Teetassen (Abschnitt 3)

Eine Kurzgeschichte in Arbeit:

… Sie stand in dieser Wagentür stolz und anmutig, aber auch ein wenig hochnäsig in ihrer schicken Uniform. Irgendetwas an ihr kam Tom vertraut vor. Nur was war das? Er wusste es nicht. Seine Augen fixierten die Frau während seiner Erinnerungssuche und sie fühlte sich seltsam von seinem Blick berührt. Sie sah zu dem Wartenden und fragte in fließendem Deutsch: „Auch einen Tee?“
Tom stutzte, nickte, stand auf, hob sein Päckchen mit einer Hand in die Höhe und meinte: „Ich habe sogar Tassen dabei.“ Nach diesem Satz zuckte er innerlich zusammen: Wie blöd war das jetzt? Er stand noch unbeholfen mit seinem Karton in der Luft, da winkte die Schaffnerin schnippisch ab:
„Meine sind schöner, komm!“
Tom dachte nichts mehr, er stieg ein, der Zug ruckte und fuhr los. Vergessen war die Mutter im ICE. Die Schaffnerin duftete nach Orchideen. Sie schob ihn zu einem Platz im Dienstabteil am Ende des Gangs, neben dem ein mit Holzkohle beheizter Kessel siedendes Wasser bereithielt. Er sah ihr fasziniert zu, wie sie aus einem kleineren Teekessel etwas Sud in eins dieser prächtigen Gläser goss und es mit heißem Wasser aus dem Samowar auffüllte. „Das ist russische Teekunst“, säuselte sie selbstbewusst.
Er nippte vorsichtig: „Oh, wunderbar aromatisch! Wie bereitet man ihn zu?“
Sie setzte sich zu ihm und erklärte ihm das Samowar-Prinzip: „Russischen Tee lose in den Teekessel geben. Für jede geplante Tasse einen Teelöffel voll. Ein wenig Wasser dazu, dann den Teekessel auf den Wasserkessel setzen und mit kochendem Wasser auffüllen. Etwa ein Viertel des Wasserkesselsinhaltes. Nicht länger als 20 Minuten ziehen lassen. Das geht nur mit Russischem Schwarztee. Du kannst nicht irgendeinen anderen dafür nehmen, sie werden alle zu schnell bitter. Ausgenommen Türkischer Tee, der tut es auch.“
Sie schwiegen und tranken ihren Tee. Draußen flog die Landschaft vorbei…

© Petra Elsner
14. Juni 2019

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