Morgenstunde (400. Blog-Notat)

„Na, dit Jeschäft in der Telefonzelle wird wohl nix !“ So oder so ähnlich kommentierte ein Tornower den Aufbau des ausrangierten Telekom-Möbels im Vorbeiradeln. Sollte ja auch kein Geschäft werden – dieser Mini-Ort. In ihm ging es früher ums Sprechen, jetzt geht es ums Lesen und Büchertauschen. Die Akteure nennen ihn: Dorfbücherei. Samstag wurde sie bei Starkregen eröffnet und wieder der stille Zweifel im Voraus – was wird das denn (bei diesem Wetter)? Das große Zelt hatte nur zur Windrichtung eine Seitenwand bekommen und war so Corona-korrekt belüftet. Zu meiner großen Überraschung kamen dann doch etliche wetterfeste Bürger gegen 15 Uhr. Aus Respekt vor der Gemeinschaftsleistung, die von Ortsvorsteherin Anja Wunderlich inspiriert, animiert und erbeten wurde. Die Einen bauten das Fundament, die Anderen spendeten Geld oder gute Bücher, wieder andere bauten schicke Regale und die zwei Frauen, Anja und Freundin Käti strichen das alte Magenta und den Rost weg und nun passt die Zelle in die Dorflandschaft ohne Augenschmerzen zu bereiten. Im Gegenteil, ein Schmuckstück ist sie geworden und nach dem Festakt unterm Zelt, hat Anja sie für immer und jeden aufgeschlossen. Das Sichten und Blättern in dem Bücherschatz werden später folgen, wenn‘s wieder trocken ist. Unter dem Zelt herrschte ein entspanntes Beieinander, drüber prasselte der Regen eine wilde Geräuschkulisse. Nach den offiziellen Worten der Ortsvorsteherin spielte der unvergleichliche Michael Seidel (Musik-Comedian, TV-Macher) Schifferklavier und sang dazu das Feierabendlied „Drei Zigeuner“ und „Die Gedanken sind frei“, ich las drumherum drei Kurzgeschichten und alle hatten wirklich Spaß miteinander. Selten genug in dieser Zeit. Das Zelt hat den Windböen standgehalten und gegen die lautstarken Tropfen hatten wir Verstärker und das Mikro dabei. Mit anderen Worten, wir alle haben das Beste aus der Situation gemacht. Für Helfer und Akteure gabs dann anschließend noch Glühwein und Bratwürste aus der Pfanne in einer kleinen launigen Runde in der Wunderlich-Scheune. Herrlich und draußen wütete das Wetter…

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