Sagenbearbeitung: Die Fischer vom Grimnitzsee

… oder wie die Fische im Grimnitzsee zu ihrem silbernen Gewand kamen:

Der weinende Fischer vom Grimnitzsee Zeichnung: Petra Elsner
Der weinende Fischer vom Grimnitzsee
Zeichnung: Petra Elsner

Am Grimnitzsee lebten einst zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Der eine war gutmütig, der andere bösartig und neidisch. Sein hartes Herz verletzte mit jedem Schlag das weiche Herz des Bruders und löste dabei ein Stäubchen von ihm ab. Diese Lebenswölkchen entschwanden allesamt im Wasser des nahen Sees.
Als das allerletzte Stäubchen entwichen war, fiel der gutherzige Bruder tot um. Der Mann mit dem Herzen aus Stein rieb sich die Hände und war froh, denn nun musste er keine Fische mehr teilen. Doch als er heimkehrte, tanzten in seinem Katen unzählige, flirrende Teilchen im Raum, die auch ein Luftzug nicht vertreiben konnte. Stattdessen sprachen die Stäubchen mit der Stimme des toten Bruders: „Dein hartes Herz hat meins zerrissen. Jedes Stäubchen von meinem Herzen steht für einen Fisch, den du mir nicht gegönnt hast. So viel Neid konnte ich nicht mehr ertragen. Trotzdem hege ich gegen dich keinen Rachegedanken, was ich dir beweisen will: Geh, hole meinen alten Rock und hänge ihn in den Staub. Wenn nur ein einziges Stäubchen einen Groll gegen dich enthält, dann soll er wie ein nasser Sack zu Boden fallen. Wenn nicht, dann werden ihn meine guten Gedanken festhalten und tragen. Der bösartige Bruder holte den Rock herbei und staunte, als der im Staub hängen blieb. Er schwebte wie von Zauberhand getragen. Da bereute er all seine üblen Gedanken und miesen Taten. Abends ruderte er auf den Grimnitzsee und weinte und weinte. Jede bittere Träne, die in den großen, flachen See tropfte, wurde zu flüssigem Silber. Alle Fische überzog es mit seinem Glanz, aus dem man Perlen gewinnen konnte. Die Wasserfurche am Bootsheck formte aus den Trauertränen ein Silberband. Dieser glitzernde Streifen war noch viele Jahre zu sehen, bis schließlich auch der weinende Bruder starb. Damals verschwand der Silberschweif im Grimnitzsee. Nur seine Fische tragen bis auf den heutigen Tag ein silbernes Gewand.
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Sagenhafter Barnim

Für die Geschichtsseite des Barnim Echos (Lokalteil der MOZ) frische ich seit September 2015 alte Sagen auf und illustriere sie. Ich bearbeite dazu Material aus alten Sammlungen  sprachlich, manchmal auch logisch, hier und da kommen Gestalt gebende Akzente, zuweilen auch spannende Handlungen hinzu, um sie in einer gut lesbaren Sprache dem regionalen Kulturgut  zu überlassen.

Ein Beispiel:
Das ist die Quelle und mein “Rohling” zu:

Die Windsbraut
In Biesenthal und der Umgegend erzählt man: Die Windsbraut war vor Zeiten ein reiches Edelfräulein, welche die Jagd über Alles liebte, aber die Aecker und Gärten der Bauern und deren sauren Schweiß für nichts achtete, und mit gewaltigem Ungestüm durch Saatfelder und Pflanzungen dahinstürmte; dafür ist sie verwünscht worden, in alle Ewigkeit mit dem Sturme dahin zu fahren, und wenn der sich nun erhebt, so eilt sie ihm voran und wird von feurigen Ungethümen, Schlangen und Drachen gejagt, die sie nirgends ruhen lassen.
Quelle: Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 174.

Daraus schuf ich diese Fassung:

Die Windsbraut

Im Schloss von Biesenthal lebte einst ein zartes Edelfräulein, das liebte die wilde Jagd durch den tiefen Wald und die offene Flur. Die Rosenschöne preschte auf ihrem schnellen Ross den brünftigen Hirschen nach. Geschwind wie der Wind war die geschickte Jägerin, doch rücksichtslos zertrat sie dabei Felder und Gärten. Kein Funken Respekt vor der schweißtreibenden Arbeit der Landleute wohnte in ihren Gedanken. Deshalb wurde sie auf Ewigkeit verwünscht, als sie abermals verwüstend über die Saatfelder und Anpflanzungen dahin preschte. Fortan raffte sie als weiblicher Wirbelwind ihre sandigen Röcke und brauste mit dem großen Sturm. Gejagt von Schlangen und feurigen Drachen, die sich in den Saum ihres wehenden Schleiers aus Spinnweben verbissen. Noch immer treiben sie die Ungetüme mit dem Zeitenwind über das Land. Grau und ruhelos. Niemals mehr betraten ihre Füße wieder festen Boden. Denn würde die Windsbraut landen, zerfiele sie zu Staub. So wurde die hochmütige Jägerin zur gejagten Braut des Windes.

Nach Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, aufgefrischt und erweitert von Petra Elsner

Die Windsbraut über dem Schlossberg aus der Mäuseperspektive. Zeichnung: Petra Elsner
Die Windsbraut über dem Schlossberg aus der Mäuseperspektive.
Zeichnung: Petra Elsner

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