Sagenhafter Barnim

Das Wassermännlein vom Grimnitzsee

Das graue Wassermännlein Zeichnung von Petra Elsner
Das graue Wassermännlein
Zeichnung von Petra Elsner

An einen späten Abend klopfte ein kleines, graues Männlein an die Hoftür eines Bauern in Althüttendorf. Die sonderbare Gestalt bat um ein Nachtquartier. Weil der Bauer arm war, konnte er nur seine Ofenbank oder den Heuschober als Lager anbieten. Doch das Männlein lehnte ab. Ein kühleres Plätzchen am Wasser wäre ihm viel lieber. Da spöttelte der Bauer: „Ja, wenn das so ist, kannst du ja in den Brunnentrog schlüpfen oder dich einfach am Weiher niederlegen.“ Das Männlein dankte, lief zum Weiher und vergrub sich dort zwischen den grünen Binsen, wie in einem Heuhaufen unterm Sternenhimmel. Der Bauer staunte am nächsten Morgen nicht schlecht, als das Männlein vollkommen trocken seinem ungewöhnlichen Nachtlager entstieg. Auf den verwunderten Blick seines Gastgebers hin fragte die graue Gestalt: „Hast du noch nie ein Wassermännlein gesehen? Dann schau genau hin, denn es könnten hundert oder gar aberhundert Jahre vergehen, bis einer von meiner Art wieder auf Erden weilt.“
Der Bauer war beeindruckt und fragte sodann: „Und wohin willst du jetzt aufbrechen?“ Da seufzte das graue Männlein: „Mir ist mein Weibchen verloren gegangen, ich will es heute am Grimnitzsee suchen. Kannst du mich ein bisschen begleiten?“ Der Bauer nickte und begab sich mit seinem Gast auf den Weg. Der Himmel hing tief und grau über dem weiten, flachen Gewässer, als das graue Männlein dem Bauern herzlich dankte und in die Wellen stieg. Zu guter Letzt rief es noch: „Warte auf mich und gehe erst, wenn du mein Zeichen siehst!“ Der Bauer starrte eine halbe Stunde auf den silbern schimmernden See. Da plötzlich tauchte der Wanderstab des Wassermännleins über der Mitte des Sees auf, sprang hoch in die Luft und verschwand wieder unter der Wasseroberfläche. Der Bauer lächelte. Da hatte sein freundlicher Gast seine Liebe wiedergefunden, und er konnte beruhigt heimgehen.

(Nach Rudolf Schmidt, Sagenschatz des uckermärkischen Kreises Angermünde, 1920, aufgefrischt von Petra Elsner)

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