Kontur bekommen. Pferdewagentempo wäre meins. Und immer schon habe ich Probleme mit neuer Technik, der ersten Inbetriebnahme. Kaum zu glauben, wie schüchtern ich vor solchen Neuerungen hocke. Es ist, als blockiere der Verstand und meine Seele jault: Nicht schon wieder… Bei neuen Projekten aus meinem Kopf ist das komplett anders, da kann es nicht schnell genug vorwärtsgehen und es kann auch immer viel davon sein.

Nur einer hat mir diesen Zugang zu Neuem federleicht gemacht: Gerdchen, der ständig angetrunkene Mathematiker aus dem vormaligen Institut für Hochenergiephysik in Zeuthen bei Berlin, wo ich bis 1992 lebte. Während des berühmten Institutsfaschings hat er mir das nächtliche Rechenzentrum gezeigt. Der russische Großrechner BESM blinzelte mir aus dem Dunkel der Halle ganz romantisch zu, seine Dimension blieb dabei rätselhaft und das zusammen hat mir doch gut gefallen. Gerd wollte nicht anbändeln, er wusste von meiner Schwester, das Mathe und Technik so gar nicht meins waren. Aber genau so eine suchte er als Testperson und ich sagte ihm dafür in dieser feuchtfröhlichen Nacht zu. Eine Woche später hockte ich vor seinem selbstgebauten PC, der für heutige Verhältnisse auch schrankgigantische Ausmaße hatte. Er gab mir drei Blätter in die Hand, die den Zugang zu diesem „Kleinrechner“ erklärten. Ich sollte einfach nur seine Gebrauchsanweisung lesen und losmachen. Starten, Funktion der Programme erkennen und einen Satz schreiben. Er verließ den Raum und ich kam doch wirklich ohne jede weitere Hilfe voran. Wir schreiben das Jahr 1979, ich saß zuvor noch nie an einem PC! Eine tolle Erfahrung für mich. Was will ich damit sagen? Es kommt darauf an, es logisch (Logik ist die Wissenschaft über die Eigenschaften der Sprache!!!) und verständlich zu erklären. Der Schreiber eines Gebrauchszettels sollte sich immer fragen: Was muss ich einem sagen, der ohne Vorkenntnisse dieses Gerät bedienen will oder muss… dann geht es auch stressfrei.

Gestern Abend also hockte ich vor der Schachtel mit dem Inhalator und fragte mich entsetzt – welcher von den zwei Mundstückaufbauten – wofür? Genau das wird nicht näher erklärt – herrje, vor der zweiwöchigen Beatmungskur stehen abermals die Schrecken des Nichtverstehens. Der Imkergatte muss es richten, weiß er schon. Nun denn, nach der Kur, soll mein Lungenvolumen wieder besser sein, das ist ein wahrer Anreiz. In der Charité hat man mir am Montag wirklich gute Hoffnungen gemacht. Aber keine Sorge, ihr lieben Leute auf der Alm oder auf Wolkenstein – auf Berge komme ich nicht mehr. Das ist zwar sehr schade, aber Flachlandlatschen ist doch auch schön…

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4 Gedanken zu „Morgenstunde (148. Blog-Notat)“

  1. Ich kann dich soooo gut verstehen, liebe Petra. Mein erster Schnellkochtopf stand fünf Jahre im Schrank, meine erste Kamera habe ich 1 Jahr lang nicht mal ausgepackt usw. Wenn ich dann mal angefangen habe, bin ich erst wieder ruhiger, wenn ich alles weiß und kann, aber der Anlauf ist immer gewaltig. Die Atemmaschine hatte ich ebenfalls schon, und es hat ganz gut geklappt, also Augen zu und durch 🙂

    P.S. 1979 warst du mit einem PC aber ganz weite vorne 😉

  2. Ach, wie schön, ich bin nicht allein :). Dank Dir lieber Arno für den Zuspruch!!! Der Imkergatte hat das Teil inzwischen montiert es kann also losgehen. Mit dem PC, stand ich nach dieser ermutigenden Begegnung immer auf einem guten Fuß. Allein wenn ich an das Tipp-Ex denke…. so saubere Texte gab es früher (fast) nie. 1980 bekam ich meinen ersten Job bei der Zeitung, die Mitte der 80er Jahre mit PC’s zu arbeiten begannen – mit grünem Destop und gelber Schrift :(. Für jede Stiländerung (kursiv, fett) musste man eine x-stellige Programmierzahl angeben. Laut war das Teil, der Bildschirm winzig und der stattliche Rest so groß wie ein Anrichte. So wars. Fünf Jahre später hatten wir geschmeidige Mac’s… und jetzt wohne ich im Funkloch und weiß deshalb nicht, wie ein Smartphon funktioniert… irgendwie aus der Zeit gefallen. 🙂

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